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Ausgabe
2022/0304
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2022.09025
Swiss Med Forum. 2022;22(0304):57-58

Publiziert am 19.01.2022

Damit Sie nichts Wichtiges verpassen: unsere Auswahl der aktuellsten Publikationen.

Fokus auf ... COVID-Impfungen 2021

– 4 Milliarden Menschen wurden 2021 mit knapp 9 Milliarden Dosen geimpft, die grossen regionalen Unterschiede bleiben ein Problem.
– Von der Entdeckung des Erregers bis zur Entwicklung wirksamer Impfstoffe verging weniger als ein Jahr (bei Meningitis fast 90, Pertussis mehr als 40, Hepatitis B etwa 15 Jahre).
– Geschätzt durch Impfung verhinderte Todesfälle in Europa/USA: 750 000.
– Die wirksamsten Impfstoffe reduzieren Mortalität/Hospitalisationen um etwa 90%.
– 400 neue Impfstoffe sind in Entwicklung, 200 präklinisch, 200 in den diversen klinischen Testphasen.
– Impfungen haben sich als bemerkenswert wirksam gegen neue Varianten, die bei der Impfstoffentwicklung noch unbekannt waren, erwiesen.
– Mehr als 5 Millionen Kinder im Alter zwischen 5 und 11 Jahren in den USA waren bis zu den Festtagen mit einem mRNA-Impfstoff geimpft. Modellstudien weisen auch unter Berücksichtigung der neueren Varianten (exkl. Omikron) auf eine deutliche und schnelle Reduktion der Neuinfektionsraten hin.
– Omikron bleibt bezüglich Impfschutzes die aktuell grosse Unbekannte.
Verfasst am 18.12.2021.

Praxisrelevant

Lektionen für die Omikron-Epidemie?

Daten über die Dynamik des Verdrängens der SARS-CoV-2-Variante Alpha durch die Delta-Variante könnten ein Lehrstück für den epidemiologischen Umgang mit Omikron werden. In Grossbritannien ersetzte die Delta-Variante innerhalb von nur gut einem Monat die Alpha-Variante (Ende Mai bis Anfang Juli 2021). Trotz einer hohen Impfaktivität nahmen die SARS-CoV-2-­Infekte vor allem bei jüngeren Nicht-Geimpften massiv zu. Weil auch die Maskentragpflicht und soziale Distanzierungen gelockert worden waren, wurden ab Herbst 2021 (bei erhöhtem Reservoir in Ungeimpften) auch viele Geimpfte von der Krankheit befallen. Impfungen bei viel mehr als den aktuell nur 2/3 der Schweizer Bevölkerung und physische Infektionsbarrieren dürften auch für Omikron notwendig sein.
Verfasst am 18.12.2021.

Krankheitsmechanismen: Wie könnte das funktionieren?

Erworbene Immundefekte bei chronischer Niereninsuffizienz

Die chronische Niereninsuffizienz ist Ursache einer progressiv sich verstärkenden Immunschwäche. Sie trägt wesentlich zur infektbedingten Morbidität und Mortalität (2. häufigste Todesursache) chronisch Nierenkranker bei. Störungen der angeborenen und adaptiven Immunität sind länger bekannt. Auch die mit der Grundkrankheit assoziierte chronische Entzündung könnte via eine sogenannte Immunparalyse wichtig sein.
Es wurden mindestens drei Mechanismen neu herausgearbeitet: eine Störung der gastrointestinalen Barrierefunktion wie sie auch bei Leberzirrhose besteht und, zweitens, eine Veränderung der vom intestinalen Mikrobiom sezernierten, immunmodulierenden Eiweisse. Etwas überraschend auch die Rolle des FGF-23 (phosphateliminierendes Hormon aus den Osteozyten), das bei Niereninsuffizienz progredient ansteigt. Es stört im Besonderen die Rekrutierung und Infiltration von ­Granulozyten.
Die bessere Kenntnis dieser Mechanismen führt hoffentlich zu Interventionsmöglichkeiten, die präventiv Infekte verhindern könnten.
J Am Soc Nephrol. 2021, doi.org/10.1681/ASN.2021091257.
Verfasst am 18.12.2021.

