Die schmerzende Schulterprothese
Ursachen und Differentialdiagnosen

Die schmerzende Schulterprothese

Übersichtsartikel
Ausgabe
2022/1314
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2022.08969
Swiss Med Forum. 2022;22(1314):232-236

Affiliations
Orthopädie, ADUS Klinik, Dielsdorf

Publiziert am 29.03.2022

Ein Überblick über die Ursachen von Schmerzen nach Schulterprothesenimplantation, die notwendige Diagnostik und mögliche Handlungsempfehlungen für die Praxis.

Einführung

Die Endoprothetik der Schulter ist allgemein hin als die definitive und erfolgreiche chirurgische Behandlung der Schulterarthrose akzeptiert. Im letzten Jahrzehnt hat sich die Anzahl der Schulterprothesenversorgungen verdoppelt, für die inverse Prothese sogar verdreifacht, und die epidemiologischen Daten zeigen einen weiterhin steigenden Trend.
Dabei dürfen die deutlichen Unterschiede in Prothesendesign und Indikationen nicht ausser Acht gelassen werden. Schulterprothesen gibt es als Teilersatz und Totalprothese, in anatomischem Design bei funktionierender Rotatorenmanschette und in inversem Design bei Rotatorenmanschetteninsuffizienz. Indikationen reichen von Arthrose über irreparable Sehnenschäden und avaskuläre Nekrosen bis hin zu Frakturbehandlung und umfassen damit eine recht unterschiedliche Population was Alter, Aktivität und Anspruch betrifft [1].
Eine Studie hat der Schulterprothetik eine gute Effektivität mit signifikanter Verbesserung von Schmerz und Lebensqualität bestätigt, wobei es eine Reihe von bekannten Risikofaktoren für das Behandlungsresultat gibt. Totalprothesen zeigen en gros bessere Ergebnisse als ein Teilersatz [2]. Junge Patientinnen und Patienten, mit impliziert hohen Leistungsanspruch, zeigen im Mittel schlechtere Ergebnisse als ältere. Dementsprechend muss bei der Indikationsstellung und der Prothesenwahl Sorge getragen werden, diese Aspekte zu berücksichtigen [3].
Trotzdem sind nicht alle Patientinnen und Patienten nach dem Eingriff komplett zufrieden. Eine Reihe von perioperativen Komplikationen inklusive deren Risikofaktoren wurden definiert (Tab. 1) sowie Behandlungspfade etabliert und validiert. Hier besteht eine grosse Deckungsgleichheit mit Komplikation nach anderen Prothesen. Für den Praxisalltag ist es wichtig und hilfreich, diese Komplikationen schnell und sicher zu erkennen, um in die richtige Differentialdiagnostik und Behandlung weiterleiten zu können.
Tabelle 1: Die Top Ten der Schulterprothesenkomplikationen [4]. Der Prozentanteil an den Gesamtkomplikationen ist in Klammern angegeben.
Inverse SchulterprotheseAnatomische Schulterprothese
1 Instabilität (31,3%)1 Komponentenlockerung (gesamt 39,1%; davon Glenoid 37,7%, humeral 1,4%)
2 Periprothetische Fraktur (20,8%)2 Polyethylenabrieb Glenoid (22,6%)
3 Infektion (17,8%)3 Instabilität (10,1%)
4 Komponentenlockerung (gesamt 11,3%; davon Glenoid 7,2%, humeral 4,1%) 4 Verletzung intakter Rotatoren­­-
man­schettenanteile (9,0%)
5 Nervenverletzungen (7,5%)5 Periprothetische Fraktur (6,7%)
6 Insuffizienzfraktur Akromion (6%)6 Nervenverletzung (6,1%)
7 Postoperatives Hämatom (3,2%)7 Infektion (4,9%)
8 Verletzung Musculus deltoideus (0,9%)8 Postoperatives Hämatom (0,9%)
9 Verletzung noch intakter Rotatoren­manschettenanteile (0,6%) 9 Verletzung Musculus deltoideus (0,3%)
10 Tiefe Venenthrombose (0,6%)10 Tiefe Venenthrombose (0,3%)

