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Schilddrüsenknoten begegnen uns häufig in der alltäglichen Praxis. Eine interdisziplinäre ärztliche Zusammenarbeit sowie klare Algorithmen sind wichtig, um die klinisch relevanten Schilddrüsenknoten zu erkennen und den Betroffenen eine optimale und gezielte Therapie empfehlen zu können.
Einteilung und Epidemiologie
Schilddrüsenknoten sind sehr häufig. Ultraschalluntersuchungen in grossen, unselektionierten Kollektiven zeigen eine Prävalenz von 30 bis fast 70% [1, 2], wobei steigendes Alter, weibliches Geschlecht und vor allem auch Jodmangel wichtige Risikofaktoren für die Ausbildung von Knoten darstellen. Durch die klinische Untersuchung und Halspalpation lassen sich diese bei 1 bis 5% der Personen in einer Jod-suffizienten Population erkennen [3, 4]. Der restliche Anteil wird oft inzidentell durch bildgebende Verfahren wie Ultraschall, Computertomografie (CT), Magnetresonanztomografie (MRT) oder Positronenemissionstomografie mit Computertomografie (PET-CT) diagnostiziert, wobei die Rate der mittels CT oder MRT detektierten Knoten bis zu 16% betragen kann [5].
Der Hauptanteil der Schilddrüsenknoten ist benigne und asymptomatisch und bleibt dies auch im weiteren Verlauf der Beobachtung. In der Literatur wird eine Malignitätsrate von 4 bis etwa 6% angegeben [6–8], jedoch ist sie gerade bei jüngeren Personen (unter 20 bis 30 Jahre) deutlich höher und liegt meist über 10 bis 15% [9]. Höhere Prävalenzen von malignen Schilddrüsenknoten weisen auch Personen mit Status nach Bestrahlung im Halsbereich oder mit einer positiven Familienanamnese für Schilddrüsenkarzinome auf.
Schilddrüsenknoten, die zytologisch bestätigt maligne sind oder zytologisch nicht eindeutig als benigne klassifiziert werden können, müssen zur Behandlung respektive zur histologischen Klärung operiert werden. Auch Knoten, die Kompressionssymptome oder eine Hyperthyreose verursachen, sind behandlungsbedürftig [3]. Je nach zugrunde liegender Pathologie oder Symptomatik kommen medikamentöse Therapien, Radiojodtherapie (RJT), Thermoablation oder Operation zum Einsatz. Bei rezidivierenden, symptomatischen Schilddrüsenzysten stellt die perkutane Ethanol-Injektion eine einfach durchzuführende und effektive Therapiemöglichkeit dar [10]. In diesem Artikel fokussieren wir uns auf die Behandlung der benignen, soliden Schilddrüsenknoten.
Anamnese, klinische Untersuchung, Labordiagnostik und Bildgebung
Wurde ein Schilddrüsenknoten diagnostiziert, sollte die Abklärung einem klaren Algorithmus folgen (Abb. 1).
Mit der Anamnese werden die Symptome einer Funktionsstörung (Hypo- oder Hyperthyreose) sowie möglicherweise bestehende Kompressionssymptome erfragt. Diese können von Räusperzwang, Globusgefühl, Dyspnoe, Schluckschwierigkeiten und Schmerzen bis zu Heiserkeit oder inspiratorischem Stridor reichen. Wichtige Bestandteile des Erstgesprächs sind auch die Familienanamnese (Schilddrüsenerkrankungen, im Besonderen Autoimmunthyreopathien, und Schilddrüsenmalignome), die aktuelle Medikation sowie mögliche Risikofaktoren wie eine frühere Strahlenexposition (Exposition gegenüber ionisierender Strahlung, z.B. bei Reaktorereignis, bzw. radio-onkologische Bestrahlung im Kopf-Hals-Bereich). Die Anamnese soll ebenfalls eine frühere respektive kontinuierliche Jod-Exposition (z.B. Kontrastmitteluntersuchungen, Einnahme von Amiodaron) sowie Medikamente, die den Schilddrüsenmetabolismus beeinflussen (z.B. Lithium), erfassen, da gewisse Medikamente die Schilddrüsenfunktionstests beeinflussen können und die Jodexposition die Szintigrafie unmöglich machen kann.
