Aldosteronantagonismus und Progression der diabetischen Nephropathie
Hier noch ein Nachtrag aus der Adventszeit: Es gibt steroidale (Spironolacton, Eplerenon, Canrenon) sowie neu auch einen nichtsteroidalen Aldosteron-Rezeptor-Antagonisten (Finerenon, siehe Abbildung). Steroidale und nichtsteroidale Antagonisten binden und hemmen beide den nukleären Mineralokortikoidrezeptor, unterscheiden sich aber durch ein zwar überlappendes, aber namentlich in Bezug auf die renale Kaliumsekretion auch unterschiedliches Transskriptionsspektrum. Führen sie auch bei Niereninsuffizienz zu weniger therapielimitierenden Hyperkaliämien?
Bei mehr als 5700 doppelblind und prospektiv behandelten Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes mit Nephropathie (Albuminurie und/oder eingeschränkte Nierenfunktion sowie vorbestehende medikamentöse Hemmung der Renin-Angiotensin-Aldosteron-Achse) vermochte Finerenon nach 2,6 Jahren die Albuminurie, die Abnahme der glomerulären Filtrationsrate und den Blutdruck sowie die Wahrscheinlichkeit, kardiovaskuläre Komplikationen zu erleiden, weiter zu senken respektive zu verlangsamen. Der Preis (Hyperkaliäme) war relativ tief (Kaliumanstieg versus Plazebo im Mittel 0,2–0,25 mmol/l) und in nur 2,3% (Plazebo: 0,9%) Grund zum Absetzen der Therapie.
Interessante Resultate, die den Wunsch nach Evaluation dieses therapeutischen Prinzips auch in anderen Indikationen wie der Herzinsuffizienz oder der Hypertonie wecken.
Getreidekonsum, kardiovaskuläre Erkrankungen und Mortalität
Getreidespeisen bestehen aus intakten Getreidekörnern («whole grain») oder verarbeiteten Körnern, bei denen die Schutzschicht (Kleie) und allenfalls noch die Keimzone entfernt wurden («refined grain»).
Anhand von Diätfragekatalogen in global und gemäss dem ökonomischen Hintergrund gut verteilten 21 Ländern wurden knapp 150 000 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer 9,5 Jahre beobachtet*. Dabei stellte sich heraus, dass der Konsum von verarbeiteten Getreideprodukten dosisabhängig mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit assoziiert war, entweder eine kardiovaskuläre Erkankung zu entwickeln oder sogar zu versterben. In Bezug auf den Konsum von nicht verarbeiteten Getreideprodukten oder Reis wurde keine solche Abhängigkeit beobachtet. Die Assoziation war hochsignifikant, wobei die zentrale Statistik allerdings zwischen zwei Extremen – nämlich zwischen Einnahmen von weniger als 50 Gramm und mehr als 350 Gramm (= 7 Portionen!) pro Tag – gemacht wurde.
Die statistische Stärke, die mit der Konsummenge linear progressiv zunehmende Risikoerhöhung und die Kompatibilität mit bereits bestehender Evidenz sprechen aber schon dafür, dass hier etwas epidemiologisch Wichtiges dran sein könnte.
* Es handelt sich um die PURE-Studie («Prospective Urban and Rural Epidemiology»).
Stuhltransplantationen und onkologische Immuntherapie
Es gibt Zusammensetzungen von fäkalen Mikrobiomen, die in Beobachtungen in murinen Modellen und von Patientinnen/Patienten mit der Wirksamkeit onkologischer Immuntherapien (namentlich Anti-PD-1*-Therapien) assoziiert sind.
Zwei Publikationen [1, 2] beschreiben, wie bei einem Teil der Patientinnen und Patienten mit weit fortgeschrittenem, malignem Melanom und Therapieresistenz gegen eine PD-1-Blockade das Ansprechen auf die Therapie durch eine fäkal-mikrobiotische Transplantation wiederhergestellt werden konnte. Die Stuhlproben stammten von Patientinnen und Patienten, die ein erhaltenes Ansprechen auf diese Form der «immune checkpoint»-Hemmung aufwiesen. In einer der Studien gab es in 6 von 15 Fällen ein zumindest partielles Wiederansprechen auf die Therapie, in der anderen in 3 von 10 Fällen.
