Radiologischer Zufallsbefund nach Südafrikareise
Auf anamnestische Hinweise achten!

Radiologischer Zufallsbefund nach Südafrikareise

Der besondere Fall
Ausgabe
2021/2526
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2021.08654
Swiss Med Forum. 2021;21(2526):456-458

Affiliations
a Allgemeine Innere Medizin / Hausarztmedizin, Kantonsspital St. Gallen; b Klinik für Kardiologie, Kantonsspital St. Gallen; c Klinik für Pneumologie und Schlafmedizin, Kantonsspital St. Gallen; d Institut für Infektionskrankheiten, Universität Bern; e Klinik für Infektiologie und Spitalhygiene, Kantonsspital St. Gallen

Publiziert am 23.06.2021

Eine 47-jährige Nichtraucherin tritt zur geplanten Pulmonalvenenisolation bei symptomatischem paroxysmalem Vorhofflimmern ein. Bis auf seit zwei Wochen bestehenden Husten und Schnupfen nach einer Südafrikareise ist die Eintrittsanamnese unauffällig.

Hintergrund

Radiologische Zufallsbefunde im Rahmen von medizinischen Abklärungen beunruhigen nicht nur die betroffenen Patientinnen und Patienten, sondern auch die betreuenden Ärztinnen und Ärzte. Manchmal können anamnestische Hinweise solche Befunde relativieren und somit unnötige diagnostische Massnahmen verhindern.

Fallbericht

Anamnese

Eine 47-jährige Schweizer Nichtraucherin trat zur geplanten Pulmonalvenenisolation (PVI) bei sym­ptomatischem paroxysmalem Vorhofflimmern auf die kardiologische Bettenstation des Kantonsspitals St. Gallen ein. Bis auf seit zwei Wochen bestehenden Husten und Schnupfen, die am Ende einer zweiwö­chigen Südafrikareise begonnen hatten, war die ­Ana­mnese unauffällig: Fieber, Schüttelfrost, Gelenkschmerzen, eine Gewichts­abnahme oder Nachtschweiss wurden verneint. Die ­persönliche Anamnese beinhaltete lediglich eine ­Migräne. An Medikamenten nahm die Patientin regelmässig Rivaroxaban und Bisoprolol aufgrund des Vorhofflimmerns ein.

Status

Bei Aufnahme präsentierte sich eine kardiopulmonal stabile, afebrile Patientin. Die Vitalparameter waren unauffällig (Blutdruck 120/80 mm Hg, rhythmische Herzfrequenz 80/min, Sättigung bei Raumluft 98%, Temperatur 37,3 °C, Body-Mass-Index 23,5 kg/m2). Die klinische Untersuchung war bis auf Zeichen des oberen Atemweginfekts (trockener Husten und Rhino­phonie) unauffällig.

Befunde und Differentialdiagnose

Kurz vor Spitaleintritt war zur genaueren Darstellung des Vorhofs und der Pulmonalvenen eine kardiale ­Magnetresonanztomographie durchgeführt worden, die nebenbefundlich multiple Noduli im Bereich der apikalen Lungenabschnitte beidseits zeigte. Dieser Befund konnte in einer stationär durchgeführten Computertomographie bestätigt werden. Zudem fand sich eine bihiläre Lymphadenopathie mit zum Teil verkalkten Lymphknoten (Abb. 1 und 2).
Abbildung 1: Thorax-Computertomographie (Lungenfenster, Axialschnitt) mit Darstellung der nodulären Veränderungen intrapulmonal (rote Pfeile).
Abbildung 2: Thorax-Computertomographie (Weichteilfenster, Axialschnitt) mit Darstellung der Lymphknotenverkalkung (blauer Pfeil) sowie der Lymphadenopathie (roter Pfeil).
Elektrokardiographisch und laborchemisch waren keine Auffälligkeiten ersichtlich. Insbesondere die Entzündungsparameter waren normwertig, ein HIV-Test war negativ. Differentialdiagnostisch kam primär eine Sar­koidose infrage. Obwohl klinisch wenig wahrscheinlich, wurden auch ein mögliches Tumor­leiden oder eine Infektion mit Mykobakterien diskutiert.
Zur weiteren Abklärung erfolgte eine Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage (BAL). Auf eine Lymphknotenbiopsie wurde aufgrund der oralen Antikoagulation mit Rivaroxaban verzichtet. In der BAL zeigten sich etwas Sekret im Bereich des rechten Oberlappens und Zeichen einer Tracheobronchitis. Es imponierten eine normale Gesamtzellzahl sowie ein unauffälliges Differentialzellbild, was somit eher nicht zu einer Sarkoidose passte. Eine CD4/CD8-Ratio wurde von unserer Pathologie deshalb nicht durchgeführt. Eine Mycobacterium-tuberculosis-PCR sowie die Kultur auf Bakterien und Mykobakterien blieben negativ. Eine Pilzkultur wurde nicht durchgeführt. In der viralen Multiplex-PCR konnte ein Coronavirus (OC43) nachgewiesen werden, das zwar gut die Erkältungssymptomatik der Pa­tientin erklärte, jedoch nicht die pulmonalen Noduli und die Lymphadenopathie.
Die erweiterte Reiseanamnese ergab in den letzten ­Jahren mehrere interkontinentale Auslandsreisen (u.a. Südostasien, Kuba und USA). Aufgrund der kürzlichen Südafrikareise mit Besuch einer Tropfsteinhöhle erfolgte eine Histoplasmose-Diagnostik. Zwar fiel die ­Serologie negativ aus, jedoch war der Urin-Antigentest, der im Institut für Infektionskrankheiten der Universität Bern seit 2019 angeboten wird, auf Histoplasma capsulatum positiv. Es wurde somit die Diagnose einer akuten pulmonalen Histoplasmose gestellt (formal «probable case» gemäss Kriterien der «Centers for Disease Control and Prevention» (CDC). Ob die beobachteten Lymphknotenverkalkungen in Zusammenhang mit den länger zurückliegenden Auslandsaufenthalten stehen (Differentialdiagnose: latente Tuberkulose) oder doch Ausdruck der akuten Histoplasmose sind, bleibt nicht gänzlich geklärt.

