Wie gut ist man nach COVID-19 vor einem Reinfekt geschützt?
Neben der Wirksamkeit und der Dauer des vakzininduzierten Infektionsschutzes interessiert auch, inwiefern eine durchgemachte COVD-19-Erkrankung vor einem SARS-CoV-2-Reinfekt schützt.
Im Rahmen einer Kohortenstudie (n = knapp 26 000) wurde in Grossbritannien bei Spitalangestellten die COVID-19-Infektionsrate mit und ohne frühere COVID-19-Erkrankung (RT-PCR und/oder Antikörper positiv) prospektiv untersucht. Mehr als 80% der Studienteilnehmenden waren Frauen, medianes Alter bei Einschluss um 41 Jahre. Die Angestellten unterzogen sich alle zwei bis vier Wochen einer RT-PCR und einer Serologie. Ein vorhergehender Infekt bot einen mindestens 84%igen Schutz vor Reinfektion (155 Infekte auf knapp 8300 Teilnehmende mit gegenüber 1704 Infekten auf knapp 17 400 Teilnehmende ohne früheren Infekt). Der Schutz hielt mindestens sieben Monate, möglicherweise noch länger an, da die Diagnose eine positive RT-PCR erforderte und reine Serokonversionen von der Analyse ausgeschlossen wurden.
Ein SARS-CoV-2-Vorinfekt schützt also über einen Zeitraum von sieben Monaten gegen einen Reinfekt, ähnlich oder gar besser als die gegenwärtigen Impfstoffe. Der Schutz betrifft sowohl den Wildtyp als auch die Mutation B 1.1.7. Ob dies auch andere Mutanten betrifft, konnte – weil nicht vorkommend – nicht analysiert werden.
Die Arbeit enthält mit Figure 2 eine eindrückliche Grafik, die die exponentiell steigende Erkrankungsrate bei den Primoinfekten (Monate September bis Dezember 2020) der nur leicht ansteigenden Rate von Reinfekten gegenüberstellt.
Welche Probe ist ideal für die SARS-CoV-2-Diagnostik?
Oftmals ist es in der Medizin unklar oder umstritten, welches für eine gegebene Erkrankung der diagnostische Goldstandard ist. Bei COVID-19 wurde und wird dem unangenehmen nasopharyngealen Abstrich diese Rolle zugeschrieben. Allerdings wurden schon bald Speicheltests (direktes Sammeln oder indirekt via Mundspülung) mit Potential zur Selbst- und Heimtestung propagiert und evaluiert.
Die verschiedenen Arbeiten über die relative Sensitivität im Vergleich zum «Abstrich» sind nun übersichtsmässig zusammengefasst und man kann folgern, dass Speicheltests den Abstrichen den Status des Goldstandards streitig machen. Abstriche haben eine wahrscheinlich unterschätzte falsche Negativrate, vor allem aufgrund präanalytischer Probleme, allen voran der Abstrichtechnik selbst.
Wichtig ist, dass die Speichelproben noch besser standardisiert werden. Technische Faktoren, die die Sensitivität der Speichelprobe erhöhen, sind: Nur klaren Speichel und kein Sputum verwenden, Viskosität reduzieren (Homogenisierung), keine Speichelgewinnung durch Speien oder Husten, sondern durch passives Einsammeln oder Mundspülung.
Schwangere Frauen haben leider gegenüber einer Kontrollgruppe von nicht schwangeren Frauen [1] ein höheres Risiko eines schwereren COVID-19-Verlaufes, inklusive eines erhöhten Mortalitätsrisikos. Im Verlauf der Schwangerschaft treten öfter Komplikationen auf (u.a. sind frühzeitige Geburten häufiger). Die bisherigen Zulassungsstudien hatten schwangere Frauen ausgeschlossen.
Bei knapp 36 000 16- bis 54-jährigen, in der Schwangerschaft geimpften Frauen war die Verträglichkeit einer der beiden mRNA-Impfstoffe gut (mehr lokale, aber weniger systemische Symptome als bei Nichtschwangeren). Bei der Subgruppe mit beendeter Schwangerschaft konnte festgestellt werden, dass in 86% der Fälle eine normale Termingeburt stattfand, wobei die Mehrzahl der Schwangeren im dritten Trimester geimpft worden war. Bei 14% kam es zu einem Schwangerschaftsverlust, meist als Folge eines spontanen Aborts, bei 9,4% fand die Geburt vorzeitig statt [2]. Die Daten sind laut den Autoren vergleichbar mit den Schwangerschaftsverläufen vor der COVID-19-Pandemie.
