Behandlung des Hypophysenadenoms
Ein komplexes Problem

Behandlung des Hypophysenadenoms

Übersichtsartikel
Ausgabe
2021/4748
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2021.08855
Swiss Med Forum. 2021;21(4748):813-818

Affiliations
a Service d’endocrinologie, diabétologie et métabolisme, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne; b Endocrinologue-diabétologue, Hôpital de Nyon, Groupement Hospitalier de l’Ouest Lémanique, Nyon

Publiziert am 23.11.2021

Die Hypophyse zeichnet sich durch die Sekretion mehrerer Hormone und ihre Lage in der Nähe der Sehbahn und der Hirnnerven aus. Die Behandlung von Hypophysenadenomen stellt daher ein komplexes Problem dar.

Einleitung

Hypophysenadenome sind bei Erwachsenen die häufigsten Tumoren der Sellaregion und entstehen aus der klonalen Proliferation der Zellen der Adenohypophyse. Aktuelle Daten aus Irland zeigen eine Prävalenz (115 Fälle pro 100 000), die im Vergleich zu einer älteren Studie über den Grossraum Freiburg (80 Fälle pro 100 000) zu steigen scheint. In jüngerer Vergangenheit haben Fachgesellschaften vorgeschlagen, den Begriff «Adenom» durch «neuroendokriner Hypophysentumor» (engl. «pituitary neuro-endocrine tumor» [PitNET]) zu ersetzen, mit der Begründung, dass ein erheblicher Anteil dieser Tumoren lokal invasiv ist, was ein kuratives Vorgehen verhindert. Dagegen haben mehrere Endokrinologinnen und Endokrinologen die negative Konnotation des Begriffs «Tumor» unterstrichen, die mit nicht unerheblichen Auswirkungen auf die Patientinnen und Patienten einhergeht, von denen die überwiegende Mehrheit eine heilbare Erkrankung aufweist.
Hypophysenadenome lassen sich einteilen (i) nach ihrer Grösse in Mikro- (<1 cm im Längsachsendurchmesser) und Makroadenome oder (ii) danach, ob ein klinisch und/oder biochemisch nachweisbares Hormon ausgeschüttet wird, das heisst in funktionelle (oder sezernierende) und nicht funktionelle (nicht sezernierende) Adenome. Zu den funktionellen Adenomen zählen jene der laktotropen Zellen (Prolaktinom), der somatotropen, wachstumshormonproduzierenden Zellen (Akromegalie), der kortikotropen, Adrenocorticotropin-(ACTH-)produzierenden Zellen (Morbus Cu­shing) sowie der thyreotropen Zellen (Thyreotropinom). Zu erwähnen ist, dass es ungeachtet des immunhistochemischen Nachweises einer Expression von luteinisierendem Hormon (LH) und follikelstimulierendem Hormon (FSH) bei der grossen Mehrheit der gonadotropen Adenome nicht zu einer klinisch relevanten Hormonausschüttung kommt und sie sich also als nicht funktionelle Tumoren manifestieren. Seit Kurzem ist es infolge der Identifizierung spezifischer Transkriptionsfaktoren möglich, die Einteilung der Adenome durch die Bestimmung dreier Hauptlinien zu verfeinern: PIT1 («pituitary-specific positive transcription factor 1»; laktotrop, somatotrop, thyreotrop), Tpit («T-box transcription factor»; kortikotrop) und SF1 («steroidogenic factor-1»; gonadotrop).