Häufige Komplikationen

Gelenkinstabilität

Eine Gelenkinstabilität nach Prothesenimplantation stellt mit 31,3% die häufigste Komplikation nach inverser und die dritthäufigste nach anatomischer Schulterprothese dar [4]. Es handelt sich um ein dynamisches, also bewegungsabhängiges Problem und resultiert in Subluxationen oder Luxationen. Eine mögliche «at risk position» ist die Kombination aus Adduktion, Extension und Innenrotation – aber auch andere Bewegungen sind möglich. Ursächlich hierfür können eine veränderte Muskelspannung oder Muskeldysfunktion, Akromionfrakturen, Verletzungen des Nervus (N.) axillaris, ein mechanisches Impingement (also eine Blockade im Bereich des Schulterdaches) oder die falsche Prothesengrösse sein.
Anamnestisch sollten neben möglichen Auslösern auch die Frequenz und vorgängige Subluxationen, die häufig als «Schnappen» oder «Klicken» beschrieben werden, erfasst werden. Häufig können die Patientinnen und Patienten mögliche auslösende Bewegungen benennen und meiden diese im Alltag instinktiv.
Bei Verdacht auf eine vorliegende Instabilität sollten die Beweglichkeit im Seitenvergleich und das Auftreten von möglichen Subluxationen respektive Luxationen durch Provokationsbewegungen und unter dynamischer radiologischer Fluoroskopie dokumentiert werden. Die Therapie richtet sich nach der Ursache und sieht häufig eine Revisionsoperation vor.
Kommt es im Extremfall zu einer Luxation, die sich oft durch eine federnd fixierte Schonhaltung mit optisch veränderter Schulterkontur erahnen lässt, ist Eile geboten. Die schnelle Diagnostik und Reposition sind elementar, um die neurovaskulären Strukturen zu schonen.

Periprothetische Fraktur

Die periprothetische Fraktur betrifft vor allem das Akromion oder den Humerus und muss nicht zwingend traumatisch bedingt sein [5].
Bei Akromionfrakturen nach Implantation inverser Schulterprothesen handelt es sich in der Regel um ­Insuffizienzfrakturen, die oft durch die übermässige implantationsbedingte Vorspannung des Musculus (M.) deltoideus entstehen [4, 6]. Klinisch zeigen die Patientinnen und Patienten in der Regel eine sekundäre Verschlechterung der Funktion mit plötzlich auftretenden Schmerzen kranial und/oder dorsal der Schulter ohne Trauma. Eine wichtige Komorbidität stellt die Osteo­porose dar. Es finden sich Druckdolenzen über dem Ansatz des M. deltoideus entlang der Spina scapulae und dem Akromion. Wichtig zu wissen ist, dass diese Insuffizienzfrakturen im konventionellen Röntgenbild übersehen werden können und entsprechend eine Computertomographie (CT) veranlasst werden sollte [7].
Bei der periprothetischen Humerusfraktur muss zwischen der intra- und der postoperativen Fraktur unterschieden werden. Intraoperative Frakturen treten in der Regel bei Revisioneingriffen oder bei geschwächter Knochensubstanz (z.B. durch Osteolysen oder bei Osteoporose) auf und lassen sich oft durch eine sorgfältige operative Technik vermeiden [8]. Postoperativen periprothetischen Frakturen geht in der Regel ein adäquates Trauma voraus. Ein weiterer Risikofraktor sind zum Beispiel Kontrakturen angrenzender Gelenke, die zu enormen Hebelkräften führen können, oder eine Knochenrarefizierung im Rahmen einer aseptischen Lockerung. Die Betroffenen klagen in der Regel über belastungs- und bewegungsabhängige Schmerzen, die je nach Ausmass auch immobilisierend sein können. Je nach Lokalisation und Dislokation zeigen sich entsprechende Hämatome und Achsabweichungen. Die radiologische Diagnostik sollte eine Beurteilung betreffend Sitz und Festigkeit der betroffenen Prothesenkomponenten erlauben, sodass hiernach entschieden werden kann, ob eine konservative Therapie erfolgen kann oder ein operatives Vorgehen (Osteosynthese, Prothesenrevision) notwendig ist.

