Durchfall beim Reiserückkehrer
Das Wichtigste zur Therapie und Diagnostik in der Praxis

Durchfall beim Reiserückkehrer

Übersichtsartikel
Ausgabe
2021/0910
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2021.08648
Swiss Med Forum. 2021;21(0910):149-153

Affiliations
a Departement Medizin, Schweizerisches Tropen- und Public Health Institut, Basel; b Universität Basel, Basel; c Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention, Universität Zürich; d Département de Médicine de Premier Recours, Hôpitaux Universitaires Genève (HUG), Genève; e Universitätsklinik für Infektiologie, Universitätsspital Bern, Universität Bern; f Medical Intelligence, Sanitätsdienst der Armee, Swiss Armed Forces

Publiziert am 02.03.2021

Durchfall ist der häufigste Grund, nach einer Reise einen Arzt aufzusuchen. Um eine Überdiagnostik zu vermeiden, sind Kenntnisse zu möglichen Ätiologien, insbesondere in Zusammenhang mit der Symptomdauer, entscheidend.

Einleitung

Durchfall ist der häufigste Grund, nach einer Reise ­einen Arzt aufzusuchen [1]. Trotz rückläufiger Inzidenzraten leiden je nach Reisedestination während ­einer zweiwöchigen Reise 10–40% der Reisenden unter Durchfall [2, 3]. Mit diesem Übersichtsartikel wollen wir, basierend auf den derzeit aktuellsten Therapieempfehlungen, den 2017 publizierten «Guidelines for the prevention and treatment of travelers’ diarrhea: a graded expert panel report» [4], praxisrelevante Aspekte der Diagnostik und Therapie zusammenfassen. Die Diskussion des in der Schweiz für die Therapie des Reisedurchfalls nicht erhältlichen Medikamentes Rifaximin sparen wir hierbei aus und verweisen auf die Leitlinien [4].

Aktuelle Klassifikation

Wurde der Reisedurchfall in der Vergangenheit meist quantitativ basierend auf der Anzahl loser Stuhlgänge pro Tag klassifiziert [5], wird in den neuen Leitlinien eine qualitative Klassifikation basierend auf funktionellen Einschränkungen empfohlen[4]. Diese auf Evidenz und Expertenkonsens beruhende Klassifikation soll es dem Reisenden ermöglichen, während der Reise eine Selbsttherapie durchzuführen und dem Praktiker die Indikationsstellung für eine mikrobiologische Diagnostik erleichtern (Abb. 1).
Abbildung 1: Triage-, Therapie- und Diagnostikalgorithmus des Reisedurchfalls (modifiziert nach [4]).
* Dysenterie: blutige Diarrhoe, oft begleitet von ausgeprägtem Krankheitsgefühl und Fieber.

Erregerspektrum

Das Erregerspektrum weist deutliche geographische Unterschiede auf und unterliegt jahreszeitlichen Schwankungen [1, 3]. Durchschnittlich werden aber 80–90% aller Episoden von Reisedurchfall durch Bakterien, 5–10% durch Viren und 5–10% durch Protozoen verursacht [6]. Die wichtigsten bakteriellen Pathogene sind: enteroaggregative Escherichia coli [EAEC], enteropathogene Escherichia coli [EPEC], enterotoxische Escherichia coli [ETEC], Campylobacter jejuni, Shigella spp., Salmonella spp., Aeromonas spp.,Plesiomonas shigelloides und ­Vi­brio spp. [3, 7–10]. Die wichtigsten viralen Pathogene sind Noroviren und Rotaviren [3, 8]. Die wichtigsten protozoalen Erreger sind Giardia intestinalis, Ent­amoeba histolytica,Cryptosporidium spp., Cyclo­spora ­cayetanensis und Cystoisospora spp. [3, 8]. Ebenfalls im Spektrum des Reisedurchfalls enthalten sind die «Lebensmittelvergiftungen», die durch bakterielle Toxine (z.B. von Staphylococcus aureus oder Bacillus cereus) verursacht werden. Im Gegensatz zu den Bakterien und Protozoen spielen Helminthen als Ursache des akuten Reisedurchfalls und bei Kurzzeitreisenden praktisch keine Rolle, da (a) die Präpatenzzeit dieser ­Erreger mehrere Wochen bis Monate beträgt, (b) Reisende kaum entsprechend exponiert werden und (c) diese Pathogene in der Regel keine typische Durchfallsymptomatik verursachen. Parasitäre Ursachen (Protozoen und Helminthen) sollten aber bei der Abklärung von persistierendem Durchfall (= Durchfall ≥2 Wochen) und anhaltenden abdominellen Beschwerden von Reiserückkehrern Berücksichtigung finden. Persistierende Diarrhoe betrifft etwa 2% aller wegen Reisedurchfall vorstellig werdender Patienten [3].