Manifestation und initiale ­Untersuchungen

Die initiale Manifestation hängt von der Adenomart und -grösse ab. Abgesehen von Zufallsdiagnosen werden Mikroadenome vor allem durch die damit einhergehende Hormonausschüttung entdeckt. Tabelle 1 enthält eine umfassende Übersicht über die mit funktionellen Adenomen assoziierten Symptome und das diagnostische Vorgehen. Nicht sezernierende Tumoren werden dagegen eher in der Makroadenom-Phase diagnostiziert, in der sie Kopfschmerzen oder Sehstörungen auslösen. Als klassische visuelle Beeinträchtigung gilt die bitemporale Hemianopsie, die durch die mediane Kompression der Sehnervenkreuzung bedingt ist. Seltener kommt es zu okulomotorischen Störungen infolge der Kompression der Hirnnerven III, IV und VI sowie der Äste 1 und 2 des V. Hirnnervs im Sinus cavernosus. Makroadenome können sich auch durch den Mangel an einem oder mehreren Adenohypophysenhormon(en) äussern (Hypopituitarismus), der auf die tumorbedingte Kompression der Hypophysenzellen zurückgeht. Das Auftreten eines Diabetes insipidus ist ausserhalb des postoperativen Kontexts sehr selten und sollte dazu Anlass geben, Alternativdiagnosen zu erwägen (etwa Kraniopharyngeom, Metastasen). Rund 10 % der Makroadenome werden aufgrund einer Blutung oder eines Infarkts, die der Tumor auslöst, diagnostiziert («Apoplexie»). Die Symptome sind in diesem Fall akut und umfassen plötzliche Kopfschmerzen, Störungen der Okulomotorik, Verringerung der Sehschärfe und in schweren Fällen Bewusstseinsstörungen.
Die Untersuchung einer Raumforderung in der Sella-Region muss also umfassen: a) Magnetresonanztomographie (MRT) von Hypothalamus und Hypophyse mit Gadoliniuminjektion, um die Diagnose zu konsolidieren und eine allfällige Invasion in benachbarte Strukturen zu bewerten; b) neuroophthalmologische Bewertung, zu der die Analyse des Gesichtsfelds und die Messung der Sehschärfe gehören, und die im Zweifelsfall sowie bei suboptimaler Patientenkollaboration (etwa bei kognitiver Beeinträchtigung) mit einer optischen Kohärenztomographie vervollständigt wird; c) Tests zum Nachweis einer Hormonhypersekretion (Tab. 1); d) Tests auf Hypopitui­tarismus, vor allem im Falle eines Makro­adenoms oder bestätigten klinischen Verdachts.
Tabelle 1:Klinische Manifestation funktioneller Adenome und indizierte ätiologische Untersuchungen. Die Angaben zur relativen Prävalenz beruhen auf [7].
 ProlaktinomSomatotropes AdenomKortikotropes AdenomThyreotropes AdenomGonadotropes ­Adenom
Sezerniertes HormonProlaktin (PRL)Wachstumshormon (GH)Adrenokortikotropin (ACTH)Thyreotropin (TSH)Follikelstimulierendes Hormon (FSH), luteinisierendes Hormon (LH) oder Unter­einheiten
Relative Prävalenz (%)30–608–152–6<1<1
Klinischer PhänotypHyperprolaktinämie
: Hypogonadismus, erektile Dysfunktion, Unfruchtbarkeit, Galaktorrhoe
: Oligo- oder Amenorrhoe, Galaktorrhoe, Unfruchtbarkeit, Osteopenie
und : Kompressionssyndrom
Akromegalie: schleichender Beginn
– Dysmorphie (typische Gesichtszüge, Vergrösserung von Händen und Füssen, Makroglossie)
–Gigantismus (falls vor Abschluss des Längenwachstums)
– Pachydermie
– Parästhesien, Hyperhidrose
– Hypertrophe Arthropathie
– Kopfschmerzen
–Begleiterkrankungen (z.B. obstruktives Schlafapnoesyndrom, Hypertonie, Polypen im Dickdarm)
Morbus Cushing
–Stammfettsucht, Stier­nacken
–Vollmondgesicht (rundes, rötlich aufgedunsenes Gesicht)
– Proximale Amyotrophie
– Ekchymosen, dünne Haut
– Striae rubrae
: unregelmässiger Zy­klus, Hirsutismus, Akne
–Begleiterkrankungen ­(Hypertonie, Diabetes, ­Frakturen)
Hyperthyreose
–Palpitationen, Tremor, Wärmeintoleranz
– Diffuse Struma
– Galaktorrhoe
– Kompressionssyndrom
– Hypopituitarismus
Hypergonadismus
–Sehr selten, die grosse Mehrheit der gonadotropen Adenome ist nicht funktionell
: ovarielle Hyper­stimulation, Uterus­blutung
: Makroorchidie, ­Pubertas praecox
DiagnosetestProlaktin«Insulin-like growth factor 1» (IGF-1)
(altersabhängig)
Freies Kortisol im 24-h-Urin
Kortisol im Speichel um 24 Uhr
Dexamethason-Kurztest
TSH, freies T4, freies T3FSH, LH, α-Unter­einheit;
: Östradiol
: Testosteron
Ergänzende Untersu­chungen– Falls PRL <200 μg/l: Alternativursachen ausschliessen (Stieleffekt, Arzneimittel)
– Falls PRL <200 μg/l bei Makro­adenom: Unterbewertung aufgrund des Hook-Effekts ausschliessen
– Kosekretion von GH ausschliessen (Messung von IGF-1)
– Hypopituitarismus?
– Oraler Glukosetoleranztest 75 g zur Bestimmung des Nadirs des Wachtumshormons
– PRL (Kosekretion)
– Akromegalie-assoziierte Begleitkrankheiten?
– Hypopituitarismus?
– ACTH
– Katheterisierung des Sinus petrosus (bei uneindeutiger Magnetresonanztomographie)
– Hyperkortisolismus-assoziierte Begleitkrankheiten? (+ Thromboembolie- und Infektionsrisiko)
– Hypopituitarismus?
– Schilddrüsenhormon­resistenz ausschliessen (sexualhormonbindendes Globulin [SHBG], Thyreoliberin [TRH], T3-Suppressionstest +/- Genetik)
– PRL, IGF-1 (Kosekretion)
– Hypopituitarismus?
– Sonographie Becken oder Hoden
– Hypopituitarismus?