Die klinische Untersuchung ist fokussiert auf die Inspektion und Palpation der Schilddrüse und der zervikalen Lymphknoten. Daneben werden auch weitere systemische Zeichen einer Schilddrüsenfunktionsstörung beachtet. So kann beispielsweise eine endokrine Orbitopathie bereits einen Hinweis auf die Ätiologie der Erkrankung liefern. Auch die Haut- und Nagelbeschaffenheit (Schweisssekretion, trockene Haut, Onycholyse) können Hinweise auf eine Funktionsstörung der Schilddrüse geben.
Bei der laborchemischen Diagnostik stellt die Bestimmung des Thyroidea-stimulierenden Hormons (TSH) die wichtigste und sensitivste Untersuchung zur Erfassung einer primären Schilddrüsendysfunktion dar. Die Bestimmung der freien Schilddrüsenhormone (freies Trijodthyronin [fT3] und freies Thyroxin [fT4]) erfolgt zusätzlich bei auffälligen TSH-Werten und dient der Klassifizierung einer Hypo- oder Hyperthyreose (subklinische bzw. manifeste Funktionsstörung). Bei Verdacht auf eine fokale Autonomie sollte bei erniedrigtem TSH neben fT4 auch immer fT3 bestimmt werden, da bei dieser Entität «isolierte» T3-Hyperthyreosen nicht selten sind [4]. Die Bestimmung der Antikörper kann bei klinischem Verdacht weitere Informationen zur zugrunde liegenden Ursache liefern. So sind erhöhte Anti-TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) typisch für den Morbus Basedow und Thyreoperoxidase-Antikörper (TPO-AK) sind bei einer Hashimoto-Thyreoiditis und meist auch bei einem Morbus Basedow zu finden. Bei Schilddrüsenknoten führen wir am Luzerner Kantonsspital standardmässig eine Calcitonin-Messung durch. Das Calcitonin wird durch die parafollikulären C-Zellen der Schilddrüse produziert und ist ein zuverlässiger Marker für die frühe Diagnose eines medullären Schilddrüsenkarzinoms [3]. Der Calcitonin-Wert wird durch verschiedenste Faktoren beeinflusst [11] und muss immer im Kontext von alters- und geschlechtsspezifischen Referenzbereichen interpretiert werden. Eine generelle Empfehlung zum allgemeinen «Calcitonin-Screening» bei Schilddrüsenknoten fehlt jedoch in den gängigen Guidelines (unter anderem wegen ungenügender Spezifität und positiv-prädiktivem Wert für die Diagnosestellung eines medullären Schilddrüsenkarzinoms) [12].
Die routinemässige Bestimmung des Thyreoglobulins wird nicht empfohlen, da durch erhöhte Thyreoglobulin-Spiegel keine Aussage über die Dignität des Schilddrüsenknotens gemacht werden kann [3, 4]. Zum Ausschluss eines synchronen Hyperparathyreoidismus soll insbesondere bei geplanter Operation immer die Bestimmung des Albumin-korrigierten Kalziums erfolgen.
Bei der sonografischen Untersuchung der Schilddrüse wird das Schilddrüsenvolumen bestimmt und Parenchymstruktur, Durchblutung, Schilddrüsenknoten und zervikale Lymphknoten werden beurteilt. Sonomorphologische Kriterien erlauben ein Abschätzen des Malignitätsrisikos. Ein häufig verwendetes Klassifikations-System ist das «European Thyroid Imaging Reporting and Data System» (EU-TIRADS) (Tab. 1) zur Risikostratifizierung der Schilddrüsenknoten [13]. Die Knoten werden nach sonografischen Charakteristika in fünf Risikokategorien eingeteilt. Je nach EU-TIRADS-Kategorie und Grösse der Knoten wird die Indikation zur Feinnadelpunktion (FNP) gestellt.
