HIV-Prä-Expositionsprophylaxe in der Schweiz
Der Anfang vom Ende der HIV/AIDS-Pandemie

HIV-Prä-Expositionsprophylaxe in der Schweiz

Übersichtsartikel
Ausgabe
2021/3738
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2021.08818
Swiss Med Forum. 2021;21(3738):632-636

Affiliations
a Medizinische Fakultät, Universität Basel; b Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention, Department Public & Global Health, Universität Zürich, Zürich; c Institut für Pflegewissenschaft, Universität Basel und Universitätsspital Basel, Basel; d Klinik für Infektiologie/Spitalhygiene, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen; e Sigma Research, London School of Hygiene and Tropical Medicine, London, United Kingdom; f Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene, Universitätsspital Zürich, Zürich; g Institut für Medizinische Virologie, Universität Zürich; h Universitätsklinik für Infektiologie, Universitätsspital Bern, Universität Bern, Bern; i Service des maladies infectieuses, Hôpitaux Universitaires Genève, Genève; j Service des maladies infectieuses, Centre hospitalier universitaire vaudois, Lausanne; k Klinik für Infektiologie & Spitalhygiene, Universitätsspital Basel, Universität Basel, Basel; l Malattie infettive, Ospedale Regionale di Lugano, Lugano; m Checkpoint Vaud, Lausanne; n Praxis Kalkbreite, Zürich; o Cabinet médical, Genève; p Dermatologisches Zentrum Zürich, Zürich; q Vorsitz Positivrat Schweiz; r Département épidémiologie et systèmes de santé, Unisanté, Centre universitaire de médecine générale et santé publique, Lausanne; s Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern, Bern; t Geschäftsleiter, Aids-Hilfe Schweiz, Zürich; u Checkpoint Zürich, Zürich

Publiziert am 15.09.2021

Wir wagen einen Ausblick, wie nah die Schweiz dem Ende der HIV-Epidemie ist, welche Rolle die HIV-Prä-Expositionsprophylaxe für das Erreichen dieses Zieles spielt und was es mit «SwissPrEPared» auf sich hat.

