Die Vielfalt der malignen Tumoren der Gebärmutter
Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Die Vielfalt der malignen Tumoren der Gebärmutter

Übersichtsartikel
Ausgabe
2021/1718
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2021.08724
Swiss Med Forum. 2021;21(1718):290-296

Affiliations
a Gynäkologisches Tumorzentrum, Inselspital, Universitätsspital Bern; b Universitätsklinik für Frauenheilkunde, lnselspital Bern; c Universitätsklinik für Radioonkologie, Inselspital Bern; d Universitätsklinik für Medizinische Onkologie, Inselspital Bern; e Praxis für Gynäkologie und Geburtshilfe, Murten, und Engeriedspital, Lindenhofgruppe, Bern

Publiziert am 27.04.2021

Maligne Gebärmuttertumoren, aus dem Endometrium, Myometrium oder der Zervix stammend, können sich alle durch eine pathologische vaginale Blutung äussern. Sie unterscheiden sich aber deutlich in Pathogenese, Verlauf und Prognose.

Endometriumkarzinom

Epidemiologie und Pathogenese

Das Endometriumkarzinom ist der häufigste gynäkologische Tumor, und aufgrund der demographischen Entwicklung ist von einer Zunahme der Inzidenz auszugehen. Mehr als 75% der Patientinnen sind postmenopausal, etwa 10% sind bei Diagnosestellung jedoch unter 45 Jahren. Die Prognose des Endometriumkarzinoms ist mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 80% gut, die Diagnose wird meist in einem frühen Stadium gestellt [1].
In der Karzinogenese spielt der Östrogenüberschuss eine wesentliche Rolle wie beispielsweise bei früher Menarche, Infertilität oder metabolischem Syndrom. In 2–5% liegt eine genetische Prädisposition vor ­(hereditäres non-polypöses kolorektales Karzinom, Cowden- oder Lynch-Syndrom). Bei einer einfachen Endometriumhyperplasie ist das Risiko für ein Endome­triumkarzinom bis 4%, wohingegen die Endometriumhyperplasie mit Atypien als Vorläuferläsion mit einem Entartungsrisiko bis 45% gilt.

Einteilung

Histologisch wird das Endometriumkarzinom in zwei Kategorien unterteilt: Typ I entspricht den häufigeren, hormonsensiblen endometroiden Adenokarzinomen. Typ-II-Karzinome umfassen weniger differenzierte und aggressivere, hormonunabhängige klarzellige und seröse Karzinome sowie Karzinosarkome. Im Rahmen des «The Cancer Genome Atlas»-Projektes (TCGA) ­wurden 2013 vier prognostisch und therapeutisch re­levante molekulare Subtypen identifiziert (Tab. 1), ­welche die Ära der personalisierten Medizin in der Behandlung des Endometriumkarzinoms einleiten [2].
Tabelle 1: Neue molekulare Subtypen des Endometriumkarzinoms (EC).
Molekulare Klassifi­zierung des ECs«POLE ultramutated»«Microsatellite
instability»
«Copy number 
low»«p53mutant» («copy number high»)
Geschätzte Prävalenz5–15%25–30%30–40%5–15%
HistologieOft G3, viele TILSEndometroid, oft G3, LVSI positivEndometroid G1–2Seröse oder G3 ­endometroide Karzinome
DiagnostikPOLE-MutationMikrosatelliteninstabilitätAusschlussdiagnosep53-Mutation
KlinikJüngere Patientinnen3% genetisch bedingt ­(Lynch-Syndrom)Assoziiert mit ­AdipositasDiagnose in fort­geschrittenem Stadium
PrognoseExzellente PrognosePrognose abhängig vom ­StadiumPrognose abhängig vom StadiumSchlechteste Prognose
POLE: «DNA polymerase epsilon»; LVSI: «lymphovascular space involvement»; TILS: «tumorinfiltrating lymphocytes».

Diagnostik

Symptome

Das Leitsymptom ist die postmenopausale Blutung, die in 10% durch ein Endometriumkarzinom bedingt ist. Bis zu 90% aller betroffenen Frauen zeigen bereits im Frühstadium Sym­ptome in Form einer Blutungsstörung. Im Gegensatz zum Zervixkarzinom existiert kein Screening.