Inkubationszeiten und unbehandelte Symptomdauer

Bakterientoxine verursachen in der Regel innerhalb weniger Stunden Symptome. Die Inkubationszeit von Bakterien und Viren beträgt meist 6–72 Stunden, die­jenige von Protozoen 1–2 Wochen. Unbehandelter bakterieller Durchfall dauert normalerweise 3–7 Tage, viraler Durchfall 2–3 Tage. Protozoaler Durchfall kann unbehandelt über Wochen bis Monate persistieren.

Evaluation und Triage

Die gemäss den aktuellen Leitlinie empfohlene Triage anhand der subjektiven Einschränkungen und der ­Begleitsymptomatik zielt primär darauf ab, nicht dysenterische Verläufe (mutmasslich nicht invasive Erreger) von dysenterischen Verläufen (mutmasslich invasive Erreger) zu differenzieren. Hiervon leitet sich die Indikation für die Einleitung einer mikrobiologischen Diagnostik und gegebenenfalls einer antibiotischen Therapie ab (Abb. 1). Bei Vorliegen von Fieber darf nicht vergessen werden, dass gastrointestinale Symptome mit Fieber nicht zwingend eine Dysenterie bedeuten, sondern auch bei anderen Erkrankungen auftreten können. Stuhlfrequenz und -beschaffenheit sind zwar zu unspezifisch, um auf ein kausales Pathogen zu schliessen, aber als Verlaufsparameter hilfreich. Steht Erbrechen im Vordergrund, sind in den allermeisten Fällen virale Infekte oder Lebensmittelvergiftungen verantwortlich. Wird die Durchfallsymptomatik von Oberbauchbeschwerden und Übelkeit sowie bei längerer Anamnese oft auch von einem deutlichen Gewichtsverlust begleitet, liegt häufig eine Giardia-intestinalis-Infektion vor. Da in vielen Ländern Antibiotika ohne ärztliche Verschreibung bezogen werden können, sollte immer gezielt nach einer vorgängigen Antibiotikaeinnahme gefragt werden, um eine Clostridioi­des-difficile-Infektion nicht zu übersehen.
Der Fokus der klinischen Untersuchung liegt auf ­Anzeichen einer relevanten Differentialdiagnose (z.B. Appendizitis oder Divertikulitis) sowie einer Dehydratation.

