Die Zungennervenstimulation als alternative Therapie bei obstruktiver Schlafapnoe
Vorstellung dreier Stimulationssysteme

Die Zungennervenstimulation als alternative Therapie bei obstruktiver Schlafapnoe

Übersichtsartikel
Ausgabe
2022/42
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2022.09146
Swiss Med Forum. 2022;22(42):692-695

Affiliations
Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Zentrum für interventionelle Schlafmedizin und Schnarchen, Kantonsspital Baselland, Liestal

Publiziert am 19.10.2022

Die Zungennervenstimulation etabliert sich zunehmend als alternative Therapie bei obstruktiver Schlafapnoe. Es handelt sich dabei um eine Zweit- oder Drittlinientherapie.

Einführung

Die obstruktive Schlafapnoe (OSA) betrifft im mittleren Lebensalter 6,5–9,0% der Frauen und 17–31% der Männer. Die Schweizer Studie HypnoLaus ergab 2015 sogar eine deutlich höhere Prävalenz von mittelgradiger Schlafapnoe, definiert als Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) >15/Stunde, bei 23% der Frauen und 46% der Männer [2]. Eine Vielzahl von Publikationen zeigt, dass etwa 50–60% der Betroffenen langfristig mit der CPAP-(«continuous positive airway pressure»-)Masken-Therapie nicht zurechtkommen und diese abbrechen. Dabei ist begrifflich zu unterscheiden zwischen CPAP-Inakzeptanz, CPAP-Unverträglichkeit, CPAP-Intoleranz und CPAP-Versagen. Eine CPAP-Inakzeptanz liegt vor, wenn nach ausreichender Aufklärung auf Wunsch der Patientin oder des Patienten keine nächtliche Überdrucktherapie eingeleitet wird. Demgegenüber liegt eine CPAP-Unverträglichkeit dann vor, wenn Komplikationen und Nebenwirkungen eine Fortführung der CPAP-Therapie unmöglich machen. Eine CPAP-Intoleranz ist definiert als eine Nutzung von weniger als vier Stunden pro Nacht über einen längeren Zeitraum. Von einem CPAP-Versagen wird gesprochen, wenn unter CPAP-Therapie ein Rest-AHI von >10/Stunde oder eine persistierende Tagessymptomatik wie morgendliche Kopfschmerzen, starke Müdigkeit, Erschöpfung und Konzentrationsstörungen besteht [3].
In diesen Situationen können zunächst verschiedene Alternativen als Zweitlinientherapie zum Einsatz kommen wie eine Unterkieferprotrusionsschiene, eine Uvulopalatopharyngoplastik im Falle von grossen Tonsillen oder eine Lagetherapie bei einer Rückenlage-assoziierten OSA. Nur wenn diese Massnahmen nicht möglich oder nicht Erfolg versprechend sind, kommt die Zungennervenstimulation im Sinne einer Zweit- respektive Drittlinientherapie als Alternative infrage. Der Patientenselektion kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Tabelle 1 zeigt eine Übersicht über die Indikationen und Kontraindikationen für die Implantation eines Hypoglossus-Schrittmachers zur Zungennervenstimulation.
Tabelle 1: Übersicht über die Indikationen und Kontraindikationen für eine Zungennervenstimulation
 Indikationen
AHI>15/Stunde
CPAP-TherapieNicht toleriert oder nicht erfolgreich
UnterkieferprotrusionsschieneNicht möglich oder nicht erfolgreich
BMI<32 kg/m2 (in Einzelfällen <35 kg/m2)
SchlafvideoendoskopieGeeignetes Kollapsmuster (Velum: anterioposterior)
 Kontraindikationen
Zentrale SchlafapnoeAnteil zentraler Ereignisse am AHI >25%
Notwendigkeit eines Rumpf-MRTFür Inspire®-System und aura6000®-System
InsomnieEin- oder Durchschlafinsomnie
Psychiatrische ErkrankungenInsbesondere Depression
AHI: Apnoe-Hypopnoe-Index; BMI: Body Mass Index; CPAP: «continuous positive airway pressure»; MRT: Magnetresonanztomographie.
Weltweit steigen die Implantationszahlen stark an, sodass eine zunehmende Zahl an Patientinnen und Patienten mit dieser Therapieform versorgt wird. Da es sich beim Nervus (N.) hypoglossus um einen rein motorischen Nerv handelt, ist eine elektrische Stimulation zu therapeutischen Zwecken überhaupt erst möglich. Der N. hypoglossus hat Anteile, welche die Zunge retrahieren, zum Beispiel für das Schlucken, und Nervenfasern, die eine Protrusion verursachen und damit den Atemweg offen halten. Am Hauptstamm des N. hypoglossus befinden sich sowohl Retraktor- als auch Protrusorfasern, während im distalen Bereich des Nervs ausschliesslich Fasern vorkommen, welche die Zunge nach vorne bewegen.
Im Folgenden werden die verschiedenen drei derzeit in der Schweiz verfügbaren Systeme und deren Anwendung vorgestellt.

