Infektionen mit Mycoplasma pneumoniae
Atypische Pneumonie

Infektionen mit Mycoplasma pneumoniae

Übersichtsartikel
Ausgabe
2022/45
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2022.09153
Swiss Med Forum. 2022;22(45):736-740

Affiliations
Kantonsspital Graubünden, Chur: a Innere Medizin; b Infektiologie/Spitalhygiene

Publiziert am 09.11.2022

Auch heute noch stellen Erkrankungen mit Mycoplasma pneumoniae Ärztinnen und Ärzte vor Herausforderungen in der klinischen Einschätzung, Diagnostik und Therapie.

Einführung

Im Frühjahr 2020 wurde die Schweiz von der sich rasch ausbreitenden Pandemie durch das Coronavirus SARS-CoV-2 und die dadurch verursachte Erkrankung COVID-19 erfasst. Neben der gerade noch abflauenden Influenza-Welle wurde COVID-19 rasch zur häufigsten und relevantesten Differentialdiagnose bei febrilen, respiratorischen Infekten. Die Zahl der Diagnosen stieg sprunghaft an.
Umso überraschender war es für das Behandlungsteam am Kantonsspital Graubünden (KSGR), wenn sowohl der Influenza- als auch der SARS-CoV-2-Abstrich bei Personen mit vermeintlich typischen Symptomen negativ ausfielen – wie in nachfolgendem Fallbeispiel.

Fallbeispiel

Die 17-jährige Patientin hatte sich bei ausbleibender klinischer Besserung eines grippalen Infektes selbst zugewiesen. Sie berichtete über Fieber, produktiven Husten mit starkem Hustenreiz, Hals- und Ohrenschmerzen seit rund zehn Tagen. Zudem beklagte sie ein stammbetontes Exanthem und eine Empfindlichkeit auf Licht und Geräusche. Die Umgebungsanamnese war unauffällig.
Bei Eintritt präsentierte sich die Patientin hoch febril mit einer Sinustachykardie bis 130/min. Die periphere Sauerstoffsättigung unter Raumluft war normal. Im Status fielen über dem rechten unteren Lungenfeld ein abgeschwächtes Atemgeräusch sowie ein stammbetontes, makulopapulöses Exanthem ohne Beteiligung der Schleimhäute auf.
Laboranalytisch zeigte sich das C-reaktive Protein (CRP) mit 122 mg/l deutlich erhöht, die Leukozyten waren normwertig, das Procalcitonin tief (0,09 µg/l). Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) für SARS-CoV-2 und Influenza A/B war jeweils negativ.
In der erweiterten Erregerdiagnostik ergab sich mittels Multiplex-PCR des Nasopharyngealabstrichs der positive Genom-Nachweis von Mycoplasma (M.) pneumoniae.
Die Behandlung erfolgte daraufhin mit Doxycyclin für eine Woche. Es kam zu einer raschen klinischen Zustandsbesserung und Entlassung nach Hause.

Mycoplasma pneumoniae

M. pneumoniae ist ein sehr kleines (0,1–0,6 μm) Bakterium aus der Klasse der Mollicutes. Aus dieser Klasse mit über 120 benannten Spezies sind nur gerade vier humanpathogen (M. pneumoniae, M. hominis, M. genitalium und Ureaplasma urealyticum). In der vorliegenden Übersichtsarbeit werden wir nur auf Erkrankungen durch M. pneumoniae bei Erwachsenen eingehen.
M. pneumoniae ist ein häufiger Erreger respiratorischer Infekte und «atypischer» Pneumonien. Er ist etwa zehnmal kleiner als ein Escherichia-coli-Bakterium und gehört somit zu den kleinsten, frei lebenden Organismen. Aufgrund der fehlenden Zellwand ist er in der Gramfärbung nicht anfärbbar und unempfindlich auf Antibiotika, die die Zellwandsynthese beeinträchtigen (wie Betalactam-Antibiotika). Es existieren zwei relevante Subtypen (Typ 1 und Typ 2), die sich in ihrer Virulenz unterscheiden [1].