Symptomatische Therapie

Reisedurchfall wird primär symptomatisch behandelt. Im Vordergrund steht die orale Rehydrierung mit zucker- und salzhaltigen Flüssigkeiten. Neben kommer­ziellen oralen Rehydrierungslösungen («oral rehy­dration solution» [ORS]) kommt dafür auch eine Kombination aus gesüsstem Tee mit Salzgebäck infrage. Stark zuckerhaltige Flüssigkeiten wie zum Beispiel Coca-Cola sind zur Rehydrierung ungeeignet, da ihre hohe Osmolarität (Coca-Cola 690 mmol/l) die intestinale Flüssigkeitsaufnahme im Vergleich zu physiologisch optimierten ORS (~210–311 mmol/l) erschwert [11]. Bei massivem Erbrechen oder Versagen der oralen Flüssigkeitssubstitution kann eine parenterale Rehydrierung notwendig werden.
Bei Übelkeit und Erbrechen kann, insbesondere zur ­erfolgreichen Durchführung einer oralen Rehydrierung, eine antiemetische Therapie indiziert sein, wofür unterschiedliche Präparate zur Verfügung stehen. Aufgrund des Fehlens von Vergleichsstudien kann aktuell keine Empfehlung für einen bestimmten Wirkstoff ausgesprochen werden.
Die motilitätshemmende Therapie mit Loperamid kann situativ – insbesondere auf Reisen und bei Vor­liegen von massivem unkontrolliertem Stuhldrang – Erleichterung verschaffen.
Gegen eine motilitätshemmende Therapie spricht, dass diese eine übermässige Erregervermehrung respektive Toxinanreicherung im Darm mit protrahiertem oder komplikationsreicherem Krankheitsverlauf begünstigen kann [12]. Bei invasiver Shigellose sind Motilitätshemmer mit prolongiertem Fieber assoziiert, bei ­Infektion mit enterohämorrhagischen Escherichia coli (EHEC) / Shiga-Toxin bildende Escherichia coli (STEC) mit dem erhöhten Risiko eines hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS) und bei Clostridioides-difficile-Infektionen mit der Entstehung eines toxischen Mega­kolons [12]. Eine motiliätshemmende Therapie gilt daher bei Hinweisen auf diese Erreger oder beim Vorliegen klinischer Kriterien einer Dysenterie als kontra­indiziert [4].
Bei mildem bis moderater Reisediarrhoe zeigt Loperamid gemäss eines 2016 publizierten systematischen Reviews allerdings eine vergleichbare Effektivität wie Antibiotika [13].
Loperamid hat in niedriger Dosierung im Darm eine antisekretorische, in höherer Dosierung (>12 mg) eine paralytische Wirkung [14]. Patienten sollten auf diese Dosisabhängigkeit der Wirkung und den verzögerten Wirkeintritt von 1–2 Stunden hingewiesen werden. ­Dadurch kann eine zu hohe Einnahmedosis vermieden und primär die antisekretorische Wirkung erzielt ­werden.
Bezüglich Probiotika existieren keine verlässlichen ­Daten, die einen therapeutischen Nutzen bei Reisedurchfall belegen [4]. Eine 2010 veröffentlichte Cochrane-Analyse kam zwar zu dem Schluss, dass sich Probiotika positiv auf die Dauer und Stuhlfrequenz bei akutem infektionsbedingtem Durchfall auswirken können, aber von den 63 eingeschlossenen Studien betrafen nur sechs erwachsene Patienten und keine dieser Studien wurde bei Patienten mit Reisedurchfall durchgeführt [15].
Von der Therapie eines Reisedurchfalls mit Aktivkohle wird in den hier diskutierten Therapieempfehlungen klar abgeraten [4]. Dies vor allem darum, da es keine guten klinischen Studien zur Wirksamkeit und dem ­Sicherheitsprofil von Aktivkohle als Therapie bei Reisediarrhoe gibt.

