Risiko der endoskopischen Therapie unterschätzt?

Risiko der endoskopischen Therapie unterschätzt?

Leserbrief
Ausgabe
2022/0506
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2022.09039
Swiss Med Forum. 2022;22(0506):112

Publiziert am 01.02.2022

Risiko der endoskopischen Therapie unterschätzt?

Mit Interesse habe ich den Fallbericht der 70-jährigen Patientin mit Gallensteinileus gelesen.
Ich kann absolut nachvollziehen, welche Schwierigkeiten sich bei der Diagnose und dann bei der Entscheidung der Therapiewahl gestellt haben. Dass aber auch im Nachhinein der Krankheitsverlauf als gradlinig und richtig beurteilt wird, macht mir etwas Mühe. Ich hätte mir eine etwas kritischere Darstellung gewünscht.
Die Autorinnen und Autoren schreiben: «Aufgrund des Alters und der Komorbiditäten der Patientin sowie der hohen Mortalität einer chirurgischen Steinextraktion» habe man sich für eine endoskopische Steinzertrümmerung entschieden. Für die hohe Mortalität wird eine einzige Arbeit zitiert, in der sechs Fälle beschrieben sind. Die endoskopische Therapie erfolgt in Allgemeinanästhesie bei intubierter und beatmeter Patientin, also eine für die betagte Patientin auch belastende Prozedur. Ein grosses Steinfragment, das nicht geborgen werden kann, verursacht nach einer Woche einen zweiten mechanischen Ileus, diesmal im distalen Ileum, der eine zweite Narkose und die chirurgische Steinextraktion notwendig macht.
Klar, hinterher ist man immer gescheiter. Man hat initital, um die Patientin zu schonen, die Endoskopie einer chirurgischen Therapie vorgezogen, war vielleicht aber auch zu stark fasziniert von der raffinierten endoskopischen Maschinerie («elektrohydraulische Lithotrypsie»), aber letzten Endes hat die Patientin durch diese Wahl zweimal einen mechanischen Ileus mit allen dazu gehörenden Beschwerden und Befunden durchmachen müssen, was – ich zitiere wieder – «aufgrund des Alters und der Komorbiditäten» sicher nicht optimal war. Wahrscheinlich hätte sich die Patientin mit einer primär ­chirurgischen Therapie rascher erholt. Hätte eventuell auch die Grösse des Steins eher von einer heroischen, endoskopischen Therapie abhalten können?
Der Autor hat keine finanziellen oder persönlichen ­Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.