Geschichte

Bereits in den 1930er-Jahren erkannten Behandelnde, dass gewisse Lungenentzündungen nicht durch die damals bekannten, typischen Erreger wie Pneumokokken und Influenza-Viren verursacht wurden. Diese wurden als primäre atypische Pneumonien (PAP) beschrieben. In den 1940er-Jahren konnten Dr. Monroe Eaton, ein US-amerikanischer Mikrobiologe, und sein Team nachweisen, dass die Erreger der PAP durch respiratorische Sekrete von erkrankten Personen auf Ratten und Hühnerembryos übertragen werden können und in der Folge mit Rekonvaleszentenserum auch wieder neutralisierbar waren. Da weder lichtmikroskopisch noch im Grampräparat ein Erreger nachgewiesen werden konnte, schien eine bakterielle Ursache nach damaligem Verständnis unwahrscheinlich. Man ging von einem unbekannten Virus aus, das als «Eaton agent» bezeichnet wurde. Erst in den frühen 1960er-Jahren konnten die Mikrobiologen Dres. Chanock und Hayflick M. pneumoniae als den gesuchten Erreger identifizieren und benennen [2].

Epidemiologie

M. pneumoniae ist weltweit endemisch, mit regelmässigen, epidemischen Häufungen, beispielsweise in Familien, Schulen oder Militäreinrichtungen. Erkrankungen treten häufiger bei höheren Temperaturen im Sommer und Frühherbst auf. Die Übertragung erfolgt mittels Tröpfchen. Die Erkrankung gilt als hoch ansteckend, die Inkubationszeit ist lang und kann zwei bis vier Wochen betragen. Infektionen mit M. pneumoniae treten bei Kindern häufiger auf als bei Erwachsenen. In einer prospektiven Studie des Kinderspitals Zürich wurden 29 von 63 Fällen (46%) einer ambulant erworbenen Pneumonie auf M. pneumoniae zurückgeführt [3]. Die wahre Prävalenz ist aufgrund der heterogenen Erkrankungsmanifestationen, der aufwendigen Diagnostik und der fehlenden Meldepflicht schwierig abzuschätzen. Daten aus den USA lassen vermuten, dass 4–8% der ambulant erworbenen Pneumonien durch M. pneumoniae verursacht werden, während es bei epidemischen Häufungen bis zu 40% sein können.

Klinik

Die Erkrankung zeigt ein breites klinisches Spektrum von asymptomatischen bis zu schweren oder selten gar tödlichen Verläufen. Symptome einer Tracheobronchitis und einer oberen Atemwegsinfektion sind am häufigsten und meist selbstlimitierend. Die wichtigste klinische Manifestation ist aber die Pneumonie, die in 3–10% aller Erkrankungsfälle auftritt und in der Regel einer antibiotischen Behandlung bedarf. Die führenden klinischen Symptome unterscheiden sich nicht relevant von denen anderer respiratorischer Infekte. Durch Ausbildung einer bronchialen Überreagibilität kann der Husten allerdings über Wochen bis Monate persistieren.
Extrapulmonale Manifestationen sind häufig und können jedes Organ betreffen. Sie sind meist mild, können aber auch zu relevanten Organdysfunktionen führen. Da sie, gerade im Vergleich zu anderen respiratorischen Infekten oder «typischen» bakteriellen Pneumonien, häufiger sind, können sie diagnostische Hinweise auf die Erkrankung liefern. Eine Übersicht über die extrapulmonalen Manifestationen ist in Tabelle 1 zu finden.
Tabelle 1: Übersicht über die relevantesten extrapulmonalen Erkrankungsmanifestationen
ErkrankungHäufigkeit
Nervensystem(Meningo-)EnzephalitisGuillain-Barré-SyndromTransverse MyelitisAkute zerebelläre AtaxieKraniale und periphere NeuropathienAkute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM)Schlaganfall6–7%
Haut«Mycoplasma pneumoniae-induced rash and mucositis» (MIRM)bis 25%
BlutHämolyse (Kälteagglutinin-Erkrankung)60%
HerzPerikarditisMyokarditis4%
NiereGlomerulonephritis, verschiedene TypenSelten
Magen-Darm-TraktUnspezifische Magen-Darm-BeschwerdenHepatitis20–30%
MuskuloskelettalArthralgien und MyalgienArthritisKeine Angabe
Die angegebenen Häufigkeiten beziehen sich auf alle Erkrankungen und sind als orientierende Richtwerte zu verstehen, da die Zahlen in der Literatur teilweise erheblich schwanken.
Häufig kommt es, gerade bei Kindern, zur Hautbeteiligung. Typisch und oft prominent sind dabei Schleimhautaffektionen mit oraler Mukositis und Konjunktivitis (Abb. 1), aber auch urogenitale Läsionen treten auf. Die Hautmanifestationen sind vielfältig und präsentieren sich oft mit makulopapulösen oder vesikulobullösen Läsionen. Auch Effloreszenzen ähnlich einem Erythema multiforme oder einem Stevens-Johnson-Syndrom kommen vor. Aufgrund der hiervon distinkten Ätiologie und besseren Prognose wurde für diese dermatologischen Phänomene der Begriff «Mycoplasma pneumoniae-induced rash and mucositis» (MIRM) geprägt.
Abbildung 1: Ausgeprägte Mukositis (A) und Konjunktivitis (B) im Rahmen einer nachgewiesenen Infektion mit Mycoplasma pneumoniae bei einem 35-jährigen Patienten. Ein schriftlicher Informed Consent für die Publikation liegt vor.
Neurologische Symptome kommen in bis zu 6% der schweren Erkrankungsfälle vor. Sie sind schwierig zu therapieren und oft mit einer relevanten Morbidität, bleibenden neurologischen Ausfällen und selten auch Todesfällen vergesellschaftet.
Gastrointestinale Symptome sind vergleichsweise selten, was für die Unterscheidung von der Legionellen-Erkrankung, die ihrerseits häufig mit gastrointestinalen Symptomen einhergeht, hilfreich sein kann.
Weitere typische extrapulmonale Manifestationen stellen eine zumeist milde Autoimmunhämolyse durch Kälteagglutinine, Arthralgien und Myalgien, eine Hepatitis und selten eine Peri(myo)karditis dar.
Insgesamt existiert aber kein klinisches Symptom, das als pathognomonisch für die Erkrankung durch M. pneumoniae gewertet werden kann.

