Damit Sie nichts Wichtiges verpassen: unsere Auswahl der aktuellsten Publikationen.
Fokus auf … «Restrisiko» trotz guter Kontrolle der LDL-Cholesterin-Spiegel
– LDL-Cholesterin kann heute mit Statinen, falls notwendig auch mit Ezetimib oder PCSK9*-Hemmern (von denen eine orale Form bald auf den Markt kommen dürfte) meist in die ehrgeizigen Zielwertbereiche gebracht werden.
– Erhöhte Triglyzeride und erniedrigte HDL-Werte sind aber auch bei guter Cholesterin-Kontrolle persistierende kardiovaskuläre Risikofaktoren.
– Triglyzeride und HDL-Cholesterin werden durch die «Anti-LDL»-Medikamente nicht wesentlich beeinflusst.
– Diät, körperliche Aktivität und Gewichtsverlust können hohe Triglyzerid-Werte senken und das HDL erhöhen.
– Fibrate und Fischöle haben ähnliche Effekte, aber ihr Einfluss auf klinische relevante Endpunkte (kardiovaskuläre Ereignisse) ist zweifelhaft.
– Neue Medikamente, die die Aktivität der Lipoproteinlipase erhöhen, sind in Entwicklung.
– Sie senken dadurch primär die Triglyzerid-Spiegel und erhöhen sekundär die HDL-Konzentrationen.
* Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9
Verfasst am 12.01.2022.
Praxisrelevant
Verbesserungswürdige HIV-Prä-Expositionsprophylaxe
Diese medikamentöse Prophylaxe (Tenofovir/Emtricitabin) kombiniert mit Kondom verhindert bei Sex mit HIV-positiven Partnern in >99% der Fälle einen Neuinfekt.
Eine Schweizer Studie mit vorwiegend homosexuellen Männern (neu: «men who have sex with men» [MSM]) sieht selbst unter Studienbedingungen eine ungenügende Compliance, wobei das Preisargument (bei CHF 600 pro Monat) zentral zu sein scheint [1].
Da etwa 25% der Neuinfektionen bei Menschen unter 25 Jahren vorkommen und mit etwa gleich grosser Häufigkeit durch heterosexuellen Geschlechtsverkehr entstehen, ist die Mitteilung der «Centers of Disease Control and Prevention» (CDC, USA) offenbarend: Nur 1% der sexuell aktiven Bevölkerung benutzt eine Präexpositionsprophylaxe, obwohl ein Drittel von dieser Möglichkeit weiss [2].
Diese Daten, wenn sie in der Schweiz vergleichbar ausfallen, sind besorgniserregend, denn jede fünfte HIV-positive Person scheint von ihrem Infekt zum Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs nichts zu wissen.
Verfasst am 13.01.2022.
Neues aus der Biologie
Erklärung für das Omikron-Paradox?
Die Gründe für die schnellere Infektion mit und die effizientere Weiterverbreitung der Omikron-Variante sind noch nicht genau bekannt. Ebenfalls ist noch unklar, warum die mit Omikron Infizierten weniger schwer erkranken zu scheinen, vor allem in Bezug auf die Lungen.
Es scheint, dass Omikron ebenfalls den ACE-2-Rezeptor für den Eintritt in die Zelle verwendet und auch eine Reihe von tierischen Isoformen diesen Rezeptor benutzen können, was die Frage einer Infektion von Tieren (umgekehrte oder inverse Zoonose) und Rückinfektion von Menschen aufwirft. Im Gegensatz zum Beispiel zur Delta-Variante kann aber das Omikron eine an der Oberfläche von Zellen der unteren Atemwege exprimierte Protease (sog. TMPRSS2) nicht für den Eintritt verwenden, was die geringere pulmonale Pathogenität erklären könnte. Denn zur Bildung von viral infizierten Synzytien (dem Kernmerkmal der pulmonalen Pathogenese) ist dieser Proteaseweg wichtig. Allerdings benützt Omikron den ubiquitären Weg des Zelleintrittes via Endosomen. Somit kann eine viel grössere Anzahl von Zellen infiziert werden, in den Endosomen treffen die Omikron-Varianten dann aber auf potente anti-virale Peptide, die die Pathogenität limitieren.