Die prominente Zahl von offensichtlichen Non-Respondern dämpft die medial vermittelten Emotionen über diese Resultate. Bis zur besseren Klärung der Nutzensfrage bleibt noch viel Arbeit, unter anderem zu folgenden Fragen: Wie verändert die Anti-PD-1-Therapie per se das Mikrobiom? Welche Spezies der Darmbakterien ist verantwortlich? Welche Metabolite dieser Bakterien modulieren Ansprechen und Resistenz auf die Therapie?
Superspreading bezeichnet das noch weitgehend unverstandene Phänomen, dass SARS-CoV-2 punktuell bei anscheinend identischen Umweltbedingungen eine viel dynamischere Infektionskette in Gang setzen kann.
Mittels 850 Analysen von SARS-CoV-2-Genomen wurde ersichtlich, dass vom März bis Mai 2020 das Virus 120-mal in die «Boston area» importiert wurde. Weniger als ein Drittel der Viren war aber für den Grossteil, nämlich 85%, der Weiterverbreitungen verantwortlich. Klassische Epidemiologen hätten auch keine Chance gehabt zu erkennen, dass ein an einer internationalen Geschäftskonferenz eingeführtes Virus zu einer Explosion von Fällen unter Obdachlosen führen ... und dann sekundär inneramerikanisch und international weiterverbreitet würde.
Das heisst, dass in einer Pandemie anscheinend getrennte Teile der Gesellschaft infektiologisch gesehen zur gleichen Population gehören können. Da es nicht sicher ist, ob die nun begonnenen Impfungen eher einen klinischen Infekt verhindern als die Transmission des Virus behindern, sind solche genomischen Daten – im Sinne des Monitoring auch prospektiv wichtig. Auch für die Schweiz!
Septische Patientinnen und Patienten mit Mehrorganversagen benötigen in etwa 20% der Fälle eine Intubation/Beatmung. Die dabei nötige klassische Sedation mit Gamma-Aminobutyrat-(GABA-)Agonisten wie Benzodiazepinen und Propofol wurde infrage gestellt, da ein Alpha-2-Rezeptor-Agonist (Dexmedetomidin) experimentell immunmodulatorische Effekte aufweist und klinisch im Rahmen seiner Anwendung über weniger Delirien, Komas und eine kürzere Intubationszeit berichtet wurde.
Ist der Alpha-2-Agonismus dem Propofol überlegen? Nein, aufgrund einer plazebokontrollierten Studie, die bei septischen, intubierten Patientinnen und Patienten (n = 422) Dexmedetomidin mit Propofol verglich: Keiner der gewählten primären (14-Tage-Überleben ohne Delirium oder Koma) oder sekundären Endpunkte (ventilatorfreie Tage innerhalb von 4 Wochen, 90-Tage-Mortalität und mittels Fragebogen erhobene kognitive Funktionen) waren zwischen den beiden Behandlungsgruppen signifikant unterschiedlich. Die Intensivmediziner haben also Wahlmöglichkeiten!
Wie könnte das funktionieren? Die kurz und bündige Hypothesenrubrik
Infiziert SARS-CoV-2 die Karotiskörperchen?
Den Klinikern ist während den COVID-19-Wellen aufgefallen, dass es Patientinnen und Patienten mit ausgeprägter Hypoxämie (Sauerstoffpartialdruck [pO2] um oder gar unter 50 mm Hg) ohne die zu erwartende Tachypnoe und ein Gefühl der Dyspnoe gibt.
Normalerweise wird eine Hypoxämie durch die Sauerstoff detektierenden Zellen (die sog. Glomuszellen) der Karotiskörperchen entdeckt. Sekundär werden durch sensorische Afferenzen das Atemzentrum und die autonomen Zentren im Hirnstamm reguliert. Diese Glomuszellen weisen – wie die sie umgebenden fenestrierten Kapillaren – das Angiotensin-Converting-Enzym-2 (ACE-2), den SARS-CoV-2-Rezeptor, auf. Die COVID-19-Hypoxämie, die häufig noch vor Veränderung dynamischer und statischer Veränderungen der Lungenfunktion auftritt, könnte also in einem gestörten Reflexbogen der Atemregulation, zum Beispiel durch primäre Lokalisation in den Karotiskörperchen, bestehen. Gibt es Autopsiebefunde? Ist die Atemregulation in diesem Sinne auch in der Rekonvaleszenz noch beeinträchtigt?