Antibiotikatherapie

Antibiotika verkürzen die Symptomdauer des Reisedurchfalls von durchschnittlich 50–93 auf 16–30 Stunden [16]. Die Indikationsstellung einer antibiotischen Therapie sollte jedoch im Hinblick auf potentielle ­Nebenwirkungen (z.B. Sehnenrupturen bei Fluorchinolonen) und Kollateralschäden (Kolonisierung mit multiresistenten Enterobacterales; Störung des intestinalen Mikrobioms; Verursachung einer Clostridioides-difficile-Kolitis) und des Risikos eines HUS im Falle einer Infektion mit EHEC immer unter einer strengen Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Grundsätzlich bedarf Reisediarrhoe meistens keiner Antibiotikatherapie.
Zur empirischen antibiotischen Therapie des Reisedurchfalls werden in den aktuellen Empfehlungen ­Azithromycin oder ein Fluorchinolon (Ciprofloxacin, Levofloxacin, Ofloxacin) empfohlen [4]. Bei «moderatem» Reisedurchfall werden in den zitierten Richtlinien Azithromycin und Fluorchinolone, sowohl als Einmaldosis wie auch als 3-Tage-Regime, als gleichwertig effektiv angesehen. Allerdings ist nicht absehbar, wie sich die Verwendung von Einmaldosen auf die ­Resistenzentwicklung auswirkt, wobei eine Einmaldosis Azithromycin aufgrund seiner langen Halbwertszeit weniger kritisch zu beurteilen ist als eine Einmaldosis eines Fluorchinolons (Tab. 1). Die Einmaldosis Azithromycin 1 g kann aber mit vor allem gastrointestinalen Nebenwirkungen verbunden sein. Bei «schwerem» Reisedurchfall wird, aufgrund der in verschiedenen Regionen der Welt zunehmend beobachteten Resistenz­entwicklung, primär Azithromycin empfohlen. Bei schwerer Diarrhoe, insbesondere bei Dysenterie, sollte immer ein 3-Tage-Regime gewählt werden.
Während in den aktuellen Empfehlungen die antibiotische Therapie eines «schweren» Reisedurchfalls klar empfohlen wird, kann bei «moderatem» Reisedurchfall eine «antibiotische Therapie allenfalls erwogen werden» [4]. In Anbetracht des oft selbstlimitierenden Verlaufes der Erkrankung und der bekannten Nachteile einer Antibiotikatherapie sollte – wann immer möglich – auf eine solche verzichtet werden.
Tabelle 1: Empirische antibiotische Therapie des Reisedurchfalls (modifiziert nach [4]).
AntibiotikumEinmaldosis3-Tage-Regime
Azithromycin*1000 mg p.o.500 mg 1× täglich über 3 Tage p.o.
Ciprofloxacin500 mg 2× täglich über 3 Tage p.o.**
Levofloxacin500 mg 1× täglich über 3 Tage p.o.
Ofloxacin400 mg 1× täglich über 3 Tage p.o.
* CAVE: kann QT-Zeit-Verlängerungen hervorrufen.
** Gemäss den Guidelines der «International Society of Travel Medicine» (ISTM) wird Ciprofloxacin 500 mg 1× täglich für 3 Tage empfohlen. Aufgrund der kurzen Halbwertszeit von 4 Stunden und der Tatsache, dass die Empfehlung einer 1× täglichen Dosierung auf einer Studie basiert, die vor dem Auftreten von ciprofloxacinresistenten Durchfall­erregern durchgeführt wurde, empfehlen wir eine 2× tägliche Dosierung [24].

