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Praxisrelevant
Nur eine Pille nach Myokardinfarkten?
Seit 20 Jahren wird vor allem in der Kardiologie von der Polypille gesprochen und/oder geträumt. Die Hoffnung ist, dass die therapeutische Wirkung wegen verbesserter Compliance höher sein würde. Die Strategie steht aber etwas im Widerspruch zur personalisierten Medizin, die den Anspruch hat, das beste Medikament in der wirksamsten und nebenwirkungsärmsten Dosis für individuelle Patientinnen und Patienten auszuwählen.
In einer prospektiven europäischen Studie mit gut 2500 Individuen (mit circa drei Jahren Nachbeobachtung) wurde der sekundär-prophylaktische Effekt einer Polypille (Acetylsalicylsäure 100 mg, Ramipril 2,5, 5 oder 10 mg und Atorvastatin 20 oder 40 mg) mit jenem einer Kombination von Einzelmedikamenten verglichen, und zwar nach einem Myokardinfarkt. Wie etwas zu erwarten, war die Compliance in der mit der Polypille behandelten Gruppe signifikant höher und der kombinierte Endpunkt (Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall) seltener (Risikoreduktion von absolut minus 3,2%, entsprechend einer «number needed to treat» von ca. 30).
Quod erat demonstrandum, also. Obwohl die Studienärztinnen und -ärzte eine gewisse Freiheit in der Dosiswahl hatten, teilt die Polypille mit langwirkenden Einzelsubstanzen die Nachteile von Kombinationspräparaten. Eintitrieren der idealen Dosis, dadurch Prävention von Nebenwirkungen werden schwieriger. Aus verständlichen Gründen waren Beta-Blocker nicht Teil der Polypille. Deren sekundär-prophylaktische Wirkung ist gut dokumentiert, aber die optimale Präventionsdauer ist mutmasslich kürzer als jene der getesteten Substanzen.
Antikoagulation bei Vorhofflimmern: Vitamin-K-Antagonisten behalten einen Platz
Bei den meisten Formen des Vorhofflimmerns haben sich die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK oder Nicht-Vitamin-K-Antagonisten) in der Schlaganfallprophylaxe als ebenbürtig zu den Vitamin-K-Antagonisten bei weniger Nebenwirkungen (vor allem weniger intrakranielle Blutungen) gezeigt. Nicht aber bei rheumatisch bedingten Klappenerkrankungen:
Bei etwa 4500 Patientinnen und Patienten mit echokardiographisch sehr wahrscheinlicher rheumatischer Valvulopathie erwiesen sich Vitamin-K-Antagonisten im Vergleich zu Rivaroxaban als wirksamer in der Verhinderung von Schlaganfall, systemischer Embolisierung, Myokardinfarkt, aber auch der Mortalität. In dieser Studie waren die Blutungsrisiken bei Vitamin-K-Antagonisten und Rivaroxaban vergleichbar.
Auch wenn die rheumatische Herzkrankheit in der Schweiz zum Glück nicht mehr sehr häufig vorkommt, ist diese gut durchgeführte Studie doch wegweisend für die Wahl von Vitamin-K-Antagonisten als Antikoagulanzien der ersten Wahl bei Vorhofflimmern.
Die gegenwärtigen Behandlungsoptionen umfassen Kontrazeptiva, Embolisationen oder chirurgische Entfernung. Gonadotropin-Rezeptorantagonisten sind seit mehr als 20 Jahren als Peptide verfügbar, erfordern aber eine parenterale Applikation. Neu sind oral applizierbare Nicht-Peptidantagonisten verfügbar, deren Indikationsgebiete die Endometriose, Uterusmyome und die Prostatahyperplasie umfassen können.
In zwei relativ grossen Studien (zusammen mehr als 1000 Frauen, sechs Monate nachkontrolliert) führte die volle Suppression der Gonadotropinsekretion durch einen dieser Antagonisten (Linzagolix) zu einer signifikanten Abnahme der menstrualen Blutverluste und deutlichen Besserung der klinischen Symptomatik. Zur besseren Verträglichkeit (Wallungen und Ähnliches) und Verhinderung von längerfristigen Nebenwirkungen (zum Beispiel Osteoporose) erwies sich eine tiefdosierte, parallele Östrogen/Gestagen-Substitution als wichtig.
