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Hintergrund
Palpitationen sind ein häufiger Anlass für eine ärztliche Konsultation. Im Folgenden berichten wir über einen Patienten, bei dem der Grund für die Palpitationen – ein tachykardes Vorhofflattern – zwar schnell gefunden werden konnte, sich jedoch mit fortschreitender Diagnostik immer wieder neue Fragen stellten. Neben vielen anderen Ursachen sollten auch das Vorhofflattern und die Lungenembolien als mögliche Ätiologie einer Schmalkomplextachykardie, wo klinisch wahrscheinlich, aktiv gesucht werden. Werden Lungenembolien gefunden, ist in aller Regel eine Antikoagulation indiziert. Das therapeutische Vorgehen, wenn zusätzlich zur Lungenembolie auch ein kardialer Embolus besteht, ist weniger klar geregelt.
Fallbericht
Anamnese
Ein 69-jähriger Patient stellt sich aufgrund von Unwohlsein und Herzrasens seit drei Tagen in der hausärztlichen Praxis vor. Ferner gibt er an, seit Monaten unter einer Belastungsdyspnoe ohne thorakalen Druck zu leiden. An kardiovaskulären Risikofaktoren bestehen eine arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie und eine Adipositas. Die tägliche Medikation ist wie folgt: Aliskiren, Atorvastatin, Ezetimib, Fenofibrat, Acetylsalicylsäure (Primärprophylaxe) und Allopurinol.
Der avisierte Hausarzt, zusätzlich Kardiologe, diagnostiziert bei der Vorstellung ein tachykardes Vorhofflattern mit 2:1 Überleitung mit leichtgradiger kardialer Dekompensation sowie eine eingeschränkte linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) von circa 40%. Er überweist den Patienten zur Elektrokardioversion (EKV) auf die Notfallstation – aufgrund des Symptombeginns vor mehr als 48 Stunden mit vorhergehender transösophagealer Echokardiographie (TEE).
Status und Befunde
Bei Eintritt auf der Notfallstation präsentierte sich ein hämodynamisch stabiler Patient, Blutdruck 135/91 mmHg, Herzfrequenz 130/min rhythmisch, SaO2 95% nativ. In der klinischen Untersuchung imponierten leichte Beinödeme und ein positiver hepatojugulärer Reflux.
Im durchgeführten EKG bestätigte sich das Vorhofflattern mit 2:1 Überleitung. Laborchemisch war das Blutbild ohne richtungsweisenden Befund, in der Chemie imponierte ein erhöhtes NT-proBNP von 2687 ng/l. Die Laborwerte sind tabellarisch in Abbildung 1 dargestellt.
Die Abbildung zeigt die Laborwerte des Patienten.
F1 bedeutet leicht hämolytisch, das Verlaufskalium lag bei 3, 7 mmol/l.
Bei nüchternem Patienten erfolgte nach Erhalt der Laborwerte eine intravenöse Substitution von Kalium und eine TEE zum Ausschluss eines Thrombus vor der geplanten EKV. In der TEE kam dann bei fehlenden Hinweisen für eine Rechtsherzbelastung ein riesiger, flottierender Thrombus im rechten Atrium zur Darstellung (Abb. 2), weshalb die EKV nicht durchgeführt wurde. Der Thrombus, glattwandig und länglich gezogen, konnte in dieser Grösse und Form kaum im Herzen entstanden sein, was suggestiv war für eine Bildung in den tiefen Beinvenen mit anschliessender Dislokation. Statt der geplanten EKV wurde eine Antikoagulation mittels Heparinperfusor initiiert. Zur Darstellung etwaiger bereits bestehender grösserer Lungenembolien und damit zur Entscheidungsfindung, ob eine Lyse zu initiieren sei, veranlassten wir eine CT-Thorax-Untersuchung. In dieser kamen beidseitige subsegmentale Lungenembolien und eine Hepatomegalie zur Darstellung, der flottierende Thrombus im Atrium war jedoch interessanterweise nicht sichtbar.
Transösophageale Echokardiographie mit Darstellung eines grossen, runden und glattwandigen (A), länglichen (B, C) flottierenden Thrombus im rechten Vorhof (C), teilweise prolabierend in den rechten Ventrikel (C). Am ehesten ein Ausguss einer Beinvene. Weisse Pfeile markieren den Thrombus.
RA=Rechtes Atrium; RV =Rechter Ventrikel.
Therapie und Verlauf
Standardisierte Therapiealgorithmen bei rechtskardialen Thromben existieren nicht. Der Entscheid bezüglich Therapiemodalität sollte daher immer in Rücksprache mit dem Patienten/der Patientin und den Kolleg:innen der Herzchirurgie und Kardiologie getroffen werden.
Nach interdisziplinärer Besprechung entschieden wir uns, nach Abwägen der Vor- und Nachteile der entsprechenden Therapieoptionen (siehe Diskussion), zur medikamentösen Lyse des Thrombus und verlegten den Patienten zur Lyse mittels rekombinantem Gewebs-Plasminogen-Aktivator (rtPA, Gesamtdosis 100 mg) auf die Intensivstation.