Tabelle 1: EU-TIRADS-Kategorien der sonografischen Untersuchung mit Malignitätsrisiko und der Indikation zur Durchführung einer Feinnadelpunktion | |||
EU-TIRADS-Kategorie | Sonografische Merkmale | Malignitätsrisiko | Indikation zur FNP |
EU-TIRADS 1: normal | Keine Knoten | Kein Risiko | Keine FNP indiziert |
EU-TIRADS 2: benigne | Zyste oder komplett spongiformer Knoten | ca. 0% | Keine FNP indiziert |
EU-TIRADS 3: geringes Risiko | Ovaläre, isoechogene oder hyperechogene, scharf abgrenzbare Raumforderung. Keine Malignitätsmerkmale. | 2–4% | FNP falls Knoten >2 cm |
EU-TIRADS 4: intermediäres Risiko | Ovaläre, leicht hypoechogene, scharf abgrenzbare Raumforderung. Keine Malignitätsmerkmale. | 6–17% | FNP falls Knoten >1,5 cm |
EU-TIRADS 5: hohes Risiko | Mindestens ein hochverdächtiges Merkmal: Irreguläre Form Irreguläre Grenzen Mikrokalzifikationen Deutlich hypoechogener Knoten | 26–87% | FNP falls Knoten >1 cm |
EU-TIRADS: European Thyroid Imaging Reporting and Data System; FNP: Feinnadelpunktion. Aus [13]: Russ G, Bonnema SJ, Erdogan MF, Durante C, Ngu R, Leenhardt L. European Thyroid Association Guidelines for Ultrasound Malignancy Risk Stratification of Thyroid Nodules in Adults: the EU-TIRADS. Eur Thyroid J. 2017;6(5):225–37. © 2017 European Thyroid Association. Nachdruck und Übersetzung mit freundlicher Genehmigung. https://etj.bioscientifica.com/view/journals/etj/6/5/ETJ478927.xml |
Bei grosser, retrosternal oder retroklavikulär wachsender Struma kann die Beurteilung der Schilddrüsenlage zu den anliegenden mediastinalen Strukturen mittels Ultraschall erschwert sein. In diesen Fällen ist eine Schnittbildgebung indiziert. Ein CT des Halses und oberen Mediastinums empfehlen wir, mit rekliniertem Kopf, adduzierten Armen und ohne intravenöses Kontrastmittel durchzuführen, um eine allfällige postoperative RJT nicht zu beeinträchtigen und keine Jod-induzierte Hyperthyreose auszulösen. Ist eine genaue Gefässdarstellung notwendig, kann ein MRT mit nicht jodhaltigem Kontrastmittel durchgeführt werden.
Mittels Schilddrüsenszintigrafie können hyperfunktionelle Knoten, die eigentlich immer benigne sind, präzise detektiert werden. Diese Knoten benötigen keine zytologische Abklärung. Das ist insofern auch von Bedeutung, da fokale Autonomien nicht selten sonografisch mit Malignität assoziierte Merkmale (z.B. Mikrokalzifikationen, Hypoechogenität) aufweisen können [14, 15]. Solche fokalen Autonomien oder autonome Adenome können laborchemisch mit einer subklinischen oder manifesten Hyperthyreose, aber auch mit einem (tief-)normalen TSH-Wert einhergehen. Wahrscheinlich sind verschiedene Faktoren dafür verantwortlich, ob eine fokale Autonomie zur Absenkung des TSH-Wertes führt oder ob sie sich mit einer euthyreoten Funktionslage präsentiert: In Jodmangel-Gebieten zeigen 50 bis 70% der Personen mit einer szintigrafisch detektierten Autonomie ein TSH im Normbereich [16, 17]. Die Knotengrösse scheint ebenfalls einen Einfluss auf die Höhe des TSH-Wertes zu haben. In der Studie von Chami et al. [17] wiesen sämtliche szintigrafisch nachgewiesenen fokalen Autonomien mit einer Grösse unter 2 cm einen TSH-Wert im Referenzbereich auf.
Eine Szintigrafie sollte bei Knoten und Vorliegen von erniedrigten respektive supprimierten TSH-Werten durchgeführt werden. Bei Verdacht auf eine fokale Autonomie beziehungsweise zur weiteren Differenzialdiagnostik bei fraglich punktionswürdigen Schilddrüsenknoten kann eine ergänzende Szintigrafie auch bei (tief-)normalem TSH-Wert (z.B. 0,5 bis 1 mU/l) wertvolle Informationen liefern und eine unnötige zytologische Abklärung ersparen (Abb. 1) [18].