Pathogenese

M. pneumoniae gilt als parasitäre Bakterienspezies, da es für sein Überleben auf Biosyntheseleistungen einer Wirtszelle angewiesen ist. Seine mikrobiologischen Eigenschaften erlauben es ihm, sich hierfür über eine spezielle Anhangsorganelle («attachment organelle») bevorzugt an respiratorisches Epithel anzuheften und an diesem auch entlangzugleiten. Seine pathogene Wirkung entfaltet es einerseits über lokale zytotoxische Effekte wie die Produktion von Wasserstoffperoxid (H2O2), die Aktivierung der Zytokinkaskade und die Bildung von Superantigenen. Letztere sind Proteinstrukturen, die eine grosse, polyklonale Population von T-Zellen unspezifisch aktivieren können. Zum anderen produziert M. pneumoniae als relevanten Virulenzfaktor das Exotoxin «community-aquired respiratory distress syndrome toxin» (CARDS-Toxin), das die Entzündung und Zerstörung des infizierten respiratorischen Epithels fördert. Es wurde mit schweren klinischen Verläufen assoziiert. Der Bakterien-Subtyp 2 produziert mehr CARDS-Toxin und wurde entsprechend ebenfalls mit schwereren klinischen Verläufen assoziiert.

Immunabwehr

Die humane Immunabwehr wird durch verschiedene Faktoren eingeschränkt. Aufgrund seiner mikrobiologischen Eigenschaften kann M. pneumoniae neben der Ausbildung eines Biofilms auch durch Fusion mit der Wirtszelle nach intrazellulär gelangen und sich so der Immunabwehr entziehen. Weiter ist seine Zellmembran derer der Wirtszelle sehr ähnlich, was die Erkennung durch das Immunsystem erschwert und zur Bildung von Autoimmunantikörpern führen kann. Letzteres ist vermutlich für viele der extrapulmonalen Erkrankungsmanifestationen und assoziierten Immunphänomene verantwortlich.
Die natürliche Immunität gegenüber M. pneumoniae hält aufgrund der geschilderten Faktoren meist nur kurz an, Re-Infektionen sind häufig. Verlängerte asymptomatische Erregerausscheidungen über Monate sind ebenfalls beschrieben.