Inspire®-System

Das Inspire®-System (Inspire Medical, Inc., Golden Valley, Minnesota, USA; Abb. 1A–1C) war das erste System für die Zungennervenstimulation. Die Firma hat sich aus dem Bereich der Herzschrittmachertechnik heraus entwickelt. Die erste Implantation eines Vorläufersystems wurde 2001 durchgeführt und die CE-(Conformité Européenne-)Zulassung für die aktuelle Geräteversion erfolgte im Jahre 2010.
Abbildung 1: Inspire ® -System: Stimulationselektrode am Nervus hypoglossus (A), Impulsgenerator (B), Fernbedienung (C).
Bildmaterial der Autoren
Es handelt sich um ein mit einer Batterie betriebenes System. Eine Stimulationselektrode (Cuff-Elektrode) wird um den distalen N. hypoglossus gelegt, also dort, wo lediglich Protrusorfasern vorkommen. Die Implantation erfordert zwei unilaterale Inzisionen, eine submental und eine etwa 4 cm unterhalb der Clavicula. Das Inspire®-System wird üblicherweise auf der rechten Seite implantiert. Bei einem zusätzlichen kardial begründeten Pacemaker-Implantat auf der linken Seite ist trotzdem eine Implantation des Inspire®-Systems möglich. Die Stimulation erfolgt einseitig über den rechten N. hypoglossus. Untersuchungen haben aber gezeigt, dass in 40–50% der Fälle vom rechten N. hypoglossus eine Kreuzinnervation zur Gegenseite besteht, was zu einer annähernd orthograden Zungenprotrusion führt, während bei rein einseitiger Innervation die Zunge bei der Stimulation zur Gegenseite abweicht.
Vor einer Implantation des Inspire®-Systems muss immer eine Schlafvideoendoskopie durchgeführt werden. Nur Betroffene, die auf Höhe des Velums ein anteroposteriores Kollapsmuster zeigen, können erfolgreich implantiert werden. Bei Patientinnen und Patienten mit einem vollständigen konzentrischen Verschluss auf Velumebene ist eine Therapie mit diesem System nicht erfolgreich.
Die Batterie des Inspire®-Systems hat eine garantierte Lebensdauer von 8–12 Jahren. Der Batteriewechsel kann, wie bei einem kardialen Pacemaker auch, ambulant vorgenommen werden.
Das Inspire®-System ist nur bedingt MRT-tauglich, was bedeutet, dass eine Magnetresonanztomographie (MRT) der unteren Extremitäten und des Kopfes bis 1,5 Tesla möglich ist, nicht aber ein MRT der Schultern, des Thorax oder des Abdomens. Die Firma Inspire Medical hat angekündigt, dass eine uneingeschränkte MRT-Tauglichkeit des Systems im ersten Quartal 2023 zu erwarten ist.
Die Implantatträgerinnen und -träger aktivieren das Gerät vor dem Einschlafen mit einer Fernbedienung und können die Stimulationsstärke in einem Bereich selbst regulieren, der zuvor ärztlich definiert wurde. Ein Sensor zwischen der zweiten und dritten Rippe detektiert die Inspiration im Schlaf und entsprechend wird ein Nervenimpuls gesetzt.
Eine Publikation über eine Implantation dieses Systems bei 1017 Personen zeigte beim Zwölf-Monate-Follow-up eine Reduktion des AHI von 33/Stunde (Standardabweichung [SD] ±15/Stunde) auf postoperativ 14/Stunde (SD ±15/Stunde). Die Tagesschläfrigkeit (gemessen anhand der «Epworth Sleepiness Scale» [ESS]) verbesserte sich von 11 Punkten (SD ±6) auf 7 Punkte (SD ±5). Der Therapieeinsatz betrug im Mittel 5,6 Stunden (SD ±2) pro Nacht [4].
Weltweit wurden bereits über 25 000 OSA-Betroffene implantiert und es gibt über 150 wissenschaftliche Publikationen zu diesem Thema.