Einleitung

Eine Schweiz ohne HIV-Neuinfektionen. Was vor einigen Jahren noch in weiter Ferne schien, könnte in naher Zukunft schon Realität sein. Die Rede ist vom Ende ­einer Pandemie. Ein Thema, das in Zeiten von ­COVID-19 nicht aktueller sein könnte. Wichtig ist jedoch im Schatten der aktuellen Pandemie, die Chance nicht zu verpassen, das greifbare Ende der HIV/AIDS-Pandemie auch zu realisieren. Darüber berichten wir.
Im globalen Bestreben der UNAIDS («The Joint United Nations Programme on HIV/AIDS»), ein Ende der HIV-Pandemie bis 2030 zu erreichen, schneidet die Schweiz gut ab. So wurden die drei vereinbarten Zwischenziele der 90-90-90-Strategie, die es bis 2020 zu erreichen galt, laut dem aktuellen Bericht des «European Center for Disease Prevention and Control» (ECDC) erreicht [1]. Diese Strategie bezieht sich auf die Tatsache, dass Menschen unter erfolgreicher antiretroviraler Therapie (ART) nicht mehr ansteckend sind. Demnach können in der Schweiz schätzungsweise nur noch ungefähr 16% der Menschen mit HIV das Virus weitergeben [1]. Ausgehend hiervon ist sowohl in der neuen Roadmap der Eidgenössischen Kommission für Fragen zu sexuell übertragbaren Infektionen (EKSI) als auch im neuen Programm zur «Überwachung, Verhütung und Bekämpfung sexuell übertragbarer Infektionen» des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) vom «Ende der HIV-Epidemie» die Rede. Das gemeinsame Ziel ist klar: ein Ende von HIV durch die Verhinderung von Neu­infektionen.
Der Blick auf die Entwicklung der HIV-Neudiagnosen der letzten 30 Jahre zeigt jedoch, dass nach dem Erfolg der HIV-Prävention in den 90er Jahren die Zahl der Neudiagnosen in den letzten zwei Jahrzehnten nur langsam zurück ging. So werden in der Schweiz jährlich noch immer über 400 Menschen mit HIV diagnostiziert (Abb. 1).
Abbildung 1 : HIV-Labormeldungen nach Geschlecht und Testjahr seit Beginn der Testungen, 1985–2019 (Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus: Bundesamt für Gesundheit [BAG]. HIV und Aids in der Schweiz im Jahr 2019. BAG-Bulletin 48/2020:12–20).
Für eine Beendigung der Pandemie müssen also ­weitere Massnahmen ergriffen und neue Wege beschritten werden.
Es existiert zwar noch keine Heilung des HI-Virus, ­jedoch stehen uns heute so viele Möglichkeiten zur ­Verhinderung von Neuinfektionen zur Verfügung wie noch nie. So zum Beispiel die Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP), deren Potential in der Schweiz lange Zeit nicht ausgeschöpft wurde.
Um das Ziel der Null-Neudiagnosen zu erreichen, ­müssen alle verfügbaren Mittel zur Verhinderung von Neuinfektion optimal genutzt werden.
Bewährte Präventionsstrategien wie zum Beispiel der Gebrauch von Kondomen sollen weiterhin propagiert werden, scheinen jedoch gewisse Personengruppen nicht zu erreichen. Auch der frühe Beginn mit der ART bei HIV-positiven Personen wird bereits sehr gut umgesetzt [1]. Hier wäre lediglich bei der frühen Diagnosestellung von HIV ein gewisser Benefit zu erwarten. Die Förderung von Teststellen mit niederschwelligem ­Zugang und Schulungen des Gesundheitspersonal zu HIV solllte daher weiter ausgebaut werden. Eine deutliche zusätzliche Senkung der Neuinfektionen wäre jedoch durch eine breite Verfügbarkeit der PrEP möglich. Dies zeigt sich in Regionen wie zum Beispiel dem australischen Bundestaat New South Wales, der vor dem niederschwelligen Zugang zur PrEP eine vergleichbare Ausgangslage zur Schweiz aufwies und nachweislich eine deutliche Senkung der HIV-Neuinfektionen erzielen konnte [2].
Das Potential der PrEP auf die HIV-Epidemie der Schweiz wurde 2018 mit einer Modellrechnung der «Swiss HIV Cohort Study» (SHCS) abgeschätzt [3]. Die Modellierung zeigt klar, dass eine vermehrte Verschreibung von PrEP den grössten Nutzen hätte im Vergleich zu anderen Präventionsansätzen wie zum Beispiel dem Gebrauch von Kondomen oder dem frühen Beginn der ART bei Personen mit neuer HIV-Diagnose.
In dieselbe Richtung weisen auch die Zahlen der HIV-Neudiagnosen. 2017 zeigten sie erstmals wieder einen deut­lichen Rückgang in der Schweiz [4]. Im Bericht des Folgejahres 2018 wurde der mögliche Einfluss der PrEP auf den Rückgang der Neuinfektionen erstmals formuliert.
Wie sich die PrEP in den kommenden Jahren auf die epidemiologische Lage von HIV in der Schweiz auswirkt, wird sich zeigen. Bei der klinischen Umsetzung einer PrEP-Begleitung in der Hausarztpraxis gilt es jedoch, einige Punkte zu beachten, die wir im folgenden Abschnitt kurz erläutern wollen.

