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Obwohl die Appendizitis den häufigsten nicht geburtshilflichen Grund für Operationen in der Schwangerschaft darstellt, bleibt das optimale Management unklar. Die erschwerte und daher häufig verzögerte Diagnosestellung kann zu lebensbedrohlichen maternalen und fetalen Komplikationen führen. Im Folgenden berichten wir anhand von Fallbeispielen über das Vorgehen am Geburtszentrum Luzern.
Einführung
Die Prävalenz der akuten Appendizitis liegt bei 1/800 bis 1/1500 Schwangerschaften [1, 2]. Sie ist mit 44% die häufigste nicht geburtshilfliche Operation in der Schwangerschaft [3]. Die Inzidenz ist im zweiten Trimenon am höchsten. Die Diagnosestellung und Therapie stellen aufgrund der verschleierten Symptomatik und potenziellen geburtshilflichen Komplikationen eine Herausforderung dar.
Fallbeispiele
Fallbeispiel 1
Eine 29-jährige Gravida (G) 2 Para (P) 1 mit dichorialer-diamnioter Geminigravidität wurde uns in der Schwangerschaftswoche (SSW) 26+5 mit vorzeitigen Kontraktionen und starken rechtsseitigen Flanken- und Rückenschmerzen unterhalb des rechten Rippenbogens zugewiesen.
Bei Eintritt präsentierte sich eine afebrile Patientin in gutem Allgemeinzustand. Neben den vorzeitigen Kontraktionen und Schmerzen zeigten sich keine anderen Symptome. Die Sonographie ergab eine verkürzte Zervix auf 7 mm, ansonsten unauffällige maternale Nieren, Leber und Gallenblase und eine unauffällige etale Überwachung. Laborchemisch fanden sich bis auf erhöhte Entzündungsparameter (Leukozyten 13,9 G/l, C-reaktives Protein [CRP] 57 mg/l) keine anderen Auffälligkeiten. Es gab keinen Hinweis auf einen vorzeitigen Blasensprung oder einen anderen Infektfokus.
Es erfolgte die stationäre Aufnahme zur Tokolyse, Lungenreifungsinduktion und Analgesie.
Im Verlauf sistierten die Kontraktionen, die Schmerzen dagegen wurden stärker. Anfang der 28. SSW (27+1) stellte sich sonographisch im Bereich der Schmerzgegend eine verdickte retrozökale Appendix mit anliegender inhomogener Struktur dar. Damit konnte die Diagnose einer gedeckt perforierten Appendizitis gestellt werden (Abb. 1).
Die Patientin war weiterhin afebril und die fetale Überwachung unauffällig. Laborchemisch zeigte sich ein leicht ansteigendes CRP (83 mg/l). Wir starteten eine antibiotische Therapie mit Amoxicillin 2 g und Clavulansäure 200 mg für insgesamt 14 Tage (4 Tage 3× 2,2 g/Tag i.v., 10 Tage 2× 1 g/Tag p.o.). Darunter zeigte sich eine schnelle Schmerzlinderung und laborchemisch normalisierten sich die Infektparameter.
Zum Zeitpunkt von 28+4 SSW konnte die Patientin mit einer Tokolyse mit Nifedipin und oraler Antibiose entlassen werden.
Ende der 33. SSW (32+6) stellte sich die Patientin mit vorzeitigem Blasensprung und Kontraktionen vor und wurde mittels sekundärer Sectio komplikationslos entbunden.
Auf die ursprünglich nach der Stillperiode geplante Appendektomie wurde aufgrund des komplett regredienten Befundes und der fehlenden Symptomatik bisher verzichtet.
Fallbeispiel 2
Eine 30-jährige G2 P1 wurde mit starken mittigen und rechten Unterbauchschmerzen mit abgeschlossener 27. SSW (27+0) auf den Notfall zugewiesen. Sie präsentierte sich mit seit zehn Tagen bestehenden abdominalen Schmerzen, die sich zunächst im Oberbauch manifestierten und vor vier Tagen in den rechten Unterbauch gewandert waren. Die Beschwerden waren assoziiert mit Emesis, dünnem Stuhlgang und Krankheitsgefühl.
Es zeigte sich eine afebrile Patientin mit Druckdolenz im rechten Unterbauch und laborchemisch diskret erhöhten Entzündungsparametern (Leukozyten 11,8 G/l, CRP 49 mg/l). Sonographisch wurde die Verdachtsdiagnose einer akuten Appendizitis gestellt (Abb. 2).