Protheseninfekt

Protheseninfekte sind eine häufige Ursache für Revi­sionsoperationen innerhalb der ersten zwei Jahre nach Prothesenimplantation. Mit 17,4% kommen sie fast viermal häufiger bei inversen Prothesen vor. Risikofaktoren stellen postoperative Hämatome, junges ­Alter, männliches Geschlecht, Steroidinfiltrationen, Nikotinabusus, Revisionsoperationen und Traumata dar[4].
Das klassische Bild mit den typischen fünf Kardinalsymptomen (Rubor, Calor, Dolor, Tumor, Functio laesa) des Infektes gilt nicht immer: Gerade in der Endoprothetik der Schulter handelt es sich zumeist um Infek­tionen mit Cutibacterium acnes, einem wenig virulenten Keim, der sich als Low-Grade-Infekt kaum bemerkbar macht und eine verlängerte Kultivierungszeit in der Mikrobiologie benötigt [9]. Die Patientinnen und Patienten klagen über Schmerzen und Steifigkeit in der Schulter. Die typischen laborchemischen Infektparameter können durchaus unauffällig sein. Hier ist es wichtig zu wissen, dass die Leukozyten beim Protheseninfekt eine schlechte Sensitivität und Spezifität haben, jedoch das C-reaktive Protein (CRP), das sich drei Wochen nach Prothesenimplantation normalisiert haben sollte, bei Werten über 13,5 mg/l (Normwert <5 mg/l) als positiver prädiktiver Wert gilt. Die Ausnahme stellt jedoch der Schulterprothesenspätinfekt dar, wobei das CRP bedingt durch das Keimspektrum deutlich weniger sensitiv ist [10–12]. Bei begründetem Verdacht sollte der Ausschluss mittels Gelenkpunktion durch eine Fachperson erfolgen, da sich häufig keine oder erst sehr spät Auffälligkeiten in der Bildgebung zeigen. Die Punktion sollte nach validiertem Vorgehen im Sterilraum durchgeführt werden, um Kontaminationen der Probe und der Prothese zu vermeiden. Auch schliesst ein negatives Punktionsergebnis eine Infektion nicht automatisch aus, sodass bei weiterbestehendem Infektionsverdacht eine (arthro­skopische) Biopsie erfolgen sollte. Sofern kein septisches Krankheitsbild vorliegt, sollte die entsprechende weitere Behandlung in Zusammenarbeit mit der Infektiologie stattfinden.

Aseptische Lockerung

Es handelt sich mit 39,1% um die häufigste Komplikation nach anatomischer Schulterprothesenimplantation und betrifft bei der anatomischen Prothese fast immer die Glenoidkomponente, wobei hier die zementfreie Fixation mit einer geringeren Haltbarkeit einhergeht. Radiologisch zeigen sich oft röntgenhelle Linien (sogenannte «radiolucent lines») als ein möglicher Hinweis für eine inadäquate Fixation und somit frühzeitige Lockerung [13]. Schaftlockerungen am Humerus kommen aber genauso vor (Abb. 1) – diese vor allem bei der inversen Prothese. Ursächlich kann eine fehlende Primärstabilität oder eine durch Histiozyten re­spektive Makrophagen vermittelte Osteolyse bedingt durch Abriebpartikel sein.
Abbildung 1: Röntgenaufnahme der rechten Schulter: Inverse Schulterprothese mit Anzeichen der Lockerung (Pfeil) und möglicher Schraubenperforation (Kreis). Wir danken Dr. G. Fried von der Adus Radiologie Dielsdorf für das Bildmaterial.
Die Abriebpartikel können zum Beispiel aus Polyethylen, Metall oder Zement bestehen. Die Patientinnen und Patienten klagen in der Regel über belastungsabhängige, im Verlauf zunehmende Schmerzen. Radiologisch findet sich bei der aseptischen Lockerung ein osteolytischer Lockerungssaum um die Prothesenkomponenten. Aber auch Osteolysen im Bereich der Tuberkula können einen indirekten Hinweis auf das Vorliegen von Abriebpartikel sein [14]. Die Skelettszintigraphie oder das SPECT-CT («single photon emission computed tomography/computed tomography») kann bei möglichem Infekt- oder Lockerungsverdacht durchgeführt werden, stellt aber, vor allem in den ersten zwei Jahren postoperativ, nicht die Methode der ersten Wahl dar.
Die Therapie richtet sich nach Anspruch und Beschwerdeaussmass, in der Regel ist aber ein Prothesenwechsel erforderlich.