Merkmale sezernierender Adenome

Das prolaktinproduzierende Adenom ist der Subtyp mit der höchsten Prävalenz. Ein Prolaktinspiegel von >200–300 µg/l gilt als pathognomonisch für ein Prolaktinom, wobei eine gute Korrelation zwischen der Prolaktinkonzentration und der Adenomgrösse besteht. Wenn die Hyperprolaktinämie diskreter ist (<150–200 µg/l), müssen andere Ursachen ausgeschlossen (besonders eine Schwangerschaft und die Anwendung von Arzneimitteln wie Neuroleptika, Antiemetika und bestimmten Antidepressiva) und die MRT-Aufnahmen erneut sorgfältig analysiert werden, um ein Mikroprolaktinom von einem sellären, den Hypophysenstiel umfassenden Prozess zu unterscheiden. Im letztgenannten Fall geht die Hyperprolaktinämie auf die Unterbrechung der hemmenden Wirkung von Dopamin aus dem Hypothalamus zurück («Stieleffekt»).
Wachstumshormonproduzierende Adenome sind vor allem Makroadenome, da die Diagnose im Allgemeinen verzögert gestellt wird (durchschnittlich acht bis zehn Jahre nach Einsetzen der Symptome laut Anamnese). Abgesehen von den dysmorphen Veränderungen kann der Überschuss an Wachstumshormon mehrere spezifische Begleiterkrankungen auslösen (Tab. 1).
ACTH-produzierende Adenome (kortikotrope Adenome) führen zu einem ACTH-abhängigen Hyperkortisolismus, den man als «Morbus Cushing» bezeichnet. Sie sind üblicherweise Mikroadeome, die vorwiegend bei Frauen auftreten (85%). Das klinische Bild entspricht jenem des Cushing-Syndroms, die Bandbreite des Schweregrads ist gross. Anders als bei anderen Adenomtypen kann der Diagnoseprozess kompliziert sein [1], da das Adenom in rund 40% der Fälle in der MRT-Aufnahme nicht sichtbar ist (Tab. 1).