Die HIV-PrEP

Die PrEP bezeichnet den Einsatz antiviral wirksamer Substanzen, die effektiv vor einer HIV-Infektion schützen. Anders als die Post-Expositionsprophylaxe (PEP) wird die PrEP nicht erst nach einer HIV-Risikosituation angewendet, sondern muss bereits vor und nach einer möglichen HIV-Exposition eingenommen werden. Am besten untersucht ist hierfür die Kombination aus Tenofovir und Emtricitabin. Bei korrekter Anwendung zeigt sie bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), eine Wirksamkeit von 99% [5]. Entscheidend ist hier die Medikamenten-Adhärenz.
Bei Personen mit erhöhtem Risiko für eine HIV-­Infektion, die zum Beispiel zusätzlich bei wechselnden Sexualpartner:innen nicht immer konsequent Kondome anwenden, kann die PrEP eine wirksame Alternative für den Schutz vor dem HI-Virus darstellen. In der Schweiz qualifizieren aktuell insbesondere MSM sowie einige trans Personen für diese Form der Prävention [6]. Das Potential der PrEP für andere Personengruppen abzuschätzen, wird Auftrag der Zukunft sein.
In grossen Studien wurden zwei Möglichkeiten der PrEP-Anwendung untersucht, für die sich eine ausreichende Wirksamkeit feststellen liess: 1. Die Dauer-PrEP, bei der über einen unbestimmten Zeitraum eine Tablette täglich eingenommen wird, und 2. die Gelegenheits-PrEP – auch «on-demand» genannt – bei der mindestens zwei Stunden vor dem sexuellen Kontakt zwei Tabletten gleichzeitig eingenommen werden, gefolgt von einer Tablette alle 24 Stunden bis mindestens 48 Stunden nach dem letzten sexuellen Kontakt. Andere Einnahmeschemata sind aufgrund der unge­nügenden Datenlage nicht zu empfehlen.
Während die Dauer-PrEP sowohl für Vaginal- wie Analverkehr empfohlen ist, konnte der Nutzen der Gelegenheits-PrEP nur bei MSM nachgewissen werden und bietet keinen ausreichenden Schutz für Vaginalverkehr [7]. Bei vaginalem Geschlechtsverkehr und für trans Personen ist daher nur die tägliche PrEP empfohlen (Abb. 2).
Abbildung 2: Anwedungsschema der Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP). Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Aids-Hilfe Schweiz.

Nebenwirkungen und Risiken

Die häufigsten Nebenwirkungen der PrEP sind in der Regel nach einigen Tagen der Anwendung selbstlimitierend [8]. Hierbei kann es zu Übelkeit, Diarrhoe, Schwächegefühl sowie Kopfschmerzen kommen. Weitaus seltener sind Organschäden. Hier ist besonders die Schädigung der Niere sowie eine Verringerung der Knochendichte zu erwähnen [5, 8]. Diese Komplikationen sind durch regelmässige medizinische Kontrollen einfach zu vermeiden.
Ein weiteres Risiko ist die Ausbildung von resistenten Virusstämmen gegen die in der PrEP enthaltenen Substanzen, was in seltenen Fällen bei bereits mit HIV infizierten Personen der Fall war [5, 8]. Aus diesem Grund ist es essentiell, den HIV-Status vor Beginn und im Verlauf der PrEP regelmässig durch einen HIV-Labortest der 4. Generation zu überprüfen.

Sexuell übertragbare Infektionen

Ein regelmässiges Screening auf sexuell übertragbare Infektionen (STI) ist bei allen Personen mit wechselnden Sexualpartner:innen indiziert. Dies unabhängig von ­ihrer Wahl der HIV-Prävention, da die Anzahl Geschlechtspartner:innen der treibende Faktor beim Erwerb einer bakteriellen STI zu sein scheint und nicht der ­Gebrauch von Kondomen bei analem oder vaginalem Geschlechtsverkehr [9, 10].
Zu den Routineuntersuchungen im Rahmen der PrEP-Kontrollen gehört somit ein Screening auf die wichtigsten STI: Gonorrhoe, Chlamydien und Syphilis. Hierbei empfiehlt es sich, Abstriche aus Rachen, Anus und Urethra zur PCR-Diagnostik der Gonorrhoe und Chlamydien sowie eine Syphilis-Serologie durchzuführen.
Mit der medizinischen Betreuung von PrEP-Anwender:innen haben wir somit ein effektives In­strument, um eine Gruppe mit hohem Risiko für STI regelmässig zu testen, Infektionen zu behandeln und somit Infektionsketten rasch zu durchbrechen.
Neben dem offensichtlichen Nutzen der PrEP unter medizinischer Begleitung auf die HIV- und STI-Neu­infektionen ist die PrEP-Begleitung auch eine Chance, weitere Gesundheitsbereiche, die einen Einfluss auf das HIV-Risiko haben wie die der psychischen Gesundheit, zu verbessern.