Allerdings würde man gerne eine parallele Kontrollgruppe und eine Nachverfolgung aller geimpften Frauen bis ans Ende der Schwangerschaft und darüber hinaus (Frauen und deren Neugeborene) sehen. Ob die Nebenwirkungen der Impfungen in früheren Schwangerschaftsstadien (erstes und zweites Trimester) ähnlich sind, bleibt auch zu beweisen.
Einige solide maligne Neoplasien metastasieren typischerweise im Rahmen einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung ausgehend vom Primärtumor hämatogen neben Lunge und Leber in den Knochen. Neue Untersuchungen an Mäusen zeigen, dass es möglich ist, dass der Knochen, wenn metastatisch befallen, die weitere Metastasierung aktiviert oder beschleunigt. Entscheidend dabei ist die skelettale Mikro-Umgebung, die zu einer epigenetischen Umprogrammierung der metastasierten Zellen führt. Die Umprogrammierung führt zu einem plastischeren, stammzellähnlichen Verhalten und einer Zunahme der metastatischen «Kapazität». Dazu braucht es die Aktivierung einer Methyltransferase im Knochen (EZH2). Dies könnte bedeuten, dass schon subklinische Knochenmetastasen die weitere Metastasierung modulieren oder gar erst auslösen.
«Smarter medicine»: Einzeldomänen-Antikörper (Nanobodies) gegen Psoriasis
Im «Kurz und bündig» wurde schon auf das therapeutische Potential von als Aerosol zugeführten sogenannten Einzeldomänen-Antikörpern («nanobodies») gegen das S1-Protein für die COVID-19-Pneumonien hingewiesen [1]. Diese Antikörper entsprechen den variablen Regionen der schweren Kette eines intakten Antikörpers [2]. Sie werden oft mit anderen Einzeldomänen-Antikörpern verlinkt, sodass dann multivalente (typischerweise trivalente) Bindungen von Zielantigenen erreicht werden können.
Bei der Psoriasis en plaques spielen die Interleukin-Unterformen 17A und 17F eine entscheidende Rolle. Subkutan verabreichte Einzeldomänen-Antikörper mit Spezifität gegen beide Interleukin-Typen führten zu einer schnellen und über die Beobachtung von sechs Monaten nachhaltigen Verbesserung der Psoriasis en plaques [3].
Ein interessantes therapeutisches Prinzip, zudem scheint die Herstellung in grossem Umfang biosynthetisch und relativ billig möglich (verglichen beispielsweise mit den monoklonalen Antikörpern).
Bei Patientinnen und Patienten mit degenerativen Kniegelenkveränderungen wird nicht selten eine Arthroskopie durchgeführt, vor allem wenn die Indikation für einen Gelenkersatz noch nicht gegeben ist. Falls diese durchgeführt wird und die Beschwerden weiter zunehmen oder dann doch andere Gründe für einen Gelenkersatz sprechen, lohnt es sich wenn möglich zu warten.
Ein Vergleich von gut 6000 Patientinnen und Patienten mit vorgängiger Arthroskopie mit 124 000 Personen ohne Arthroskopie zeigte eine progrediente Zunahme der Häufigkeit an Protheseninfekten und Revisionsoperationen, je kürzer nach der Arthroskopie die Totalprothese implantiert wurde. Innerhalb von 15 Wochen war das Risiko für diese Komplikationen fast verdoppelt (p <0,001). Die Autoren empfehlen, dass im Gefolge der Arthroskopie mindestens 36 Wochen bis zum Gelenkersatz gewartet werden soll.
Wie viele Kalorien zuführen bei Jugendlichen mit Anorexia nervosa?
Bei Hospitalisation wegen Anorexia nervosa wird aus Furcht vor dem sogenannten «refeeding syndrome» oft eine restriktive Kalorienverordnung angewendet. Ist dies begründet?