Diagnostik

Zur Diagnostik einer Pneumonie durch M. pneumoniae ist eine konventionell-radiologische Thorax-Aufnahme empfohlen. Im Vergleich zu den flächigen Infiltraten im Rahmen «typischer» Pneumonien finden sich hier eher retikulo-noduläre Veränderungen. In der Computertomographie, die besonderen Fragestellungen vorbehalten bleibt, zeigen sich Verdickungen der bronchovaskulären Strukturen, Milchglas-Verschattungen («ground glass opacity») und Tree-in-bud-Muster (Abb. 2).
Abbildung 2: Thorakales Computertomogramm bei Mykoplasmen-Pneumonie, Transversalschnitt auf Höhe der Lungenhili: Ausgedehntes «tree-in-bud» (gelbe Pfeile) in der gesamten rechten Lunge, rechtsseitig betonte Bronchialwandverdickung.
Die Entzündungsparameter sind unspezifisch. Die Leukozyten zeigen sich oft normwertig oder nur leicht erhöht, die CRP-Level mässig bis deutlich erhöht. Das Procalcitonin (PCT) ist typischerweise nicht erhöht. Eine retrospektive Studie der Kolleginnen und Kollegen am Kantonsspital Aarau konnte zeigen, dass bei Pneumonien mit diagnostiziertem Erreger eine hohe CRP/PCT-Ratio (>400 mg/µg) der stärkste Prädiktor für die Unterscheidung von Pneumonien durch M. pneumoniae und Pneumonien durch Pneumokokken oder Viren war [4].
Die weiteren Laborbefunde sind ebenfalls unspezifisch. Häufig besteht eine milde Erhöhung der Transaminasen. Bei neurologischen Manifestationen findet sich in der Lumbalpunktion oft eine lymphozytäre Pleozytose mit erhöhtem Proteingehalt.
Aufgrund der Ähnlichkeit zur Wirtszelle kommt es durch Ausbildung von Immunglobulin-M-(IgM-)Autoantikörpern gegen rote Blutzellen häufig zu einer Autoimmunhämolyse mit Erhöhung der Hämolyseparameter. Der direkte Antihumanglobulintest (Coombs-Test) ist positiv, und es können Kälteagglutinine nachgewiesen werden. Wenngleich die Hämolyse häufig mild und selten therapeutisch relevant ist, so kann doch der Nachweis von Kälteagglutininen bei entsprechendem klinischen Verdacht diagnostisch genutzt werden: Dazu wird ein Ethylendiamintetraazetat-(EDTA-)Blutröhrchen für zwei bis drei Minuten im Eisbad abgekühlt, was zu einer sichtbaren Verklumpung führt, die bei Wiedererwärmen der Blutprobe reversibel ist. Kälteagglutinine an sich sind aber nicht spezifisch für Erkrankungen mit M. pneumoniae, sondern treten auch bei anderen infektiösen und hämatoonkologischen Erkrankungen auf.

Diagnosestellung

Die Diagnose lässt sich durch den PCR-Nachweis des M.-pneumoniae-Genoms in einer respiratorischen Probe, beispielsweise Nasopharyngealsekret oder Sputum, stellen. Da die Rate an asymptomatischen Trägern gerade bei Kindern hoch sein kann, sollte die Diagnose aber nur bei passender Klinik gestellt werden. Neben spezifischen PCR-Tests für M. pneumoniae existieren auch Multiplex-PCR-Tests, die gleichzeitig die Suche nach anderen respiratorischen Erregern erlauben. Letztere weisen aber allenfalls eine etwas geringere Sensitivität für die Detektion von M. pneumoniae auf.
Alternativ kann, gerade bei subakuten Verläufen, die Serologie zur Diagnosestellung verwendet werden. IgM-Titer lassen sich etwa ab sieben Tagen nach Krankheitsbeginn nachweisen, IgG-Antikörper folgen ein bis zwei Wochen später. Eine positive Serologie sollte zur Diagnosesicherung nach etwa vier Wochen wiederholt werden, wobei ein mindestens vierfacher Titeranstieg für die Diagnose spricht. Die mikrobiologische Kultur hat im Alltag keinen Stellenwert.