Stand der PrEP

Tenofovir/Emtricitabin wurde bereits 2012 in den Vereinigten Staaten und seitdem in vielen Regionen der Welt als HIV-Prophylaxe zugelassen. So gab auch die Europäische Union die Kombination 2016 als PrEP frei. In vielen dieser Regionen sehen wir seitdem einen deutlichen Rückgang der HIV-Neudiagnosen [2]. Auch wenn die genaue Auswirkung der PrEP auf die HIV-­Epidemie schwer von anderen Präventionsstrategien abzugrenzen ist, bleibt die Wichtigkeit des niederschwelligen Zugangs zu PrEP für HIV-Hochrisikogruppen unbestritten. So wird beispielsweise die «PrEP ­unter medizinischer Betreuung» in den Gesundheitsystemen von Norwegen, Deutschland oder Frankreich wie auch in einigen anderen Ländern weltweit kostenlos abgegeben.
In der Schweiz ist Tenofovir/Emtricitabin erst seit Ende Februar 2020 zum Preis von über 600 Schweizer Franken pro Monat als PrEP zugelassen, konnte aber spätestens seit den Empfehlungen der EKSI (damals noch Eidgenössische Kommission für sexuelle Gesundheit [EKSG]) schon seit Januar 2016 «off-label» verschrieben werden. Lange Zeit waren günstige Generika auf dem Schweizer Markt nicht erhältlich, konnten jedoch aus dem Ausland legal importiert werden. Seit April 2021 sind nun Generika auch in Schweizer Apotheken erhältlich.
Der erschwerte Zugang zu allgemein bezahlbarer PrEP in der Schweiz verleitete Personen dazu, PrEP ohne ­medizinische Begleitung einzunehmen. Eine Entwicklung, die in der Gruppe der MSM schon 2017 beobachtet wurde [11, 12]. Ohne ein griffiges landesweites Konzept liefe die Schweiz Gefahr, dass PrEP-Anwender:innen sich durch eine unkontrollierte Einnahme der PrEP unnötigen Risiken aussetzen.
«SwissPrEPared», ein Projekt angegliedert an die Universität Zürich (UZH), hat sich dieses Problems angenommen.

«SwissPrEPared»