Eine prospektiv randomisierende, multizentrische Studie mit 111 an Anorexie erkrankten Jugendlichen («Study of Refeeding to Optimize Inpatient Gains» [StRONG]) ergibt, dass die Zufuhr von 2000 versus 1400 Kalorien (in beiden Gruppen gradueller Aufbau der täglichen Kalorienmenge) die Hospitalisationszeit um vier Tage und die Zeit bis zur medizinischen Stabilisierung ebenfalls verkürzte. Die Rehospitalisationsrate nach einem Jahr war in beiden Gruppen gleich, ein «refeeding syndrome» trat in der «hoch»kalorischen Gruppe nicht häufiger auf.
Vor allem das schnellere initiale Ansprechen und die kürzeren Hospitalisationszeiten und die durch beide Effekte erzielten Kosteneinsparungen sprechen also für eine höhere Kalorienzufuhr.
Keine erhöhte Mutationsrate bei Kindern strahlenexponierter Eltern nach Tschernobyl
Im April 1986 explodierte der Reaktor von Tschernobyl. Die Langzeitwirkungen der Strahlenexposition auf das Entstehen von Mutationen und die Weitergabe derselben an die nächste Generation sind unbekannt, aber gerade nach Fukushima weiter von grosser Wichtigkeit.
In einer ukrainisch-amerikanischen Kollaboration wurde bei 130 Kindern (geboren 1987–1992) und deren strahlenexponierten Eltern keine erhöhte Frequenz von De-novo-Mutationen (DNM) gefunden. Dies im Vergleich zur DNM-Rate einer nicht exponierten Allgemeinbevölkerung. Es fand sich auch keine Beziehung zur präkonzeptionellen Dosis der Strahlenexposition bei den Eltern.
Das sind gute Nachrichten, die aber auch nicht vergessen lassen sollten, dass eine erhöhte Inzidenz von Schilddrüsenkarzinomen bei Kindern und Adoleszenten dokumentiert ist und dass wahrscheinlich ist, dass Expositionen dieser Intensität die Rate an Leukämien und kardiovaskulären Erkrankungen erhöhen können.
SARS-CoV-2-Impfschutz bei Rückkehr zum normalen Leben
«Kurz und bündig» wurde schon mehrmals erwähnt, dass die Resultate der Impfstudien nach der teilweise bereits vorgenommenen Aufhebung der Schutzmassnahmen («non-pharmaceutical protective interventions» [NPI]) möglicherweise schlechter sein werden. Falls die Infektionszahlen wieder und weiter steigen, wird die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von vakzinresistenten Varianten progressiv höher («vaccine escape»). Unter der plausiblen Annahme von einer Mutante auf fünf Millionen Infektionen wird klar, dass die Wahrscheinlichkeit solcher Mutanten progressiv mit der allgemeinen Inzidenz und über die Zeit zunimmt. Nach sechs Monaten und bei einer Inzidenz von 10 000 Fällen (wie sie die Schweiz im letzten Quartal 2020 erlebte) ist von einer Wahrscheinlichkeit solcher Mutanten von um die 25% auszugehen!
Eine Limitierung der Fallzahlen durch Impfungen und Weiterführung von Schutzmassnahmen ist oder wäre deshalb zentral.
Verfasst am 22.04.2021 auf Hinweis von Dr. D. Phil. Michael Morris (Lausanne).
Nicht ganz ernst gemeint
Die Neurologie zurück in der Inneren Medizin!
Als ehemalige (horribile dictu!) Subspezialisten der Inneren Medizin mag es Neurologinnen und Neurologen interessieren, dass die Neurologie sehr prominent in den fünf internistischen Top-Journalen (= jene mit dem höchsten Impact Factor) vertreten ist. Vor allem prospektiv randomisierende Studien schaffen es in diese erlesene Gilde. Das New England Journal of Medicine publiziert dabei die meisten neurologischen Studien. Über eine Periode von zehn Jahren hinweg wurden in diesen fünf Zeitschriften mehr neurologische Studien (n = 1098) als immunologische, endokrinologische, gastroenterologische oder pneumologische Studien (n = zwischen 353 und 818) publiziert.
Diese neurologische Hochsaison ist sicher teilweise Folge neuer, Nutzen versprechender Interventionen und der vermehrten industriellen Unterstützung dieser meist sehr teuren Wirksamkeitsstudien.