Behandlung

Die Behandlungsoptionen umfassen die chirurgische Resektion, medikamentöse Therapie und Strahlentherapie. Bisweilen ist es nötig, diese Methoden zu kombinieren oder hintereinander anzuwenden. Im Falle eines nicht funktionellen, asymptomatischen Adenoms abseits der Sehnervenkreuzung kann nach Diskussion mit der Patientin respektive dem Patienten vorgeschlagen werden, das Adenom lediglich zu überwachen. Eine aktuelle Übersichtsarbeit über 14 Studien, in denen 648 Inzidentalome im Verlauf von ein bis acht Jahren verfolgt wurden, stellte eine Vergrösserung bei lediglich 10% der Mikro- und 23% der Makroadenome fest [2].
Die Prolaktinome sind die einzigen Adenome, bei denen eine medikamentöse Behandlung mit Dopaminagonisten als Erstlinientherapie empfohlen wird. Dieses Vorgehen ist angezeigt bei Makroprolaktinomen, mit Galaktorrhoe einhergehenden Mikroprolaktinomen und bei Frauen mit Kinderwunsch. Frauen mit unregelmässigem Zyklus infolge eines Mikroprolaktinoms können lediglich mit einem Östrogen-Gestagen-Kombinationspräparat (oralem Kontrazeptivum) behandelt werden. Bei Frauen in der Menopause muss ein Mikroprolaktinom nicht behandelt werden, da die Hyper­prolaktinämie, abgesehen von der Hemmung der gonadotropen Achse, keine toxischen Wirkungen hat. Cabergolin weist eine lange Halbwertszeit (Verabreichung ein- oder zweimal pro Woche), hohe Wirksamkeit und insgesamt akzeptable Verträglichkeit auf und ist darum der Dopaminagonist erster Wahl. Zu den klassischen Nebenwirkungen zählen Übelkeit und Schwindel. Selten wurde zudem die Verstärkung einer manisch-depressiven Störung beschrieben, darum wird bei Personen mit psychiatrischen Begleitkrankheiten Vorsicht bei der Anwendung empfohlen. Da Cabergolin beim Prolaktinom in weit geringerer Dosierung als beim Morbus Parkinson eingesetzt wird, besteht kein erhöhtes Risiko einer klinisch relevanten Valvulopathie. Allerdings wurde eine erhöhte Inzidenz asymptomatischer Trikuspidalklappeninsuffizienz gemeldet [3], deshalb sollte bei langfristiger Anwendung von Cabergolin in einer Dosierung von über 2 mg pro Woche eine Überwachung mittels Echokardiographie erfolgen. In jüngerer Vergangenheit wurden mehrere Fälle berichtet, in denen es im Rahmen einer Cabergolin-Behandlung zum Auftreten impulshaften Verhaltens kam (Hypersexualität, Spielsucht, Kaufzwang). Nach zweijähriger Behandlung gilt es als Ansprechen, wenn sich der Prolaktinspiegel im Rahmen einer geringdosierten Cabergolin-Gabe normalisiert hat und der Tumor verschwunden ist oder sich um mehr als 50% verkleinert hat. Sind diese Bedingungen erfüllt, kann versucht werden, Cabergolin abzusetzen; die Rezidivrate nach zwei Jahren beträgt dabei 30% [3]. In manchen Fällen von Makroprolaktinom können langfristig höhere Cabergolin-Dosen erforderlich sein (über 2 mg pro Woche). Zudem tritt bei rund 15% der Patientinnen und Patienten eine Resistenz gegenüber Dopaminagonisten oder eine grössere Unverträglichkeit auf und ist somit eine chirurgische Intervention nötig. Einige Kliniken empfehlen den transsphenoidalen Eingriff als Erstlinientherapie des Mikroprolaktinoms. In einer Übersichtsarbeit über 31 Studien mit insgesamt 1224 Teilnehmenden, bei denen man ein Mikroprolaktinom gleich operierte, wurde die hohe Wirksamkeit dieses Ansatzes gezeigt [4]. Die postoperative Morbidität war niedrig, hing allerdings stark von der Erfahrung der operierenden Person ab.
Für die Beibehaltung der Dopaminagonisten-Therapie im Falle einer Schwangerschaft ist eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung nötig, da das Risiko einer Vergrösserung des Prolaktinoms besteht. Bei einem Mikroprolaktinom oder ausreichendem Abstand zwischen einem Makroprolaktinom und der Sehnervenkreuzung wird Cabergolin üblicherweise abgesetzt. Liegt das Makroprolaktinom allerdings in der Nähe der Sehnervenkreuzung, erfolgt die Entscheidung, ob die Cabergolin-Therapie fortgesetzt wird oder ob auf Bromocriptin umgestellt wird (mehr Daten über die Sicherheit in der Schwangerschaft) auf multidisziplinärer Grundlage; in diesen Fällen ist eine sorgfältige Verlaufskon­trolle (klinisch und neuroophthalmologisch) einmal pro Trimenon oder gegebenenfalls auch öfter nötig.