«SwissPrEPared» ist ein nationales Programm zur bes­seren medizinischen Versorgung für Menschen mit ­einem erhöhten HIV-Risiko, mit dem primären Ziel, ­Infektionen zu verhindern. Das Programm bietet unter anderem PrEP-Nutzer:innen Zugang zu allgemein bezahlbaren und in der Schweiz zugelassenen Medikamenten und dient als zusätzliche Absicherung, dass die PrEP-Begleitung dem neusten Wissensstand entsprechend erfolgt.
Kernstück von «SwissPrEPared» ist das Konsulta­tionstool, das in Form eines Fragebogens den PrEP-Nutzer:innen jeweils eine Woche vor der nächsten Routinekontrolle per SMS versendet wird und am Smartphone oder Computer ausgefüllt werden kann. Dieser Fragebogen kann jeweils nur von den betreuenden Ärzt:innen online eingesehen werden und dient als Leitfaden für die kommende Konsultation. Nach der Visite wird das Rezept erneuert und das Medikament der PrEP-nutzenden Person direkt nach Hause geliefert.
Neben Themen zur sexuellen Gesundheit werden mit dem Konsultationstool auch solche zur psychischen Gesundheit erfasst. Denn der beste Zugang zu Schutzmöglichkeiten ist nutzlos, wenn sich die Person selber nicht als schützenswert empfindet.
Weiterhin stellt «SwissPrEPared» den Mitwirkenden der Studienzentren und beteiligten Hausärzt:innen regelmässige Weiterbildungsmöglichkeiten zum Thema «Sexuelle Gesundheit» zur Verfügung.
Die Daten aus dem Programm werden in anonymisierter Form in einer freiwilligen Begleitstudie evaluiert. Ziel der Untersuchung ist es, die verschiedenen Mechanismen hinter dem Erwerb einer STI oder einer HIV-­Infektion besser zu verstehen und den Einfluss der PrEP auf die Schweizer HIV-Epidemie zu beurteilen.
Die fortlaufende Auswertung der Daten gewährleistet eine rasche Entscheidungsfindung für allfällige Anpassungen der Präventionsstrategie. Die Ergebnisse der Begleitstudie können also direkt ins Programm inte­griert werden.
So lassen sich auch unvorhergesehene Umstände wie zum Beispiel die COVID-19-Pandemie abbilden und zeitnah entsprechende Anpassungen in der Strategie vornehmen.
Zudem können auch Verhaltensweisen erkannt werden, über deren Gesundheitsrisiko noch wenig bekannt ist und aus denen sich neue Präventionsansätze ergeben könnten (Abb. 3).
Abbildung 3: Aufbau «SwissPrEPared»: Studie vs. Programm. Erkenntnisse aus der Studie werden zur Verbesserung des Programms und somit der Gesundheitsversorgung von Personen, die nach PrEP fragen, genutzt. Das Ziel ist ein Ende der HIV/STI-Übertragung in der Schweiz.
PrEP: Prä-Expositionsprophylaxe.
Eine Teilnahme am Programm ohne wissenschaftliche Auswertung des Fragebogens ist möglich. Eine Teilnahme am Programm und der Studie ohne Einnahme von PrEP ist ebenfalls möglich. Denn im Zentrum steht eine unterstützende Begleitung seitens des Gesundheitssystems, die individuell sehr unterschiedlich aussehen kann, sprich mit PrEP, aber auch ohne. Der Zugang zu den PrEP-Medikamenten via «SwissPrEPared» ist allerdings ohne Teilnahme am Programm aufgrund des Patentschutzes aktuell nicht möglich.
In verschiedenen Kantonen existieren zudem Programme zur Vergütung von Konsultations- und Laborkosten für Personen, denen der Zugang zur PrEP ansonsten verwehrt bliebe.

Kontakt für interessierte PrEP-Verschreibende

Angegliedert an das Institut für Epidemiologie, Bio­statistik und Prävention (EBPI) der Universität Zürich ist «SwissPrEPared» ein Gemeinschaftsprojekt vieler Fachpersonen aus der Medizin, Wissenschaft (SHCS, nationale und internationale Kooperationen), öffentlichen Gesundheit (BAG), Klinik (SHCS-Zentren, Checkpoints, verschiedene Hausarztpraxen), Community (Aids-Hilfe Schweiz, Positivrat, «Love Lazers») und Industrie (Merck Sharp & Dohme, ViiV-Healthcare, Gilead-Sciences).
Seit Beginn im Frühling 2019 zählt die Begleitstudie schon über 3000 Teilnehmende. Mit weiteren Zentren, die sich fortlaufend anschliessen, ist zu erwarten, dass bis Ende des Jahres 2021 bereits 4000 Personen an der Studie teilnehmen.
Prinzipiell steht die Teilnahme als Studienzentrum jeder interessierten ärztlichen Person, jeder Praxis, jeder Klinik, jedem Spital oder sonstigen Gesundheitszentrum offen, sofern die Bedingungen für die Durchführung von klinischen Studien erfüllt sind. Hierfür kann über www.swissprepared.ch mit dem Studienteam Kontakt aufgenommen werden.

