Die vier Schockformen – Teil 2
Management und Therapie

Die vier Schockformen – Teil 2

Übersichtsartikel
Ausgabe
2022/2324
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2022.09077
Swiss Med Forum. 2022;22(2324):386-390

Affiliations
Medizinische Klinik, Spital Limmattal, Schlieren

Publiziert am 07.06.2022

Der Schock ist ein lebensbedrohliches Zustandsbild, dem diverse Ursachen und komplexe Mechanismen zugrunde liegen. Teil 2 dieser Übersicht widmet sich den Therapiemöglichkeiten.

Einleitung

Als Schock bezeichnet man ein Kreislaufversagen mit Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und -bedarf, das zu multiplen Organdysfunktionen führt. Bei unbehandeltem Schock drohen irreversible Organschäden und der Tod der Erkrankten, weswegen die frühe Diagnosestellung und eine zielgerichtete Therapie essentiell sind. Während im ersten Teil1 dieser Übersicht Mechanismen und Klinik der vier Schockformen erläutert wurden [1], widmet sich der vorliegende zweite Teil den Therapiemöglichkeiten.

Allgemeine Therapierichtlinien

Die vier Schockformen – hypovolämer, obstruktiver, kardiogener und distributiver Schock – können isoliert, kombiniert oder nacheinander auftreten. Neben gemeinsamen Therapieelementen sind je nach Schockform spezifische Massnahmen notwendig. Ziel in der Frühphase ist es, ein ausreichendes Sauerstoffangebot (DO2) zu erreichen, um weitere Gewebeschädigungen zu vermeiden (Tab. 1).
Tabelle 1: Sauerstoffangebot und davon abgeleitete Therapierichtlinien.
DO2 = HMV × CaO2
HMV = Schlagvolumen × Herzfrequenz
Schlagvolumen abhängig von Vorlast, Inotropie, Nachlast
CaO2 = SaO2 × Hb × 1,34
HMVSchlagvolumenKardiale Vorlast
(«preload»)
FlüssigkeitI. Kristalloide:
5–20 (bis 30) ml/kg
II. Kolloide (in Einzelfällen)
Myokardiale Kontraktilität ­(Inotropie)InotropikaI. Dobutamin:
1–5 (bis 10) μg/kg/min
II. Levosimendan:
0,05–0,2 µg/kg/min
Kardiale Nachlast
(«afterload»)
VasodilatatorenRechter Ventrikel: Stickstoffmonoxid (NO), Levosimendan
Linker Ventrikel: Nitroprussid, Nitroglycerin, Levosimendan
HerzfrequenzTachyarrhythmien I. Optimierung der Elektrolyte (Magnesium >1 mmol/l, Kalium 4–5 mmol/l)
II. Elektrische oder medikamentöse Kardioversion:
a) Kardioversion (biphasisch 200 Joule)
b) Amiodaron: 2× 150 mg i.v. über 30 min, dann Infusion mit 600–1200 mg/d (Reevaluation nach 0,05 g/kg)
Bradykardien I. Atropin:
0,5–1,0 mg (Maximaldosis 3,0 mg)
II. Transkutane oder transvenöse Schrittmacherstimulation
CaO2SaO2 Sauerstoff-­therapieI. Sauerstoff per Gesichtsmaske:
Ziel: SaO2 92–95%
II. Intubation und maschinelle Beatmung:
Ziel: lungenprotektive Beatmung
(Tidalvolumen ≤6 ml/kg, Plateaudruck ≤28 mbar)
Hämoglobin BluttransfusionIndividuelle Transfusiongrenze
Hämoglobin-Ziel:
I. ≥85 g/l in früher Schockphase
II. ≥70 g/l im Verlauf bei fehlender Gewebehypoxie
CaO2: arterieller Sauerstoffgehalt; DO2: Sauerstoffangebot; Hb: Hämoglobin; HMV: Herzminutenvolumen; SaO2: arterielle Sauerstoffsättigung.

