Damit Sie nichts Wichtiges verpassen: unsere Auswahl der aktuellsten Publikationen.
Fokus auf … Allergisch auf Haustiere
– Laut einer Internet-Umfrage bei >27 000 Personen haben 33% einen Hund, 27% eine Katze, 12% einen Fisch, 6% einen Vogel zuhause und weitere 6% halten andere Tiere wie ein Pferd.
– Allergien gegen Haustiere mit Fell haben zugenommen (Hunde, Katzen, Pferde).
– Es handelt sich um Aeroallergene, die im Fell, Speichel oder Urin vorhanden sind.
– Allergene sind oft auch in Haushalten ohne Tiere nachweisbar (Gäste, Umweltluft, streunende Tiere etc.).
– Sensibilisierungs- oder Allergietestung erfolgt primär durch unselektive Allergenextrakte, verfeinert allenfalls durch Einzelmolekülteste (Komponentendiagnostik, vor allem im Hinblick auf eine Immunotherapie).
– Interessant: Eine Komponentendiagnostik kann unter anderem eine isolierte Allergie auf männliche Hunde (Allergen Can f 5) erkennen. Ein weiblicher Hund ist in dieser Situation unbedenklich!
Suche nach Vorhofflimmern im Gefolge eines ischämischen Hirnschlags
Vorhofflimmern, persistierend oder intermittierend, vor allem wenn es mit einer hohen Ventrikelfrequenz assoziiert ist, wird als kausaler oder Teilfaktor für etwa 20% der Schlaganfälle verantwortlich gemacht. Die Evidenz eines nützlichen sekundärpräventiven Effekts einer Antikoagulation bei einem im Zusammenhang mit einem Schlaganfall dokumentierten Vorhofflimmern darf als gesichert gelten. Bei mutmasslich thromboembolischen Schlaganfällen, bei denen in der Akutphase kein Vorhofflimmern gefunden wird («embolic stroke of undetermined source» [ESUS]), gilt: Je länger und intensiver man sucht, desto häufiger findet man auch ein Vorhofflimmern. Zwei neue Studien bestätigen diese Beobachtung [1, 2].
Ob diese Episoden dann für ein Schlaganfallrezidiv verantwortlich sind und durch Antikoagulation verhindert werden können oder ob sie assoziierte Folgen einer umfassenden, kardioneurovaskulären Pathologie sind, bleibt aber unklar.
Eine andere offene Frage: Welche Art und wie viele Episoden von Vorhofflimmern rechtfertigen eine Antikoagulation (im Vergleich zum assoziierten Blutungsrisiko)? Gibt es auch – zum Zeitpunkt des Erstinsultes – Anhaltspunkte für das Vorliegen einer sogenannten atrialen Kardiopathie (definiert durch Vorhofvergrösserungen im Echokardiogramm, P-Wellen Veränderungen im EKG und erhöhte natriuretische Peptide), die zu Vorhofflimmern in der Zukunft prädestiniert und allenfalls die Indikation zur Antikoagulation steuern könnte? Eine laufende Studie [3] geht dieser wichtigen Frage nach.
Die täglich verbrachte sogenannte «screen time» (ein Grossteil davon bedingt durch Smartphones) ist mit Lern-, Konzentrations- und Schlafschwierigkeiten als Stressgeneratoren assoziiert. Ob diese bei Jugendlichen ausgeprägter sind, ist nicht ganz klar, weil die Nutzung von Smartphones in der Bevölkerung nicht homogen verteilt ist. Smartphones werden auch als Gesundheitsmonitoren (oder -diktatoren?) angepriesen.
Einfach ist die Beweisführung aber nicht: Drei smartphonebasierte Stressberatungs- oder Stresslösungsprogramme vermochten Angststörungen und Depressionen bei vietnamesischen (Hanoi) Pflegefachpersonen nicht signifikant zu verhindern oder abzuschwächen.
– In endemischen Regionen sind durchschnittlich 1% der Zecken von Flaviviriden befallen (zum Vergleich: Borrelien = ca 30%).
– Durchschnittliche Fallzahl pro Jahr in der Schweiz: 150–250 (ansteigend wegen Klimaveränderungen).
– Sonderfaktor «COVID-Jahr»: 455 Fälle (mehr Aufenthalte im Freien).