Wenn sich die Studienresultate auch längerfristig bestätigen, könnte diese orale Therapie einen wichtigen Platz in der nichtinvasiven Behandlung von Uterusmyomen erhalten.
Therapeutika der Onkologie und verlängerte QT-Intervalle
Eine frequenzkorrigierte Verlängerung des QT-Intervalles ist ein Mortalitätsrisiko, vor allem durch Begünstigung einer speziellen Form von Kammertachykardien («torsade de pointes»). Erinnert sei daran, dass eine Reihe von onkologischen Therapeutika nicht einer rigorosen Untersuchung dieser Komplikation unterzogen wurden. Neben den onkologischen Therapeutika per se kommen auch die oft parallel verabreichten Antiemetika sowie Elektrolytstörungen bei gastrointestinalen Nebenwirkungen (Hypokaliämie und -magnesiämie) infrage. Die zitierte Arbeit definiert Risikogruppen (tief, mässig, hoch) für die Entwicklung einer QT-Verlängerung mit Auflistung aller heute gebräuchlichen onkologischen Medikamente (Figur 2 der Arbeit ist als Nachschlage-Ressource empfehlenswert). Antiemetika wie Ondansetron, Dolasetron und Domperidon sind vor allem bei Patientinnen und Patienten mit vorbestehenden kardiovaskulären Risiken vorsichtig oder nicht anzuwenden (Alternativen sind verfügbar).
Multiple Sklerose und intestinale Mikrobiom-Konstellation
Veränderungen des intestinalen Mikrobioms sind bei einer Vielzahl von Erkrankungen beschrieben. Ob sie Ursache oder assoziierte Folge sind, ist oft unklar. Für die Multiple Sklerose relevant sind immunmodulatorische Effekte des intestinalen Mikrobioms und auch direkte Effekte auf das Zentralnervensystem.
Die «International Multiple Sclerosis Microbiome Study» (iMSMS) verglich 576 an Multipler Sklerose Erkrankte (gut ein Drittel davon noch unbehandelt) mit der doppelten Zahl von nicht verwandten, aber im gleichen Haushalt lebenden Kontrollpersonen («Korrektur» für externe Faktoren). Die Forschergruppe fand charakteristische Mikrobiom-Konstellationen («Fussabdrücke») für das Risiko, den Verlauf und die Progression der Multiplen Sklerose. Die Autorenschaft ist wohltuend selbstkritisch und stellt fest, dass die Ursache und biologische Bedeutung der Veränderungen noch besser zu definieren seien.
Bis die Hoffnung erfüllt oder enttäuscht werden wird, dass Manipulationen des intestinalen Mikrobioms einen signifikant präventiven oder therapeutischen Effekt bei Multipler Sklerose haben, ist es aber – wie bei vielen anderen Erkrankungen – ein ziemlich weiter und steiniger Weg.
Migräne ist gekennzeichnet durch meist typische Kopfschmerzen, Nausea, Erbrechen und sensorische Überempfindlichkeit in unterschiedlichen Kombinationen.
Vor allem bei unter 50-Jährigen ist sie die Krankheit mit der grössten und häufigsten Einschränkung des Wohlbefindens.
«Stress», individuell definiert, hat die stärkste Evidenz, nachfolgende Migräneattacken auszulösen.
Gestörter Schlaf kann bei anfälligen Individuen am Folgetag eine Migräneattacke auslösen.
Unter den diätetischen Migräneauslösern sind Koffein und Alkohol (und auch ein Entzug derselben) am besten dokumentiert.
Eine gute Hydrierung kann gemäss vielen Betroffenen die Migränefrequenz und -intensität senken.
Körperliche Aktivität scheint keine bewiesene Schutzwirkung auszuüben.
Verhaltenstherapien, Entspannungsmethoden mit oder ohne Biofeedback-Informationen werden objektiv und von vielen Betroffenen als sehr hilfreich empfunden.