Das hat uns gefreut

Die Weihnachtsartikel im British Medical Journal 2021

Jedes Jahr publiziert das British Medical Journal (BMJ) Weihnachtsartikel, die mit allseits akzeptierten Studienanlagen ziemlich quer daherkommende Fragestellungen untersuchen. So scheint eine zunehmende Dichte an sogenannten Heavy Metal Bands nicht ­toxisch zu sein, sondern vielleicht sogar die Hospitalisationsrate und den Alkoholkonsum (respektive damit zusammenhängende Hospitalisationen) zu senken. Die Autorinnen und Autoren weisen zu Recht auf «residual confounding exists» hin [1]. Auch suggeriert eine «Cross-sectional»-Studie, dass der Quotient aus der Länge des Zeigefingers und jener des Ringfingers mit vermehrten Glücksgefühlen assoziiert sein soll [2].
Eine kleine Warnung: Die Ausgabe enthält nicht nur mehr oder weniger lustige Albereien (diese sind deutlich mit «Christmas» gekennzeichnet), sondern auch ernsthaftere Originalpublikationen!
Verfasst am 18.12.2021.

Auch noch aufgefallen

Prognostische Bedeutung eines Troponin­anstiegs nach körperlichem Training

Körperliche Belastungen, vor allem in Ausdauersportarten, können zu einer signifikanten Hypertroponin­ämie mit maximalen Werten etwa sechs Stunden nach Belastung und Normalisierung innerhalb von 24 Stunden führen.
Normalerweise wird der Troponinanstieg als physiologisch und nicht pathologisch angesehen: Erhöhte ­Permeabilität der Membran der Herzmuskelzellen (Freisetzung von Troponinfragmenten), aber auch erhöhte Apoptoseraten (z.T. als Folge fokaler Ischämien bei exzessiver Belastung) werden neben anderen als Mechanismen diskutiert.
Eine durch Ausdauerbelastung induzierte Hypertroponinämie scheint aber nicht in jedem Fall benigne: Vor allem bei älteren Individuen (die betroffene Altersgruppe ist wenig überraschend) scheint sie ein relevanter Risikofaktor für das Erleiden späterer relevanter, akuter kardiovaskulärer Erkrankungen («major cardiovascular events», sogenannte MACE) zu sein.
Verfasst am 20.12.2021.

Wussten Sie?


Das Mesenterium wird von den meisten nun als anatomisch ­zusammenhängendes Organ sui generis gesehen, in dem sich alle viszeralen Organe entwickeln.
Folgende Aussagen zum Mesenterium sind richtig:
A Das Mesenterium ist ein wesentlicher Produktionsort des C-reaktiven Proteins (CRP).
B Es (d.h. sein Omentum majus) übt eine Ad-hoc-Barrierefunktion bei Entzündungen und Darmperforationen aus.
C Das Mesenterium enthält kein lymphatisches Gewebe.
D Die Mitentfernung des Mesenteriums im Bereich von Darmresektionen wegen eines Morbus Crohn verbessert den Verlauf.
E Mesenteriales Fett macht den grössten Anteil des viszeralen Fettvolumens aus und ist ein negativ prognostischer Faktor für kardiovaskuläre Erkrankungen sowie das «metabolische Syndrom».

Antwort:


Von den offerierten Antworten sind alle richtig, ausser die Antwort C. Das Mesenterium ist ziemlich reich an Lymphknoten und Lymphgefässen. Das meiste lymphatische Gewebe findet sich in der ileozoekalen Region. Via die Lymphgefässe können intestinale/luminale Moleküle abtransportiert und in den Lymphknoten analysiert werden. Der erste Schritt zu einer orchestrierten, regionalen und systemischen Immunantwort ist somit gemacht.
Lancet Gastroenterol Hepatol. 2021, doi.org/10.1016/S2468-1253(21)00179-5.
Verfasst am 19.12.2021.
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