Mikrobiologische Diagnostik

Akuter Reisedurchfall

Die Empfehlung zur Durchführung einer mikrobiologischen Diagnostik ist auf schwere Erkrankungsfälle beschränkt (Abb. 1). Aufgrund des innerhalb weniger Stunden verfügbaren Ergebnisses, der hohen Sensitivität sowie der gleichzeitigen Testung auf mehrere der wichtigsten Erreger hat die Testung mittels Multiplex-PCR («polymerase chain reaction» bzw. Polymerase-Kettenreaktion) in den letzten Jahren die langsamere, weniger sensitive und auf (einige) bakterielle Pathogene beschränkte traditionelle Stuhlkultur zunehmend verdrängt [4] (Abb. 2).
Abbildung 2: Mikrobiologischer Abklärungsalgorithmus von schwerem oder persistierendem Reisedurchfall oder persistierenden abdominellen Beschwerden.
EIA: «enzyme-linked immunosorbent assay»; EIEC: enteroinvasive Escherichia (E.) coli ; ETEC: «enterotoxigenic E. coli» ; EAEC: enteroaggregative E. coli ; EPEC: enteropathogene E. coli ; EHEC/STEC: enterohämorrhagische E. coli / Shiga-Toxin produzierende E. coli; PCR: «polymerase chain reaction» (Polymerase-Kettenreaktion); SAF: «sodium acetate» (Natriumazetat), «acetic acid» (Essigsäure), Formaldehyd; C. diff. : Clostridioides difficile.
* Das in den verschiedenen Multiplex-PCR-Panels enthaltene Erregerspektrum kann variieren. Nicht alle Erreger sind therapierelevant.
** Für diese Erreger stehen alternativ auch Antigentests zur Verfügung.
*** Einige bakterielle Erreger können persistierende Diarrhoe verursachen (z.B. ­Aeromonas spp. [25]).
**** Aufgrund der Präpatenzzeit kann es bei Helminthen Wochen bis Monate ­dauern, bevor Eier im Stuhl ausgeschieden und nachweisbar werden.
***** Bei fehlendem Erregernachweis und Verdacht auf eine nicht infektiöse Ursache der Beschwerden.
Die Untersuchungen können direkt aus einem Rektalabstrich durchgeführt werden, was die Zeitverzögerung durch das Abwarten des nächsten Stuhlgangs ­unter Umständen deutlich reduziert. Da verschiedene kommerzielle Multiplex-PCR-Panels mit unterschiedlicher Kombination von Pathogenen existieren, lohnt es sich, bei der Anforderung darauf zu achten, welche ­Erreger im Panel enthalten sind. Mit der Einführung der Multiplex-PCR-Panels ist das epidemiologische Bild des Reisedurchfall-Erregerspektrums zwar klarer geworden, es hat sich aber auch gezeigt, dass häufig ­mehrere Pathogene nachgewiesen werden, ohne dass zwischen kausalem Erreger oder asymptomatischer transienter Besiedelung unterschieden werden kann. Die unklare Relevanz von molekularbiologisch nachgewiesenen Erregern zeigt sich klar in einer 2018 publizierten Studie, in der sich bei bis zu 80% der asymptomatischen Reisenden nach Rückkehr ein oder mehrere Pathogene im Stuhl fanden [17].
Der Nachweis von Viren und Entamoeba dispar stellen nie eine Therapieindikation dar. Der Nachweis von Ent­amoeba polecki, Entamoeba moshkovski und Blastocystis hominis stellt nur bei persistierender Symptomatik und Ausschluss anderer Ursachen eine Therapieindikation dar. Bei Shigellen und Campylobacter sollte nur bei schweren/dysenterischen Verläufen eine Antibiotikatherapie durchgeführt werden. Bei nicht typhoiden Salmonellen sollte auf eine Antibiotikatherapie verzichtet werden, da diese die Rate an Dauerausscheidern erhöhen kann. Ausnahmen sind ältere Personen, Personen mit Immunsuppression oder endovaskulären Fremdkörpern [18, 19].
Bei Nachweis eines therapierelevanten bakteriellen ­Erregers mittels Multiplex-PCR sollte immer noch eine Kultur mit Resistenztestung nachgefordert werden.
Steht keine Multiplex-PCR-Testung zur Verfügung, kann man auf die «traditionelle Patchwork-Diagnostik» aus einer Stuhlkultur (auf Campylobacter spp., ­Salmonella spp., Shigella spp.) + drei Stuhlmikroskopien (auf Protozoen) ± einer Clostridioides-difficile-­Toxin-Testung zurückgreifen, um das therapierelevante Erregerspektrum diagnostisch abzudecken.
Besteht der klinische Verdacht auf einen bakteriämischen Verlauf, sollten zusätzlich Blutkulturen abgenommen werden.

Persistierender Reisedurchfall

Bei persistierendem Reisedurchfall (definiert als Symptome von ≥14 Tage Dauer) sowie persistierenden abdominellen Beschwerden rücken parasitäre Erreger als Ursache in den Vordergrund. Entsprechend bedarf die Abklärung der Erweiterung auf das parasitäre Erregerspektrum (Abb. 2).
Über die letzten Jahre zeichnet sich auch bei der parasitologischen Diagnostik ein Trend von klassischen (meist Mikroskopie) hin zu PCR-basierten Verfahren ab. Kompliziert wird die Anwendung von auf DNA-Amplifikation beruhenden Nachweisverfahren bei Parasiten dadurch, dass (anders als bei Viren und Bakterien) die mechanisch deutlich stabileren Zystenwände von Protozoen und die Eischalen von Helminthen zum Nachweis von parasitärer DNA vorher «aufgeknackt» werden müssen. Dies erklärt, warum PCR-basierte Nachweisverfahren bei einigen Parasiten oft eine eher enttäuschende Sensitivität aufweisen.
Protozoen und Helmintheneier werden, anders als Bakterien und Viren, im Stuhl diskontinuierlich ausgeschieden. Daher sollten immer mehrere (in der ­Regel mindestens drei) Stuhlproben zu unterschiedlichen Zeiten untersucht und zusätzlich durch ein ausreichend grosses Probenvolumen (je eine ca. aprikosenkern- bis walnussgrosse Stuhlmenge) und die Anwendung von Sedimentationsverfahren die Sensitivität erhöht werden. Da Trophozoiten von Protozoen im Nativstuhl rasch degenerieren, sollten die Proben in einer Fixations-/Konservierungslösung (z.B. SAF: «sodium acetate», «acetic acid», «formaldehyd») ans Labor gesendet werden. Für den Nachweis von Helmintheneiern wird Nativstuhl verwendet. Für den mikroskopischen Nachweis von Kokzidien (Cryptosporidien, Cyclospora, Cystoisospora)und Mikrosporidien ist eine Spezialfärbung notwendig. Wie in Abbildung 2 dargestellt, kann die Diagnose sowohl über molekulare als auch über klassische parasitologische Diagnostikmethoden erfolgen.

