Hauptinhalt

Hintergrund
Radiologische Zufallsbefunde im Rahmen von medizinischen Abklärungen beunruhigen nicht nur die betroffenen Patientinnen und Patienten, sondern auch die betreuenden Ärztinnen und Ärzte. Manchmal können anamnestische Hinweise solche Befunde relativieren und somit unnötige diagnostische Massnahmen verhindern.
Fallbericht
Anamnese
Eine 47-jährige Schweizer Nichtraucherin trat zur geplanten Pulmonalvenenisolation (PVI) bei symptomatischem paroxysmalem Vorhofflimmern auf die kardiologische Bettenstation des Kantonsspitals St. Gallen ein. Bis auf seit zwei Wochen bestehenden Husten und Schnupfen, die am Ende einer zweiwöchigen Südafrikareise begonnen hatten, war die Anamnese unauffällig: Fieber, Schüttelfrost, Gelenkschmerzen, eine Gewichtsabnahme oder Nachtschweiss wurden verneint. Die persönliche Anamnese beinhaltete lediglich eine Migräne. An Medikamenten nahm die Patientin regelmässig Rivaroxaban und Bisoprolol aufgrund des Vorhofflimmerns ein.
Status
Bei Aufnahme präsentierte sich eine kardiopulmonal stabile, afebrile Patientin. Die Vitalparameter waren unauffällig (Blutdruck 120/80 mm Hg, rhythmische Herzfrequenz 80/min, Sättigung bei Raumluft 98%, Temperatur 37,3 °C, Body-Mass-Index 23,5 kg/m2). Die klinische Untersuchung war bis auf Zeichen des oberen Atemweginfekts (trockener Husten und Rhinophonie) unauffällig.
Befunde und Differentialdiagnose
Kurz vor Spitaleintritt war zur genaueren Darstellung des Vorhofs und der Pulmonalvenen eine kardiale Magnetresonanztomographie durchgeführt worden, die nebenbefundlich multiple Noduli im Bereich der apikalen Lungenabschnitte beidseits zeigte. Dieser Befund konnte in einer stationär durchgeführten Computertomographie bestätigt werden. Zudem fand sich eine bihiläre Lymphadenopathie mit zum Teil verkalkten Lymphknoten (Abb. 1 und 2).

Abbildung 1: Thorax-Computertomographie (Lungenfenster, Axialschnitt) mit Darstellung der nodulären Veränderungen intrapulmonal (rote Pfeile).