Da auch bei euthyreoter Stoffwechsellage weiterhin autonome Areale möglich sind, wird in unserem Zentrum die Schilddrüsenszintigrafie auch zur Qualitätskontrolle nach Radiojodablation und – wie in internationalen Guidelines empfohlen – nach Radiofrequenzablation von Autonomien eingesetzt [16, 19, 20].
Zytologie und Molekularpathologie
Szintigrafisch heisse, hyperfunktionelle Knoten sind in aller Regel gutartige Knoten und bedürfen keiner weiteren zytologischen Abklärung [4]. Bei allen anderen Knoten empfehlen wir eine FNP, sofern diese gemäss EU-TIRADS punktiert werden sollten. Die FNP ist eine komplikationsarme und aussagekräftige Untersuchung, die Rate an falsch-negativen Befunden ist tief, nimmt aber mit zunehmender Knotengrösse zu [21]. Die zytologischen Resultate sollten anhand eines Klassifikationssystems beurteilt werden, das eine Aussage über das Malignitätsrisiko des Schilddrüsenknotens erlaubt. An unserem Zentrum erfolgt die Klassifikation nach dem Bethesda-System, ein weiteres, weit verbreitetes Klassifikationssystem wurde durch das «Royal College of Pathologists» erstellt (Tab. 2) [22, 23]. Obwohl die FNP eine gute Methode zur Unterscheidung zwischen benignen und malignen Knoten darstellt, ist in 10 bis 30% keine ausreichend zuverlässige Dignitätsaussage möglich. In diesen Fällen und insbesondere bei Knoten der Bethesda-Kategorien III und IV gewinnt die molekularpathologische Untersuchung der durch die FNP gewonnenen Thyreozyten zunehmend an Bedeutung. Die bei uns in selektiven Fällen durchgeführte molekularpathologische Testung auf Mutationen in den BRAF-, KRAS-, HRAS- und NRAS-Genen sowie auf das Vorliegen einer CCDC6-RET-(RET/PTC1-), NCOA4-RET-(RET/PTC3-) oder PAX8/PPARG-Genfusion kann je nach Ergebnis bei der Unterscheidung zwischen papillären (z.B. bei Nachweis einer BRAF-V600E-Mutation oder einer RET/PTC-Fusion) und follikulären (z.B. bei „RAS-like“-Gensignatur) Neoplasien helfen. Sie besitzt aber insbesondere bei follikulären und onkozytären Läsionen eine ungenügende Sensitivität und Spezifität für die Sicherung der Malignitätsdiagnose [3, 22].
Tabelle 2: Zytologische Kategorien mit Malignitätsrisiko und empfohlenem Management | ||||
Bethesda-Kategorie | Diagnostische Kategorie | Malignitätsrisiko | Thy-Klassifikation | Empfohlenes Management |
Bethesda I | Nicht diagnostisch | 5–10% | Thy 1 | Wiederholung der FNP |
Zysteninhalt ohne Thyreozyten | Thy 1c | |||
Bethesda II | Gutartig (benigne) | 0–3% | Thy 2 | Klinisches und sonografisches Follow-up |
Bethesda III | Atypien mit unklarer Signifikanz bzw. follikuläre Veränderungen mit unklarer Signifikanz | 6–18% | Thy 3a | Wiederholung der FNP, ggf. Molekularpathologie oder Operation |
Bethesda IV | Follikuläre Neoplasie bzw. verdächtig auf follikuläre Neoplasie | 10–40% | Thy 3f | Operation (ggf. Molekularpathologie) |
Bethesda V | Malignitäts-verdächtig | 45–60% | Thy 4 | Operation |
Bethesda VI | Maligne | 94–96% | Thy 5 | Operation |
FNP: Feinnadelpunktion. Aus [22]: Cibas ES, Ali SZ. The 2017 Bethesda System for Reporting Thyroid Cytopathology. Thyroid 2017;27(11):1341–6. doi.org/10.1089/thy.2017.0500. © 2017 Mary Ann Liebert, Inc. Nachdruck und Übersetzung mit freundlicher Genehmigung. https://www.liebertpub.com/doi/10.1089/thy.2017.0500?url_ver=Z39.88-2003&rfr_id=ori%3Arid%3Acrossref.org&rfr_dat=cr_pub++0pubmed. Aus [23]: Collins J, Rossi ED, Chandra A, Ali SZ. Terminology and nomenclature schemes for reporting thyroid cytopathology: an overview. Semin Diagn Pathol. 2015;32(4):258–63. Doi.org/10.1053/j.semdp.2014.12.007. © 2015 Elsevier, Inc. Nachdruck und Übersetzung mit freundlicher Genehmigung. https://s100.copyright.com/AppDispatchServlet?publisherName=ELS&contentID=S0740257014001142&orderBeanReset=true |