Vorlast

Zentral in der Therapie der verschiedenen Schockformen ist die Kreislaufstabilisierung mittels Flüssigkeitsadministration. Damit wird das (dilatierte) Gefässbett gefüllt und die kardiale Vorlast («preload») der Frank-Starling-Kurve folgend optimiert (Abb. 1).
Abbildung 1: Schematische Frank-Starling-Kurve.
A = volumenreagibel; B = optimale Vorlast.
Zur Identifikation von Patientinnen und Patienten mit Volumenreagibilität kann der «passive leg raising»-Test durchgeführt werden. Dabei kommt es durch ­Absenken des Oberkörpers und Anheben der Beine zu einer Autotransfusion von circa 300 ml venösen Blutes, was bei Patientinnen und Patienten mit Hypovolämie zu einem Anstieg des Herzminutenvolumens führt. Der Vorteil des «passive leg raising» gegenüber der klassischen «fluid challenge» (Administration von 250 ml kristalloider Flüssigkeit) liegt darin, dass der ­hämodynamische Effekt schnell umkehrbar ist und ­irreversible und möglicherweise schädliche Flüssigkeitsgaben vermieden werden können [2].
Die Diskussion über die ideale Flüssigkeit zur Vorlast­optimierung ist eine schon lang bestehende Kontroverse. Der Volumeneffekt von Kristalloiden ist transient, da sich das Wasser rasch vom Intravasalraum nach interstitiell verteilt. Es wird zwischen balancierten Kristalloiden (z.B. Ringer-Acetat oder Ringer-Laktat) und 0,9%iger Kochsalz-(NaCl-)Lösung unterschieden. Die Kochsalzlösung ist mit einer erhöhten Rate von hyperchlorämischer metabolischer Azidose, Infektionen und Nierenversagen assoziiert [3–5] und wird von uns für die Flüssigkeitsreanimation von Schockpatientinnen und -patienten nicht mehr verwendet. Den verschiedenen Lösungen gemeinsam ist die Möglichkeit, ein interstitielles Ödem auszubilden [4].
Kolloide (z.B. Albumin, Hydroxyethylstärke, Gelatine) erzielen durch den onkotischen Druck einen deutlich grösseren Volumeneffekt. Dieser Vorteil geht verloren, wenn die Gefässpermeabilität erhöht ist. Dann treten die Kolloide ins Interstitium über, wo sie Flüssigkeit binden und im späteren Verlauf die Negativbilanzierung behindern [6]. Weitere Nachteile sind unter anderem die Kosten und ein erhöhtes Risiko eines akuten Nierenversagens [7– 11].
Wir empfehlen die primäre Flüssigkeitsadministration mit balancierter Kristalloidlösung. In Einzelfällen ist die ergänzende Administration einer Kolloidlösung zu erwägen.

Kontraktilität

Liegt dem Schock eine verminderte kardiale Kontraktilität zugrunde, können Inotropika eingesetzt werden. Als Inotropikum erster Wahl gilt Dobutamin, das seine Wirkung vorwiegend über β1-Rezeptoren (gesteigerte Kontraktilität) und nur wenig über β2-Rezeptoren (geringe periphere Vasodilatation) erzielt [12, 13]. Erhöhte Dobutamindosen sind mit Tachyarrhythmien vergesellschaftet, zudem ist eine gesteigerte Kontraktilität mit einem erhöhten Sauerstoffbedarf der Kardiomyozyten assoziiert. Um die Katecholamintoxizität im Verlauf zu reduzieren, kann – insbesondere bei Patientinnen und Patienten mit Betablockertherapie – eine Therapie mit Levosimendan oder Phosphodiesterase-III-Hemmern (Milrinon) erwogen werden. Levosimendan steigert die kardiale Kontraktilität durch Kalziumsensibilisierung und senkt die kardiale Nachlast durch eine Kaliumkanal-vermittelte Vasodilatation [14]. Wir verwenden Levosimendan ohne Bolus, um starke Blutdruckabfälle zu verhindern. Nach Infusion einer Ampulle Levosimendan profitieren die Patientinnen und Patienten von langwirksamen Metaboliten, die mehrere Tage wirksam sind.

Nachlast

Zur Aufrechterhaltung einer suffizienten Organdurchblutung ist neben dem Blutfluss der Perfusionsdruck entscheidend. Wesentliche Komponente ist neben dem zentralvenösen Druck (ZVD) der arterielle Mitteldruck (MAP), dessen Zielwert kontroversen Diskussionen unterworfen ist. Ein MAP von 65–70 mm Hg ist verglichen mit einem MAP von 80–85 mm Hg nicht mit einer erhöhten Mortalität verbunden [15]. In den Guidelines wird als Zielwert daher häufig ein initialer MAP von 65 mm Hg angegeben [16, 17]. Im Verlauf sollte dieser jedoch individualisiert und der Therapieeffekt engmaschig kontrolliert werden (beispielsweise durch kontinuierliche Messung der Urinausscheidung). Je nach Situation kann der Einsatz von Vasopressoren oder Vasodilatatoren notwendig sein.

