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Die Behandlung der chronischen Rhinosinusitis wurde durch die Einführung der Biologika erweitert. Nicht immer sind sie indiziert und dennoch oftmals ein Lichtblick für schwer Betroffene.
Hintergrund
Die chronische Nasen- und Nebenhöhlenentzündung (chronische Rhinosinusitis [CRS]) ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen der Welt und geht mit hohem Verlust an Lebensqualität einher [1]. Ein Teil der Betroffenen entwickelt Nasenpolypen (CRSwNP), die in der westlichen Bevölkerung sehr häufig eine T-Helfer-2-Zell-mediierte (Typ 2), eosinophile Entzündung aufweisen. Die bisherige Therapie basierte vorwiegend auf der intranasalen Applikation von topischen Steroiden, systemischen Kortikosteroiden und der endoskopischen Nasennebenhöhlenoperation. Leider erfahren CRSwNP-Patientinnen und -Patienten nicht selten ein mehr oder weniger rasch auftretendes Rezidiv, was durchaus zu repetitiven systemischen Steroidgaben und multiplen Operationen führen kann. In den letzten Jahren kamen mit der Einführung von Antikörpertherapien (Biologics oder Biologicals), die gegen Mediatoren der Typ-2-Entzündungsreaktion gerichtet sind, neue, vielversprechende Therapieoptionen hinzu.
Patientenselektion
Die wahrscheinlich schwierigste Entscheidung in der Behandlung der CRS ist, den Patientinnen und Patienten die richtige und für sie wirksamste Therapie zukommen zu lassen. Bisher gibt es keine Prädiktoren, die klar vorhersehen könnten, wer von welcher Therapie am besten profitieren wird. Dies betrifft nicht nur die modernen Biologika, sondern auch bestehende Optionen inklusive Operationen. Das ist vorwiegend der weitestgehend ungeklärten Pathophysiologie der meisten CRS-Typen geschuldet. Hinzu kommt, dass Therapien oftmals nur schwer verglichen werden können und direkte Vergleiche in Studien fehlen. Als gutes Beispiel ist hier die chirurgische Therapie zu nennen. So werden in gewissen Ländern häufiger reine Polypektomien durchgeführt, während bei uns mehrheitlich Nasennebenhöhlenoperationen erfolgen. Selbst bei letzteren variieren die Qualität und das Ausmass je nach Operateurin und Operateur. Schliesslich darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Therapieoptionen äusserst unterschiedliche Kosten im Gesundheitssystem generieren. Während Steroide in der Regel unter 100 Schweizer Franken pro Monat kosten, übersteigen die Kosten von Biologika nicht selten das Zehnfache dieses Preises. Vergleichende Studien zeigen aber, dass der grosse Kostenunterschied nicht immer durch eine Verbesserung der Lebensqualität gerechtfertigt wird [2].
Biologisches Entzündungsmuster oder Endotypisierung
Die Einteilung des zugrunde liegenden Entzündungsmusters, je nach T-Helfer-Zell-Prädominanz, ist nicht nur entscheidend für das Outcome der jeweiligen CRS-Erkrankten, sondern auch für die Wahl der Therapie, insbesondere wenn Biologika in Erwägung gezogen werden. Heutzutage stehen uns in der CRS nur Antikörper zur Verfügung, die in die Typ-2-Entzündung eingreifen und somit nur diesen Entzündungstyp regulieren können. Entsprechend wichtig ist die korrekte diagnostische Einteilung der Entzündung, das sogenannte Endotypisieren. Leider ist im klinischen Alltag diese Einordnung nur indirekt möglich. So kommt der Bestimmung der Eosinophilen in den verschiedenen Gewebekompartimenten (Blut, Polypen, Mukosa, Nasensekretionen) eine wichtige Rolle zu. Liegt, zum Beispiel postoperativ, eine Histologie vor, so kann bei >10 Eosinophilen pro Hochvergrösserungsfeld mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Typ-2-Entzündung gerechnet werden. Ansonsten orientieren wir uns an den Bluteosinophilen (>0,25 G/l), am Gesamt-IgE (>100 kU/l), dem Ansprechen auf orale Glukokortikosteroide und an anderen eosinophilen Co-Morbiditäten wie dem Asthma oder der ehemaligen Widal-Trias, heute NERD («nonsteroidal antiinflammatory drug [NSAID]-exacerbated respiratory disease») genannt [3] (Tab. 1).