– Inkubation 7–10 Tage nach Stich, gefolgt von zwei Phasen: 1. Virämie mit Influenza-ähnlichen Symptomen, 2. neurologische Phase nach weiteren 2–8 Tagen mit Meningitis/Enzephalitis.
– Mortalität bei Beteiligung des Zentralnervensystems 1–2% (höher bei >50-Jährigen), in 20% neurologische Langzeitfolgen.
– Impfung hoch wirksam: 3 Dosen als Basis, Revakzinierung alle 10 Jahre.
– Diagnostik: virämische Phase: RT-PCR, später IgM/IgG-Serologie.
Verfasst am 02.06.2021, angeregt durch ein Referat von Frau Dr. R. Ackermann (La Chaux-de-Fonds) am «Molecular Diagnostics Symposium 2021».
Rezidivierende Otitis media bei Kleinkindern: Tympanostomie mit Drainage oder Antibiotika?
Nach dem «Pfnüsel» ist die akute Otitis media, verursacht meist durch Pneumokokken oder Haemophilus, die häufigste Infektion bei Kleinkindern. Die Tympanostomie wurde – vor der Einführung eines konjugierten Pneumokokkenimpfstoffes – bei rezidivierenden Otitiden häufig angewendet. In den USA allein im Jahre 2007 angeblich bei knapp 700 000 Kindern!
Nun zeigt eine prospektiv randomisierende Studie bei total 250 Kleinkindern (6–35 Monate alt), dass über eine Periode von zwei Jahren der Verlauf mit Tympanostomie und Einlage einer Drainage einer medikamentösen Therapie (Amoxicillin und Clavulansäure) nicht überlegen war.
Die Studienresultate leiden etwas unter der Tatsache, dass es in beiden Gruppen 10 respektive 16% Wechsel (meist auf Druck der Eltern) in den anderen Behandlungsarm gab. Immer eine Herausforderung an die Dateninterpretation!
Beruhigend ist andererseits, dass es im Verlauf der Studie in beiden Gruppen zu keiner Zunahme resistenter Bakterien kam.
Der Titel soll nicht suggerieren, dass mit der ersten Ortsangabe «Provinz» anklingen soll. Kurz und bündig ist es uns aber einer Erwähnung wert, dass ein voll in der Dienstleistung engagierter Anästhesist, Prof. Th. Heidegger, Chefarzt Departement Anästhesie, Spital Grabs, einen State-of-the-Art-Artikel «Management of the difficult airway» im New England Journal of Medicine publiziert.
Die Notwendigkeit der Beschäftigung mit diesem Thema wird durch eine der eindrücklichen Zahlen aus der Arbeit belegt: In einer auf 22 500 Trachealintubationen (im ungünstigsten Fall in einer auf 5500; Zahlen aus Grossbritannien) kommt es wegen schwieriger Intubationsverhältnisse zu Tod, Hirnschäden, Notfalleingriffen an den Luftwegen und nicht geplanten Aufenthalten auf der Intensivstation.
Gegenwärtig werden jeden Monat mehr als 10 000 Manuskripte zu COVID-19/SARS-CoV-2 publiziert. Zum Vergleich: Bei der ersten SARS-CoV-Epidemie und dem MERS-Ausbruch waren es beim Maximum der Infektionswellen lediglich etwa 50 pro Monat.
Es gab schon einige mehr oder weniger erfolgreiche und aktualisierte Websites mit Literaturanalysen, die jetzt publizierte scheint aber bei Weitem die beste [1]: In täglicher Analyse wird mittels Computerlernprogrammen die Literatur gesichtet, nach Aktualität und klinischem Thema wie zum Beispiel «Symptome», «long COVID», «Medikamente» geordnet. Die Validierung dieses Such- und Sortiermechanismus wurde soeben publiziert [2].
Navigieren Sie sich etwas durch die frei zugängliche Website, entweder nur aus Interesse oder wenn Sie eine spezifische Frage beantworten möchten. Sie werden begeistert sein!
Grosse Unsicherheiten über zukünftige Infektionswellen respiratorischer Viren
Während der zweiten Welle von COVID-19 hat sich die Zirkulation anderer respiratorischer Viren (Influenza, Parainfluenza, RSV [«respiratory syncytial virus»], Adeno-, Metapneumo-, Entero- und Rhinoviren) dramatisch vermindert, zum Teil verharrten die Infektionszahlen über den Winter praktisch bei Null! Dieser Effekt wird auf die Corona-Schutzmassnahmen, namentlich soziale Distanz, eingeschränkte Mobilität und Maskentragen, zurückgeführt. Das ist Anlass zur Freude.