Therapie und Verlauf

Bezüglich pulmonaler Histoplasmose wurde bei asymptomatischer Patientin keine antifungale Therapie eingeleitet. Leider kam es unmittelbar nach erfolgter PVI zu perikarditischen Beschwerden mit einem Perikarderguss. Aufgrund des zeitlichen Ablaufes interpretierten wir dies im Rahmen der Intervention und nicht im Rahmen der Histoplasmose. Unter nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) sowie Colchizin besserten sich diese Symptome rasch. In der nach einem Monat durchgeführten kardiologischen Kontrolle war kein relevanter Perikarderguss mehr nachweisbar bei asymptomatischer Patientin im Sinusrhythmus. Eine Histoplasma-capsulatum-Verlaufsserologie blieb negativ.

Diskussion

Die Histoplasmose (auch Darling-Krankheit genannt) ist eine vor allem in Nordamerika und den (Sub-)Tropen (inkl. Südafrika) verbreitete endemische Mykose, die 1906 in Panama erstbeschrieben wurde [1]. Ursächliche Erreger der Erkrankung ist der dimorphe Pilz Histoplasma capsulatum, der vor allem in mit Kot von Vögeln oder Fledermäusen kontaminiertem Erdboden vorkommt [2]. In Europa zeigt sich die Erkrankung hauptsächlich in der akuten Form bei Reiserückkehrern [3], häufig mit typischer vorhergehender Exposition (v.a. Höhlenbesuche oder Aufenthalt auf Baustellen mit altem Mauerwerk) wie bei unserer Patientin [4]. Eine akute Histoplasmose verläuft in aller Regel asymptomatisch, kann sich jedoch gelegentlich als akuter pulmonaler Infekt manifestieren. Radiologisch zeigen sich häufig pulmonale Noduli sowie eine bihiläre Lymphadenopathie, weshalb eine Sarkoidose oder eine Tuberkulose zu den wichtigsten Differentialdiagnosen gehören. Insbesondere bei immunsupprimierten Patientinnen und Patienten (v.a. HIV oder unter Therapie mit Tumornekrosefaktor-[TNF-]α-Hemmern) findet sich auch eine disseminierte Form. Diese kann auch Jahre nach Erstexposition im Sinne einer Reaktivierung auftreten, ähnlich wie bei einer Tuberkulose. Selten findet sich eine disseminierte Histoplasmose auch bei Patientinnen und Patienten ohne klassische Immunsuppression [5]. Klinisch kann sich eine disseminierte Histoplasmose sehr unterschiedlich präsentieren. Häufig berichten die Betroffenen über konstitutionelle Symptome, kutane oder oropharyngeale Ulzerationen, und es zeigen sich eine Hepato-/Splenomegalie sowie eine Vergrösserung der Nebennieren. Auch chronisch pulmonale Formen, Endokarditiden oder Manifestationen im Bereich des Zentralnervensystems kommen vor [6].
Der histopathologische und kulturelle Erregernachweis aus klinischen Proben (Sputum, BAL, Blut, Knochenmark) gilt als Goldstandard in der labormedizinischen Diagnostik einer Histoplasmose. Die Anzucht dieses dimorphen Pilzes dauert 2–8 Wochen und ­benötigt spezielle Kulturbedingungen. Eine spezifische Histoplasmose-PCR oder eine panfungale PCR könnend den Erregernachweis beschleunigen. Serologisch sind spezifische Antikörper bei symptomatischer Infektion meist 4–8 Wochen nach Symptombeginn nachweisbar. Bei lokalisierten Infektionen oder bei disseminierten Infektionen immunsupprimierter Patientinnen und Patienten kann der Antikörpernachweis negativ ausfallen, so wie in unserem Fall (Sensitivität des Immundiffusionstests 80%). Histoplasma-Antigen kann mittels Enzymimmunoassay insbesondere in Urinproben bei disseminierten Infektionen Immunsupprimierter (z.B. HIV) nachgewiesen werden, die oft keine Antikörper bilden. Kreuzreaktionen, die zu einem positiven Antigentest führen, treten bei etwa 90% der Patientinnen und Patienten, die an Blastomykose (Endemiegebiet Nord-Amerika) erkrankt sind, auf [7]. Kreuzreaktionen wurden auch bei Talaromykose (Endemiegebiet Südostasien) beobachtet.
Eine akute Histoplasmose muss in aller Regel nicht anti­fungal behandelt werden, ausgenommen davon sind klinisch schwer verlaufende Formen, insbesondere bei Immunsupprimierten. Itraconazol ist die Therapie der Wahl bei disseminierter Histoplasmose; je nach Schweregrad muss während der ersten zwei Wochen auch intravenös mit Amphotericin B behandelt werden. Die Therapie sollte in diesen Fällen über mindestens ein Jahr durchgeführt werden [2].