Präoperative Abklärungen

Bei Blutungsanomalien dient die gynäkologische Untersuchung der Lokalisation der Blutungsquelle. In der transvaginalen Sonographie erfolgt die Beurteilung der Endometriumdicke; in der Postmenopause gelten >3 mm als abklärungsbedürftig. Dies kann ambulant mittels «Pipelle de Cornier®» (Aspirationsbiopsie des Endometriums) ohne Anästhesie in der gynäkologischen Praxis erfolgen. Damit kann eine Malignität bewiesen, jedoch nicht ausgeschlossen werden. Bei negativem oder nicht repräsentativem Resultat sind eine Hysteroskopie und Curettage zur histologischen Sicherung notwendig. Bei klinischem Verdacht auf ein fortgeschrittenes Stadium oder bei aggressiver Histologie ist eine Untersuchung mittels Computertomographie (CT) mit der Frage nach extrauteriner Beteiligung indiziert.

Stadieneinteilung

Die Stadieneinteilung des Endometriumkarzinoms ­erfolgt als operatives Staging nach FIGO1 2009 und ­bestimmt die Radikalität der Operation sowie die ­adjuvanten Therapien. Die «ESMO-ESGO-ESTRO2–4 Consensus Conference» 2016 hat zudem eine Unterteilung des Endometriumkarzinoms in Risikogruppen («low», «intermediate», «high-intermediate» und «high») unternommen, die für die operative und adjuvante Therapieempfehlung relevant sind [3].

Therapie

Chirurgie

Die laparoskopische Operationstechnik ist heutzutage der Goldstandard. Das operative Standardverfahren besteht aus einer Hysterektomie mit bilateraler Adnexektomie und selten Omentektomie, gefolgt von einer pelvinen und paraaortalen Lymphonodektomie je nach Risikogruppe. Bei Vorliegen eines endometrioiden Endometriumkarzinoms G1, G2 pT1a können bei prämenopausalen Frauen die Ovarien belassen werden, sofern keine Anhaltspunkte für eine hereditäre Disposition für ein Ovarialkarzinom (z.B. BRCA-Mutation, Lynch-Syndrom) vorliegen und die Patientin über das Risiko aufgeklärt ist [4].
Beim Endometriumkarzinom ist die Lymphonodektomie eine diagnostische Intervention. Sie dient dem Staging und der Festlegung der adjuvanten Therapien. Aufgrund ihrer Morbidität sollte sie nur bei makro­skopisch befallenen Lymphknoten oder bei einer ­hohen Wahrscheinlichkeit eines Lymphknotenbefalls («intermediate-high» und «high-risk») durchgeführt werden. In diesem Kontext ist das Konzept des Sentinellymphknotens eine gute Alternative – insbesondere bei älteren Patientinnen sowie bei «low-risk» und «intermediate-risk» Karzinomen. Dieses Konzept wird an unserem ­Tumorzentrum seit 2012 im Rahmen von Studien evaluiert: Durchgeführt mittels Indozyaningrün und Nahinfrarot-Imaging-Technik (Abb. 1) weist es eine bilaterale Detektionsrate von über 90% auf bei einer falsch positiven Rate von unter 5% und bewirkt keine Erhöhung der Morbidität verglichen mit der alleinigen Hysterektomie und beidseitigen Adnexektomie [5–7].
Abbildung 1: Indocyaningrün-positiver Sentinellymphknoten (A) und Lymphabfluss (B) unter Nahinfrarotlicht.
Zudem wird durch das Ultrastaging des Sentinellymphknotens die Detektion von Mikrometastasen verbessert. Das Ultrastaging beinhaltet eine immunhistochemische Untersuchung aller in der konven­tionellen Hämatoxylin-Eosin-(HE-)Färbung morpho­logisch negativen Sentinellymphknoten. Die Sentinellymphonodektomie ist zusammen mit der neuen molekularen Klassifizierung ein wichtiger Schritt hin zu einer personalisierten, weniger radikalen Behandlung beim Endometriumkarzinom.
Bei dringendem Kinderwunsch und gut differenziertem endometrioidem Adenokarzinom im Stadium IA ohne Myometriuminfiltration kann nach ausführlicher Aufklärung über das Rezidivrisiko eine fertilitätser­haltende Therapie erwogen werden. Die konservative Therapie besteht aus einer lokalen Therapie mit einer Gestagenspirale oder aus einer kontinuierlichen oralen Gestagengabe. Bei unauffälliger sonographischer und histologischer Kontrolle nach sechs Monaten kann eine Schwangerschaft angestrebt werden. Wegen der hohen Rezidivgefahr ist nach erfülltem Kinderwunsch eine stadiengerechte chirurgische Therapie notwendig.