Differenzialdiagnostisch wurde an eine Ovarialtorsion gedacht. Es erfolgte die stationäre Aufnahme zur Analgesie und der interdisziplinäre Entscheid zum chirurgischen Vorgehen.
Intraoperativ fand sich eine gedeckt perforierte Appendix. Die Zökalpolresektion wurde unter Hexoprenalinsulfat-Tokolyse (Gynipral®) durchgeführt und humanes Anti-D-Immunglobulin (Rhophylac®) bei Rhesusnegativität verabreicht. Postoperativ wurde eine antibiotische Therapie mit Ceftriaxon 2 g/24 Stunden und Metronidazol 500 mg/8 Stunden eingeleitet. Im Verlauf waren die Infektparameter regredient und die antibiotische Therapie konnte am 6. postoperativen Tag gestoppt werden. Am 2. postoperativen Tag entwickelte die Patientin einen symptomatischen paralytischen Ileus, der mit Metoclopramid, Magnesium, Darmrohr und parenteraler Ernährung mit schrittweisem Kostaufbau behandelt wurde. Am 5. postoperativen Tag trat eine Diarrhoe auf. In der Stuhlkultur wurde Clostridioides difficile nachgewiesen, sodass eine Antibiose mit Vancomycin 125 mg/6 Stunden für zehn Tage gestartet wurde. Am 7. postoperativen Tag manifestierte sich eine Nahtdehiszenz. Es erfolgte die Lungenreifungsinduktion und anschliessende Therapie mittels VAC-Verband («vacuum assisted closure therapy»). Wir konnten die Patientin mit 28+6 SSW in gutem Allgemeinzustand und bei stets unauffälliger fetaler Überwachung entlassen.
Mitte der 39. SSW (38+3) wurde die primäre Re-Sectio bei Beckenendlage komplikationslos durchgeführt.
Wie an den vorgängig vorgestellten Fallbeispielen mit im ersten Fall konservativem und im zweiten Beispiel chirurgischem Management ersichtlich, sind die Diagnostik und Therapie einer Appendizitis in der Schwangerschaft herausfordernd und müssen individuell und situativ festgelegt werden.
In der Literatur finden sich die im Folgenden dargestellten Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der akuten Appendizitis in der Schwangerschaft
Diagnostik
Klinik
In der Schwangerschaft treten selten die klassischen Symptome der Appendizitis auf [1]. Das häufigste Symptom, unabhängig vom Trimenon, sind Schmerzen im rechten unteren Quadranten (95%).
Die akute Appendizitis kann mit unspezifischen Symptomen wie Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit, Erbrechen (75%), Dysurie (8%) sowie Appetitlosigkeit (65%) assoziiert sein und von diffusen und periumbilikalen Oberbauschmerzen (20%) begleitet werden.
Die anatomische Position der Appendix wird bei fortgeschrittenem Gestationsalter aufgrund des vergrösserten Uterus um einige Zentimeter in den Mittelbauch respektive zur oberen rechten Seite des Abdomens verschoben [4, 5]. Das typische Rovsing- und Psoas-Zeichen sind bei Schwangeren ungeeignet [5].
Labor
Bei nicht schwangeren Patientinnen zeigt sich typischerweise eine Leukozytose mit Linksverschiebung. In der Schwangerschaft steigt die Gesamt-Leukozytenzahl physiologisch vor allem durch eine Zunahme der neutrophilen Granulozyten kontinuierlich an. Im 2. und 3. Trimenon werden Maximalwerte von 10 000–16 000/µl erreicht. Während der Geburt können Werte von bis zu 30 0000/µl auftreten, ohne dass dies als Anzeichen einer Pathologie zu werten ist. Innerhalb einer Woche postpartal entsprechen bei physiologischem Verlauf die Werte wieder dem normalen Referenzbereich wie vor der Schwangerschaft (4000 bis 10 000/µl) [6, 7]. Bei Verdacht auf einen Infekt oder entzündlichen Prozess kann bei Schwangeren im Blutbild nur bedingt auf die üblichen Zeichen (Leukozytose, Neutrophilie, Linksverschiebung der Granulopoese, toxische Zeichen der Neutrophilen) zurückgegriffen werden [8].