Genio®-System

Das Genio®-System (Nyxoah SA, Mont-Saint-Guibert, Belgien; Abb. 2A–2C) erhielt die CE-Zulassung im Jahr 2016.
Abbildung. 2: Genio ® -System: Implantat (A), Stimulator und Ladestation (B), Patientin mit Stimulator (C).
Bildmaterial der Autoren
Mit diesem Implantat werden beide motorische Zungennerven stimuliert, der rechte und linke N. hypoglossus – und zwar im distalen Bereich. Die Elektroden werden über eine submentale Inzision implantiert. Dabei werden sie flächig auf den distalen Nervenfächer angelegt. Die Energieübertragung erfolgt über ein elektromagnetisches Feld. Dafür wird einen Aktivierungs-Chip verwendet, der über ein Ladegerät, das an eine Netzsteckdose angeschlossen ist, aufgeladen wird. Für die Therapie nimmt die Patientin oder der Patient den Aktivierungs-Chip vom Ladegerät und steckt ihn auf das zuvor submental angeklebte Einmalpflaster, das eine Elektrode enthält. Vor der Operation erhalten die Patientinnen und Patienten ein Pflaster zum Probetragen, um eine Pflasterallergie auszuschliessen.
Die Stimulation der Zungennerven erfolgt zyklisch in vordefinierter Frequenz und Dauer, die der Atemfrequenz im Schlaf angepasst sind. Die Stimulationsstärke wird individuell eingestellt. Das Genio®-System wird nicht durch die Inspiration getriggert; die Betroffenen passen ihre Atmung dem Stimulationszyklus an.
Das Genio®-System ist uneingeschränkt MRT-tauglich (1,5 und 3,0 Tesla).
Es gibt erst eine Publikation aus Australien mit 27 Implantierten, wobei schliesslich Daten von 22 Personen ausgewertet werden konnten [5]. Für diese Untersuchung waren ausschliesslich Patientinnen und Patienten implantiert worden, die in der Schlafvideoendoskopie einen anteroposterioren Kollaps auf Velumebene gezeigt hatten. Der AHI lag präoperativ bei 24/Stunde (SD ±12/Stunde) und verringerte sich nach Implantation des Genio®-Systems auf 13/Stunde (SD ±10/Stunde). Das Gesamtergebnis hinsichtlich der ESS wurde von präoperativ 11 Punkten (SD ±5) auf 8 Punkte (SD ±5) gesenkt. Insgesamt 91% der OSA-Patientinnen und -Patienten gaben an, das Stimulationssystem jede Nacht länger als fünf Stunden genutzt zu haben. Sozial störendes Schnarchen, das bei Paaren ein Verlassen des gemeinsamen Schlafzimmers erforderte, reduzierte sich von 96 auf 35%.
Die Firma Nyxoah hat im Juli 2021 verkündet, dass in einer Folgestudie an einer OSA leidende Personen mit einem konzentrischen Kollaps auf Höhe des Velums ebenfalls erfolgreich implantiert werden konnten. Die Daten dieser Studie wurden am «World Sleep Congress» im März 2022 als Poster präsentiert und sind derzeit in Publikation. Weltweit wurde bisher bei weniger als 500 Personen das Genio®-System implantiert. Derzeit sind aber grössere multizentrische Studien in Europa und in den USA im Gange.