Die transsphenoidale Operation ist beim symptomatischen Adenom die Therapie erster Wahl, ausser bei den meisten Prolaktinomen, wie oben erwähnt. Bei schwerer Apoplexie mit hämodynamischer Instabilität, Bewusstseinsstörung oder Verringerung der Sehschärfe ist eine Notoperation erforderlich (nach Verabreichung von Hydrokortison in Stressdosierung). Eine retrospektive Studie mit 555 Teilnehmenden, die zwischen 2002 und 2011 endonasal operiert wurden, ergab bei Personen mit nicht funktionellem Makroadenom eine Totalresektionsrate von 65% [5]. In derselben Kohorte wurde festgestellt, dass sich die hormonelle Hypersekretion bei 82,5% der kortikotropen Adenome, 65,3% der somatropen Adenome und 54,7% der Prolaktinome zurückgebildet hatte. Das Risiko einer erneuten Hypophyseninsuffizienz nach der Operation beträgt rund 5 bis 10%, wobei die Inzidenz bei Personen, die aufgrund eines Morbus Cushing operiert wurden, höher ist. Unter den Hormonmangelerscheinungen ist der Diabetes insipidus, der auf einer Läsion am Hypophysenstiel beruht, am meisten gefürchtet: Meist ist er vorübergehend, ein dauerhafter Diabetes insipidus tritt als seltene Komplikation (etwa 2%) nach einer Operation auf. Auch die anderen Komplikationen des chirurgischen Eingriffs (Liquoraustritt, Meningitis) sind sehr selten, sofern die Operation in einer Klinik mit umfassender einschlägiger Erfahrung erfolgt. Das Rezidivrisiko ist erhöht, wenn laut MRT Anzeichen von Invasivität des Adenoms vorliegen oder in der histopathologischen Untersuchung Proliferationsmarker nachweisbar sind (etwa Ki-67 >3%) [6]. Ein erhöhtes Rezidivrisiko besteht der WHO-Klassifikation von 2017 zufolge beim Prolaktinom beim Mann, beim «stillen» kortikotropen Adenom sowie bei bestimmten histologischen Subtypen (gering granuliertes somatotropes Adenom, kortikotrope Crooke-Zell-Adenome, stilles, PIT-1-positives plurihormonales Adenom).
Abgesehen von den Prolaktinomen kann die medikamentöse Behandlung auch adjuvant nach einer Totalresektion erfolgen. Beim Morbus Cushing und bei Akromegalie mit starker Weichteilhypertrophie ist eine präoperative Vorbereitung angezeigt. Diese Art der Behandlung zeigt zwar eine gewisse Wirksamkeit, ohne zu Hypopituitarismus zu führen, wichtige Nachteile sind allerdings die Notwendigkeit, sie lebenslang fortzusetzen und die entsprechenden Kosten [7]. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die in der Schweiz verfügbaren Wirkstoffe und ihre häufigsten Nebenwirkungen.
Tabelle 2: In der Schweiz verfügbare Arzneimittel zur Behandlung des Hypophysenadenoms.
 WirkmechanismusDosierungWirkungNebenwirkungenAnmerkungen
Prolaktinom:
Cabergolin
(Dostinex®, Cabaser®)
Dopaminagonist– Oral, 1–2×/Woche
– Initial 0,25–1 mg/Woche
– Dosen >3 mg/Woche langfristig nicht empfohlen (Valvulopathie)
– Normalisierung von PRL und Tumorverkleinerung
• 90% Mikroadenome
• 65% Makroadenome
– ( >)
– Übelkeit, orthostatische Hypotonie, Kopfschmerzen
– Depression
– Störungen der Impulskontrolle
Minimales Valvulopathie-Risiko (bei Dosen >2 mg/Woche Echokardiographie erwägen)
Bromocriptin
(Parlodel®)
Dopaminagonist– Oral, 2–3×/Tag
– Initial 1,25 mg/Tag; max. 5–10 mg/Tag
Normalisierung von PRL laut einer Vergleichsstudie 59% im Vergleich zu 83% mit CabergolinWie Cabergolin (Risiko von Übelkeit höher)– Wie Cabergolin
– Sicherheit in der Schwangerschaft gewährleistet
Quinagolid
(Norprolac®)
Dopaminagonist– Oral, 1×/Tag
– Initial 25–75 μg/Tag; max. 300 μg/Tag
Ähnliche Wirksamkeit wie Cabergolin; Vorsicht: weniger Daten verfügbarWie CabergolinKein Valvulopathie-Risiko (kein Ergolinderivat)
Akromegalie:
Octreotid (Sandostatin
LAR®)