Adjuvante Therapien

Die vaginale Brachytherapie wird ab Stadium IB empfohlen und ist aufgrund ihrer geringeren Toxizität bei gleicher Wirksamkeit zur Therapie des frühen Endometriumkarzinoms mit intermediärem bis hohem ­Risiko der perkutanen Bestrahlung vorzuziehen [8]. Die perkutane Radiotherapie kommt prinzipiell bei Lymphknotenbefall und bei Hochrisikosituationen (G3 oder L1) ohne Lymphknoten-Staging zum Einsatz.
Eine adjuvante Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel sowie Cisplatin zusätzlich zur Radiotherapie ist ab einem Stadium IB G3 indiziert.
Im direkten Vergleich ist die Chemotherapie der ­Strahlentherapie bei lokal fortgeschrittener Erkrankung bezüglich progressionsfreiem und Gesamtüberleben überlegen, allerdings zum Preis eines erhöhten Lokalrezidivrisikos. Eine schlüssige Antwort auf den individuellen Beitrag der Radiotherapie respektive der Chemotherapie zum Gesamtüberleben lassen die beiden letzten, zweiarmigen Studien leider nicht zu (GOG 258 und PORTEC-3 [9, 10]), da der experimentelle Arm jeweils in einer Radiochemotherapie bestand. So war zum Beispiel in der GOG-258-Studie das Rückfall­risiko bei der Radiochemotherapie im Vergleich zur Chemotherapie gleich.

Palliative Therapie

Bei fortgeschrittenen Stadien kann eine operative Intervention (Hysterektomie zur Blutungsprophylaxe, Tumor-Debulking) in einem palliativen Setting sinnvoll sein.
Eine palliative Hormontherapie mit Medroxyprogesteronacetat wird bei gut differenzierten, hormonrezeptor-positiven Tumoren eingesetzt und zeigt eine gute Verträglichkeit; die Ansprechrate liegt bei 30%. Bei mikrosatelliteninstabilem und/oder PDL1-(«programmed death-ligand 1»-)positivem Endometriumkarzinom kann eine gut verträgliche Behandlung mit dem Immuncheckpoint-Inhibitor Pembrolizumab eingesetzt werden [11, 12]. In Kombination mit dem ­oralen Multikinase-Inhibitor Lenvatinib werden Ansprechsraten von fast 40% erreicht [13].

Nachsorge

Die Nachsorge sollte das potenziell kurativ behandelbare Lokalrezidiv früh entdecken. Evidenzbasierte Richtlinien gibt es nicht. Wir empfehlen in den ersten zwei Jahren dreimonatliche Kontrollen mit klinischer Untersuchung und vaginaler Zytologie sowie trans­vaginaler Sonographie alle sechs Monate. In der Folge können die Kontrollen für drei Jahre halbjährlich, später jährlich erfolgen. Zudem sollte bei hohem Rezidivrisiko (G3 oder >Stadium ) für die ersten drei Jahre jährlich eine CT durchgeführt werden.

Rezidive

25% der Patientinnen entwickeln ein Rezidiv, meistens innerhalb der ersten zwei Jahre. 17% treten in der Vagina, 32% im Becken und 51% als Fernmetastasen auf. Bei isolierten Lokalrezidiven ist eine operative Ent­fernung in kurativer Absicht möglich. Bei inoperablen Rezidiven kann eine (erneute) Bestrahlung oder eine Sy­stemtherapie eingesetzt werden.