Vasopressoren

Persistiert die Hypotonie trotz adäquater Flüssigkeitstherapie, ist der Einsatz von Vasopressoren notwendig (Tab. 2). Als Vasopressor der Wahl gilt Noradrenalin, das sowohl α-adrenerg (periphere Vasokonstriktion) als auch β-adrenerg (gesteigerte Kontraktilität) wirkt (Abb. 2). Neben der arteriellen Vasokonstriktion kommt es ebenfalls zu einer Konstriktion des venösen Gefässbetts, was über den vermehrten Rückfluss zum Herzen die Vorlast und damit das Schlagvolumen erhöht [18]. Mit steigender Dosis tritt eine verminderte Wirksamkeit durch Rezeptordesensibilisierung und Tachyphylaxie auf. Additiv kann Vasopressin eingesetzt werden, um Noradrenalin einzusparen und dessen Toxizität zu minimieren (Dekatecholaminisierung) [19–21]. Vasopressin nutzt einen anderen Mechanismus (V1a-Rezeptor-Agonismus) zur peripheren Vasokonstriktion [22].
Tabelle 2: Gängige Vasopressoren.
SubstanzRezeptorEinsatzDosierungUnerwünschte Wirkung
Noradrenalinα-1 > β-1Vasopressor erster Wahl0,1–1 μg/kg/minBradykardie, Herzrhythmusstörungen, Hypertonie, periphere ­Ischämie
VasopressinV1aKatecholamin-refraktäre Vasoplegie (Noradrenalindosis >0,5 μg/kg/min)0,01–0,04 U/minBradykardie, ­Herzrhythmusstörungen
Abbildung 2: Noradrenalin-Perfusor.
Noradrenalin-Perfusor mit einer Laufrate von 40 μg/min, entsprechend 0,5 μg/kg/min bei einem Körpergewicht von 80 kg.

Vasodilatatoren

Beim kardiogenen Schock mit zu hoher linkskardialer Nachlast können Vasodilatatoren wie Nitroglycerin oder Nitroprussid eingesetzt werden. Um die rechtsventrikuläre Nachlast zu senken kann Levosimendan infundiert werden. Wenn vorhanden, kann auch inhalatives Stickstoffmonoxid (NO) angewandt werden. In tiefen Konzentrationen bewirkt es eine Verbesserung des Ventilations-Perfusions-Verhältnisses durch Vasodilatation im Bereich belüfteter Arteriolen, in höherer Dosierung eine Senkung der rechtsventrikulären Nachlast durch Vasodilatation der Pulmonalarterien. Das Management der rechtsventrikulären Dysfunktion ist anderweitig zusammengefasst [23].

Spezifische Therapie der vier Schockformen

Hypovolämer Schock

Beim hypovolämen Schock spielen neben Blutstillung und Volumenersatz Bluttransfusionen und Korrektur der Blutgerinnung eine zentrale Rolle. Viele Guidelines empfehlen eine restriktive Transfusionsgrenze von Hämoglobin (Hb) <70 g/l, solange die Patientinnen und Patienten nicht unter weiteren Erkrankungen wie nicht revaskularisierter koronarer Herzerkrankung oder schwerer Hypoxämie leiden [19, 24]. Bei herzchirurgischen Patientinnen und Patienten [25] war die Mortalität bei restriktiver Transfusionsgrenze (Hb <75 g/l) gegenüber einer liberalen Transfusionsgrenze (Hb <90 g/l) erhöht. Demgegenüber stehen verschiedene Studien, die zeigten, dass eine restriktive Strategie kein erhöhtes Risiko birgt [26–28].
Wir empfehlen, die Indikation zur Bluttransfusion bei jeder/jedem Erkrankten und jeder einzelnen Blutkonserve individuell zu stellen. In der akuten Schockphase streben wir ein Hb von ≥85 g/l an, bis sich Laktat und zentralvenöse Sättigung (ScvO2) normalisieren. Im ­Verlauf können Werte ≥70 g/l toleriert werden, falls keine offensichtlichen Blutverluste oder Hinweise auf eine Gewebehypoxie vorliegen (ST-Strecken Veränderungen, zunehmende metabolische Azidose, Arrhythmien) [7].

Obstruktiver Schock

Das Vorliegen eines obstruktiven Schocks erfordert spezifische Massnahmen adaptiert an die zugrunde liegende Ätiologie. Ist der Schock durch eine Lungenembolie bedingt, ist der rasche Therapiebeginn mittels Thrombolyse (z.B. Alteplase 10 mg Bolus i.v., gefolgt von 90 mg als Infusion über 2 Stunden) indiziert. Bei einer Perikardtamponade, einem Spannungspneumothorax oder einem abdominellen Kompartmentsyndrom ist die sofortige Entlastung mittels Punktion oder chirurgischer Intervention (Perikardiotomie, Thoraxdrainage, Laparotomie) notwendig. Ist ein Auto-PEEP (PEEP: positiver endexspiratorischer Druck) Ursache des obstruktiven Schocks, so sind eine kurzfristige Dekonnektion vom Beatmungsgerät und eine Verlängerung der Exspiration zwingend.