Behandlung

Die Indikation zur Behandlung ist nur bei schweren Verläufen mit Pneumonie gegeben. Milde Erkrankungen im oberen Respirationstrakt können symptomatisch behandelt werden. Eine Erregerdiagnostik ist, gerade in der Hausarztpraxis, nicht in allen Fällen nötig oder sinnvoll. Ein empirisches Antibiotikaregime bei ambulant erworbener Pneumonie sollte, insbesondere bei jüngeren Personen mit den genannten extrapulmonalen Manifestationen, auch atypische Erreger abdecken.
Zur Behandlung der Pneumonie durch M. pneumoniae kommen bei Erwachsenen Makrolide, Tetrazykline oder als Reserve respiratorische Fluorchinolone infrage (Tab. 2).
Tabelle 2: Empfohlene Behandlungsschemata bei Erkrankungen mit Mycoplasma pneumoniae (Erwachsene)
WirkstoffgruppeWirkstoffDosierung pro Tag (d)Dauer
Makrolide
Clarithromycin
Azithromycin
2 × 500 mg
1 × 500 mg (d1)
1 × 250 mg (d2–5)
5–7 Tage*5 Tage
TetrazyklineDoxycyclin2 × 100 mg5–7 Tage*
Fluorochinolone°LevofloxacinMoxifloxacin1 × 500 mg1 × 400 mg5–7 Tage*5–7 Tage*
* Bei gutem klinischen Ansprechen. Bei unzureichendem Ansprechen sollte die Behandlungsdauer auf 7–14 Tage verlängert werden.° Reserveantibiotika bei schweren klinischen Verläufen.
Bei der Auswahl der Antibiotika muss die weltweit (insbesondere in Asien) zunehmende Resistenzentwicklung von M. pneumoniae gegen Makrolide berücksichtigt werden. In einer retrospektiven Analyse des mikrobiologischen Instituts der Universität Zürich wiesen hierzulande 15 von 163 (9%) M.-pneumoniae-Isolaten eine Makrolid-Resistenz auf [5]. Das Vorliegen einer Makrolid-Resistenz kann in der Schweiz bei entsprechender Fragestellung über die mikrobiologischen Labors grosser Kliniken (z.B. «Centre hospitalier universitaire vaudois» [CHUV] in Lausanne oder Unispital Zürich) ausgetestet werden. Bei schweren Verläufen oder fehlendem Ansprechen auf Makrolide sollte die Resistenzprüfung veranlasst und allenfalls eine alternative empirische Therapie, zum Beispiel mit Doxycyclin, gewählt werden. Levofloxacin und Moxifloxacin bleiben als Reserveantibiotika Sonderfällen vorbehalten, beispielsweise bei Erkrankungen mit schwerer neurologischer Beteiligung.
Da bei den extrapulmonalen Symptomen von Autoimmunphänomenen ausgegangen wird, sind, je nach Symptomschwere, auch immununterdrückende oder -modulierende Therapien zu evaluieren. Gerade bei schwerer neurologischer Beteiligung oder schwerer Autoimmunhämolyse haben neben der (hier intravenösen) Antibiotikatherapie sowohl die Therapie mit Glukokortikoiden als auch die Gabe von intravenösen Immunglobulinen oder die Plasmapherese im Einzelfall einen Stellenwert.
Im Spital oder in sozialen Einrichtungen ist gemäss «Centers for Disease Control and Prevention» (CDC) eine Tröpfchenisolation bis zur Symptomfreiheit empfohlen. Umgebungsmassnahmen oder eine antibiotische Postexpositionsprophylaxe (üblicherweise mit Azithromycin) können bei Epidemien indiziert sein. Eine Impfung existiert nicht.