Uterine Sarkome

Epidemiologie und Pathogenese

Uterine Sarkome sind eine heterogene Gruppe von seltenen malignen Tumoren des Myometriums, des endometrialen Stromas oder des uterinen Bindegewebes mit einer Inzidenz von 1,5–3/100 000. Sie machen weniger als 10% aller Malignome des Uterus aus, sind ­jedoch für fast 30% der Todesfälle aufgrund uteriner Tumorerkrankungen verantwortlich [1]. Es handelt sich mehrheitlich um aggressive Tumoren mit einer 5-Jahres-Überlebensrate unter 50%.
Als Risikofaktoren gelten eine vorausgegangene pelvine Radiotherapie, die Einnahme von Tamoxifen und eine schwarzafrikanische Abstammung sowie das Li-Fraumeni-Syndrom (autosomal-dominant vererbte Keimbahnmutation des TP53-Gens, vergesellschaftet mit Weichteil- und Knochensarkomen, Mammakarzinom, Leukämien, Astrozytom, Plexuskarzinom und Nebennierenrindenkarzinom).

Einteilung

Die Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterteilt uterine Sarkome in folgende Enti­täten: Leiomyosarkome (60–70%), «low-grade» und «high-grade» endometriale Stromasarkome (ca. 10%), undifferenzierte uterine Sarkome (ca. 10%). Im Folgenden wird primär auf das Leiomyosarkom eingegangen, die wichtigsten Unterschiede zu den selteneren Sarkomformen werden anschliessend erläutert [14].

Diagnostik

Symptome

Die häufigsten Symptome sind eine pathologische vaginale Blutung oder Druckerscheinungen aufgrund der Grössenzunahme des Uterus. Diese sind jedoch unspezifisch und können auch bei benignen Leiomyomen auftreten. Somit sind uterine Sarkome oft Zufallsbefunde nach erfolgter Hysterektomie oder Myomektomie.

Präoperative Abklärungen

Es existieren keine verlässlichen Kriterien in der Bildgebung für Sarkome. Die wichtigste Bildgebung zur Beurteilung des Uterus ist die vaginale Sonographie. Zur Differenzierung zwischen benignen Myomen und Sarkomen hat die Diffusions-Magnetresonanztomographie (-MRT) den höchsten diagnostischen Vorhersagewert [15]. Im Gegensatz zum Endometriumkarzinom ist die Curettage in der Hälfte der Fälle falsch negativ. Bei klinischem Verdacht auf ein Sarkom ist ein Morcellement bei einer Hysterektomie oder Myomektomie absolut kontraindiziert, da dies zur Disseminierung der Tumorzellen und damit zur Verschlechterung der Prognose führt (Abb. 2) [16]. Alle Patientinnen müssen präoperativ über dieses Risiko informiert werden.
Abbildung 2: Beckenwandrezidiv eines Leiomyosarkoms nach Hysterektomie mit Morcellement (extern).

Therapie

Chirurgie

Die totale Hysterektomie ist der Goldstandard. Da ovarielle Metastasen nur in 3% auftreten, ist die Adnexektomie nicht obligat und soll in Abhängigkeit vom Menopausenstatus besprochen werden. Die Inzidenz von Lymphknotenmetastasen ist niedrig und daher eine systematische pelvine und paraaortale Lymphadenektomie prognostisch irrelevant. Su­spekte Lymphknoten sollten jedoch entfernt werden. Ein fertilitätserhaltendes Vorgehen ist als experimentell zu betrachten [17].

Adjuvante Therapien

Aufgrund der Seltenheit dieser Erkrankungen ist die Datenlage für die Systemtherapie eingeschränkt. Eine Phase-II-Studie zeigte ein gutes progressionsfreies Überleben bei Patientinnen im Stadium I bis IIIA nach kompletter Operation nach adjuvanter Therapie mit Doxorubicin, Ifosfamid und Cisplatin (oder Docetaxel, Gemcitabine und Doxorubicin) [18].
Die perkutane Radiotherapie ist nach Komplettresektion nicht mit einem verbesserten Gesamtüberleben assoziiert und sollte somit nur bei Patientinnen mit unvollständiger Tumorresektion erwogen werden.

Palliative Therapien

In der metastasierten Situation wird in erster Linie mit einer palliativen Chemotherapie mit Doxorubicin behandelt. Bei Hormonrezeptorpositivität verlängert eine Therapie mit Aromatasehemmern das progres­sionsfreie Überleben.

Nachsorge

Die Nachsorge dient der Sicherung des Heilungserfolges und der Lebensqualität, evidenzbasierte Richtlinien gibt es nicht. Wir empfehlen analog zum Endometriumkarzinom in den ersten zwei Jahren dreimonatliche und für die nächsten drei Jahre halbjährliche Kontrollen. Zudem sollte jährlich eine Bildgebung mittels CT erfolgen für mindestens drei Jahre.

