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Einleitung
Die Virushepatitiden B und C haben im letzten Jahrzehnt an Aufmerksamkeit gewonnen, denn sie gehören zu den wichtigsten infektionsbedingten Todesursachen weltweit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat strategische Ziele definiert, nämlich eine Reduktion von Neuinfektionen um 90%, sowie eine Abnahme der hepatitisbedingten Mortalität um 65% bis ins Jahr 2030 [1].
Die Entwicklung einer nationalen Strategie zur Erreichung dieser Ziele wurde in der Schweiz vom Verein «Hepatitis Schweiz» übernommen, einer Verbindung engagierter Fachpersonen aus den Fachgebieten der Hepatologie, Infektiologie und Suchtmedizin. In einem ersten Schritt ging es um das Erkennen und die erfolgreiche Behandlung dieser häufig asymptomatisch oder oligosymptomatisch verlaufenden Infektionen. Patientinnen und Patienten sowie Ärzteschaft wurden dafür sensibilisiert. Als logische Weiterführung folgt nun in dieser Ausgabe des Swiss Medical Forum eine Empfehlung für die Nachsorge bei ausgeheilter Hepatitis C [2].
Enorme Fortschritte in Diagnostik und Therapie
Je höher der Fibrosegrad der Leber, desto grösser das Risiko, an den Folgen der Lebererkrankung (Leberversagen, Varizenblutung, hepatozelluläres Karzinom [HCC]) zu sterben. Banal aber wichtig! Bereits zu Zeiten der interferonbasierten Therapien wurde die Behandlungsindikation anhand einer Risikostratifizierung gestellt. Ursprünglich erfolgte dieses «Fibrose-Staging» durch eine Leberbiopsie. Nicht invasive Methoden zur Beurteilung der Leberfibrose wurden intensiv untersucht. Dabei hat sich die Steifigkeitsmessung der Leber mittels Elastographie (Fibroscan®) als bestes nicht invasives Verfahren etabliert [3, 4]. Wo nicht verfügbar, können alternativ auch Serumbiomarker wie zum Beispiel der einfach zu berechnende Fibrosis-(FIB-)4-Index eingesetzt werden. Damit wurde im klinischen Alltag die Leberbiopsie häufig ersetzt.
Hepatitis C ist heilbar! Die Therapie wurde in den letzten Jahren revolutioniert. Wir befinden uns seit 2014 in der neuen Ära der interferonfreien Behandlung. Diese dauert kürzer (2–3 Monate), ist nahezu nebenwirkungsfrei und die Heilungsrate geht gegen 100%. Aufgrund der hohen Kosten wurden in der Schweiz (wie in vielen anderen Ländern) zunächst nur Patientinnen und Patienten mit dringlicher Indikation, also Zirrhose oder fortgeschrittener Fibrose, behandelt. Seit Oktober 2017 wurde aber eine Behandlung aller Patientinnen und Patienten möglich, unabhängig vom Fibrosegrad. Weiterhin bleibt aber das Fibrose-Staging vor Therapie wichtig, denn die Intensität der Nachsorge ist abhängig vom Grad der bereits vorhandenen Leberfibrose.
Hepatitis C geheilt – Wie geht es danach weiter?
Reinfektion
Der fehlende Nachweis von Hepatitis-C-Virus-Ribonukleinsäure (HCV-RNA) im Blut 12 Wochen nach Therapieende («sustained virological response» [SVR] 12) zeigt mit hoher Sicherheit eine Ausheilung der Hepatitis C an. Ein Wiederauftreten von HCV-RNA nach diesem Zeitpunkt gilt allermeist als Zeichen einer Reinfektion, denn ein später Relapse ist äusserst selten. Studien zeigen ein relevantes Reinfektionsrisiko von 1–8% für Personen mit erhöhtem Risiko (I.v.-Drogenkonsum [5], HIV-koinfizierte Männer, die Sex mit Männern haben [MSM]). Phasen von erneutem Konsum von Drogen auch nach längerer Abstinenz sind häufig und gehören zur Suchterkrankung. Drogenrückfälle werden nicht selten verschwiegen, denn viele Betroffene haben Schuldgefühle. Eine regelmässige Evaluation des Reinfektionsrisikos ist somit wichtig.
HCC-Screening
Das HCC ist ein häufiger Tumor mit steigender Inzidenz. Gemäss WHO steht es zwischenzeitlich weltweit an zweiter Stelle der krebsbedingten Todesfälle. Eine chronische Hepatitis-C-Infektion ist mit einem 15- bis 20-fach erhöhten Risiko für ein HCC vergesellschaftet. Besteht eine Leberzirrhose, so beträgt die jährliche Rate, ein HCC zu entwickeln, 3,5% (1–8%). Auch wenn die Hepatitis C definitiv ausgeheilt ist, bleibt bei Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Fibrose und Zirrhose dass Leberkrebsrisiko erhöht, und das über mehr als zehn Jahre [6]. Eine halbjährliche Lebersonographie ist bei diesen Patientinnen und Patienten empfohlen, denn das HCC führt in der Regel erst spät zu Symptomen. Die Prognose hängt aber wesentlich von der Grösse des Tumors bei Diagnosestellung ab, eine kurative Behandlung ist nur im Frühstadium möglich.
Lifestyle
Nicht immer ist die erfolgreiche Viruselimination begleitet von einer Fibroseregression. Regelmässiger Alkoholkonsum, ungesunde Essgewohnheiten und Bewegungsmangel sind wohl die wichtigsten Risikofaktoren für eine Fibroseprogression. Vor allem das Rauschtrinken («binge drinking») geht mit einer höheren leberassoziierten Morbidität und Mortalität einher, wie eine kürzlich durchgeführte Untersuchung in der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie (SHCS) gezeigt hat [7]. Die nicht alkoholische Fettleberhepatitis ist bereits zur Volkskrankheit geworden. Auch wenn in Zukunft Medikamente zur Behandlung zur Verfügung stehen werden, ist in erster Linie Verhaltensänderung angezeigt. Hier fällt den Hausärztinnen und -ärzten eine ganz wichtige Rolle zu.
Nach meiner Erfahrung ist es oft schwierig, ein Nachsorgeprogramm über längere Zeit aufrechtzuerhalten. Dies haben wir auch in der Schweizerischen Hepatitis-C-Kohortenstudie (SCCS) gesehen, wo die Dropout-Rate ziemlich hoch ist [8]. Es wäre aber zu einfach, die Verantwortung für die Nachsorge ausschliesslich den Patientinnen und Patienten zu überlassen. Für eine wirksame Nachbetreuung nach erfolgter Therapie braucht es eine klare Richtlinie (diese finden Sie in vorliegender Ausgabe) und eine gute Absprache bezüglich der Zuständigkeit zwischen den Ärztinnen und Ärzten aus den Spezialdisziplinen und der Grundversorgung.
Der Autor hat keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
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Dr. med. Patrick Schmid
Leitender Arzt
Klinik für Infektiologie/Spitalhygiene
Kantonsspital St Gallen
Rorschacher Str. 95
CH-9007 St. Gallen
patrick.schmid[at]kssg.ch
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