CK erhöht: nicht nur Herz und Muskeln kommen infrage
Makroenzyme

CK erhöht: nicht nur Herz und Muskeln kommen infrage

Wie deuten Sie diesen Befund?
Ausgabe
2021/0506
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2021.08577
Swiss Med Forum. 2021;21(0506):90-92

Affiliations
Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV), Lausanne: a Service de médecine interne; b Service de chimie clinique

Publiziert am 02.02.2021

Eine 56-jährige Patientin sucht ärztlichen Rat, da sie seit einem Jahr an einer mit Muskelschmerzen einhergehenden Asthenie mit progressivem Verlauf leidet.

Fallbeschreibung

Die 56-jährige Patientin sucht ärztlichen Rat, da sie seit einem Jahr an einer mit Muskelschmerzen einhergehenden Asthenie mit progressivem Verlauf leidet. In der Vergangenheit sind keine relevanten Ereignisse aufgetreten und laut der Patientin waren weder Fieber noch Schwitzen oder Gewichtsverlust zu beobachten. Sie verneint jegliche Herz- oder Atembeschwerden und weist keine kardiovaskulären Risikofaktoren auf. Die Patientin lässt sich regelmässig gynäkologisch untersuchen, zuletzt vor zwei Monaten. Sie konsumiert weder Drogen noch Medikamente.
Klinisch findet sich ein guter Allgemeinzustand mit nachfolgenden Vitalparametern: Herzfrequenz 67/min, arterieller Blutdruck 124/76 mm Hg, Sauerstoffsättigung bei Raumluft 98%, Körpertemperatur 36,9 °C. Der kardiopulmonale Befund ist normal und die körperliche Untersuchung liefert darüber hinaus keine weiteren Hinweise, insbesondere in neurologischer, osteoartikulärer oder kutaner Hinsicht.
Die Laboruntersuchungen ergeben, dass das Blutbild ebenso im Normbereich liegt wie die Gerinnungstests, die Elektrolyte, die Nierenfunktion, der Laktatdehy­drogenase-Wert (LDH), die Leberwerte und die Schilddrüsenfunktion. Auch ein Entzündungssyndrom ist nicht festzustellen. Zu erwähnen ist, dass der behandelnde Arzt die Konzentration der Kreatinkinase (CK) bestimmt hat: Diese ist erhöht und schwankt seit sechs Monaten zwischen 255 und 340 U/l (Referenzbereich: 26–192) bei einem CK-MB-Wert zwischen 44 und 62 U/l (Referenzbereich: 7–25) und einem CK-MB/CK-Quotienten von rund 18% (normal: <6%), ohne verfügbaren Vergleichswert. Die wiederholt gemessene Konzentration des hochsensitiven Troponin T liegt im Normbereich. Auch die Werte der myositisspezifischen Autoantikörper und der Aldolase sind normal. Das Elektrokardiogramm (EKG) weist nicht auf eine Ischämie hin und die Echokardiographie ergibt eine erhaltene linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF).
Zusammenfassend leidet die Patientin an einer Asthenie und Muskelschmerzen, die Laboruntersuchungen ergeben einen erhöhten Gesamt-CK-Wert mit Erhöhung des CK-MB/CK-Quotienten.

Frage: Wozu sollte die Interpretation dieser Laborergebnisse nun Anlass geben?


a) Einem Belastungstest
b) Einer Muskelbiopsie
c) Einer CK-Elektrophorese
d) Einer onkologischen Abklärung (Computertomographie des Brust-, Bauch- oder Beckenraums, gynäkologische Abklärung und Koloskopie)

Antwort:


Die richtige Antwort ist c.