Postinfektiöses Reizdarmsyndrom

Während Reisedurchfall in der Mehrheit der Fälle entweder selbstlimitierend ist oder rasch auf Therapie ­anspricht, kommt es bei einigen Patienten zu anhal­tenden Symptomen. Diese können durch (a) eine persistierende Infektion bei inadäquater Therapie, (b) eine Koinfektion mit einem durch die gewählte Therapie nicht abgedeckten Pathogen, (c) eine bisher nicht dia­gnostizierte nicht infektiöse Erkrankung oder (d) durch ein «postinfektiöses Reizdarmsyndrom» bedingt sein [20]. Das postinfektiöse Reizdarmsyndrom hat eine geschätzte Inzidenz von 4–32%, wobei die gros­se Varia­tionsbreite vor allem der Inhomogenität der zugrunde liegenden Studien geschuldet ist [20, 21]. Als Risikofaktoren gelten Wirtsfaktoren, genetische Faktoren, Pathogenfaktoren und Wirt-Pathogen-Interaktionen [20]. Ein postinfektiöses Reizdarmsyndrom tritt häufiger bei jüngeren Personen, Frauen und Patienten mit einem erhöhten Somatisierungs-Score auf [22] und wird aktuell anhand der Rome-IV-Konsensuskriterien definiert [23]. Es handelt sich um eine Ausschlussdia­gnose.

Anmerkung zur Gültigkeit der ­Empfehlungen

Die oben genannten Therapie- und Diagnostikempfehlungen gelten für Patienten ohne relevante Komorbiditäten oder Risikofaktoren. Bei sehr jungen und sehr ­alten Patienten, bei Vorliegen von relevanten Begleiterkrankungen sowie bei immungeschwächten Patienten muss die Indikation für eine mikrobiologische ­Diagnostik und antibiotische Therapie individuell und unter Berücksichtigung der jeweiligen Situation ­gestellt werden. Bei klarer Indikation und Therapierelevanz ist die gastrointestinale Multiplex-PCR eine einfache und effiziente Diagnostikmethode, die den klassischen Diagnostikmethoden für Viren, Bakterien und Protozoen mittels Kultur und Mikroskopie an Schnelligkeit und Sensitivität klar überlegen ist. Der grosse Nachteil der Multiplex-PCR ist ihre Unmöglichkeit, für die Symptomatik verantwortliche Pathogene von solchen, die nur kolonisierend sind, zu unterscheiden.

Das Wichtigste für die Praxis

• Der Reisedurchfall wird nicht mehr quantitativ nach der Anzahl loser Stuhlgänge pro Tag, sondern qualitativ, basierend auf den funktionellen Einschränkungen, klassifiziert.
• Zur Diagnostik, sofern diese überhaupt indiziert ist, stehen klassische Methoden mittels Kultur und Mikroskopie sowie Multiplex-PCR-Panels zur Verfügung.
• Grundsätzlich sollte bei leichter oder moderater Reisediarrhoe auf eine Antibiotikatherapie verzichtet werden.
• Zu beachten sind allfällige Meldepflichten1 (z.B. Arztmeldung innert 24 Stunden bei Nachweis von enterohämorrhagischen Escherichial coli [EHEC]).
Wir danken den Vorstandsmitgliedern der Fachgesellschaft für ­Tropen- und Reisemedizin für die kritische Durchsicht des Manuskripts sowie die hilfreichen Anregungen zum Inhalt.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. Esther Künzli
Schweizerisches Tropen- und Public Health Institute
Universität Basel
Socinstrasse 57, P.O. Box
CH-4002 Basel
esther.kuenzli[at]swisstph.ch
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