Ein erhöhtes CRP tritt bei Appendizitis auf, ist jedoch ein unspezifisches Zeichen einer Entzündung. Der CRP-Wert wird durch die Schwangerschaft nicht beeinflusst [7].
Radiologische Bildgebung
Bei klinischem Verdacht auf Appendizitis ist die Indikation für eine radiologische Beurteilung gegeben.
Die Methode der Wahl ist der Ultraschall, der leicht verfügbar und ohne Strahlenbelastung ist. Zur Diagnose sind ein erhöhter Durchmesser (>6 mm) der Appendix im Querschnitt und die fehlende Komprimierbarkeit derselben erforderlich [5]. Da bei der Sonographie mit einer hohen Rate an falsch negativen Resultaten gerechnet werden muss, sind bei nicht darstellbarer Appendix weitere Abklärungen erforderlich [8, 9].
Die Computertomographie (CT) ist eine besser geeignete diagnostische Methode. Bei Nichtschwangeren beträgt die Spezifität 90–98%. Die CT-Untersuchung des Abdomens impliziert ionische Strahlen, die den Feten potenziell schädigen können. Ein jodhaltiges Kontrastmittel erhöht die diagnostische Genauigkeit, kann aber bei den Schwangeren zu allergenen Reaktionen und kontrastmittelinduzierten Nephropathien führen [8, 10, 11].
Bei nicht konklusivem Ultraschall und klinisch weiterhin dringendem Verdacht auf eine Appendizitis kann eine Magnetresonanztomographie (MRT) hilfreich sein.
Eine von Kave et al. 2019 durchgeführte, systematische Review und Metaanalyse zeigten eine hohe Sensitivität und Spezifität der MRT (91,8 bzw. 97,9%). Sie erwies sich als sichere diagnostische Methode ohne Nachteile bezüglich der Auswirkungen auf den Fetus [10–12].
Bezüglich des Einsatzes einer MRT gilt je nach Gestationsalter Folgendes:
– 1. Trimenon: Im 1. Trimenon teilen sich die fetalen Zellen schnell und die Organogenese findet statt. Es wären daher eine Schädigung von bestimmten Organsystemen oder auch eine Fehlgeburt als Risiko denkbar. Allerdings sind in der Literatur keine spezifischen fetalen Folgen nach MRT-Anwendung dokumentiert.
– 2. und 3. Trimenon: Im 2. und 3. Trimenon haben sich die wichtigsten Organsysteme bereits ausgebildet. Ein Restrisiko besteht vor allem für das fetale Gehör. Jedoch konnte auch in verschiedene Studien keine signifikante Erhöhung des Risikos eines Seh- oder Hörverlustes gezeigt werden, ebenso kein erhöhtes Risiko für eine Totgeburt, einen neonatalen Tod, eine kongenitale Anomalie oder eine Neoplasie.
Angesichts des günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses ist die MRT eine geeignete Wahl bei der Beurteilung vieler Erkrankungen in der Schwangerschaft [13–15].
Vor Durchführung einer MRT mit Gadolinium in der Schwangerschaft sollte ein ausführliches Aufklärungsgespräch mit der Patientin durch die verantwortliche Person der Geburtshilfe und der Radiologie erfolgen, um über das mögliche erhöhte Risiko für eine Reihe von rheumatologischen, entzündlichen oder infiltrativen Hauterkrankungen bis hin zum intrauterinen Fruchttod (IUFT) zu informieren [10–12, 16].
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die MRT ein nützliches Instrument in der Beurteilung zahlreicher geburtshilflicher und nicht geburtshilflicher Erkrankungen in der Schwangerschaft darstellt. Sie ist nicht nur strahlungsfrei, sondern bietet auch mehrere signifikante diagnostische Vorteile gegenüber der CT und dem Ultraschall.
Trotz zahlreicher postulierter Risiken sind in der Literatur keine spezifischen fetalen Folgen nach Anwendung ohne Kontrastmittel im 2. und 3. Trimenon beschrieben.
Differenzialdiagnosen
Eine Vielzahl anderer Ursachen für akut auftretende Bauchschmerzen ist in der Schwangerschaft zu bedenken. Diese schliessen geburtshilfliche wie auch internistische, chirurgische und urologische Ursachen mit ein (Tab. 1).