Kardiogener Schock

Die häufigste Ursache eines kardiogenen Schocks ist der akute Myokardinfarkt mit linksventrikulärem Versagen [29], der mit einer frühen Revaskularisation mittels perkutaner Koronarintervention (PCI) behandelt wird [30].
Bei Patientinnen und Patienten mit kardiogenem Schock muss die Vorlast optimiert werden [31, 32]. Nicht selten benötigen sie intravenöse Flüssigkeit, wenn starke Flüssigkeitsverluste (exzessive Diuretikatherapie, Schwitzen, Tachypnoe) vorhanden waren. Andererseits können bei Volumenüberladung, vor allem bei Rechtsherzinsuffizienz, eine Diuretikagabe oder gar ein Nierenersatzverfahren nötig sein [33[.
Zur Steigerung des Herzminutenvolumens im kardiogenen Schock spielen Inotropika eine zentrale Rolle. Bei respiratorischer Verschlechterung (Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, progrediente Hypoxämie/Hyperkapnie/respiratorische Azidose) sollte die Intubation mit anschliessender maschineller Beatmung erfolgen [32]. Bei Linksherzversagen reduziert die mechanische Beatmung die linksventrikuläre Vor- und Nachlast sowie die Atemarbeit, was zu einer deutlichen Verbesserung der Situation führen kann. Bei Rechtsherzversagen hingegen erhöht die positive Druckbeatmung die rechtsventrikuläre Nachlast, was zu einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz führen kann [34, 35].
Bei Herzrhythmusstörungen kann es sich um Begleitarrhythmien oder um die Ursache des kardiogenen Schocks handeln. Patientinnen und Patienten mit supraventrikulärer oder ventrikulärer Tachykardie sollten nach Optimierung der Magnesium- und Kaliumspiegel (elektrisch oder medikamentös) kardiovertiert werden. Die elektrische Kardioversion (EKV) ist bei hämodynamischer Instabilität indiziert, der Erfolg aber leider durch eine hohe Rate an Frührezidiven begrenzt [36]. Zur medikamentösen Konversion sollte im Schock aufgrund der geringen negativ inotropen Wirkung Amiodaron eingesetzt werden. Es eignet sich zudem zur medikamentöser Aufsättigung vor erneuter EKV bei Rezidiv.
Antiarrhythmika der Klasse 1c (z.B. Propafenon, Flecainid) sollten aufgrund der negativ inotropen Wirkung beim kardiogenen Schock vermieden werden. Die Indikation zur Einlage eines provisorischen transvenösen Herzschrittmachers ist bei Vorliegen einer hämodynamisch relevanten Bradykardie gegeben.
Falls sich die Herzkreislaufsituation durch eine medikamentöse Therapie nicht stabilisieren lässt, können mechanische Unterstützungssysteme erwogen werden. Neben der intraaortalen Ballonpumpe (IABP), sind Impella® (kontinuierlicher axialer Fluss zwischen linkem Ventrikel und Aorta oder rechtem Ventrikel und Pulmonalarterie) und extrakorporaler Life-Support (ECLS) weitere temporäre Möglichkeiten [37, 38]. In ausgewählten Fällen kann eine ECLS im peripheren Spital implantiert werden, um die Patientin / den Patienten zu stabilisieren und sicher ins Zentrum zu transportieren [39].