oder
Lanreotid (Somatuline
Autogel®)
Somatostatin-­Analogon (v.a. SST2-Rezeptor)
– Intramuskulär (Gesäss)
– 1×/Monat
– Initial 20 mg; max. 40 mg

– Tief subkutan
– 1×/Monat
– Initial 60 mg; max. 120 mg
– Beide Analoga ähnlich wirksam
– 40–75% IGF-1-Normalisierung
– 30–40% Verringerung der Adenomgrösse
– Übelkeit, abdominales Unbehagen, Durchfall (häufig vorübergehend)
– Gallensteine
– Bradykardie (leicht)
–  Insulinsekretion
– Zentrale Hypothyreose
– Therapie erster Wahl nach Versagen einer chirurgischen Behandlung oder zur Überbrückung, bis die Radiochirurgie Wirkung zeigt
– Besseres Ansprechen: T2 hyperintens (MRT), dicht granulierte Adenome
– Lanreotid: Autoinjektion möglich
Cabergolin
(Dostinex®, Cabaser®)
DopaminagonistSiehe Prolaktinom (häufig 1–2 mg/Woche nötig)Normalisierung von IGF-1 in 30% der Fälle (besonders bei mässiger Akromegalie)Siehe ProlaktinomMöglicher Synergieeffekt in Kombination mit Somatostatin-Analogon
Pasireotid
(Signifor®)
Somatostatin-­Analogon (v.a. SST5-Rezeptor)– Intramuskulär (Gesäss)
– 1×/Monat
– Initial 40 mg; max. 60 mg
Wirksamer als Octreotid (Normalisierung von IGF-1 laut einer Vergleichsstudie 39% im Vergleich zu 24%)– Hyperglykämie häufig (50–60%)
– Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts
– Gallensteine
– Therapie zweiter Wahl nach Versagen von Octreotid bzw. Lanreotid
– Wirksamkeit bei Überexpression des SST5-Rezeptors durch das Adenom
Pegvisomant
(Somavert®)
Wachstumshormon-Rezeptorantagonist– Subkutan, 1×/Tag (Alternative: jeden 2. Tag)
– Startdosis 80 mg, dann 10 mg/Tag; max. 20 mg/Tag (Off-Label, 30–50 mg/Tag)
Hohe Wirksamkeit: IGF-1-­Normalisierung bei 54%, 81% bzw. 89% bei Dosen von 10, 15 bzw. 20 mg/Tag– Dosisabhängige Erhöhung der Leberwerte (>3-Fache des Normbereichs bei 2–3%)
– Lipodystrophie (an der Injektions­stelle)
– Therapie zweiter Wahl, hohe Kosten (3000 CHF/Monat)
– Überwachung des IGF-1-Werts (nicht GH)
– MRT-Überwachung aufgrund des Risikos eines Adenomwachstums
Morbus Cushing
Auf die Nebennieren abzielend
Metyrapon
(Metopiron®)
Steroidgenese-Hemmer (11β-Hydroxylase)– Oral, 3–4×/Tag
– Initial 500–1000 mg/Tag; max. 6 g/Tag
– 40–50% Normalisierung des freien Kortisols im 24-h-Urin (zufriedenstellende Regulierung durch Langzeitbehandlung bei 75%)
– Rascher Wirkeintritt
– Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts
: Hyperandrogenämie
– Hypertonie und Hypokaliämie (Akkumulation von Desoxykor­tikosteron)
– Nebennierenrindeninsuffizienz (Block-and-Replace-Therapie erwägen)
– Risiko der Überbewertung von Kortisol durch bestimmte Immun­assays (Kreuzreaktion mit hoher Konzentration von 11-Desoxykortisol)
Ketoconazol
(Nizoral®)
In der Schweiz nicht vertrieben (auf Bestellung aus Frankreich)
Steroidgenese-Hemmer (mehrere ­Angriffspunkte)– Oral, 2–3×/Tag
– Initial 400 mg/Tag; max. 1200 mg/Tag
50% Normalisierung + 25% signifikante Verbesserung (Reduktion mind. 50%) des freien Kortisols im 24-h-Urin– Übelkeit, Kopfschmerzen, Sedierung
– Hepatotoxizität (nach Absetzen reversibel)
: Libido, Erektionsstörungen, Gynäkomastie
– Regelmässige Kontrolle der Leberwerte