Tabelle 1: Differenzialdiagnose bei akuten abdominellen Schmerzen in der Schwangerschaft. |
Extrauteringravidität |
Septischer Abort |
Ovarialtorsion |
Adnexitis/Tuboovarialabszess |
Myomnekrose |
Endometrioseherde (besonders rektal und umbilikal) |
Vorzeitige Wehentätigkeit |
Drohende Uterusruptur |
Vorzeitige Plazentalösung |
Schmerzen des Ligamentum rotundum |
Präeklampsie und HELLP-Syndrom |
Postpartale Ovarialvenenthrombophlebitis, Beckenvenenthrombose |
Gefässaneurysma |
Pyelonephritis, Urolithiasis |
Cholezystitis, Cholelithiasis |
Infektiöse Enterokolitis, Pankreatitis |
Inkarzerierte Hernie |
Ileus |
Perforientes Magenulkus |
HELLP: Haemolysis, Elevated Liver Enzyme Levels, Low Platelet Count. |
Die Anamnese mit abdominalen Voroperationen, die Symptomatik, die Schmerzqualität und mögliche Begleitsymptome geben zusätzliche Hinweise auf die Ursache.
In der Frühschwangerschaft ist zwingend eine Extrauteringravidität auszuschliessen. Dafür sind auch nach Feststellen einer intrauterinen Schwangerschaft zwingend die Adnexe zum Ausschluss einer seltenen heterotopen Schwangerschaft zu beurteilen. Zusätzlich können hier andere pathologische Ursachen wie eine Ovarialzystenruptur mit freier Flüssigkeit im Douglasraum oder Hinweise auf eine Ovarialtorsion mit verminderter Durchblutung des Ovars im Farbdoppler detektiert werden. Ausserdem sollte auf andere Befunde im Bereich des Uterus wie beispielsweise Myome geachtet werden.
Im 2. und 3. Trimenon sollte an Wehentätigkeit, vorzeitige Plazentalösung, Myomnekrosen, Uterusruptur, Präeklampsie und das HELLP-Syndrom gedacht werden [17].
Bei nicht geburtshilflichen Ursachen liegt dem akuten Abdomen in 50% eine perforierte Appendizitis oder Cholezystitis zugrunde [3]. Besonders sind die urogenitalen Ursachen wie die akute Pyelonephritis, die bei 1–2% aller Schwangeren vor allem im 2. und 3. Trimenon auftritt, zu berücksichtigen. Schwangere Frauen mit einer asymptomatischen Bakteriurie haben ein 20–30-fach erhöhtes Risiko, eine Pyelonephritis mit möglichen Folgen einer Urosepsis, Frühgeburtlichkeit und «small for gestational age» Kindern zu entwickeln [18]. Falls diese häufigsten Ursachen ausgeschlossen sind, müssen seltenere Diagnosen in Betracht gezogen werden.
Postpartale Appendizitis
Bei Infektionen, die in der Zeit nach der Geburt auftreten, wird davon ausgegangen, dass sie mit der Schwangerschaft oder der Geburt zusammenhängen. Wie bereits erwähnt wurde, sollte sich die Fokussuche aber nicht nur auf den urogenitalen Bereich beschränken, sondern es sollten auch andere nicht urogenitale Ursachen berücksichtigt werden.
Die Appendizitis ist eine der häufigsten nicht urogenitalen Ursachen für Morbidität im Wochenbett. Die Diagnose einer Appendizitis im Wochenbett stellt wie auch in der Schwangerschaft sowohl für Geburtshelfende als auch für Operateure ein Dilemma dar. Die klinischen Merkmale sind atypisch und die Symptome überschneiden sich oft mit anderen, häufigeren urogenitalen und nicht urogenitalen Infektionen in der unmittelbaren postpartalen Phase, wie zum Beispiel mit puerperaler Endometritis, Harnwegsinfektionen, adnexaler Torsion, tubo-ovariellem Abszess, Ovarialvenenthrombose, septischer pelviner Thrombose [19, 20].
Während der Geburt werden Entzündungsmediatoren freigesetzt, die einen vorliegenden subklinischen Prozess verschlimmern und zu einem offenen Krankheitsbild im frühen Wochenbett führen können. Eine veränderte Physiologie zusammen mit einer verzögerten Diagnose im Wochenbett ist mit einem höheren Risiko für Perforationsperitonitis, Sepsis und Mortalität verbunden [20, 21].