Verletzungen der Rotatorenmanschette

Anatomische Schulterprothesen sind auf eine intakte Rotatorenmanschette angewiesen, um die Beweglichkeit der Schulter zu gewährleisten. Dementsprechend ist das Ergebnis der anatomischen Schulterprothetik auch von Funktion und Voroperationen an diesen Sehnen beeinflusst. Kommt es nach Implantation zu einem Versagen, ist meist eine Revision erforderlich. Deshalb ist es bei älteren Patientinnen und Patienten mit intakter Rotatorenmanschette, aber zeitnah zu erwartendem Sehnenversagen sinnvoll, schon primär über eine inverse Prothese zu diskutieren.
Die inverse Prothese kann auf die Sehnen der Rotatorenmanschette für die Abduktion verzichten, da sie das Drehmoment des M. deltoideus dafür rekrutiert. Trotzdem braucht es die hinteren Rotatorenmanschettenanteile für die Aussenrotation [15]. Wenn diese versagen, ist ein Sehnentransfer eine technische Möglichkeit, die geschwächte Aussenrotation zu unterstützen.
Der M. subscapularis wird bei den meisten Techniken zur Implantation anatomischer und inverser Prothesen am Ansatz abgelöst und anschliessend refixiert. Insuffiziente Refixationen oder mangelnde Sehnenheilung zeigen sich durch plötzliche oder nicht bessernde Schulterschmerzen, eine schmerzhafte und schwache Innenrotation, vermehrte passive Aussenrotationsfähigkeit im Seitenvergleich und eine mögliche vordere Instabilität. Die Folge ist eine Dezentrierung des Humeruskopfes, die sich radiologisch abbilden lässt. Die Therapie besteht in einer frühzeitigen operativen Refixation oder einem Sehnentransfer.

Seltene Komplikationen

Nervenschädigung

Iatrogene Nervenschädigungen sind seltene Komplikationen [4]. Sie betreffen am häufigsten den Plexus brachialis und N. axillaris und können durch direkte Traumata intraoperativ (z.B. durch Retraktoren oder Schmerzkatheter) oder indirekt etwa durch entstehende Zugkräfte oder komprimierende Hämatome entstehen.
Der N. axillaris kreuzt beim vorderen, deltopektoralen Zugang am Unterrand des Wundgebiets und ist in unmittelbarer Nähe zur Tenotomie des M. subscapularis. Der N. radialis ist bei Cerclagen des Humerusschaftes oder Perforation des Humerus in Gefahr.
Eine Besonderheit der inversen Prothese stellt eine Verletzung des N. suprascapularis dar. Durch die Schrauben zur Fixation im Bereich des Glenoides kann es bei zu kranialer Lage zu einer Verletzung des Nerves in der Incisura scapulae kommen. Der rein motorische Nerv sorgt massgeblich für die Aussenrotation und Abduktion der Schulter über den M. supraspinatus und M. infraspinatus. Eine entsprechende Schwäche der Aussenrotation sowie sichtbare Atrophie im Bereich der Fossa supra- und infraspinata sind typisch.
Bei Verdacht auf Nervenverletzungen ist eine genaue neurologische Diagnostik essentiell und diese im Verlauf zu wiederholen, um die Regeneration zu dokumentieren. Diese sollte mittels Neurosonographie und elektrophysiologischer Untersuchung durch eine Fachärztin / einen Facharzt erfolgen.

Allergien

Eine seltene Komplikation, die aber bedacht werden muss, sind mögliche Allergien auf Prothesenbestandteile. In der Endoprothetik spielen Nickel, Kobalt, Chrom sowie Bestandteile von Knochenzement und Antibiotika eine Rolle. Symptome können von Hautreaktionen, Wundheilungsstörungen und Ekzemen über Restschmerzen, Gelenkergüsse bis hin zur aseptischen Lockerung reichen. Für diese Patientinnen und Patienten gibt es spezielle Prothesen, zum Beispiel aus Voll­keramik, auf dem Markt.

