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Fokus auf ... Wiederholt erhöhtes Serumferritin: Hereditäre Hämochromatose?
Praxisrelevant
Postexpositionsprophylaxe bei Influenza
Das seit dem Frühjahr 2020 auch in der Schweiz zur Therapie der Influenza zugelassene Baloxavir führt zu einer Abkürzung der Symptomdauer. Nun hat die «Food and Drug Administration» (FDA) das Medikament auch für eine Postexpositionsprophylaxe zugelassen. Ohne Baloxavir erkrankten 13%, mit Baloxavir nur 1% der Kontaktpersonen.
Gibt es eine wirksame medikamentöse Therapie für eine anhaltende Alkoholabstinenz?
Schätzungsweise 4 von 5 alkoholkranken Patientinnen und Patienten erhalten keine spezialisierte Betreuung im Hinblick auf die Erhaltung der Alkoholabstinenz. Wie können die Hausärztin oder der Hausarzt, die in solchen Situationen dann «einspringen», in ihrer Aufgabe unterstützt werden, zum Beispiel durch eine konkomittierende medikamentöse Therapie?
Eine Auswertung von 64 Studien konnte leider nur dem Acamprosat eine Wirksamkeit konzedieren. Die Wahrscheinlichkeit, nach 12 Monaten unter Acamprosat alkoholabstinent zu sein, war etwa doppelt so hoch wie unter Plazebo, insgesamt besteht für einen guten therapeutischen Effekt eine Wahrscheinlichkeit von 40%. Naltrexon und eine Kombination Naltrexon/Acamprosat waren nicht signifikant wirksam.
Es besteht also ein grosser Bedarf für bessere adjuvante medikamentöse Therapien zur Abstinenzerhaltung. Eine verbesserungswürdige Aufgabe ist auch die psychosoziale Betreuung, hier können die Hausärztin und der Hausarzt – falls Zeit und adäquate Finanzierung gesichert sind – sehr viel erreichen. Wenn sie viel Geduld haben ...
Lebensstiländerungen und Metformin sind Basisinterventionen beim Typ 2 des Diabetes mellitus, gefolgt von «Glucagon-like peptide-1»-(GLP-1-)Rezeptor-Agonisten und den Natrium-Glukose-Transporter-2-(SGLT-2-)Hemmern.
GLP-1-Rezeptor-Agonisten können lediglich einmal wöchentlich gegeben werden, wie das in der vorliegenden Studie evaluierte Insulin Icodec. Bei diabetischen Patientinnen und Patienten, die noch nie Insulin erhalten hatten (Vorbehandlung: Lebensstiländerung, Metformin ± ein Dipeptidylpeptidase-4-[DPP4-]Hemmer), sank unter dem Langzeitinsulin das HbA1C von 8,1 auf 6,7% (nach 26 Wochen), vergleichbar mit der täglich applizierten Therapie mit Insulin Glargin.
Es bleibt abzuwarten, wie dieses Insulin, dessen genaue Pharmakokinetik noch untersucht wird, einen Platz im Therapiealgorithmus bekommen wird. Die fixe Dosierung kann auch Probleme bei stark wechselnden Lebensgewohnheiten (z.B. Sportaktivität) bedeuten. In dieser Population kam es allerdings nicht zu vermehrten Hypoglykämien (im Vergleich zu Insulin Glargin) und sie waren mit etwa 0,5 Ereignissen pro Patientjahr auch eher selten.
Die sogenannte RT-PCR («reverse transcription polymerase chain reaction») als sensitivste Methode gilt als Goldstandard für die Diagnose einer COVID-19-Erkrankung. SARS-CoV-2-RNA ist noch etwa 17–19 Tage nach Symptombeginn nachweisbar, während die Mehrheit der Individuen nach 7–9 Tagen nicht mehr oder wenig ansteckend geworden ist.
Die Positivität der Antigentests – 100- bis 1000-mal weniger sensitiv als die RT-PCR – korreliert mit der Viruskonzentration, weshalb diese Tests also vor allem ansteckende Individuen mit hoher Viruslast entdecken und sich damit für flächendeckende Analysen der zum gegebenen Zeitpunkt in einer Population vorhandenen ansteckenden Individuen eignen könnten. Weil kostengünstiger und einfacher handzuhaben, könnte eine grosse Population schnell und möglicherweise repetitiv getestet werden.
Eine entsprechende, gut geschriebene «perspective» macht diesen Punkt geltend, wird aber etwas durch die Interessensbindung von zwei der drei Autoren (Antigentest offerierende Firmen oder Firmenabteilungen) getrübt.
Publikationen, die ohne Subskription frei zugänglich sind (sog. «open access»), werden viermal häufiger gelesen und zitiert. Bei Springer mit seiner grossen Palette an Nature-Journalen können sich die Autoren nun den Open Access erkaufen: Bis zu 9500 Euro für eine Publikation im Flaggschiff der Gruppe, dem Nature selbst.
Wahrscheinlich ist das ein guter Kompromiss: Auch der Verlag muss Geld verdienen und der Betrag ist im meist grossen Forschungsbudget ein eher kleiner Faktor. Die Anreize für die Autoren sind schnellere Publikation und eine weitere Verbreitung.