Distributiver Schock

Liegt dem distributiven Schock eine Sepsis zugrunde, sind die frühe interventionelle respektive chirurgische Infektsanierung sowie die empirische Gabe von intravenösen Antibiotika essentiell. Bei schockierten Patientinnen und Patienten wird der Beginn der antibiotischen Therapie, nach Entnahme von Blutkulturen, innerhalb von einer Stunde empfohlen [19, 40].
Rivers et al. [12] publizierten im Jahr 2001, dass eine frühe, zielgerichtete Therapie («early goal-directed therapy » [EGDT]) die Mortalität von Patientinnen und Patienten mit septischem Schock signifikant reduzieren kann. Die Behandlung richtete sich dabei nach dem ZVD (Ziel: 8– 12 mm Hg), der ScvO2 (Ziel: ≥70%), dem MAP (Ziel: ≥65 mm Hg) und der Diurese (Ziel: Urinausscheidung ≥0,5 ml/kg/h) und beinhaltete die Administration von Sauerstoff (Ziel: arterielle Sauerstoffsättigung [SaO2] ≥93%), intravenösen Flüssigkeiten, Vasopressoren, Inotropika und Erythrozytentransfusionen (Ziel: Hämatokrit ≥30%). Mehr als zehn Jahre später haben diverse ­Studien gezeigt, dass eine individualisierte Standardtherapie gleich gut wie das Erreichen der EGDT-Zielparameter ist [41–45]. So kann beispielsweise eine ScvO2 <70% oder ein Hämatokrit <30% toleriert werden, wenn sich die Mikrozirkulation der Haut bessert, die Diurese zunimmt und die Laktatwerte sinken.
Die essentiellen Elemente der Sepsistherapie sind in sogenannten «Sepsis-Bündeln» zusammengefasst [46] (Tab. 3). Ein Teil der Empfehlungen basiert auf retrospektiven Daten, weshalb die Bündel kritisiert werden können [45]. Ist die Kreislaufstabilität trotz adäquater Flüssigkeits- und Vasopressorentherapie nicht erreicht (Noradrenalindosis >0,3 μg/kg/min), wird beim septischen Schock eine adjuvante Therapie mit Kortikosteroiden (4 × 50 mg Hydrocortison i.v. täglich) empfohlen.
Tabelle 3: Sepsis-Bündel.
Surviving Sepsis Campaign
2012 [46]
Surviving Sepsis Campaign
2018 [48]
3h-Bündel6h-Bündel1h-Bündel
I. Laktatmessung I. Vasopressoren (falls MAP <65 mm Hg trotz adäquater Flüssigkeitstherapie) I. Laktatmessung (wiederholte Messung falls Laktat >2 mmol/l)
II. Volumentherapie mit kristalloider ­Flüssigkeit (30 ml/kg bei Hypotension oder falls Laktat ≥4 mmol/l) II. Bestimmung des ZVD und der ScvO2 (falls weiterhin persistierende Hypo­tonie trotz adäquater Flüssigkeitstherapie und/oder Laktat initial ≥4 mmol/l) II. Volumentherapie mit kristalloider ­Flüssigkeit (30 ml/kg bei Hypotension oder falls Laktat ≥4 mmol/l)
III. Breitspektrumantibiotika nach Abnahme von zwei Blutkulturen-
Sets (aerob und anaerob)III. Wiederholte Laktatmessung ­(falls Laktat initial erhöht war)III. Breitspektrumantibiotika nach ­Abnahme von zwei Blutkulturen-Sets (aerob und anaerob)
IV. Vasopressoren (falls MAP <65 mm Hg trotz adäquater Flüssigkeitstherapie)
h: Stunden; MAP: mittlerer arterieller Druck; ScvO2: zentralvenöse Sauerstoffsättigung; ZVD: zentraler Venendruck.
Eine Eskalation der Behandlung sollte stets unter ­Berücksichtigung einer Nutzen-Risiko-Abwägung und im Sinne der Patientinnen und Patienten stattfinden [47]. Die unreflektierte Administration von Breitbandantibiotika, aber auch exzessive Flüssigkeits- oder Katecholamingaben sind zu vermeiden.

Limitationen

Einige Unterformen des Schocks wie anaphylaktischer oder spinaler Schock sowie verschiedene wichtige Therapiestrategien wie Management der Gerinnung beim hämorrhagischen Schock, Immunmodulation, Plasmapherese, Betablocker in der Sepsis, Ernährung, Antikoagulation, Nierenersatzverfahren oder alternative Vasopressoren (z.B. Angiotensin II) fanden in diesem Übersichtsartikel keinen Platz.

Das Wichtigste für die Praxis

• Die korrekte Diagnosestellung eines Schocks und der zugrunde liegenden Pathophysiologie ist essentiell, um eine wirksame Therapie einleiten zu können.
• Je schneller der Schock suffizient behandelt wird, desto eher können ­irreversible Organdysfunktionen vermieden und die Prognose verbessert werden.
• Eine Eskalation der Behandlung sollte stets unter Berücksichtigung einer Nutzen-Risiko-Abwägung und im Sinne der Patientinnen und Patienten stattfinden.
Die Autoren haben deklariert, keine potentiellen Interessenskonflikte zu haben.
Dr. med. Johann Stuby
Institut für Anästhesiologie
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
CH-8091 Zürich
johannstuby[at]aol.com
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