Aura6000®-System

Das aura6000®-System (LivaNova, Houston Texas, USA; Abb. 3A und 3B) hat die CE-Zulassung 2012 erhalten.
Abbildung 3: Aura6000 ® -System: Implantat und Fernsteuerung (A), Stimulationselektrode, die an den Hauptstamm des Nervus hypoglossus angelegt wird (B).
© LivaNova, Abdruck mit freundlicher Genehmigung.
Bei diesem System sind für die Implantation zwei Inzisionen erforderlich, die eine submandibulär und die andere unterhalb der rechten Clavicula. Es wird eine Stimulationselektrode mit sechs zirkulär angeordneten Kontaktflächen an den Hauptstamm des N. hypoglossus angelegt. Diese Kontaktflächen werden nach der Operation so konfiguriert, dass eine Versteifung der Zunge und eine Zungenprotrusion resultieren. Der Eingriff ist verglichen mit den beiden vorher dargestellten Systemen einfacher, da der Hauptstamm des N. hypoglossus einfach zu erreichen ist und nicht intraoperativ Protrusorfasern identifiziert werden müssen. Allerdings ist die postoperative Einstellung der Stimulationsparameter aufwendiger, da bei diesem System später im Schlaflabor die retrahierenden Fasern ausgeschlossen werden müssen. Die Stimulation erfolgt nicht atmungsgetriggert, sondern nach einem fixen Zyklus. Der Impulsgenerator wird dabei etwa 4 cm unterhalb der Clavicula auf der rechten Seite implantiert. Der Akku dieses Generators muss möglichst täglich, spätestens aber nach drei Tagen transkutan per Induktion wieder aufgeladen werden. Der Ladevorgang dauert 20 Minuten. Die Lebensdauer des Impulsgenerators beträgt 15 Jahre.
Eine erste Publikation aus dem Jahr 2016 mit 46 Patientinnen und Patienten zeigte eine Reduktion des AHI von präoperativ 35/Stunde (SD ±22/Stunde) auf postoperativ 25/Stunde (SD ±23/Stunde) [6]. Der Punktwert der ESS verbesserte sich von 12 (SD ±5) auf 8 (SD ±4) [6]. Beim aura6000®-System ist präoperativ keine Schlafvideoendoskopie nötig und eine Implantation soll sowohl bei anteroposteriorem wie auch bei konzentrischem Kollaps auf Velumebene möglich sein. Das aura6000®-System ist nicht MRT-tauglich.
Eine im Jahre 2018 in Europa begonnene Multizenterstudie wurde aus nicht bekannten Gründen abgebrochen. Im Jahr 2021 hat – nach technischer Überarbeitung des Systems – eine erneute Multizenterstudie in den USA begonnen. Weltweit erfolgten bisher fast 500 Implantationen mit dem aura6000®-System.