Rezidive

Die Rezidivrate der Leiomyosarkome beträgt bis zu 71%. Bei Rezidiven ist die operative komplette Tumorentfernung mit einer verbesserten Prognose assoziiert.

Low- und high-grade endometriale ­Stromasarkome, undifferenzierte uterine Sarkome, Adenosarkome

Die «low-grade» endometrialen Stromasarkome unterscheiden sich durch ihre gute Prognose (5-Jahres-Überlebensrate von bis zu 90%) von den Leiomyosarkomen. Zudem sind sie hormonsensibel, wodurch sich die Indikation zur bilateralen Adnexektomie sowie ab Stadium III zur adjuvanten endokrinen Therapie ergibt. Eine adjuvante Chemo- oder Radiotherapie sind nicht indiziert.
Auch bei den «high-grade» endometrialen Stroma­sarkomen und den undifferenzierten uterinen Sarkomen ist neben der Hysterektomie eine bilaterale Adnexektomie indiziert. Die Prognose dieser Tumoren ist mit einem medianen Gesamtüberleben von knapp zwei Jahren sehr schlecht. Für eine adjuvante Chemotherapie liegen keine validen Daten vor, sie sollte individuell besprochen werden. Eine perkutane Radiotherapie ist jedoch bei Patientinnen im Stadium I und II indiziert.

Zervixkarzinom

Epidemiologie und Pathogenese

Das Zervixkarzinom ist weltweit die vierthäufigste maligne Erkrankung der Frau mit einer Mortalität von über 60%. Dank dem zytologischen Abstrich zur Früherkennung sind die Zahlen in der Schweiz deutlich niedriger. Pro Jahr werden in der Schweiz ungefähr 250 Zervixkarzinome neu diagnostiziert (1,3% aller Krebsneuerkrankungen und 1% aller Krebstodesfälle). Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 53 Jahren für die Karzinome und 34 Jahre für präinvasive Vorstufen; Etwa die Hälfte der betroffenen Frauen mit Zervixkarzinom ist bei der Diagnose unter 50 Jahre alt. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt insgesamt bei 67% (95% im Stadium I und 21% im Stadium IV) [1].
Die persistierende Infektion der Zervix mit einem «high-risk» humanen Papillomavirus (HPV) ist der Hauptrisikofaktor für die Entstehung eines Zervixkarzinoms. Diese wird begünstigt durch Immunschwäche, Nikotinabusus, Langzeiteinnahme von oralen Antikonzeptiva und Promiskuität. Die Karzinogenese erfolgt über präinvasive Vorstufen («cervical intraepithelial neoplasia» [CIN]).

Prävention

Die primäre Prävention des Zervixkarzinoms beinhaltet die HPV-Impfung, die seit 2006 in der Schweiz für Mädchen und seit 2015 für Knaben von 11 bis 26 Jahren zugelassen ist. Grundlage der Sekundärprävention ist die Latenz bis zur Entwicklung eines Zervixkarzinoms aus einer präinvasiven Vorstufe sowie die gute Zugänglichkeit der Zervix durch die spekuläre Untersuchung. Keine andere Krebserkrankung kann durch eine ­Vorsorgeuntersuchung so effektiv verhindert werden wie das Zervixkarzinom. In der Schweiz existiert ein opportunistisches Screening aller Frauen zwischen 21 und 70 Jahren mittels Zervixzytologie (PAP-Abstrich) alle drei Jahre, ab 30 Jahren kann alternativ eine HPV-Testung erfolgen [19, 20].

Einteilung

Beim Zervixkarzinom handelt es sich in 80% um ­Plattenepithelkarzinome, knapp 20% sind Adenokarzinome. Andere histologische Subtypen wie adenosquamöse, neuroendokrine oder klarzellige Karzinome sind sehr selten.

Diagnostik

Symptome

Die häufigsten Symptome sind eine pathologische, oft postkoitale, vaginale Blutung oder ein auffälliger vaginaler Fluor.