– Risiko von Arzneimittelinter­aktionen (starker CYP3A4-­Inhibitor)
Mitotan
(Lysodren®)
Adrenostatikum– Oral, 2–3×/Tag
– Initial 500 mg/Tag; max. 2–3 g/Tag
– Nach Abklingen des Hyperkortisolismus: Erhaltungsdosis 500–2000 mg/Tag
– Hohe Wirksamkeit, Morbus Cushing in rund 80% der Fälle beherrscht
– Vorsicht: Daten von 1980
– Risiko eines verzögerten Rezidivs nach Absetzen
– Übelkeit, Erbrechen, Anorexie, Müdigkeit, Sedierung, Lethargie, Ataxie, Schwindel
– Gynäkomastie, Hypogonadismus
– Nebennierenrindeninsuffizienz mit erhöhtem Hydrokortison-Bedarf
– Erhöhung des Plasmaspiegels von Hormonbindungsproteinen (CBG, SHBG)
– Zentrale Hypothyreose
– Bei Morbus Cushing selten eingesetzt (Wirkeintritt stark verzögert, schwere Nebenwirkungen)
– Sehr lange Halbwertszeit (Speicherung im Fettgewebe)
– Keine Kontrolle der Mitotanspiegel
– Erhöhtes Risiko von Arznei­mittelinteraktionen (starker CYP3A4-Inhibitor)
Auf die Hypophyse abzielend
Cabergolin
(Dostinex®, Cabaser®)
DopaminagonistSiehe Prolaktinom, allerdings höhere Dosen nötig20–30% Normalisierung des freien Kortisols im 24-h-Urin, durchschnittliche Cabergolin-Dosis rund 2 mg/WocheSiehe ProlaktinomRisiko abnehmender Wirksamkeit bei Langzeitbehandlung
Pasireotid
(Signifor®)
Somatostatin-­Analogon (v.a. SST5-­Rezeptor)– Intramuskulär (Gesäss)
– 1×/ 4 Wochen
– Initial 10 mg; max. 40 mg
40% Normalisierung des freien Kortisols im 24-h-Urin, Daten verfügbar für Behandlung über Zeitraum von drei Jahren– Hyperglykämie sehr häufig; in Erweiterungsstudie Diabetes bei 90%
– Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts
– Gallensteine
Subkutane Darreichungsform mit kurzer Wirkdauer verfügbar (1×/Tag)
IGF-1: «insulin-like growth factor 1»; CBG: kortikosteroidbindendes Globulin; MRT: Magnetresonanztomographie; PRL: Prolaktin; SHBG: sexualhormonbindendes Globulin.
Die Strahlentherapie des Hypophysenadenoms kann als fraktionierte Radiotherapie erfolgen oder als stereotaktische Radiochirurgie (z.B. Gamma-Knife), bei der hochenergetische Strahlen mit hoher Genauigkeit auf einen festgelegten Gewebebereich gerichtet werden. Die Auswahl zwischen den beiden Methoden hängt vom Ausmass der Läsion und vom Abstand zur Sehbahn ab. Beim sezernierenden Adenom tritt die Wirkung verzögert ein, weshalb die medikamentöse Therapie in den ersten Monaten oder gar Jahren nach der Bestrahlung fortgesetzt werden muss. Beim nicht sezernierenden Adenom kann die adjuvante Radiochirurgie eine Alternative zur erneuten Operation sein, falls ein Residualtumor vorliegt, der wächst oder ein hohes Progressionsrisiko aufweist. In dieser Situation ist die Wirksamkeit der Tumorkontrolle sehr hoch (85 bis 90%). In rund 20 bis 30% der Fälle ist fünf Jahre nach der Behandlung ein Hypopituitarismus festzustellen, die langfristige Überwachung der Hypophysenfunktion ist darum unverzichtbar. In Fällen von Akromegalie, die mit konventioneller Radiotherapie behandelt wurden, wurde eine erhöhte Mortalität im Zusammenhang mit zerebrovaskulären Ereignissen gemeldet. Jüngere Studien stellen diesbezüglich aber die kausale Rolle der Radiotherapie infrage.