Ausblick

Die «normale» Schulterprothese

Restbeschwerden und persistierende Schmerzen nach endoprothetischem Ersatz sind keine Seltenheit. Eine Cochrane-Analyse zeigte, dass der prothetische Schulterersatz eine signifikante Verbesserung von Schmerz und Funktion erbringt, aber nach drei Jahren werden im Schnitt Schmerzen zwischen 1,3 und 2,8 (von 10) Punkten auf der visuellen Analogskala (VAS) und eine Funktion zwischen 73 und 83 (von 100) Punkten angegeben [2]. Ebenso ist bekannt, dass Innen- und Aussenrotation durch inverse Prothesen nicht komplett wiedergestellt werden können [15, 16]. Besonders jüngere Patientinnen und Patienten im erwerbsfähigen Alter zeigen eine geringe Zufriedenheit als ältere [3], deswegen ist es bereits präoperativ wichtig, mit den Betroffenen realistische Ziele der Operation zu besprechen.
Im Vergleich zeigen anatomische Schulterprothesen eine bessere Bewegungsamplitude als inverse Prothesen [17]. Inverse Schulterprothesen erlauben durch ihr Design jedoch eine nahezu normale Flexion [15]. Die Verlagerung des Drehzentrums weg vom Zentrum des Humeruskopfes nach medial führt über die Distalisierung des Humerus zwar zu einem verbesserten Hebelarm für den M. deltoideus, bedeutet aber gleichzeitig auch ein leichteres Anstehen bei Abduktions- und Rotationsbewegungen mit einer hier reduzierten Beweglichkeit. Wichtige Faktoren, die den Outcome beeinflussen, sind neben der individuellen Anatomie das Prothesendesign und die intraoperative Positionierung [15, 16, 18].

Die «unglückliche» Schulterprothese

In einer Schweizer Studie konnte gezeigt werden, dass sich durch die Implantation einer inversen Schulterprothese Abduktion und Elevation bei irreparablen Rotatorenmanschettenrupturen signifikant verbessern lassen [19]. Dennoch gibt es viele Faktoren, die zu einem unbefriedigenden Resultat für Patient und/oder Operateur führen können. Hier ist es wichtig, den komplizierten Verlauf von einem möglichen «unhappy joint replacement» zu unterscheiden. Letzteres ist ein Konzept, das vor allem in der Knieprothetik gut untersucht ist und die klinisch-radiologische (objektiv) mangellose Prothese mit mangelhafter (subjektiv) Funktion und Schmerzhaftigkeit beschreibt [20]. Primär sollten bei Beschwerden nach Prothesenimplantation die oben genannten Komplikationen gemäss der Häufigkeit ausgeschlossen werden (Tab. 2). Eine nicht vollständig hergestellte Beweglichkeit und mögliche persistierende Schmerzen sollten explizit bereits präoperativ mit den Patientinnen und Patienten besprochen werden.
Tabelle 2: Diagnostisches Vorgehen in der Praxis.
AnamnesePlötzliche Verschlechterung
Neue Schmerzen und Schwäche
Schmerzcharakter, Auftreten, Lokalisation
Nachtschmerzen
Instabilitätsgefühl oder «Klicken» bzw. «Schnappen»
Luxationsereignisse
Traumaanamnese
Auslösende Bewegungen
Begleitsymptome wie Fieber oder neurologische Defizite
Klinische UntersuchungWichtig: Berücksichtung des Abstandes zwischen Untersuchungszeitpunkt und Operation
Narben, Wundheilungsstörungen
Traumafolgen
Muskelatrophien
Bewegungsumfänge im Seitenvergleich aktiv und passiv1
Prüfung der Kraft
Sensorische Defizite
Instabilitätsanzeichen
Apparative DiagnostikKonventionelles Röntgenbild in mindestens zwei Ebenen
Gelenkpunktion und Infektlabor bei Infektverdacht durch Spezialisten/Spezialistin
Weiterführende Diagnostik:
 CT ggf. mit Arthrographie zur Darstellung der Rotatorenmanschette
 MRT zur Beurteilung von Rotatorenmanschette und Leitungsbahnen2
 Neurologische Beurteilung und ggf. Neurosonographie
 SPECT/CT bei Verdacht auf aseptische Lockerung oder Infekt3
1 Neben einer verminderten aktiven Beweglichkeit mit Schmerzen kann auch eine im Seitenvergleich vermehrte passive Beweglichkeit ein Hinweis auf eine mögliche Sehnenruptur darstellen.
2 Zur Reduktion von Metallartefakten gibt es spezielle Protokolle.
3 Innerhalb der ersten zwei postoperativen Jahren ist die Beurteilung durch physiologisch erhöhte Stoffwechselvorgänge erschwert und nur begrenzt möglich.
CT: Computertomographie; MRT: Magnetresonanztomographie; SPECT-CT: «single photon emission computed tomography/computed tomography».