Präoperative Abklärungen

Die Kolposkopie von Vagina und Portio (Abb. 3) mit gezielter Biopsie und die endozervikale Kürettage sind die wichtigsten präoperativen Abklärungen, eine histologische Sicherung ist zwingend. Der vaginale Ultraschall dient zur Beurteilung der lokoregionären Tumor­ausbreitung. Ab Stadium IB2 sollten zusätzlich eine MRT zur Beurteilung der Tumorgrösse und eine Positronenemmissionstomographie-(PET-)CT (oder CT Thorax/Abdomen) mit der Frage nach extrapelviner Ausbreitung durchgeführt werden. Bei Verdacht auf Blasen- oder Rektuminfiltration im MRT erfolgt eine Zysto- respektive Rektoskopie. Die Nierensonographie kann eine tumorbedingte Dilatation nachweisen [21].
Abbildung 3: Kolposkopische Befunde bei «cervical intraepithelial neoplasia» (CIN) III (A) und Zervixkarzinom (B).

Stadieneinteilung

Das Staging erfolgte beim Zervixkarzinom bis 2018 rein klinisch. In der revidierten FIGO-Klassifikation von 2018 werden neu auch die Bildgebung und der ­Nodalstatus in der Definition des Tumorstadiums und damit in der prospektiven Therapieplanung berücksichtigt [22].

Therapie

Die primäre Therapie des Zervixkarzinoms erfolgt stadienabhängig und besteht, anders als bei den anderen uterinen Tumoren, entweder aus einer Operation oder einer Radiochemotherapie. Eine Kombination der beiden Therapiemodalitäten sollte aufgrund der Morbidität nach Möglichkeit vermieden werden.

Chirurgie

Die Rolle der Chirurgie beim Zervixkarzinom besteht einerseits aus dem operativen Lymphknoten-Staging, andererseits aus der therapeutischen Tumorentfernung. Die radikale Hysterektomie mit Entfernung der Parametrien und einer Vaginalmanschette gilt als Standardoperation [23, 24].
Aufgrund der geringen Sensitivität der bildgebenden Verfahren erfolgt das Lymphknoten-Staging beim Zervixkarzinom operativ. Die Sentinellymphonodektomie stellt bei Zervixkarzinom-Frühstadien eine Alternative zur radikalen Lymphonodektomie dar, mit deutlich geringerer Morbidität. Einzig bei einem Tumorstadium T1a1 ohne lymphovaskuläre Invasion kann auf ein chirurgisches Lymphknoten-Staging verzichtet werden.
Bis zum Stadium FIGO IIA erfolgt die primäre Therapie chirurgisch. Bei mikroinvasiven Karzinomen gelten eine Konisation in sano oder eine einfache Hyster­ektomie als onkologisch sicher, ansonsten ist eine radikale Hysterektomie indiziert. Bei Plattenepithelkarzinomen können in der Prämenopause die Ovarien belassen werden. Bisher galten die minimalinvasiven Operationsverfahren als etabliert und sicher. Die Ergebnisse der 2018 publizierten, prospektiv randomisierten LACC-Studie zeigen jedoch ein signifikant schlechteres onkologisches Outcome nach minimalinvasiver radikaler Hysterektomie verglichen mit dem offenen Zugangsweg bei Tumoren ≥2 cm [25]. Die Ursachen dafür sind weitgehend unklar, diskutiert wird unter anderem der Gebrauch von Uterusmanipulatoren oder die C02-Insufflation bei der Laparoskopie.
Bei ausdrücklichem Wunsch der Patientin ist in spezifischen Fällen eine Fertilitätserhaltung durch eine einfache oder radikale Trachelektomie möglich.

Primäre Radiochemotherapie

Ab Stadium IIB oder bei Lymphknotenbefall stellt die primäre Radiochemotherapie die Therapie der Wahl dar. Sie wird als perkutane Bestrahlung (intensitätsmodulierte Bestrahlungsplanung) in Kombination mit einer cisplatinhaltigen Chemotherapie gefolgt von einer bildgestützten intrauterinen Brachytherapie durchgeführt. Bei prämenopausalen Patientinnen ist eine vorgängige Ovaropexie zum Schutz der intrinsischen Ovarfunktion empfohlen.