Diskussion

Die Patientin zeigt keine kardiovaskulären Risikofaktoren und keine pektanginösen Symptome, das EKG weist nicht auf eine Ischämie hin. Der Troponin-Wert ist normal und die CK-Konzentration zeigt keine steigende Tendenz. Die transthorakale Echokardiographie ergibt eine erhaltene LVEF, eine Kinetikstörung ist nicht erkennbar. Diese Faktoren reichen aus, um eine ischämische Kardiopathie begründet auszuschliessen, ein Belastungstest ist nicht angezeigt.
Die Schwankungen des CK-Werts können auf eine entzündliche Myositis hinweisen. Allerdings ist diese Dia­gnose gemäss den von Troyanov und Targoff vorgeschlagenen Kriterien [1] sehr unwahrscheinlich, da keine Muskelschwäche vorliegt, die Muskelenzym-Serumkonzentrationen (Aldolase, Alanin-Aminotransferase [ALAT], Aspartat-Aminotransferase [ASAT] und LDH) und myositisspezifischen Autoantikörper normal sind und kein Hautausschlag und keine Papeln festzustellen sind.
Eine Muskelbiopsie wäre angezeigt, wenn eine Elektromyographie spezifische myopathische Veränderungen zeigen sollte.
Da kein Hinweis auf eine ischämische Kardiopathie oder entzündliche Myopathie vorliegt und kein Verdacht auf Rhabdomyolyse besteht, sollte das Vorliegen von Makro-CK erwogen werden. Dabei handelt es sich um komplexe Makroenzyme mit hohem Molekulargewicht, die im Vergleich zu den normalen Isoenzymen durch eine geringere Plasma-Clearance und längere Halbwertszeit gekennzeichnet sind. Dadurch kommt es zu einer artefaktischen Erhöhung der Serumaktivität der CK und insbesondere der CK-MB.
Die CK ist ein zytoplasmatisches Enzym, das in diversen Geweben in dimerer Form vorkommt. Die beiden Untereinheiten werden als CK-M und CK-B bezeichnet. Diese Untereinheiten bilden drei Isoenzyme: CK-BB, CK-MB und CK-MM. Ausserdem existiert eine mitochondriale Isoform. Die CK-MM ist die überwiegende Form in den Skelettmuskeln, die CK-BB kommt im ­Gehirn und der glatten Muskulatur vor. Die CK-MB ist in hoher Konzentration im Myokard und in geringem Ausmass in den Skelettmuskeln zu finden. Beim Gesunden macht die Isoform CK-MM im Wesentlichen die Gesamtheit der CK im Serum aus (96–100%). Eine Myokardläsion, etwa im Rahmen eines akuten Infarkts, führt zur Erhöhung der Konzentration der zirkulierenden Isoform CK-MB. Da die Makro-CK mit der CK-MB-Messung interferiert, kann sie die Ursache für falsch erhöhte CK-MB-Werte sein und dazu führen, dass irrtümlich ein Myokardinfarkt diagnostiziert wird. Die Folge sind oftmals unnötige, teure und invasive kardiologische Untersuchungen.
Unterschieden werden zwei Typen von Makro-CK: Sie entstehen entweder durch die Bindung eines CK-Isoenzyms (meist Isoform BB, seltener MB oder MM) an ein Immunglobulin, üblicherweise IgG, bisweilen IgA oder IgM (Makro-CK Typ 1), oder durch Polymerisierung des mitochondrialen Isoenzyms (Makro-CK Typ 2).
Die Prävalenz von Makro-CK Typ 1 beim Erwachsenen ist gering und schwankt je nach Studie zwischen 0,43% und 2,5% [2, 3]. Es wurde eine Assoziation mit bestimmten Krankheiten beschrieben, insbesondere mit Myositis, Hypothyreose, Colitis ulcerosa und Herz-Kreislauf-Erkrankungen [2]. Auch ein Vorkommen bei Gesunden wurde beschrieben [2].
Die Prävalenz von Makro-CK Typ 2 wird auf 0,5 bis 3,7% geschätzt [3, 4]. Beim Erwachsenen kommt Makro-CK Typ 2 bei Personen mit onkologischen (häufig metastasierten) Erkrankungen vor und scheint während der Tumorlyse freigesetzt oder direkt von der Krebszelle gebildet zu werden. Die am häufigsten assoziierten Krebserkrankungen sind das kolorektale, Lungen-, hepatozelluläre, Mamma-, urologische und das Magenkarzinom [5]. Auch mit Lebererkrankungen ist dieser Makro-CK-Typ assoziiert, vor allem mit Zirrhose. Die Makro-CK wird wahrscheinlich von den Hepatozyten im Zuge der Nekrose und Zellregeneration in den Kreislauf freigesetzt. Festzuhalten gilt, dass Makro-CK Typ 2 auch bei HIV-positiven Personen, die antiviral behandelt werden, nachgewiesen wurde [2].
Die Bestimmung der CK-MB-Aktivität mittels Immuninhibition beruht auf monoklonalen Antikörpern ­gegen das CK-M-Monomer, welche die CK-MM-Aktivität vollständig und die CK-MB-Aktivität zur Hälfte hemmen. Die Restaktivität geht folglich auf die Aktivität des CK-B-Monomers der CK-MB zurück. Dies gilt für eine Methode, die voraussetzt, dass die Aktivität des Isoenzyms CK-BB im normalen Serum nahezu nicht detektierbar ist. Darauf beruht die geringe Spezifität, wenn in der Serumprobe andere Formen als CK-MB vorliegen, sei es CK-BB oder Makro-CK. In beiden Fällen wird darum die CK-MB-Aktivität zu hoch bewertet. Die Präsenz von Makro-CK kann bisweilen auch zu verfälschten Ergebnissen mit einer CK-MB-Aktivität führen, die höher – bisweilen weit höher – als die Gesamt-CK-Aktivität liegt [5].
Sobald der Verdacht auf Makro-CK vorliegt, muss die Dia­gnose mittels Elektrophorese bestätigt werden. Sie ist derzeit der Goldstandard für die Detektion der ­Makro-CK und ermöglicht die Unterscheidung der drei Isoformen sowie die Detektion allfälliger Makro-CK (Abb. 1). Diese Methode hat den Vorteil einer hohen Spezifität und Sensitivität [6]. Da im Allgemeinen lediglich bei ­einer Erhöhung des Gesamt-CK-Werts das Vorliegen von Makro-CK vermutet wird, mangelt es allerdings der Diagnosestellung insgesamt an Sensitivität: Der ­Gesamt-CK-Wert kann bei bis zu 80 bis 90% der Fälle, in denen Makro-CK festgestellt werden, normal sein.
Abbildung 1: Elektrophorese der Kreatinkinasen (CK) mit CK-MM, CK-MB, CK-BB, Makro-CK Typ 1 und Makro-CK Typ 2 (nach [7]).
Eine CK-Elektrophorese kostet 31 CHF.
Bei unserer Patientin wird durch die Elektrophorese Makro-CK Typ 2 nachgewiesen. Daraufhin zeigt eine Koloskopie vier sessile Polypen, der grösste davon weist einen Durchmesser von 22 mm auf. Nach dessen vollständigen Abtragung ergibt die histologische Untersuchung ein gut differenziertes Adenokarzinom mit einer Tiefeninvasion von unter 1 mm hin. Die drei übrigen Polypen sind villöse Adenome, die vollständig entfernt werden.
Die asymptomatische Erhöhung der CK oder der CK-MB ohne feststellbare Ursache sollte also stets mittels CK-Elektrophorese untersucht werden, um eine allfällige Makro-CK nachzuweisen.
Onkologische Untersuchungen sind erst angezeigt, wenn mittels Elektrophorese Makro-CK Typ 2 nachgewiesen wurde. In diesem Fall sollten eine gynäkologische Untersuchung mit Mammographie, eine CT-Untersuchung des Brust-, Bauch- oder Beckenraums sowie eine Koloskopie erfolgen.