Abbildung 2: Thorax-Computertomographie (Weichteilfenster, Axialschnitt) mit Darstellung der Lymphknotenverkalkung (blauer Pfeil) sowie der Lymphadenopathie (roter Pfeil).
Elektrokardiographisch und laborchemisch waren keine Auffälligkeiten ersichtlich. Insbesondere die Entzündungsparameter waren normwertig, ein HIV-Test war negativ. Differentialdiagnostisch kam primär eine Sarkoidose infrage. Obwohl klinisch wenig wahrscheinlich, wurden auch ein mögliches Tumorleiden oder eine Infektion mit Mykobakterien diskutiert.
Zur weiteren Abklärung erfolgte eine Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage (BAL). Auf eine Lymphknotenbiopsie wurde aufgrund der oralen Antikoagulation mit Rivaroxaban verzichtet. In der BAL zeigten sich etwas Sekret im Bereich des rechten Oberlappens und Zeichen einer Tracheobronchitis. Es imponierten eine normale Gesamtzellzahl sowie ein unauffälliges Differentialzellbild, was somit eher nicht zu einer Sarkoidose passte. Eine CD4/CD8-Ratio wurde von unserer Pathologie deshalb nicht durchgeführt. Eine Mycobacterium-tuberculosis-PCR sowie die Kultur auf Bakterien und Mykobakterien blieben negativ. Eine Pilzkultur wurde nicht durchgeführt. In der viralen Multiplex-PCR konnte ein Coronavirus (OC43) nachgewiesen werden, das zwar gut die Erkältungssymptomatik der Patientin erklärte, jedoch nicht die pulmonalen Noduli und die Lymphadenopathie.
Die erweiterte Reiseanamnese ergab in den letzten Jahren mehrere interkontinentale Auslandsreisen (u.a. Südostasien, Kuba und USA). Aufgrund der kürzlichen Südafrikareise mit Besuch einer Tropfsteinhöhle erfolgte eine Histoplasmose-Diagnostik. Zwar fiel die Serologie negativ aus, jedoch war der Urin-Antigentest, der im Institut für Infektionskrankheiten der Universität Bern seit 2019 angeboten wird, auf Histoplasma capsulatum positiv. Es wurde somit die Diagnose einer akuten pulmonalen Histoplasmose gestellt (formal «probable case» gemäss Kriterien der «Centers for Disease Control and Prevention» (CDC). Ob die beobachteten Lymphknotenverkalkungen in Zusammenhang mit den länger zurückliegenden Auslandsaufenthalten stehen (Differentialdiagnose: latente Tuberkulose) oder doch Ausdruck der akuten Histoplasmose sind, bleibt nicht gänzlich geklärt.
Therapie und Verlauf
Bezüglich pulmonaler Histoplasmose wurde bei asymptomatischer Patientin keine antifungale Therapie eingeleitet. Leider kam es unmittelbar nach erfolgter PVI zu perikarditischen Beschwerden mit einem Perikarderguss. Aufgrund des zeitlichen Ablaufes interpretierten wir dies im Rahmen der Intervention und nicht im Rahmen der Histoplasmose. Unter nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) sowie Colchizin besserten sich diese Symptome rasch. In der nach einem Monat durchgeführten kardiologischen Kontrolle war kein relevanter Perikarderguss mehr nachweisbar bei asymptomatischer Patientin im Sinusrhythmus. Eine Histoplasma-capsulatum-Verlaufsserologie blieb negativ.
Diskussion
Die Histoplasmose (auch Darling-Krankheit genannt) ist eine vor allem in Nordamerika und den (Sub-)Tropen (inkl. Südafrika) verbreitete endemische Mykose, die 1906 in Panama erstbeschrieben wurde [1]. Ursächliche Erreger der Erkrankung ist der dimorphe Pilz Histoplasma capsulatum, der vor allem in mit Kot von Vögeln oder Fledermäusen kontaminiertem Erdboden vorkommt [2]. In Europa zeigt sich die Erkrankung hauptsächlich in der akuten Form bei Reiserückkehrern [3], häufig mit typischer vorhergehender Exposition (v.a. Höhlenbesuche oder Aufenthalt auf Baustellen mit altem Mauerwerk) wie bei unserer Patientin [4]. Eine akute Histoplasmose verläuft in aller Regel asymptomatisch, kann sich jedoch gelegentlich als akuter pulmonaler Infekt manifestieren. Radiologisch zeigen sich häufig pulmonale Noduli sowie eine bihiläre Lymphadenopathie, weshalb eine Sarkoidose oder eine Tuberkulose zu den wichtigsten Differentialdiagnosen gehören. Insbesondere bei immunsupprimierten Patientinnen und Patienten (v.a. HIV oder unter Therapie mit Tumornekrosefaktor-[TNF-]α-Hemmern) findet sich auch eine disseminierte Form. Diese kann auch Jahre nach Erstexposition im Sinne einer Reaktivierung auftreten, ähnlich wie bei einer Tuberkulose. Selten findet sich eine disseminierte Histoplasmose auch bei Patientinnen und Patienten ohne klassische Immunsuppression [5]. Klinisch kann sich eine disseminierte Histoplasmose sehr unterschiedlich präsentieren. Häufig berichten die Betroffenen über konstitutionelle Symptome, kutane oder oropharyngeale Ulzerationen, und es zeigen sich eine Hepato-/Splenomegalie sowie eine Vergrösserung der Nebennieren. Auch chronisch pulmonale Formen, Endokarditiden oder Manifestationen im Bereich des Zentralnervensystems kommen vor [6].
Der histopathologische und kulturelle Erregernachweis aus klinischen Proben (Sputum, BAL, Blut, Knochenmark) gilt als Goldstandard in der labormedizinischen Diagnostik einer Histoplasmose. Die Anzucht dieses dimorphen Pilzes dauert 2–8 Wochen und benötigt spezielle Kulturbedingungen. Eine spezifische Histoplasmose-PCR oder eine panfungale PCR könnend den Erregernachweis beschleunigen. Serologisch sind spezifische Antikörper bei symptomatischer Infektion meist 4–8 Wochen nach Symptombeginn nachweisbar. Bei lokalisierten Infektionen oder bei disseminierten Infektionen immunsupprimierter Patientinnen und Patienten kann der Antikörpernachweis negativ ausfallen, so wie in unserem Fall (Sensitivität des Immundiffusionstests 80%). Histoplasma-Antigen kann mittels Enzymimmunoassay insbesondere in Urinproben bei disseminierten Infektionen Immunsupprimierter (z.B. HIV) nachgewiesen werden, die oft keine Antikörper bilden. Kreuzreaktionen, die zu einem positiven Antigentest führen, treten bei etwa 90% der Patientinnen und Patienten, die an Blastomykose (Endemiegebiet Nord-Amerika) erkrankt sind, auf [7]. Kreuzreaktionen wurden auch bei Talaromykose (Endemiegebiet Südostasien) beobachtet.
Eine akute Histoplasmose muss in aller Regel nicht antifungal behandelt werden, ausgenommen davon sind klinisch schwer verlaufende Formen, insbesondere bei Immunsupprimierten. Itraconazol ist die Therapie der Wahl bei disseminierter Histoplasmose; je nach Schweregrad muss während der ersten zwei Wochen auch intravenös mit Amphotericin B behandelt werden. Die Therapie sollte in diesen Fällen über mindestens ein Jahr durchgeführt werden [2].
Das Wichtigste für die Praxis
• Bei Reiserückkehrern mit klassischer Exposition in Endemiegebieten und passender Klinik muss an eine akute Histoplasmose gedacht werden.
• Diagnostisch steht in der Schweiz seit Kurzem ein nicht invasiver Urin-Antigentest mit guter Sensitivität und Spezifität am Institut für Infektionskrankheiten, Universität Bern, zur Verfügung.
• Bei Immunsupprimierten kommen disseminierte Formen mit mannigfaltigen klinischen Manifestationen vor.
• Eine akute Histoplasmose muss in aller Regel nicht antifungal therapiert werden; eine disseminierte Histoplasmose wird in der Regel über mehrere Monate mit Itraconazol behandelt.
Die Autoren haben deklariert, keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag zu haben.
Korrespondenz:
Dr. med.
Lisanne Clara Michels
Medizinisches Zentrum gleis d
Gürtelstrasse 46
CH-7000 Chur
l.michels[at]mez-chur.ch
Published under the copyright license
“Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”.
No commercial reuse without permission.