Die Rückkehr der Präzisionsmedizin
20 Jahre Swiss Medical Forum

Die Rückkehr der Präzisionsmedizin

Editorial
Ausgabe
2022/1516
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2022.09095
Swiss Med Forum. 2022;22(1516):244

Affiliations
Redaktor Swiss Medical Forum

Publiziert am 12.04.2022

In dieser Ausgabe des Swiss Medical Forum finden die Leserinnen und Leser vier hervorragende Artikel aus den Fachgebieten Pädiatrie, Radiologie, Psychosomatik und HNO/Hals- und Gesichtschirurgie.

In dieser Ausgabe des Swiss Medical Forum finden die Leserinnen und Leser vier hervorragende Artikel aus den Fachgebieten HNO/Hals- und Gesichtschirurgie, Psychosomatik, Radiologie und Pädiatrie. Darin werden die Fortschritte präsentiert, die in den letzten 20 Jahren auf diesen Gebieten erzielt wurden, aber auch die Perspektiven für die Zukunft. Obwohl sich die Fachgebiete natürlich stark unterscheiden, zeigt sich dennoch ein gemeinsamer Nenner: Die vier Artikel unterstreichen nämlich, dass ihre jeweiligen Fachgebiete den Ehrgeiz und das Potenzial haben, präziser und persönlicher zu sein. Das trifft sich gut, denn nach zwei Jahren COVID-19-Pandemie ist es nun vielleicht an der Zeit, dass die Präzisionsmedizin, die personalisierte Medizin, wieder Einzug hält.
Im Artikel zum Thema HNO/Hals- und Gesichtschirurgie (Thomas Gander, Klaus W. Grätz) begegnet uns eindeutig das Konzept der Präzisionsmedizin. Darin werden wir zunächst über die aussergewöhnlichen Methoden informiert, die bei der intraoperativen Navigation eingesetzt werden, um beispielsweise die Resektion von Tumoren zu kontrollieren. Durch diese Methoden lassen sich unnötige Interventionen potenziell vermeiden. Noch stärker erkennbar ist die Präzisions- oder personalisierte Medizin in der Vorstellung der patientenspezifischen Implantate durch die Autoren. Dabei handelt es sich um ein Implantat, das mithilfe digitaler Modelle und eines 3D-Druckers hergestellt wird. Es dient zur Fixierung des konventionellen Implantats bei der Operation. Die Methoden, welche die Autoren diskutieren, stützen sich weitgehend auf bildgebende Verfahren und insbesondere die Computertomografie.
Der Artikel zur psychosomatischen Medizin (Niklaus Egloff, Alexander Minzer) bezieht sich explizit auf die personalisierte Medizin. Nachdem die Autoren in Erinnerung rufen – und das ist stets sinnvoll –, worum es sich bei der psychosomatischen Medizin handelt, beschreiben sie insbesondere die Entwicklung der Erkenntnisse über die gesundheitlichen Auswirkungen von Stress. Der Artikel umfasst eine Darstellung, in der einige dieser Erkenntnisse zusammengefasst sind und präsentiert die Gemeinsamkeiten funktioneller Erkrankungen, die Wichtigkeit der Ausbildung und die neuen Ansätze in der psychosomatischen Medizin. Die Lektüre dieses Artikels ist aus vielerlei Gründen nützlich, besonders angesichts der Tatsache, dass die Prävalenz von Erkrankten, die an funktionellen körperlichen Symptomen leiden, in der ärztlichen Grundversorgung 25% beträgt!
Die aussergewöhnliche Entwicklung der bildgebenden Verfahren und der Computertomografie steht im Mittelpunkt des Radiologie-Artikels von Christoph D. Becker. Darin diskutiert der Autor die klinischen Auswirkungen der modernen Bildgebung in der Notfallmedizin, die Bedeutung von Algorithmen aus dem Bereich des maschinellen Lernens (die der Autor in die Nähe der künstlichen Intelligenz rückt), aber auch die damit verbundenen Enttäuschungen sowie die Vorteile der interventionellen Radiologie gegenüber bestimmten chirurgischen Eingriffen. Die Diskussion des Autors zum Thema «Radiomik» erinnert natürlich an die Präzisionsmedizin und die genomische Medizin.
Schliesslich erinnern im Bereich Pädiatrie die Autorinnen (Klara M. Posfay-Barbe, Anne Mornand) an die fantastische Entwicklung der Versorgung von Personen mit Mukoviszidose. Sie präsentieren natürlich die Aspekte, die zur Verbesserung der symptomatischen Behandlung von Mukoviszidose beigetragen haben (Organisation der Versorgung in Spezialkliniken, angepasste Ernährung und inhalierbare Antibiotika). Ebenso beschrieben werden die Fortschritte bei der kurativen Behandlung, insbesondere die von Swissmedic zugelassene Dreifachkombination, die je nach Genotyp (!) der Betroffenen verschrieben wird und die deren Symptome und Lebensqualität spürbar beeinflussen kann. Ausserdem erwähnt der Artikel die zehn Erkrankungen, auf die in der Schweiz jedes Neugeborene untersucht wird. Im Rahmen des Neugeborenen-Screenings wird hierzulande jedem Kind am vierten Lebenstag an der Ferse Blut abgenommen. Auf diese zehn Erkrankungen wird getestet, weil sie eben behandelbar sind. Zu erwähnen ist, dass das Neugeborenen-Screening in der Schweiz das einzige genetische Screening ist. Nach einer Diskussion der grossen Auswirkungen der Impfung in der Pädiatrie widmen die Autorinnen einen Absatz den neuen molekularen und genomischen Diagnosemethoden und den gezielten Behandlungsoptionen, welche die Sequenzierung ermöglicht. Die Ambitionen scheinen in der Tat in Richtung einer stärker personalisierten Pädiatrie zu gehen. Ich hoffe, dass Sie diese Artikel mit ebenso grossem Vergnügen lesen wie ich.