Chirurgische Alternativen zur Prothese?

Die Ergebnisse der Schulterprothetik, speziell im jungen Alter, haben zur Entwicklung alternativer Methoden geführt. Spezielle arthroskopische Techniken zur Behandlung der Schulterarthrose wurden entwickelt und zeigen in ersten Studien gute Ergebnisse für unter 47-Jährige. Bei der sogenannten «comprehensive arthroscopic management»-(CAM-)Prozedur wird das klassische arthroskopische Debridement je nach Bedarf um weitere Eingriffe wie Synovialektomie, Knorpelersatzverfahren, Dekompression, Neurolyse, Kapselrelease oder Osteophytenabtragung ergänzt [21]. Hierdurch kann die Implantation einer Totalendoprothese im Idealfall hinausgezögert werden [1].
Neben operativen Verfahren stehen konservative Massnahmen zur Verfügung. Einen wichtigen Faktor stellt die Schmerzreduktion dar. Hier haben sich orale nicht­steroidale Antirheumatika wie Diclofenac und Ketoprofen, aber auch intraartikuläre Injektionstherapien mit Glukokortikoiden, «platelet-rich plasma» (PRP) und Hyaluronsäure bewährt. Hyaluronsäure besitzt eine chondroprotektive und analgetische Wirkung und ist betreffend der Schmerzreduktion reinen Glukokorti­koidinfiltrationen in der Dauer der Wirkung überlegen [22]. In einem kürzlich erschienenen systematischen Review konnte die Schmerzreduktion jedoch auch in der Kontrollgruppe gezeigt werden, sodass die Autorschaft zum Teil von einem Plazeboeffekt ausgeht [23]. Die Studienlage zur PRP-Anwendung bei der Omarthrose ist dürftig, zeigt aber einen vielversprechenden analgetischen Effekt [24]. Zur Verbesserung der Beweglichkeit und zum Erhalt der Muskulatur sollten analgetische Massnahmen mit Physiotherapie kombiniert werden.

Das Wichtigste für die Praxis

• Restbeschwerden nach Prothesenimplantation sind möglich, auch wenn keine dezidierte Komplikation vorliegt.
• Eine plötzliche Verschlechterung und anhaltende Beschwerden sollten Anlass zur genauen Abklärung geben.
• Die häufigsten Komplikationen stellen Gelenkinstabilität, Prothesen­lockerung, periprothetische Frakturen und Infekte dar.
• Bei Schulterprotheseninfekten handelt es sich in der Regel um Low-Grade-Infekte, die häufig bis auf Schmerzen keine weiteren Symptome verursachen. Ursächlich handelt es sich oft um niedrigvirulente Keime, die eine Bebrütung bis zu 21 Tage erfordern.
• Für junge Patientinnen und Patienten sollten alternative Behandlungsoptionen diskutiert werden.
Die Autoren haben deklariert, keine finanziellen oder persönlichen ­Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag zu haben.
PD Dr. med. Patrick Vavken
Orthopädie
ADUS Klinik
Breitestrasse 11
CH-8157 Dielsdorf
vavken[at]alphaclinic.ch
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