Diskussion und Situation in der Schweiz

In der Schweiz wurden die ersten Implantationen mit dem Inspire®-System im Jahr 2014 am Kantonsspital Baselland in Liestal durchgeführt. Zum Zeitpunkt der vorliegenden Publikation sind in der Schweiz insgesamt bereits mehr als 140 Implantationen durchgeführt worden, 79 davon allein am Implantationszentrum der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten (HNO) des Kantonsspitals in Liestal, die übrigen am «Centre hospitalier universitaire vaudois» (CHUV) in Lausanne, am Inselspital in Bern, am Kantonsspital in St. Gallen und auch im Jahr 2022 erstmals am Ospedale Regionale in Lugano. Das Genio®-System wurde 2021 erstmals in der Schweiz implantiert, und zwar bei drei an OSA Leidenden an der HNO-Klinik in Liestal und bei zwei Betroffenen im Kantonsspital St. Gallen. Die HNO-Klinik des Kantonsspitals in Liestal nimmt als Schweizer Zentrum an der europäischen Multizenterstudie zu Untersuchungen des Genio®-Systems teil. Das aura6000®-System wurde bisher nicht in der Schweiz implantiert.
Eine Übersicht in Tabelle 2 fasst die wichtigsten Eigenschaften der drei Implantationssysteme mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen zusammen. Mit allen drei Systemen sind erfolgreiche Versorgungen möglich. Die wissenschaftliche Datenlage erlaubt derzeit aber keine Aussage, ob ein System eine überlegene Wirksamkeit zeigt. Fakt ist jedoch, dass mit dem Inspire®-System bei Weitem die grösste Erfahrung besteht.
Tabelle 2: Übersicht über die Eigenschaften der verschiedenen Systeme zur Zungennervenstimulation bei obstruktiver Schlafapnoe
 Inspire®-SystemGenio®-Systemaura6000®-System
Präoperative SchlafvideoendoskopieNötigNötigNicht zwingend nötig
Hautinzision(en)212
EnergiezufuhrBatterieElektromagnetisches Feld über einen externen Stimulator Akku-Batterie (induktive Ladung)
Lebensdauer der BatterieMind. 11 Jahre(Ohne Batterie)Mind. 15 Jahre
StimulationEinseitigBeidseitigEinseitig
MRT-TauglichkeitFür Kopf und untere Extremitäten bis 1,5 Tesla tauglichUneingeschränkt tauglichNicht tauglich
Anzahl Patientinnen/Patienten weltweit>25 000<500<500
Anzahl Patientinnen/Patienten in der Schweiz> 1405Keine
Stand: 10. Oktober 2022.
Zur Indikationsstellung für eine Zungennervenstimulation mittels Inspire®- oder Genio®-System ist vorgängig eine Schlafvideoendoskopie erforderlich. Bisher wurden vor allem Betroffene implantiert, bei denen der Atemweg in anteroposteriorer Richtung kollabierte. Ein konzentrisches Kollapsmuster ist grundsätzlich als ungünstig zu werten. Es gibt Hinweise, dass Implantationen mit dem Genio®- oder aura6000®-System auch bei konzentrischem Kollaps zielführend möglich sind. Die Hypothese dabei ist, dass beim Genio®-System die beidseitige Stimulation dafür entscheidend ist und beim aura6000®-System die generelle Tonisierung der oberen Atemwegsmuskulatur. Die derzeitige Studienlage erlaubt hier aber noch keine abschliessende Aussage.
Komplikationen sind selten. Wenn, dann kommt es zu hyperplastischen Narben, Schmerzen im Implantationsgebiet oder Erosionen an der Zungenunterseite infolge der Protrusion. Ausserdem sind lokale Wundinfekte möglich. Wie bei jedem Implantat sind grundsätzlich technische Probleme nicht auszuschliessen, aber die Technik erfüllt höchste Sicherheitsstandards. Die häufigste Nebenwirkung, die auftreten kann, ist der Umstand, dass die Stimulation die Patientinnen und Patienten im Schlaf stört. Dies kann dazu führen, dass eine schlafmedizinisch ausreichende Stimulationsstärke insbesondere in Rückenlage nicht toleriert wird. Dies betrifft vor allen OSA-Patientinnen und -Patienten, die gleichzeitig an einer Insomnie leiden. Bei der Indikationsstellung ist deshalb bei Betroffenen mit Ein- oder Durchschlafstörung Vorsicht geboten. In diesen Fällen empfiehlt es sich, vor der Implantation eine Insomniebehandlung durchzuführen. Bei ausbleibender Besserung der Insomnie kommen diese Personen für eine Implantation eines Zungennervenstimulators nicht infrage.