Management benigner Schilddrüsenknoten
Je nach Symptomatik, Hormonlage und Knotengrösse kommen unterschiedliche Therapiestrategien zum Einsatz. Knoten unter 1 cm Durchmesser mit spongiformem oder zystischem Erscheinungsbild bedürfen keiner routinemässigen Verlaufskontrolle. Bei grösseren Knoten mit unauffälligen sonografischen Eigenschaften und benigner Zytologie wird je nach Patienten oder Patientin individuell entschieden, ob und in welchem Intervall Verlaufskontrollen angeboten werden. Kommt es zum Wachstum eines Knotens, was nur selten der Fall ist, oder verändert sich seine Morphologie, kann eine erneute FNP indiziert sein. Wird ein benigner Knoten symptomatisch oder liegt eine nicht medikamentös zu kontrollierende Hyperthyreose aufgrund von heissen Knoten vor, ist eine ablative Therapie indiziert [4, 24]. Bei unifokalen autonomen Knoten ohne Kompressionssymptomatik können mehrere ablative Methoden «gleichberechtigt» in Bezug auf das therapeutische Vorgehen mit den Betroffenen diskutiert werden. An unserem Zentrum werden solche Fragestellungen immer umfassend und interdisziplinär unter Einbezug der entsprechenden Fachspezialistinnen und -spezialisten zusammen mit den Betroffenen diskutiert, um dem Ansatz des «shared decision making» gerecht zu werden.
Chirurgie
Bei Kompressionssymptomen, einer Knotengrösse über 4 cm, funktionell inaktiven Knoten mit szintigrafisch fehlendem Uptake, zytologisch gesicherter oder nicht mit genügender Sicherheit ausgeschlossener Malignität sowie bei Knoten mit retrosternaler Ausdehnung ist die chirurgische Therapie die Methode der Wahl. Bei hyperfunktionellen Schilddrüsenknoten ist sie eine der Therapiealternativen. Die Operationsindikation wird für jeden Schilddrüsenlappen seitengetrennt gestellt. Bei beidseitiger Pathologie, bei der es der Entfernung der gesamten Schilddrüse bedarf, wird während der Operation mit der befunddominanten Seite begonnen. Das Operationsziel ist die dauerhafte Entfernung und Therapie der zugrunde liegenden Schilddrüsenerkrankung. Bei weit nach retrosternal reichenden Pathologien ist die Entfernung eines Schilddrüsenlappens oder der gesamten Schilddrüse teilweise nur in Kombination mit einer Sternotomie möglich.
Hauptkomplikationen einer Operation sind Nachblutungen mit einer berichteten Inzidenz von 0,7 bis 1,5%, eine vorübergehende bzw. dauerhafte Beeinträchtigung der Stimmlippenfunktion durch Schädigung des Stimmbandnerven in 0,5 bis 10% der Fälle und eine Unterfunktion der Nebenschilddrüsen bei 0 bis 5% der Operierten – wobei diese meist passager ist und nur in 0 bis 3% der Fälle zu einem permanenten Hypoparathyreoidismus führt. In sehr seltenen Fällen kann es auch zum Wundinfekt kommen. Wenig erfahrene Operateure und Operateurinnen und geringe diesbezügliche OP-Fallzahlen der Einrichtung sind Risikofaktoren für postoperative Komplikationen [25–27]. Unser Zentrum erfasst sämtliche endokrin-chirurgischen Operationen in EUROCRINE, einem europäischen Qualitätsregister zur Dokumentation der Eingriffe und deren Outcomes [28]. Durch die Verwendung einer Lupenbrille bei der Operation, die schonende Darstellung des Nervus laryngeus recurrens, die Anwendung des intraoperativen Neuromonitorings sowie den Erhalt der Nebenschilddrüsen an ihren Gefässstielen kann das postoperative Komplikationsrisiko vermindert werden [29]. Eine engmaschige stationäre Überwachung postoperativ hilft, eine mögliche Nachblutung rasch und sicher zu erkennen und zu behandeln.