Aggressive Adenome

Hypophysenkarzinome – definiert durch kraniospinale oder Fernmetastasierung – sind sehr selten (0,2% der Hypophysentumoren). Als «aggressiv» geltende Hypophysenadenome sind hingegen weniger selten. Dazu zählen radiologisch invasive und ungewöhnlich rasch wachsende Tumoren sowie jene mit lokoregionärem Wachstum trotz Standardtherapie [8]. In diesem Kontext hemmte eine Temozolomid-Therapie die Tumorprogresseion in 40 bis 50% der Fälle.

Genetische Erwägungen

Nur eine Minderheit der Hypophysenadenome tritt im Zusammenhang mit einer Erbkrankheit auf, von denen die häufigsten das isolierte familiäre Hypophysenadenom (engl. FIPA) und die multiple endokrine Neoplasie Typ 1 (MEN1) sind. Die Konstellation dieser Entitäten sowie anderer Syndrome, die mit Hypophysenadenomen einhergehen, wird in Tabelle S1 im Anhang des Online-Artikels dargestellt. Bei der genetischen Untersuchung von Trägern sporadischer Adenome werden bisweilen Keimbahnmutationen an Genen entdeckt, die an familiären Formen beteiligt sind. Zu den am häufigsten beobachteten zählen Mutationen des AIP-Gens, deren Prävalenz insgesamt etwa 4% beträgt, aber auf 8 bis 20% steigt, wenn sich die Analyse auf junge Erwachsene, Trägerinnen respektive Träger somatotroper oder somatolaktotroper Makroadenome und Kinder mit Gigantismus beschränkt [9]. Dann folgen MEN1-Mutationen, die je nach untersuchter Population eine Prävalenz von 0,6 bis 2,6% aufweisen. Vor Kurzem wurden Keimbahnmutationen an zwei weiteren Genen gefunden: GPR101 (Akromegalie) und CDH23 (diverse Adenomtypen). Wir empfehlen also eine genetische Untersuchung bei a) Personen, bei denen vor dem 30. Lebensjahr ein Hypophysenadenom diagnostiziert wird; b) positiver Familienana­mnese; c) klinischen Symptomen, die den Verdacht auf eine syndromale Erkrankung nahelegen.

Perspektiven

Die verfügbaren Behandlungsstrategien sind zwar in der Mehrheit der Fälle wirksam, gleichwohl kann ein nicht unerheblicher Anteil der Patientinnen und Patienten nicht vollständig geheilt werden. Im Mittelpunkt der translationalen Forschung über Hypophysentumoren steht derzeit die Anwendung neuer molekularer Methoden (z.B. Einzelzellsequenzierung), um sie umfassend zu phänotypisieren, eine individualisierte Behandlung anbieten zu können und neue therapeutische Angriffspunkte zu erkennen. Parallel laufen zurzeit mehrere klinische Studien über neue Wirkstoffe (etwa Retinsäure gegen Morbus Cushing).

Das Wichtigste für die Praxis

• Die Behandlung von Hypophysenadenomen zielt auf die Volumenkon-trolle des Tumors und die Korrektur einer eventuellen Hormonhyper­sekretion ab.
• Prolaktinome unterscheiden sich von anderen Hypophysenadenomen durch die medikamentöse Erstlinienbehandlung (dopaminerge Agonisten).
• Eine multidisziplinäre Zusammenarbeit (Endokrinologie, Neurochirurgie, Ophthalmologie, Pathologie) ist sowohl für die Erstuntersuchung als auch für die Nachsorge der Patientinnen und Patienten unerlässlich.
• Eine engmaschige Nachsorge, oft mit einem multimodalen Ansatz, ist erforderlich, wenn nach der ersten Operation eine Restkrankheit verbleibt oder wenn es sich um proliferative, invasive oder sich schnell entwickelnde Tumore handelt.
Der Online-Appendix ist als separates Dokument verfügbar unter: https://doi.org/10.4414/smf.2021.08855.
Die Autorinnen und der Autor haben deklariert, keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag zu haben.
Dr. med.
Georgios E. Papadakis
Service d’endocrinologie, diabétologie et métabolisme
Avenue de la Sallaz 8-10
CH-1011 Lausanne
georgios.papadakis[at]chuv.ch
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