Generell kann gesagt werden, dass die Implantation eines Zungennervenstimulators eine sichere, komplikationsarme und für die Betroffenen wenig belastende Operation darstellt. Es ist eine Hospitalisation von lediglich zwei bis drei Tagen erforderlich. Die Nachbetreuung erfolgt wohnortnah an schlafmedizinischen Zentren mit spezieller Fachkompetenz in der Behandlung von OSA-Betroffenene mittels Zungennervenstimulation.
Die Reduktion des AHI-Wertes mit einer Zungennervenstimulation ist oftmals geringer als diejenige, die mit einer CPAP-Masken-Behandlung erreicht werden kann. Sowohl die eigene Erfahrung als auch Daten aus der aktuellen Literatur zeigen, dass die Verbesserung der Tagesschläfrigkeit weitgehend unabhängig von der Reduktion des AHI ist. Dies kann damit erklärt werden, dass mit der Zungennervenstimulation Apnoen entweder verschwinden oder zu Hypopnoen werden, die trotz residuellem AHI den Schlaf erholsamer machen, wodurch die Betroffenen morgens ausgeruhter aufwachen. Eine Studie am Kantonsspital in Liestal zeigte, dass über 80% der Patientinnen und Patienten mit der Behandlung zufrieden waren [7].
Bei der Indikation ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Zungennervenstimulation um eine Zweit- respektive Drittlinientherapie handelt, die eine sorgfältige Patientenselektion verlangt. Allgemeine Massnahmen wie Gewichtsverlust, Vermeiden von Alkohol und Empfehlungen zur Schlafhygiene sind integraler Bestandteil bei der Behandlung von an OSA Leidenden. Es sollten nur Betroffene implantiert werden, die eine CPAP-Therapie nicht toleriert haben und bei denen eine Behandlung mit einer Unterkieferprotrusionsschiene entweder nicht erfolgreich oder aufgrund ihres Zahnstatus nicht möglich war. Die Wirksamkeit der Zungennervenstimulation ist durch viele Studien von ausgezeichneter Qualität dokumentiert und hat deshalb auch Eingang in die Leitlinien zur Therapie der OSA gefunden [8]. Die Zungennervenstimulation ist eine wichtige Erweiterung der schlafmedizinischen Therapiemöglichkeiten und wird in Zukunft zweifellos an Bedeutung gewinnen.

Das Wichtigste für die Praxis

Die Zungennervenstimulation ist eine wichtige Therapiealternative für an obstruktiver Schlafapnoe Leidende, die CPAP-(«continuous positive airway pressure»-)intolerant sind.
Bei CPAP-Intoleranz sollte an eine Zungennervenstimulation gedacht werden, wenn der AHI-Wert >15/Stunde beträgt, weniger als 25% zentrale Ereignisse vorhanden sind, der Body Mass Index <35 kg/m2 liegt und keine Insomnie sowie keine psychiatrischen Erkrankungen (z.B. Depression) bestehen.
Die Zungennervenstimulation hat sich in der Schlafmedizin als Zweit- respektive Drittlinientherapie etabliert und bewährt.
Die Implantation sollte an einem Zentrum mit entsprechender Erfahrung und ausreichend hohen Fallzahlen vorgenommen werden.
Die Nachbetreuung erfolgt wohnortnah in Schlaflaboratorien mit spezieller Fachkompetenz im Bereich der Zungennervenstimulation.
Prof. Dr. med. Kurt Tschopp
Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Kantonsspital Baselland
Prof. Dr. med. Kurt Tschopp
Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten
Kantonsspital Baselland
Mühlemattstrasse 13
CH-4410 Liestal
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