Therapie
Chirurgische vs. konservative Therapie
In der letzten Zeit wird zunehmend der Vorteil einer konservativen gegenüber der chirurgischen Therapie diskutiert.
2012 wurde eine randomisierte, prospektive Studie publiziert, die gezeigt hat, dass die antibiotische Therapie bei unkomplizierter Appendizitis eine wertvolle Alternative zur Appendektomie darstellen kann [22]. Auch die von Ehlers et al. 2016 durchgeführte systematische Review bestätigte die antibiotische Therapie als sichere Behandlung bei nicht schwangeren Patientinnen [23]. Diese Studien umfassten eine initiale antibiotische Therapie mit Penicillin oder Cephalosporin und Metronidazol unter stationären Bedingungen über 48 Stunden. Bei fehlender Besserung der Symptomatik sollte eine Appendektomie durchgeführt werden. Bis heute sind jedoch keine randomisierten, prospektiven Studien mit Schwangeren durchgeführt worden.
Die Metaanalyse von Ehlers et al. [23] zeigte, dass es bei 22,5% der antibiotisch behandelten Patientinnen nach einem Jahr zu einem Rezidiv kam. Die Rate der zum Zeitpunkt des chirurgischen Eingriffs identifizierten komplizierten Appendizitis mit Peritonitis lag in der Antibiotikagruppe bei 20%. Beim Vergleich der beiden Gruppen wurden keine statistisch signifikanten Unterschiede im Hinblick auf die Komplikationsrate nach dem Eingriff, die Dauer des Spitalaufenthaltes und den Krankheitsverlauf festgestellt [23–25].
Das «American College of Surgeons» führte eine Analyse von sechs wichtigen prospektiven, randomisierten Studien zur Antibiotikatherapie im Vergleich zur Appendektomie bei nicht schwangeren Erwachsenen durch und kam zu dem Schluss, dass eine Antibiotikatherapie bei etwa «3 von 4 Erwachsenen» sicher ist [23, 26–31].
Die Studie von Nakashima et al. [32] umfasste 169 Patienten, von denen 113 (67%) konservativ und 56 operativ (offen 25% und laparoskopisch 8%) behandelt wurden. Das Verhältnis von Ultraschall, CT und MRT betrug 97%, 17% respektive 5% bei konservativer Behandlung und 88%, 39% respektive 13% bei Appendektomie. Der Anteil der komplizierten Appendizitis betrug 6% bei konservativer Behandlung und 41% bei Appendektomie. Zusammenfassend kann man sagen, dass die konservative Therapie als akzeptable Option angesehen wird, insbesondere bei einer unkomplizierten Appendizitis bei Schwangeren [22, 32, 33].
Obwohl es keine prospektiv randomisiert kontrollierten Studien für konservativ behandelte Schwangere gibt, zeigte eine kleine Fallserie von schwangeren Frauen mit Appendizitis, dass die Behandlung mit einer Antibiotikatherapie allein erfolgreich war [30]. Dies könnte für Patientinnen von Bedeutung sein, die ein operatives Vorgehen primär ablehnen oder bei denen ein solches mit sehr hohen Risiken (fetal und maternal) assoziiert ist sowie, wenn eine chirurgische Versorgung nicht verfügbar ist.
Die komplizierte Appendizitis ist durch eine Perforation oder einen perityphlitischen Abszess gekennzeichnet. Hier ist die Indikation zur Appendektomie gegeben. Es wurde eine Metanalyse [34] von 19 retrospektiven und einer prospektiven Studie durchgeführt, in die insgesamt 6210 Schwangere eingeschlossen wurden. Die laparoskopische Appendektomie war mit einer signifikant niedrigeren Gesamtkomplikationsrate und kürzeren Spitalaufenthalten verbunden, jedoch mit erhöhten IUFT-Raten. Bei der Gruppe mit offener Appendektomie zeigte sich eine Verlängerung des Gestationsalters (termingerechte Entbindung) [34].
Neue Studien bei Kindern und Erwachsenen zeigen jedoch auch, dass eine perforierte Appendizitis mit einer Antibiotikatherapie oder einer Kombination aus Antibiotikatherapie und perkutaner Drainage sicher behandelt werden kann [31].