Adjuvante Therapien

Eine adjuvante Radio(chemo)therapie ist indiziert bei Parametrieninfiltration, Lymphknotenmetastasen und/oder positiven Resektionsrändern oder beim Vorliegen von mindestens drei der folgenden Risikofaktoren: L1, V1, G3, tiefe Stromainvasion und/oder Tumorgrösse >4 cm.
Eine adjuvante vaginale Brachytherapie sollte nach ­R1-Resektion, bei grossen Tumoren oder Vaginalbefall sowie ausgeprägter lymphovaskulärer Invasion diskutiert werden.
Eine konsolidierende Chemotherapie mit Cisplatin und Gemcitabin nach abgeschlossener Radiochemotherapie führt gemäss Cochrane Analyse zu einem besseren Gesamtüberleben.

Palliative Therapien

Beim metastasierten Zervixkarzinom steht die palliative Chemotherapie mit Cisplatin-Kombinationen mit Bevacizumab im Vordergrund. Neue Therapiekonzepte bestehen aus Immuncheckpoint-Inhibitoren oder kombinierten Immuntherapien [26].

Nachsorge

Die Nachsorge dient der Erkennung eines lokoregionären oder distanten Rezidivs und besteht aus rektovaginaler Untersuchung, Kolposkopie und Zytologie alle drei Monate für die ersten drei Jahre, gefolgt von ­einem sechsmonatlichen Intervall für weitere zwei Jahre. Wir empfehlen zudem eine jährliche Bildgebung (CT oder PET-CT) zur frühzeitigen Erkennung von operablen Metastasen für die ersten drei Jahre nach Therapie.

Rezidive

Etwa 30% der Patientinnen haben ein Rezidiv, 76% innerhalb der ersten zwei Jahre. Bei nicht vorbestrahlten Patientinnen ist eine Radiochemotherapie indiziert; die Ansprechraten sind bis zu 66% beim zentralen Rezidiv und bis 28% beim Beckenwandrezidiv. Bei vorbestrahlten Patientinnen mit zentralem Rezidiv soll eine Exenteration empfohlen werden, sofern dieser Eingriff mit hoher Morbidität ein kuratives Potential hat.
Eine experimentelle Therapie, die wir am Inselspital seit einem Jahr durchführen, ist die Immuntherapie mit tumorinfiltrierenden Lymphozyten. Diese werden aus dem Tumorgewebe isoliert, in vitro expandiert und nach einer lymphodepletierenden Chemotherapie wieder infundiert. Die erste Analyse der laufenden Phase-II-Studie LN-145 zeigte eine Ansprechrate von 44,4%.

Das Wichtigste für die Praxis

• Die Prognose des Endometriumkarzinoms ist gut, da durch das Leitsymptom der postmenopausalen Blutung die meisten Erkrankungen in einem frühen Tumorstadium diagnostiziert werden.
• Die Therapie des Endometriumkarzinoms entwickelt sich zu einer personalisierten, weniger radikalen Medizin. Wichtige Beiträge dazu leisten die Sentinellymphonodektomie sowie die neue molekulare Klassifizierung im Rahmen des «The Cancer Genome Atlas»-Projektes.
• Leiomyosarkome sind seltene Tumoren der Gebärmutter mit einer schlechten Prognose, deren Diagnose aufgrund unspezifischer Sym­ptome und fehlender diagnostischer Zeichen in der Bildgebung oft als Zufallsbefund nach erfolgter Hysterektomie gestellt wird.
• Bei Verdacht auf Uterussarkom ist ein Morcellement streng kontraindiziert, da es zu einer Dissemination von Tumorzellen und zu einer Verschlechterung der Prognose führen kann.
• Dank des zytologischen Zervix-Screenings konnten Inzidenz, Morbidität und Mortalität des Zervixkarzinoms in der Schweiz stark reduziert werden, eine weitere Abnahme ist durch die Einführung der Impfung gegen das humane Papillomavirus (HPV) zu erwarten – keine andere Krebserkrankung kann durch eine Vorsorgeuntersuchung so effektiv verhindert werden!
• Eine Fertilitätserhaltung ist sowohl beim Endometrium- wie auch beim Zervixkarzinom in definierten Fällen möglich.
Die Autoren haben deklariert, keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag zu haben.
Prof. Dr. med.
Michael ­Mueller
Universitätsklinik für ­Frauenheilkunde
lnselspital
Freiburgerstrasse 18
CH-3010 Bern
michael.mueller[at]insel.ch
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