Progression der chronischen Nierenerkrankung: Harnsäurekristalle im Urinsediment
Mit abnehmender Nierenfunktion sinkt auch die renale Harnsäure-Clearance und es resultiert eine zum Teil eindrückliche Hyperurikämie. Als Sekundärfolgen werden das metabolische Syndrom, Hypertonie, kardiovaskuläre Erkrankungen sowie eine beschleunigte Progression der Niereninsuffizienz angenommen. Allerdings spricht die kürzliche Wirkungslosigkeit einer harnsäuresenkenden Therapie bei Patientinnen und Patienten mit Niereninsuffzienz dagegen (siehe u.a. [1]).
Diese Erkenntnisse wurden nun im hier zitierten Mäusemodell bestätigt [2]. Allerdings: Wenn aufgrund eines tiefen Urin-pH (Azidose, azidogene Diät) im Nierengewebe und im Urinsediment Harnsäurekristalle nachweisbar waren, kam es zu Tubulusobstruktionen, einer M1-makrophagenreichen Entzündung und einer interstitiellen Fibrose, was zur Progression einer bestehenden Nierenerkrankung beitrug. Ein experimenteller Hemmer dieses Entzündungswegs war protektiv.
Vielleicht beruht die immer besser dokumentierte Verlangsamung der progredienten Niereninsuffizienz durch systemische Alkalitherapie auch auf einer Hemmung der Kristallbildung und damit mittelbar der intrarenalen Entzündung.
Die hereditäre Hämochromatose ist meist Folge einer HFE-Mutation, wobei der Genotyp C282Y (die 282. Aminosäure ist Tyrosin anstelle von Cystein) 81% aller Fälle ausmacht (siehe auch Grafik in «Fokus auf ...»).
Männer, die für diese Mutation homozygot sind, haben ein 10-fach (!) erhöhtes Risiko, innerhalb von median 9 Jahren ein hepatozelluläres Karzinom zu entwickeln (p<0,001). Ihre Sterblichkeit ist ebenfalls, wenn auch mit marginaler statistischer Signifikanz, erhöht (p = 0,046). Warum Frauen mit dem gleichen Genotyp offensichtlich vor Mortalität und Entwicklung hepatozellulärer Karzinome geschützt sind, bleibt mysteriös.
Welches sind die Kontrollintervalle für Männer mit dieser Mutation? Kann man dadurch die Diagnose früher stellen und hätte eine früher einsetzende Therapie einen besseren Effekt?
Eisenmangel und Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz
In einer prospektiven, randomisierten und plazebokontrollierten Studie wurden 1132 Patientinnen und Patienten, die wegen akuter Herzinsuffizienz hospitalisiert waren und einen Eisenmangel (definiert als Ferritin <100 μg/l bzw. 100 bis <300, falls die Transferrinsättigung <20% betrug) aufwiesen, nach Stabilisierung der Herzinsuffizienz (Ejektionsfraktion <50%) vor ihrer Entlassung mit Eiseninfusionen (Carboxymaltose) oder Plazebo (1:1) behandelt. Nach 52 Wochen konnte kein signifikanter Effekt auf die kardiovaskuläre Mortalität, jedoch eine statistisch signifikante Reduktion der Rehospitalisationsrate wegen Herzinsuffizienz (217 im Vergleich zu 294 unter Plazebo, p = 0,013) beobachtet werden.
Unklar bleibt, ob die Ursachen des so definierten Eisenmangels in beiden Gruppen gleich verteilt waren.
Man würde es von ihrem Auftreten als typische «Southern Belle» (füllige Formen, viel Make-up, fast etwas furchterregende Fingernägel und ein leicht hinterwäldlerisch anmutender Südstaatendialekt, ein sog. «southern drawl») nicht unbedingt erwarten: Dolly Parton ist die kreativste, produktivste und erfolgreichste Komponistin und Sängerin von Volksliedern des sogenannten «Country and Western»-Stils. Sie hat nun 1 Million Dollar für eine Anti-SARS-CoV-2-Impfung gespendet und erhält dafür Lob von Science.
Die Tatsache, dass die Spende an die in der mRNA-Vakzinologie erfolgreiche Firma Moderna Inc. ging, könnte allerdings die Spende in eine lukrative Investition verwandeln ...
Beim Morbus Alzheimer findet man in den Plaques eine Akkumulation von falsch gefalteten Beta-Amyloid-Molekülen und in den neurofibrillären Bündeln Ansammlungen von Tau-Eiweiss mit Phosphorylierung an verschiedenen Aminosäuren, unter anderem 181 und 217. P(hospho)-Tau 217 scheint – bei einer kleinen Zahl von Patientinnen und Patienten – den Morbus Alzheimer von anderen neurodegenerativen Erkrankungen differentialdiagnostisch abgrenzen zu können [1]. Sein – nicht invasiver – Nachweis im Plasma zeigte bereits in der langen präklinischen Phase der Krankheit erhöhte Werte (Kohorte von 490 Patient[inn]en) und namentlich schon bei kognitiv noch normalen Patientinnen und Patienten, deren Tau-PET (Positronen-Emissions-Tomographie) zum Zeitpunkt der Bestimmung noch unauffällig ausgefallen, deren Beta-Amyloid-PET aber positiv gewesen war.
Verfasst am 30.11.2020 auf Hinweis von PD Dr. M. Sollberger (Basel).
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