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass neben dem operativen Vorgehen auch das konservative Management mit antibiotischer Therapie eine Option in der Behandlung der unkomplizierten Appendizitis in der Schwangerschaft darstellt. Dabei sind die engmaschige klinische (rückläufige Schmerzsymptomatik) und laborchemische Überwachung (CRP und Leukozyten nicht weiter ansteigend) von entscheidender Bedeutung für eine allfällige Konversion in eine operative Therapie. Angesichts der besonderen Risiken und Herausforderungen, mit denen Schwangere konfrontiert sind, bleibt die Optimierung der Behandlung ein wichtiges Thema für zukünftige Studien in dieser Bevölkerungsgruppe.
Perioperatives Monitoring
Je nach Gestationsalter (in der Regel >24 SSW; ab fetaler Lebensfähigkeit) sollte ein perioperatives Monitoring vor und nach der operativen Therapie unabhängig von der Art der Operation (Laparoskopie vs. Laparotomie) erfolgen. Der Fetus sollte mittels Kardiotokographie (CTG) überwacht und die perioperative Gabe eines Tokolytikums zur Vermeidung einer vorzeitiger Wehentätigkeit erwogen werden. Die Wahl des Tokolytikums (z.B. Indometacin, Hexoprenalinsulfat, Atosiban) ist abhängig vom Gestationsalter, der Gefahr der Frühgeburtlichkeit sowie maternalen Kontraindikationen.
Falls eine Lungenreifungsinduktion mittels Betamethason aufgrund drohender Frühgeburtlichkeit begonnen wird, sollte beachtet werden, dass diese eine Beschleunigung der Infektion begünstigen kann und daher engmaschige klinische sowie laborchemische und fetale Verlaufskontrollen (CTG) durchgeführt werden sollten. Vor allem bei der konservativen Therapie ist dies zu berücksichtigen [1].
Laut den «Guidelines for Diagnosis, Treatment, and Use of Laparoscopy for Surgical Problems during Pregnacy» [5] ist Folgendes zu berücksichtigen:
– Nach dem 1. Trimenon sollte die Patientin in die linke laterale Dekubitusposition gebracht werden, um die Kompression der Vena cava zu minimieren;
– CO2-Insufflation von 10–15 mm Hg;
– bei schwangeren Patientinnen sollte eine intraoperative CO2-Überwachung mittels Kapnographie während der Laparoskopie erfolgen;
– postoperative Thromboseprophylaxe.
Bei Rhesus-negativen Patientinnen sollte eine Rhesus-Prophylaxe erfolgen, da durch die intraoperative uterine Manipulation Blutungen oder Mikrotraumata nicht ausgeschlossen werden können [1].
Fazit und Ausblick
Die Appendizitis stellt ein häufiges Krankheitsbild in der Schwangerschaft dar. Dennoch bleibt die optimale Therapie unklar. Es existieren keine klaren Richtlinien und die wenigen retrospektiven Kohortenstudien zeigen inkongruente Ergebnisse. Bei jeder Patientin muss ein individuelles, interdisziplinäres Therapiekonzept festgelegt werden. In ausgewählten Fällen und unter Einbezug der Schwangeren mittels Informed consent ist eine initial antibiotische konservative Therapie vertretbar. Bei fehlender Besserung der Klinik nach 48 Stunden ist die Appendektomie zielführend.
Die Optimierung des Managements der akuten Appendizitis in der Schwangerschaft erfordert zukünftig prospektive Studien.
Das Wichtigste für die Praxis
• Die Diagnosestellung der Appendizitis in der Schwangerschaft und postpartal ist erschwert, da sich das Krankheitsbild nicht mit der klassischen Symptomatik präsentiert.
• Die Therapie der Appendizitis kann konservativ oder chirurgisch erfolgen. Entscheidend ist, dass bei rechtsseitigen abdominalen Schmerzen in der Schwangerschaft differenzialdiagnostisch an eine Appendizitis gedacht wird.
• Bei nicht konklusiver Sonographie kann eine Magnetresonanztomographie bei der Diagnose hilfreich sein.
• Eine frühzeitige Therapie kann Folgekomplikationen verhindern.
• Ein individuelles und interdisziplinäres Vorgehen unter Einbezug von Geburtshilfe, Chirurgie und Radiologie ist zwingend.
Die Autoren haben deklariert, keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag zu haben.
Angela Vidal
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