Tabelle 1: Kriterien in der Anamnese respektive Ergebnisse von Zusatzuntersuchungen, die Hinweise auf eine Th-2-vermittelte Entzündung geben | ||
Kriterium | Bei Th2 | Nicht Th2-CRS |
Bluteosinophile | Erhöht | Normal |
Eosinophilie in Gewebe (Polypen, Mukosa) und Nasensekret | Erhöht | Normal, nicht vorhanden |
Polypen | Sehr häufig | Sehr selten |
Intoleranz auf nichtsteroidale Entzündungshemmer | Sehr häufig | Sehr selten |
IgE | Erhöht | Kann erhöht sein bei Atopie |
Ansprechen auf Steroide (topisch, systemisch) | Sehr gut | Unterschiedlich |
Nasenlaufen/Schwellung bei Alkoholkonsum | Gehäuft | Eher selten |
Th-2-vermittelte Erkrankungen anderer Organssysteme (Co-Morbidom) | Asthma, eosinophile Ösophagitis, atopische Dermatitis | |
FeNO (bronchiales Stickstoffmonoxid) | Erhöht | Seltener Asthma |
CRS: chronische Rhinosinusitis; FeNo: fraktioniertes exhaliertes Stickstoffmonoxid; IgE: Immunglobulin E; Th2: T-Helfer-2-Zelle. |
Therapieoptionen
Neben den klassischen Therapien stehen uns in der Schweiz neu drei Biologika, die von Swissmedic für diese Indikation zugelassen sind, in der Behandlung der schweren CRSwNP zur Verfügung. Mit der Ausnahme von Mepolizumab ist keines dieser Therapeutika auf der Spezialitätenliste (SL) aufgeführt, sodass einheitliche Indikationskriterien fehlen und die Entscheidung oftmals individuell per Antrag an die Krankenkasse über den Artikel 71a erfolgen muss.
Dupilumab, ein Interleukin-(IL-)4-Rezeptor-alpha-Antikörper, blockiert die Bindung von Il-4 und IL-13 und hat in zwei grossen Studien seine Überlegenheit gegenüber Placebo demonstrieren können. Im Durchschnitt konnte der Gesamt-Polypen-Score um circa 2 Punkte (ein Punktesystem von 0–4 pro Seite) verringert werden [4]. Mepolizumab, das gegen IL-5 gerichtet ist, zeigt ebenfalls einen guten Erfolg und auch das schon länger bekannte Omalizumab (anti-IgE) weist gegenüber der reinen Basistherapie mit topischen Steroiden einen deutlichen Benefit aus [5, 6]. IL-5-Rezeptorantikörper (Benralizumab) scheinen ebenfalls eine Wirkung zu haben, diese sind aber weniger potent und in der Schweiz noch nicht zur Behandlung der CRS zugelassen.
Insgesamt sind aufgrund technischer Unterschiede in der Studienmethodik die Biologika untereinander nicht 1:1 vergleichbar. Gemeinsam ist bei allen eine signifikante Reduktion des Polypen-Scores und die Verbesserung der Lebensqualität, insbesondere des «sinonasal outcome test»-(SNOT-)22-Scores. Zudem scheinen «Rescue»-Massnahmen im Sinne von systemischen Steroiden und Operationen bei den mit Biologika Behandelten weniger häufig notwendig. Da wir aber keine fassbaren Prädiktoren haben, entspricht die Wahl des Therapeutikums oftmals einem «Trial-and-Error»-Prinzip, auch wenn wir uns aufgrund eigener Beobachtungen oft zunächst für die Zytokin-Blockade entscheiden [7, 8].
Bei gutem Ansprechen ist, je nach Biologikum, ein Effekt häufig schon nach wenigen Tagen beobachtbar. Für einige Patientinnen und Patienten kommt dies einem kleinen Wunder gleich, denn nicht selten erreichen nicht einmal mehr systemische Kortikosteroide einen vergleichbaren Effekt. Betroffene, die zum Beispiel schon seit Jahren keinen Geruchsinn mehr haben, können plötzlich wieder riechen. Zudem werden die oft nur ein- bis zweimal pro Monat eingesetzten Spritzen häufig sehr gut vertragen.
Beurteilung und Aussicht
Mit den neu in der CRS-Behandlung zugelassenen Biologika stehen uns potente Medikamente zur Auswahl und ergänzen das therapeutische Spektrum. Patientinnen und Patienten sollten für eine solche Therapie nicht nur im rein biologischen Sinne (also mit korrektem Endotypen), sondern auch bezüglich Ausmasses der Erkrankung gut selektioniert werden. Häufig kann mit kostengünstigeren Optionen, wie einer guten Compliance den topischen Steroiden gegenüber oder mit sauber durchgeführten Operationen, der Einsatz von teuren Biologika vermieden oder um Jahre hinausgezögert werden.
Der längerfristige Einsatz von Biologika wird uns deren Sicherheit und Effizienz hoffentlich bestätigen. Mit fallenden Kosten könnte dann in Zukunft wahrscheinlich einer deutlich breiteren Patientengruppe eine effektive und sichere Therapie angeboten werden. Ein künftig verfügbares, einfacheres Endotypsieren und die Erforschung von prädiktiven Faktoren sollte den Einsatz von Biologika einfacher gestalten. Möglicherweise werden neue Biologika mit anderen Zielen in der Entzündungskaskade, wie zum Beispiel «thymic stromal lymphopoietin» (TSLP), für die Behandlung der CRS nutzbar werden. Zudem könnten mit weiteren Antikörpern zusätzliche Endotypen (Typ 1 oder Typ 3) angegangen werden. Dies wäre insbesondere im Falle eines Therapieversagens oder einer Resistenzentwicklung der obengenannten Biologicals von Nutzen.
Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie, Unversitätsspital und Universität Zürich, Zürich
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Prof. Dr. med. Michael B. Soyka
ORL-, Hals- und Gesichtschirurgie
Universitätsspital Zürich
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