In der TEE-Kontrolluntersuchung zwei Tage später war kein Thrombus mehr nachweisbar, worauf eine EKV erfolgte. Der Patient zeigte trotz primär erfolgreicher EKV im weiteren Verlauf der Hospitalisation rezidivierendes Vorhofflattern, das letztendlich mittels Bisoprolol und Amiodaron in einen Sinusrhythmus konvertierte.
Diskussion
Im vorliegenden Fall handelt es sich um die triviale Diagnose eines Vorhofflatterns, die Therapie desselben wird jedoch durch den vorliegenden rechtskardialen Thrombus verkompliziert. Eine Antikoagulation wäre jedoch allein schon aufgrund des Vorhofflatterns indiziert.
Linksventrikuläre Thromben sind gefürchtete Komplikationen eines anterioren Myokardinfarkts und einer schweren chronischen Herzinsuffizienz [1]. Talle et al. [2] fanden in einer retrospektiven Analyse in 8,85% aller Patient:innen mit abnormalem EKG einen linksventrikulären Thrombus. Die dilatative Kardiomyopathie zeigte sich hier ursächlich für den Löwenanteil (39,3%), gefolgt von einer ischämischen Genese (29,8%). In 15,2% der Fälle fand sich zusätzlich zum linksventrikulären Thrombus ebenfalls eine rechtsventrikuläre Beteiligung.
Bezüglich – wie in unserem Fall – rechtskardialer Thromben ist die Datenlage weniger klar. Sofern nicht in Zusammenhang mit einem Katheter, stellen rechtskardiale Thromben eine Rarität dar. Genaue epidemiologische Daten existieren keine, lediglich vereinzelte retrospektive Analysen, Fallberichte oder Fallserien. Ätiologisch postuliert werden neben Thrombophilien auch Tumoren und autoimmune Erkrankungen wie Morbus Crohn oder Morbus Behcet [3, 4]. Ein Thrombophilie-Screening sollte jedoch nicht routinemässig erfolgen und ist bei diesem Patienten nicht indiziert [5]. Ein Tumorscreening zur ätiologischen Klärung ist nur im Rahmen der altersentsprechenden Vorsorge zu empfehlen [6].
Man unterscheidet zwei Arten von rechtskardialen Thromben. Typ-B-Thromben werden innerhalb des Herzens geformt, während Typ-A-Thromben vom venösen System ausgehen und auf dem Weg zur Lunge im Herzen hängenbleiben [3, 4]. Letzteres dürfte mit ein Grund sein, weshalb rechtskardiale Thromben so selten diagnostiziert werden, da ein nicht unwesentlicher Teil erst als Lungenembolie symptomatisch wird. Aufgrund der spärlichen Datenlage existieren auch keine Therapiealgorithmen zum Umgang mit rechtskardialen Thromben.
Die Therapiemodalitäten umfassen eine Antikoagulation (z.B. mittels Heparin), eine intravenöse Lyse und eine mechanische Thrombektomie. Eine Antikoagulation würde den Thrombus im besten Fall über Wochen hinweg langsam kleiner werden lassen, würde den Patienten aber gleichzeitig dem Risiko aussetzen, dass er irgendwann spontan dislozieren könnte [7]. Eine mechanische Thrombektomie wäre eine invasive Art, den Thrombus anzugehen, könnte aber die gleichzeitig bestehenden subsegmentalen Lungenembolien nicht behandeln. Eine mechanische Variante wäre primär in Betracht zu ziehen, wenn ein solitärer Befund zu einer Rechtsherzbelastung führt [8]. Eine intravenöse Lyse schlussendlich stellt einen medikamentösen Ansatz in den Vordergrund, bei dem sowohl der kardiale Thrombus wie auch die pulmonalen Embolien schnellstmöglich aufgelöst werden, und der Patient keinem Operationsrisiko ausgesetzt werden muss. Das erhöhte Blutungsrisiko von knapp 10% muss dabei bedacht werden [9]. In einer retrospektiven Analyse mit 177 Patient:innen zeigte sich die Lyse der mechanischen Thrombektomie und normalen Blutverdünnung überlegen [10]. Diese Resultate sind allerdings aufgrund der kleinen Fallzahl mit Vorsicht zu betrachten.
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass rechtskardiale Thromben selten sind und daher keine spezifischen Guidelines existieren. Die verfügbaren Therapieoptionen umfassen Antikoagulation, intravenöse Lyse und chirurgische Thrombektomie, wobei mangels Daten keine klar zu favorisieren ist. Die Durchführung grösserer, randomisierter Studien wird sich mangels Fallzahlen schwierig gestalten.
Das Wichtigste für die Praxis
- Transösophageale Echokardiographie vor Elektrokardioversion bei unklarem Symptombeginn oder Symptombeginn vor mehr als 48 Stunden.
- Rechtskardiale Thromben sind selten. Aufgrund konsekutiv entstehender potenziell letaler Lungenembolien ist es wichtig, daran zu denken.
- Wahrscheinlich ist die intravenöse Lyse eines Thrombus der chirurgischen Thrombektomie in puncto Sicherheit überlegen.
- Antikoagulation sowohl bei Lungenembolie wie auch bei Vorhofflattern indiziert.
Die Autoren haben hat keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
René Roth
NotfallZentrum
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