Auswirkung auf die Gesundheits­landschaft

Die PrEP bringt unweigerlich auch eine Veränderung der medizinischen Landschaft im Bereich der sexuellen Gesundheit mit sich. Hausärzt:innen und Fach­personen in den Spitälern werden im Sinne der Prävention vermehrt mit gesunden Personen anstelle von Patient:innen zu tun haben. Institutionen wie die Schweizer Checkpoints, deren Fokus primär das Testen auf HIV- und andere sexuell übertragene Infektionen war, verschreiben nun auch Medikamente und sehen sich mit Anfragen zu PrEP zeitweise überrannt.
Damit nutzt eine wachsende Gruppe gesunder Personen präventive Gesundheitsdienstleistungen, die eine regelmässige medizinische Betreuung bedingen. Dies fordert Ressourcen und innovative Ideen.
Genau hier bietet «SwissPrEPared» eine ökonomische und effiziente Lösung zum anstehenden Wandel und die Möglichkeit, das Potential der PrEP unter medizinischer Betreuung vollumfänglich auszuschöpfen.
Der verkürzte Zeitaufwand einer Konsultation durch den automatisch versandten Fragebogen sowie die Möglichkeit, dank des standardisierten Ablaufes Teile der PrEP-Begleitung an das Pflegepersonal zu delegieren, erlaubt es, mehr Personen mit geringerem Aufwand fachgerecht zu betreuen. Ein Modell, das sich eventuell auch in anderen Präventionsprogrammen einbauen liesse.
Die Teilnahme von diversen Gesundheitszentren ermöglicht zudem einen flächendeckenden Zugang zur PrEP in der Schweiz.
Zu den innovativen Ideen gehört unter anderem das Pilotprojekt des «STI-Home-Samplings» des Checkpoints Zürich, bei dem einigen PrEP-Nutzenden ein Testkit nach Hause geschickt wurde, mit dem sie die nötigen Laborproben für die Routineuntersuchungen selbst gewinnen konnten. Ein Model, das sich besonders während des Lockdowns der Corona-Pandemie bewährte.
Eine Verhinderung von Neuinfektionen ist nur durch eine synergistische Nutzung aller Präventionsstrategien möglich. Mit der PrEP haben wir ein weiteres wirkungsvolles Instrument, um die Anzahl der Neuinfektionen deutlich zu senken und dem Ziel einer Schweiz ohne HIV einen Schritt näher zu kommen. Je früher wir ihr Potential anerkennen und ausschöpfen, desto besser. Sollte uns dies gelingen, werden wir dem gewichtigen Ziel – dem Ende der HIV-Epidemie in der Schweiz – bald ein wesentliches Stück näher sein.

