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Fokus auf ... Klinische Anwendung polygener Risiko-Scores
– Polygene Risiko-Scores (PRS) basieren auf einer Mehrzahl (z.T. mehreren Hunderten) von Keimbahnvarianten, die in ein unabhängiges, zusätzliches Datenset der Patientin / des Patienten einfliessen.
– Im Gegensatz zu klinischen Risiko-Scores (Vorhersagedauer 5–10 Jahre), sind PRS das ganze Leben lang «gültig».
– Optimale Voraussagekraft entwickeln sie zusammen mit klinischer Beurteilung oder klinischen Risiko-Scores (z.B. bei Mammakarzinom, koronarer Herzkrankheit, Hypercholesterinämie).
– PRS können differentialdiagnostisch helfen (z.B. Typ-1- versus verschiedene Formen von Typ-2-Diabetes und in der Differentialdiagnose autoimmuner Arthritiden).
– PRS können das Populations-Screening verbessern, zum Beispiel:
• Osteoporose angesichts der limitierten Risikoaussage durch die Densitometrie.
• Mammakarzinom in Verbindung mit Mammographie und klinischer Risikoanalyse.
– Risiken der Anwendung von PRS:
• Falls isoliert angewendet, falsch «positive» Aussagen mit unnötiger Interventionsbereitschaft und emotionalem Stress.
• Schlechte Aussagen, wenn Individuen nicht in der Studienpopulation repräsentiert sind (die meisten PRS sind für europäisch-kaukasische Individuen erarbeitet).
– Die beiden mRNA-Impfstoffe (Moderna und Pfizer/Biontech) schützten in einer Erwachsenenpopulation von knapp 220 000 Individuen vor COVID-19-Infekten und Hospitalisationen. Der höher dosierte Moderna-Impfstoff war innert 12 Wochen bei Prädominanz der Delta-Variante aber etwas wirksamer. Pfizer/Biontech-mRNA liess 6,5 mehr Infekte auf 1000 vakzinierte Individuen zu [1].
– Die virale Dynamik (Proliferation, Elimination und Infektionsdauer) scheinen sich bei den bisherigen Varianten (inkl. Delta, exkl. Omikron) nicht zu unterscheiden. Geimpfte konnten das Virus schneller wieder eliminieren, wiesen aber die gleiche Viruslast auf. Falls auftretend, dauerte der Infekt aber weniger lange (5,5 vs. 7,5 Tage bei Ungeimpften, [2]).
– 5–17-jährige Kinder mit schwereren Asthmaformen (aufgrund einer oder mehrerer oraler Glukokortikoidtherapien in der Vergangenheit) haben ein erhöhtes Risiko eines schwereren COVID-19-Verlaufes (1,3–3,5-fach erhöht) und sollten deshalb mit Priorität voll geimpft werden. Es handelt sich dabei um 8–9% aller Kinder in dieser Altersgruppe [3].
Riesenzellarteriitis: Biopsie weiterhin der diagnostische Goldstandard?
Arterielle Ultraschalluntersuchungen durch geübte Untersuchende werden bereits relativ häufig bei Verdacht auf eine Riesenzellarteriitis veranlasst. Bei einem positiven Befund wird meist eine als Goldstandard geltende Biopsie durchgeführt.
In einer dänischen Studie wurden prospektiv 106 im Mittel 73-jährige Individuen (60% davon Frauen) mit Verdacht auf eine Riesenzellarteriitis mit einem arteriellen Ultraschall, durchgeführt von systematisch trainierten Personen, und klarer Definition der diagnostischen Kriterien untersucht. Die Temporalisbiopsie wurde danach durchgeführt (innerhalb von maximal 7 Tagen unter Glukokortikoiden); allerdings waren weder die Kolleginnen und Kollegen der Chirurgie noch diejenigen der Pathologie speziell im Hinblick auf die Studie geschult worden und es ist unklar, ob auch Biopsien beidseitig entnommen und wie viele Stufenschnitte (relevant bei einer fokalen Erkrankung) beurteilt wurden. Bei allen positiven Biopsieresultaten war der Ultraschall vorgängig positiv gewesen, bei 12 Individuen mit negativen Biopsien waren 7 aber im Ultraschall positiv gewesen. Bei diesen Individuen konnte die Diagnose «Arteriitis» im Verlauf dann etabliert werden.