Mycoplasma pneumoniae und SARS-CoV-2

Im Rahmen der COVID-19-Pandemie wurden Co-Infektionen mit anderen Erregern in verschiedenen retrospektiven Studien und Fallserien sowie Einzelfallberichten untersucht. Hierbei zeigten sich sehr heterogene Co-Infektions-Raten mit M. pneumoniae, die sich aber jeweils im tiefen einstelligen Prozentbereich bewegten. In einer Fallserie zeigten Personen mit einer Doppelinfektion mit SARS-CoV-2 und M. pneumoniae eine längere Dauer des Hustens und ein erhöhtes Risiko für Thromboembolien [6].
Am KSGR konnten wir in den ersten zwei Monaten der COVID-19-Pandemie eine Häufung von epidemiologisch nicht miteinander verbundenen Erkrankungen mit M. pneumoniae feststellen. Diese führten wir in erster Linie darauf zurück, dass uns in dieser Zeit vermehrt Patientinnen und Patienten mit atypischen Pneumonien zur weiteren Abklärung zugewiesen worden waren. Während der weiteren Wellen der COVID-19-Pandemie konnten wir, trotz regelmässiger Screenings bei unklaren Pneumonien, keine weiteren Fälle mehr feststellen. Dies erklärten wir uns damit, dass die zwischenzeitlich getroffenen Hygiene- und Abstandsmassnahmen und insbesondere die weitreichende Maskenpflicht auch die Tröpfchenübertragung von M. pneumoniae relevant eingeschränkt hatten. Offizielle Zahlen dazu existieren aufgrund der fehlenden Meldepflicht nicht.

Zusammenfassung

M. pneumoniae bleibt ein wichtiger Erreger atypischer Pneumonien, gerade bei jüngeren Betroffenen. Der früher gebräuchliche Begriff der «walking pneumonia» [2] suggeriert bereits, dass die Mehrzahl dieser Patientinnen und Patienten nicht im Spital anzutreffen ist, sondern in den allgemeinmedizinischen und pädiatrischen Arztpraxen. Hier geht es in erster Linie darum, die empirische Antibiotikatherapie bei atypischen Erkrankungsmerkmalen mit einem entsprechenden Spektrum auszuwählen.
Für die im Spital tätigen Kolleginnen und Kollegen bleiben Erkrankungen durch M. pneumoniae eher eine seltene Diagnose. Wenn die Betroffenen im Spital behandelt werden müssen, liegt meist eine relevante pulmonale oder extrapulmonale Symptomatik vor, die frühzeitig korrekt behandelt werden sollte. Dies setzt wiederum ein niederschwelliges klinisches Verdachtsmoment und eine rasche Erregerdiagnostik voraus. Das Vorliegen einer erhöhten CRP/PCT-Ratio über 400 mg/µg kann – wenngleich bisher nicht prospektiv validiert – ein hilfreicher, einfach zu berechnender, laboranalytischer Prädiktor für eine Pneumonie durch M. pneumoniae sein. Die CRP/PCT-Ratio war passend dazu auch bei unserer Patientin mit 1355 mg/µg deutlich erhöht.
Die empirischen Antibiotikarichtlinien sollten im Spital bei ambulant erworbenen Pneumonien, insbesondere auch im Hinblick auf die Legionellen-Pneumonien, atypische Erreger standardmässig mitberücksichtigen.
Es ist aus unserer Sicht gerade in Pandemiezeiten sinnvoll, diese wichtige Differentialdiagnose der atypischen Pneumonie im Hinterkopf präsent zu haben.
Dr. med. Lukas Dürst
Innere Medizin, Kantonsspital Graubünden, Chur

Das Wichtigste für die Praxis

Mycoplasma (M.) pneumoniae ist ein relativ häufiger Erreger atypischer Pneumonien und mit einer Vielzahl extrapulmonaler Symptome vergesellschaftet.
Die Erregeridentifikation, am einfachsten mittels PCR-Nachweis aus einem respiratorischen Sekret (Nasopharyngealabstrich oder Sputum), ist wichtig, damit die korrekte Antibiotikatherapie mit einem Makrolid oder mit Doxycyclin durchgeführt werden kann.
Wird keine Erregerdiagnostik durchgeführt, sollte bei der empirischen Antibiotikatherapie einer ambulanten Pneumonie, vor allem bei jungen Menschen mit extrapulmonalen Symptomen, M. pneumoniae als möglicher Erreger berücksichtigt werden.
Bei der Auswahl der Antibiotikatherapie gilt es, die zunehmende Resistenz von M. pneumoniae gegenüber Makroliden zu bedenken.
Besten Dank an Frau PD Dr. med. Nadine Kawel-Böhm, Leitende Ärztin der Radiologie am Kantonsspital Graubünden, für die Befundung und Bereitstellung der thorakalen Computertomographie-Bilder.
Ein schriftlicher Informed Consent für die Publikation liegt vor.
Dr. med. Lukas Dürst
Stv. Leitender Arzt
Departement Innere Medizin
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170
CH-7000 Chur
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