Bei Thyreoidektomie, also nach Entfernung der gesamten Schilddrüse, ist postoperativ eine lebenslange Schilddrüsenhormonsubstitution obligat. Nach einer Hemithyreoidektomie benötigen rund 25 bis 43% der Betroffenen eine Levothyroxin-Substitution [30, 31].
Thermoablation – Radiofrequenzablation
Eine neuere Therapiemöglichkeit von heissen Knoten oder zytologisch benignen, funktionell inaktiven symptomatischen Schilddrüsenknoten ist die Thermoablation respektive Radiofrequenzablation (RFA). Diese Methode ist wenig invasiv und trägt organerhaltend das hyperfunktionelle Gewebe oder einen Schilddrüsenknoten selektiv ab.
Im Schilddrüsenzentrum erfolgt die RFA als ambulante Behandlung unter sterilen Bedingungen und unter kontinuierlichem Kreislaufmonitoring. Präinterventionell erhalten alle zu Behandelnden – genau wie beim chirurgischen Eingriff – eine Stimmbandkontrolle durch die Phoniatrie. Bei der Intervention werden zunächst unter sonografischer Kontrolle eine Lokalanästhesie und eine Hydrodissektion durchgeführt, wodurch sich der betreffende Knoten gut von der Umgebung ablösen lässt und wichtige Strukturen in der Umgebung geschützt werden (Abb. 2). Danach wird die Radiofrequenzsonde ultraschallgesteuert über den sogenannten trans-isthmischen Zugang im Schilddrüsenknoten platziert und die RFA gestartet (Abb. 2). Durch den Fluss der Radiowellen kommt es im Bereich der Sondenspitze zur lokalen Temperaturerhöhung auf 50° C bis 100° C, was eine Koagulations- und thermale Nekrose bewirkt [32]. Die Stimmbandfunktion der Behandelten wird postinterventionell erneut phoniatrisch kontrolliert und dokumentiert. Danach werden die Betroffenen in regelmässigen Abständen klinisch, laborchemisch, sonografisch und gegebenenfalls mittels Szintigrafie verlaufskontrolliert, um den Interventionserfolg zu dokumentieren.
In Studien konnte eine Volumenreduktion von durchschnittlich 65 bis 85% nach erfolgreicher RFA gezeigt werden [32–35]. Die Auswertung der Volumenveränderung von Schilddrüsenknoten, die mittels RFA am Luzerner Kantonsspital therapiert wurden, ergab eine Volumenreduktion von 60% nach drei Monaten und von 82% nach 20 Monaten (unpublizierte Daten). Postinterventionell zeigt sich eine Normalisierung der Schilddrüsenfunktion bei autonomen Knoten in 21 bis 87% der Fälle [36]. Die Rate an postinterventionellen Hypothyreosen fällt sehr gering aus [10, 35]. In unserer Kohorte konnte bei 87% der Abladierten eine Normalisierung der Stoffwechsellage erreicht werden, substitutionsbedürftige Hypothyreosen traten bisher nicht auf (unpublizierte Daten).
Die RFA ist zudem eine sichere und komplikationsarme Methode. So zeigte sich in einer Metaanalyse von 2017 [35] eine Komplikationsrate von 2,1% bei benignen Knoten, wobei zwischen Major- und Minor-Komplikationen unterschieden wurde. Die häufigste Major-Komplikation stellten Stimmveränderungen durch Schädigung des Nervus laryngeus recurrens oder des Nervus vagus dar, wobei diese meist nur passager waren. Weitere Major-Komplikationen waren die Knotenruptur, eine permanente Hypothyreose und die Verletzung des Plexus brachialis. Schmerzen, Hämatome, Übelkeit, Hautverbrennungen und eine vorübergehende Thyreoiditis wurden zu den Minor-Komplikationen gezählt. Lebensbedrohliche Komplikationen wie eine Verletzung der Trachea oder des Ösophagus durch die RFA wurden bisher nicht beschrieben. Wichtige Faktoren sind auch hier die Erfahrung des Behandlers respektive der Behandlerin sowie die genaue Kenntnis der Halsanatomie [19, 35].