Verfasst am 10.01.2022.
Das hat uns gefreut
Boostern hilft
Die Dynamik der Ereignisse gibt den sozialen Medien und den (noch) schneller als wir publizierenden Laienmedien einen Zeitvorsprung gegenüber «Kurz und bündig». Dafür können wir Ihnen die relevanten, den Verdauungsprozess der Review überlebenden Literaturstellen liefern, die belegen, dass nach doppelter mRNA-Impfung der Schutz vor einem Omikron-Infekt gering ist [1]. Eine dritte mRNA-Impfung («Booster») induziert dann allerdings eine sehr ausgeprägte neutralisierende Immunität [2].
Verfasst 12.01.2022.
Das hat uns nicht gefreut
Wo werden wir überhaupt noch Grenzen setzen?
Nach einem mehrjährigen Dornröschenschlaf ist am 7. Januar 2022 die Xenotransplantation wieder erwacht: Das transplantierte Herz eines Schweins, dessen sehr immunogene Alpha-1,3-Galactose (normalerweise exprimiert an der Zelloberfläche) genetisch ausgeschaltet worden war, zeigt zumindest Tage nach Implantation in einen Menschen eine anscheinend gute Funktion. Die genaue Natur der genetischen Manipulation wurde noch nicht öffentlich zugänglich gemacht.
Die Aufführung in dieser Rubrik und die Art der gestellten Titelfrage reflektiert das «kurz und bündige» Unbehagen mit den ethischen Fragen, die von dieser Art Medizin nun (wieder) ausgehen müssen.
Verfasst am 12.01.2022.
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Welche Diagnose stellen Sie?
Differentialdiagnose von Krampfanfällen
Eine 51-jährige, bekannt hypertensive Frau erleidet erstmals Stunden andauernde Episoden von Verwirrung, Aufmerksamkeitsstörungen und komplexen, unkontrollierten, dystonieähnlichen Bewegungen der Extremitäten und des Rumpfes. Das Hirn-MRT zeigt hypertensive kortikale und subkortikale Hyperdensitäten, kompatibel mit einer vaskulären Enzephalopathie. Eine Therapie mit Levetiracetam (200 mg/Tag) wird unter Langzeit-Elektroenzephalographie-(EEG-)Kontrolle begonnen. Gleichwohl treten weitere Anfälle meist gegen Ende des Nachmittags auf, auffälligerweise ist die Patientin dabei sehr bleich und schweissgebadet. Die EEG-Veränderungen zeigen auf intravenöses Lorazepam hin eine Normalisierung, nicht aber die klinische Anfallssymptomatologie.
Die wahrscheinlichste Diagnose ist:
A Vaskuläre Enzephalopathie mit Basalganglien-Ischämien
B Rezidivierende Intoxikationen
C Orthostatische Hypotonien bei Überbehandlung mit Antihypertensiva (Wasserscheiden-Phänomen im Zentralnervensystem)
D Rezidivierende Hypoglykämien
E Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung
Antwort:
Ischämien mit dieser Symptomatik, Dauer und Replikation identischer Symptome wären ungewöhnlich, für rezidivierende Intoxikationen fehlt eine klassische toxikologische Phänomenologie. Orthostatische Hypotonien bei vaskulärer Enzephalopathie können viele neurologische, meist aber zeitlich sehr limitierte und von der Körperlage abhängige Folgen haben. Beim Creutzfeldt-Jakob können autonome Symptome zusammen mit teils bizarren Bewegungen auftreten, meist brauchen diese aber einen längeren Erkrankungsprozess bis zur Manifestation. Während eines der Anfälle wurde eine Glukosekonzentration von etwa 1 mmol/l gemessen, die intravenöse Glukosezufuhr kupierte den ganzen Anfall innert sehr kurzer Zeit (Whipple-Trias erfüllt). Während der Hypoglykämie waren die Insulinwerte inadäquat erhöht, wodurch die durch das MRT bestätigte Diagnose eines Pankreaskopf-Insulinoms gestellt wurde.
Verfasst am 11.01.2022.
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