Das Wichtigste für die Praxis

• Bei Reiserückkehrern mit klassischer Exposition in Endemiegebieten und passender Klinik muss an eine akute Histoplasmose gedacht werden.
• Diagnostisch steht in der Schweiz seit Kurzem ein nicht invasiver Urin-Antigentest mit guter Sensitivität und Spezifität am Institut für Infek­tionskrankheiten, Universität Bern, zur Verfügung.
• Bei Immunsupprimierten kommen disseminierte Formen mit mannigfaltigen klinischen Manifestationen vor.
• Eine akute Histoplasmose muss in aller Regel nicht antifungal therapiert werden; eine disseminierte Histoplasmose wird in der Regel über mehrere Monate mit Itraconazol behandelt.
Wir danken Dr. Andreas Neumayr, Chefarzt, Schweizerisches Tropen- und Public-Health-Institut, Basel, sowie Prof. Christoph Hatz, Leiter Reisemedizin, Klinik für Infektiologie und Spitalhygiene, Kantons­spital St. Gallen, für die kritische Durchsicht des Manuskripts. Ausserdem danken wir unseren Kolleginnen und Kollegen der Radiologie des Kantonsspitals St. Gallen für die Bereitstellung des Bildmaterials.
Die Autoren haben deklariert, keine finanziellen oder persön­lichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag zu haben.
Dr. med.
Lisanne Clara ­Michels
Medizinisches Zentrum gleis d
Gürtelstrasse 46
CH-7000 Chur
l.michels[at]mez-chur.ch
1 Darling ST. The Morphology of the Parasite (Histoplasma capsulatum) abd the Lesions of Histoplasmosis, a fatal Disease of Tropical America. J Exp Med. 1909;11(4):515–31.
2 Wheat LJ, Freifeld AG, Kleiman MB, Baddley JW, McKinsey DS, Loyd JE, et al. Clinical practice guidelines for the management of patients with histoplasmosis: 2007 update by the Infectious Diseases Society of America. Clin Infect Dis. 2007;45(7):807–25.
3 Labhardt N, Rickerts V, Popescu S, Neumayr A. TB or not TB – Persistent cough, fever and night sweats in a 46-year-old traveler returning from South America. Travel Med Infect Dis. 2015;13(4):346–8.
4 Staffolani S, Buonfrate D, Angheben A, Gobbi F, Giorli G, Guerriero M, et al. Acute histoplasmosis in immunocompetent travelers: a systematic review of literature. BMC Infect Dis [Internet]. 2018 Dec 18 [cited 2019 Apr 29];18:673. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6299618/.
5 Lins CJ, Bucher C, Sawatzki M, Neuweiler J, Kohler P. A 67-year-old Man With Dysphagia and Weight Loss After Travel to Southeast Asia. Clin Infect Dis. 2020;70(4):710–3.
6 Goodwin RAJMD, Shapiro JLMD, Thurman GHMD, Thurman SSMD, Des Prez RMMD. Disseminated Histoplasmosis: Clinical and Pathologic Correlations. Medicine. 1980;59(1):1–33.
7 Marwan MA, Chadi AH. Laboratory Diagnostics for Histoplasmosis. J Clin Microbiol. 2017;55(6):1612–20.