Unsicherheiten belasten die Zukunft aber bezüglich aller respiratorischer Viren, falls die nichtpharmakologischen Interventionen (NPI) gelockert werden, wovon man ausgehen kann [1]. RSV dürfte wegen nachlassender Immunität vor allem auch ausserhalb der Wintermonate wieder aktiv oder gar aktiver werden. Influenzaepidemien könnten aus demselben Grund aggressiver ausfallen, die Konstruktion eines guten Impfstoffes könnte wegen ungenügender Antigendaten schwieriger werden. Während der Mensch beim RSV das einzige Reservoir ist, könnten Influenzaviren in einem tierischen Reservoir auf eine günstige Angriffsgelegenheit auf Menschen – mit zwischenzeitlich abgeschwächtem Immungedächtnis – lauern.
Damit die Welt nach COVID-19 (Wellen 1 und 2) nicht in eine Influenzapandemie gerät, ist ein Überwachungssystem zentral (mit genomweiten Sequenzierungen respiratorischer Viren und Korrelation mit epidemiologischen und klinischen Daten). Das «Global Influenza Hospital Surveillance Network» (GIHSN) [2] versucht, diese Aufgabe zu erfüllen.
Wann sollen die Patientinnen und Patienten im Tagesverlauf entlassen werden?
Ökonomische Überlegungen (Erhöhung des «Patientendurchlaufs») und Qualitätsaspekte (geordnete Entlassung vormittags) haben intuitiv die Entlassung der Patientinnen und Patienten am Vormittag (z.T. wird diese als Spitalstandard vor 10:00 Uhr implementiert) populär gemacht.
Laut einer kanadischen Studie in sieben Spitälern mit zusammen fast 190 000 Austritten (20% davon zwischen 08:00 und 12:00 Uhr) aus Kliniken für Allgemeine Innere Medizin hatten aber die vormittäglichen Entlassungen keinen Effekt auf die mittlere Aufenthaltsdauer wie auch nicht auf die Rehospitalisationen innert 30 Tagen und die Mortalität im Spital.
Die einseitige Fokussierung auf dieses Kriterium scheint also weder einen ökonomischen Vorteil noch die (allerdings grob gemessene) Qualität zu haben. Diese Schnittstellenproblematik ist komplex und beinhaltet demzufolge auch viele, zum Teil schwierig zu kontrollierende Einzelfaktoren: Transporte nach Hause, Arbeitsbelastung des Spitalpersonals, Verfügbarkeit von Hausärztinnen und -ärzten, Spitex und Angehörigen sind unter einigen anderen zu nennen.
Verfasst am 31.05.2021, auf Hinweis von Frau PD Dr. E. Bächli (Uster).
Auch noch aufgefallen
Griechische Buchstaben für die SARS-CoV-2-Varianten?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schlägt vor, die komplizierten und in den Augen einiger stigmatisierenden Codes der SARS-CoV-2-Varianten durch griechische Buchstaben zu ersetzen:
Alpha = B.1.1.7 (britische Variante),
Beta = B.1.351 (südafrikanische Variante),
Gamma = P1 (brasilianische Variante),
Delta = B.1.617.2 (indische Variante)
etc.
Ob dieser Vorschlag nicht zu spät kommt? Und: Wird das griechische Alphabet die munter neu auftretenden «variants of concerns» überhaupt abdecken können oder doch auch Zusatzzahlen erfordern?
Nein, zumindest nicht die Mehrzahl. Unter 97 mit dem Pfizer-Biontech mRNA-Impfstoff Geimpften betrug die Serokonversion fast 90% (86 Geimpfte), fünf Personen erhielten eine dritte Impfung basierend auf einem ungenügenden Antikörpertiter nach zwei Impfdosen. Zusätzlich zu den bekannten negativen Folgen der terminalen Niereninsuffizienz auf die Immunogenizität war eine konkomittierende medikamentöse Immunosuppression (vor allem Glukokortikoide) für die ungenügende Immunantwort verantwortlich.
Eine titerbasierte Impfstrategie dürfte sich für Dialysepatientinnen und -patienten und vielleicht auch für solche in fortgeschrittenen Stadien der Niereninsuffizienz ohne Dialyse, insbesondere bei zusätzlicher Immunsuppression, empfehlen.