Falls diese Studienresultate Bestätigung finden, könnte der vaskuläre Ultraschall die Biopsie als initiales Diagnostikum ersetzen und auch das PET-CT für speziellere klinische Situationen reservieren. Vielleicht wurde aber die Biopsie durch die weniger stringenten Diagnosemethoden unter ihrem Wert geschlagen.
Ambulant und minimalinvasiv Lymphgefässe untersuchen
Lymphödeme, zum Beispiel nach operativen Eingriffen an den Mammae, sind oft störend, die klinische Diagnose der Lymphabflusstörung nicht einfach, ebenso die Therapie. Wenn letztere zu spät beginnt, können rezidivierende Erysipele, störende Verdickungen und Hautindurationen u.a.m. folgen.
Eine Zürcher Arbeitsgruppe hat mit einer ambulant applizierbaren Methode die Basis für eine Frühdiagnose gelegt. Ein fluoreszierender Farbstoff wird ins Unterhautgewebe injiziert und die Abflussdynamik (als Parameter des Lymphflusses) mittels eines auf die Haut gesetzten optischen Sensors verfolgt (siehe Abbildung). Ob und inwiefern dann Frühinterventionen den Verlauf der Lymphödeme verbessern, ist eine wichtige, aber noch zu klärende Frage.
Mitte November wurde eine neue Variante des SARS-CoV-2 (sehr schnell als besorgniserregend eingestuft, «variant of concern»), das sogenannte Omikron-Virus, entdeckt. Die Überraschung war die grosse Zahl von (mehr als 50) Mutationen. Ein Teil davon betrifft das S1- oder Spike-Protein, sodass als diagnostische Folge der Nachweis des S1-Gens mit den herkömmlich verwendeten «Primern» in den PCR-Testen bei einer Form (BA1) der Variante nicht mehr gelang («S1-dropouts»).
Wie und über welche Zeitperiode konnte es zur Geburt eines solchen Virus mit einer Vielzahl von Mutationen, die eine Entstehung in einem Schritt ausschliessen, kommen? Molekulare Mikrobiologen gehen davon aus, dass sich das Omikron-Virus schon Mitte 2020 aus einer Variante, möglicherweise der Alpha-Variante, zu entwickeln begann. Drei Theorien, wie es zur Virusvariante kam, die dann in Südafrika in kurzer Zeit die Delta-Variante verdrängte: 1. eine menschliche, ungeimpfte und nicht getestete Reservoirpopulation, von denen es in Afrika viele gibt, 2. Proliferation und sequenzielle Mutationen in chronisch COVID-19-Erkrankten oder 3. Rückkehr in menschliche Populationen nach Proliferation/Mutationsproduktion in einem tierischen Reservoir, wofür die grosse Zahl ungewöhnlicher Mutationen sprechen könnte. Aktuell wissen wir es noch nicht, wie vieles andere auch nicht, etwa die Qualität der Impfwirkung und die Infektiosität von Omikron.
Eine noch nicht geklärte Frage ist, inwiefern bei absinkenden quantitativen Anti-S1-Antiköpertitern ein Schutz gegen eine Reinfektion persistieren kann. Klar scheint, dass eine inverse Korrelation zwischen dem Antikörperspiegel und dem Reinfektionsrisiko besteht. Mindestens sechs Monate nach Impfung mit einem m-RNA-Impfstoff ist bei Reexposition aber eine schnelle Aktivierung der B- und T-Zell-vermittelten (CD4) Immunantwort zu beobachten. Dies führt dann zu einem eindrücklichen Anstieg der das Anti-SARS-CoV-2 neutralisierenden Antikörper, wie sie auch in Israel nach Booster-Impfungen seit Sommer 2021 beobachtet werden. Das B- und T-Zell-Immungedächtnis scheint im Übrigen nach Impfung besser als nach oligo- oder asymptomatischen COVID-19-Infekten. Hoffnung wird auch durch die Beobachtung genährt, dass dieses Immungedächtnis für alle bisher epidemiologisch relevanten Varianten (exkl. das noch zu wenig untersuchte Omikron) eine starke Immunantwort induzieren kann.