Hauptbotschaften

• Das Vorliegen von Makro-CK ist in Betracht zu ziehen, wenn:
– der Gesamt-CK-Wert ohne feststellbare Ursache über längere Zeit erhöht ist;
– der Anteil von CK-MB an der Gesamt-CK-Konzentration über 50% liegt [3], und umso mehr, wenn der CK-MB-Wert den Gesamt-CK-Wert übersteigt.
• Der Nachweis von Makro-CK Typ 2 sollte Anlass für onkologische Untersuchungen sein.
Die Autoren bedanken sich bei Prof. Gérard Waeber, Chefarzt Département de médecine, CHUV, und bei Dr. Emilio Minas Valvini, Chefarzt Service de médecine interne, Hôpital du Jura bernois, für die Durchsicht des Artikels.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Damiano Pongan, dipl. Arzt
Service de médecine interne
Centre hospitalier universitaire vaudois
Rue du Bugnon 46
CH-1011 Lausanne
damiano.pongan[at]chuv.ch
1 Troyanov Y, Targoff IN, Tremblay JL, Goulet JR, Raymond Y, Senécal JL. Novel classification of idiopathic inflammatory myopathies based on overlap syndrome features and autoantibodies: Analysis of 100 French Canadian patients. Medicine (Baltimore). 2005;84:231–49.
2 Aljuani F, Tournadre A, Cecchetti S, Soubrier M, Dubost JJ. Macro-creatine kinase: a neglected cause of elevated creatine kinase. Intern Med J. 2015;45:457–9.
3 Galarraga B, Sinclair D, Fahie-Wilson MN, McCrae FC, Hull RG, Ledingham JM. A rare but important cause for a raised serum creatine kinase concentration: two case reports and a literature review. Rheumatology (Oxford). 2003;42:186–8.
4 Pérez de Ciriza C, Varo N. Macro Creatine Kinase: comparison of different screening methods and revision of the bibliography. Biochem Anal Biochem. 2014;3:161.
5 Chang CC, Liou CB, Su MJ, Lee YC, Liang CT, Ho JL, et al. Creatine kinase (CK)-MB-to-total-CK ratio: a laboratory indicator for primary cancer screening. Asian Pac J Cancer Prev. ­2015;16(15):6599–603.
6 Bohner J, Stein W, Steinhart R, Würzburg U, Eggstein M. Macro creatine kineses: results of isoenzyme electrophoresis and differentiation of the immunoglobulin-bound type by radioassay. Clin Chem. 1982;28:618–23.
7 Lee KN, Csako G, Bernhardt P, Elin RJ. Relevance of macro creatine kinase type 1 and type 2 isoenzymes to laboratory and clinical data. Clin Chem. 1994;40:1278–83.