Phenylketonurie als Folge eines Defektes der Phenylalanin-Hydroxylase kommt in Europa mit einer Inzidenz von 1:10 000 vor und führt ohne diätetische Elimination von Phenylalanin zu – unter anderem – irreversiblen intellektuellen Schäden.
In einem knapp einseitigen «letter to the journal» berichtete Robert Guthrie (Buffalo, NY) über seine Laboranalyse von Neugeborenenblut (gewonnen durch Hautpunktion und transferiert auf Filterpapier). Die Blutflecken wurden ausgestanzt und auf eine Agarplatte übertragen. In sogenannten minimalen Nährmedien kann in vitro Bacillus subtilis nicht wachsen, diese Hemmung kann aber durch L-Phenylalanin aufgehoben werden. Nach einer Inkubation über Nacht konnte bei Neugeborenen mit Phenylketonurie (und damit hohen Phenylalaninwerten im Blut) ein Bakterienwachstum nachgewiesen werden. Eine Labormitarbeiterin schaffte bis zu 200 Analysen pro Tag. Die neue Methode erwies sich auch als sensitiver als die bis dahin übliche und seit 1935 gebräuchliche Phenylalanin-Nachweismethode (Eisenchlorid-Test) im Urin [1]. Dadurch war der Siegeszug des «dry blood spot» im Neugeborenen-Screening eingeläutet.
Heute ist beispielsweise in Diskussion, innerhalb von 3–4 Wochen nach Geburt auch ein universelles Screening in Nabelblut auf einen kongenitalen Zytomegalie-Virusinfekt durchzuführen [2].
Der britische Premier hatte mit der Aussage Aufsehen erregt, dass die durch die britische Mutante (B.1.1.7) verursachte Mortalität höher sei als diejenige durch den «europäischen» Wildtyp von SARS-CoV-2 bedingte. Dies war bis dahin bestritten worden.
Seine Aussage wird nun durch eine Studie gestützt und war wohl auch Grundlage seines Statements. Für etwa 85-jährige Patientinnen und Patienten könnte die Mortalität von 17 auf 22% steigen.
Basierend auf einer präliminär publizierten Mäusestudie, die eine erhöhte zelluläre Immunität (CD8-Zell-Antwort) zeigte, begann in Grossbritannien am 4. Februar eine humane Impfstudie gegen SARS-CoV-2 mit zwei Impfstoffen (Adenovirus tragende virale – transkribierte – DNA und mRNA von AstraZeneca respektive BioNTech/Pfizer).
Ein manifester Vitamin-D-Mangel hat einen dokumentiert negativ prognostischen Einfluss auf verschiedene Erkrankungen, infektiöse und kardiovaskuläre eingeschlossen. Der dabei angesteuerte Normwert der Serumkonzentration ist jedoch zu hoch oder zu breit gefächert. Werte über 50 nmol/l sind mit totaler Suppression des Parathormons (PTH) assoziiert, also von einem endogenen Feedback-Denken her suffizient.
Auch bei COVID-19 ist die Vitamin-«D-ebatte» erneut aufgeflammt und soeben wieder ausgelöscht worden. Beispielhaft sei eine doppelblinde, plazebokontrollierte, prospektive Studie, in der bei hospitalisierten SARS-CoV-2-positiven Patientinnen und Patienten (n = 240) oral 200 000 Einheiten Vitamin D3 (einmalig) versus Plazebo verabreicht wurden. Die 25-OH-D-Serumkonzentration stieg in der experimentellen Gruppe zwar hochsignifikant um 60 nmol/l gegenüber der Plazebogruppe an, der Krankheitsverlauf wurde aber nicht beeinflusst.
Vitamin D (über die Verhinderung oder Korrektur eines Mangels hinaus) dürfte mittlerweile zum Medikament mit den am häufigsten negativ ausgefallenen Interventionsstudien, und zwar in vielen Bereichen der Medizin, geworden sein.