Das Wichtigste für die Praxis

• Eine Übertragung des HI-Virus kann heute auf mehreren Wegen verhindert werden. Neben dem Kondom gelten eine nicht nachweisbare Viruslast durch antiretrovirale Therapie (ART) sowie die Post- und die Prä-Expositionsprophylaxe als sichere Schutzmöglichkeiten.
• Unter der HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) wird der Einsatz anti­viral wirksamer Substanzen verstanden, die, wenn nach dem korrekten Schema eingenommen, effektiv vor einer HIV-Infektion schützen.
• Personen, die PrEP einnehmen, benötigen regelmässige medizinische Kontrollen.
• «SwissPrEPared» ist ein nationales Programm, das Menschen mit erhöhtem HIV-Risiko einen niederschwelligen Zugang zu medizinischer Versorgung ermöglicht. Dieses beinhaltet auch eine Begleitstudie, die das Ziel hat, das Risiko für HIV und sexuell übertragbare Infektionen besser zu verstehen. Deren Ergebnisse fliessen wiederum direkt in das Programm ein (www.swissprepared.ch).
Das vollständige Disclosure statement finden Sie in der Online-­Version des Artikels unter https://doi.org/10.4414/smf.2021.08818.
D. Braun: Gilead: Advisory Board Member and Travel Grants, ViiV Healthcare: Advisory Board Member, MSD: Advisory Board Member. R. Kouyous: grant of the Swiss National Science Foundation, outside the submitted work. A. Calmy: educational grants from AbbVie, MSD, Gilead, ViiV Healthcare, outside the submitted work. M. Cavassini: grants from MSD, Gilead, Viiv Healthcare, outside the submitted work. D. Haerry: grants from Gilead, ViiV Healthcare, MSD; Abbvie, Sandoz, Janssen, Pfizer, outside the submitted work; «Positive Council Switzerland» (Chair); « Swiss Academic Foundation for Education in Infectious Diseases» (Secretary General); all outside the submitted work. A. Lehner: grants from Gilead, MSD, ViiV Healthcar, Mepha; all outside the submitted work (payment to Swiss Aids Federation). J. Fehr: grants fom Gilead Sciences, ViiV Healthcare, MSD ; payment to the institution, all outside the submitted work. B. Hampel: grants fom Gilead Sciences, ViiV Healthcare, MSD; payment to the institution, all outside the submitted work; Elton John Foundation (Training fee for VCT Romania), outside the submitted work. The other authors reported no financial support and no other potential conflict of interest relevant to this article.
Marc Weber, MMed
Medizinischen Fakultät
Universität Basel
Unterer Rheinweg 32
CH-4056 Basel
marc.weber[at]stud.unibas.ch
1 European Center for Disease Prevention and Control. Monitoring implementation of the Dublin Declaration on Partnership to Fight HIV/AIDS in Europe and Central Asia: 2018 progress report. https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/HIV-continuum-of-care-monitoring-dublin-declaration-progress-report-2018.pdf: European Center for Disease Prevention and Control (ECDC); 2019 February 2019.
2 Grulich AE, Guy R, Amin J, Jin F, Selvey C, Holden J, et al. Population-level effectiveness of rapid, targeted, high-coverage roll-out of HIV pre-exposure prophylaxis in men who have sex with men: the EPIC-NSW prospective cohort study. Lancet HIV. 2018;5(11):e629–e37.
3 Kusejko K, Marzel A, Hampel B, Bachmann N, Nguyen H, Fehr J, et al. Quantifying the drivers of HIV transmission and prevention in men who have sex with men: a population model-based analysis in Switzerland. HIV Med. 2018;19(10):688–97.
4 Bundesamt für Gesundheit (BAG). HIV, Syphillis, Gonorrhoe und Chlamydiose in der Schweiz 2018: ein epidemiologische Übersicht. BAG-Bulletin 41. 2019.
5 Riddell Jt, Amico KR, Mayer KH. HIV Preexposure Prophylaxis: A Review. JAMA. 2018;319(12):1261–8.
6 Eidgenössischen Kommission für sexuelle Gesundheit (EKSG). Empfehlungen der Eidgenössischen Kommission für sexuelle Gesundheit (EKSG) zur HIV PräExpositionsprophylaxe (PrEP) in der Schweiz BAG-Bulletin 4, Januar 2016: Bundesamt für Gesundheit (BAG); 2016 [
7 Cottrell ML, Yang KH, Prince HM, Sykes C, White N, Malone S, et al. A Translational Pharmacology Approach to Predicting Outcomes of Preexposure Prophylaxis Against HIV in Men and Women Using Tenofovir Disoproxil Fumarate With or Without Emtricitabine. J Infect Dis. 2016;214(1):55–64.
8 Mugwanya KK, Baeten JM. Safety of oral tenofovir disoproxil fumarate-based pre-exposure prophylaxis for HIV prevention. Expert Opin Drug Saf. 2016;15(2):265–73.
9 Schmidt AJ, Rasi M, Esson C, Christinet V, Ritzler M, Lung T, et al. The Swiss STAR trial – an evaluation of target groups for sexually transmitted infection screening in the sub-sample of men. Swiss Med Wkly. 2020;150:w20392.
10 Sarit A. Golub SP, Rachel A. Fikslin, Matthew Goldberg, Asa Radix. Partners, Not Condom Use, Drive STI Rates Among Prep Users In Community Health Center Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI): Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI); 2018 [Available from: http://www.croiconference.org/sessions/partners-not-condom-use-drive-sti-rates-among-prep-users-community-health-center.
11 Hampel B, Kusejko K, Braun DL, Harrison-Quintana J, Kouyos R, Fehr J. Assessing the need for a pre-exposure prophylaxis programme using the social media app Grindr(R). HIV Med. 2017;18(10):772–6.
12 The EMIS Network. EMIS-2017 – The European Men-Who-Have-Sex-With-Men Internet Survey. Key findings from 50 countries; www.emis2017.eu; 2019.