Fallvignette
Ein 72-jähriger Patient wurde aufgrund einer Struma nodosa abgeklärt. Sonografisch zeigte sich ein über 4 cm grosser Knoten links (Abb. 3). Laborchemisch fiel eine isolierte T3-Hyperthyreose auf. Szintigrafisch wurde die dominante Läsion links als fokale Autonomie identifiziert. Der Patient entschied sich nach Aufklärung über die verschiedenen Therapieverfahren für eine RFA, die komplikationslos erfolgte. Bereits vier Wochen nach der Intervention konnte die rückläufige Autonomie mit Aufhebung der Suppression des Gewebes der kontralateralen Seite szintigrafisch dokumentiert werden. Das TSH war zu diesem Zeitpunkt bereits normalisiert. In der Folge blieb die Schilddrüsenfunktion euthyreot und sonografisch konnte nach vier Monaten eine deutliche Grössenregredienz gezeigt werden (Abb. 3). Knapp ein Jahr postinterventionell konnte eine Volumenreduktion von 75% bei weiterhin normaler – nicht substituierter – Schilddrüsenfunktion dokumentiert werden.
Radiojodtherapie
Hyperfunktionelle Schilddrüsenknoten oder Autonomien werden seit Jahrzehnten effizient und nebenwirkungsarm mit radioaktivem Jod (J131) behandelt. Das oral als Kapsel verabreichte Radionuklid wird von den kranken Schilddrüsenzellen aufgenommen und gespeichert. Durch den radioaktiven Zerfall entsteht β-Strahlung, die bei einer mittleren Reichweite von 0,5 mm die krankhaften Zellen langsam zerstört, ohne das übrige Gewebe zu beschädigen. Ziel ist es, die hyperfunktionellen Areale oder Knoten unter Beibehaltung der Schilddrüsenfunktion zu eliminieren. In der Regel ist eine euthyreote Stoffwechsellage in drei bis vier Monaten nach der RJT erreicht. In etwa 10% der Fälle kommt es zu einer substitutionsbedürftigen Hypothyreose, und in wenigen Fällen muss die Therapie wiederholt werden.
Als Nebenwirkungen können leichte Halsschmerzen oder eine leichte Schwellung der Schilddrüse auftreten. Fünf bis zehn Tage nach Kapselgabe kommt es durch die Zerstörung der Thyreozyten mit Freisetzung der Hormone zu einer transitorischen Hyperthyreose, die in manchen Fällen einer thyreostatischen Therapie bedarf. Absolute Kontraindikationen für die RJT sind Schwangerschaft und Stillzeit. Auch wird empfohlen, in den sechs Monaten nach der RJT keine Kinder zu zeugen [37, 38].
Das Wichtigste für die Praxis
Schilddrüsenknoten sind häufig, und ein Grossteil der diagnostizierten Knoten ist benigne.
Bevor Spezialuntersuchungen angeordnet werden, ist – nebst einer sorgfältigen Anamnese und klinischen Untersuchung des Halses – die laborchemische Bestimmung von TSH, fT3, fT4, TRAK und TPO-AK wichtig, die bereits in der hausärztlichen Praxis veranlasst werden kann.
Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit hinsichtlich Abklärung und Therapie von Schilddrüsenknoten anhand eines klaren Algorithmus ist essenziell für einen guten Behandlungserfolg.
Je nach Knotengrösse und -anzahl sowie Hormonlage und zugrunde liegender Schilddrüsenpathologie stehen für die Behandlung die regelmässige Verlaufskontrolle, eine medikamentöse Therapie, eine Operation, die Radiojodtherapie oder neuere Techniken, wie die Radiofrequenzablation, zur Auswahl.
Schilddrüsenzentrum, Klinik für Hals-, Nasen-, Ohren- und Gesichtschirurgie, Luzerner Kantonsspital, Luzern
CW hat angegeben, von FOMF ein Referentenhonorar für eine Ärztefortbildung zum Thema «Interdisziplinäre Abklärung von Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenerkrankungen» erhalten zu haben. Die anderen Autoren haben deklariert, keine potentiellen Interessenskonflikte zu haben.
Dr. med. Stefan Fischli
Endokrinologie/Diabetologie
Schilddrüsenzentrum
Luzerner Kantonsspital
CH-6000 Luzern 16
stefan.fischli[at]luks.ch
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