Neuer Lichtblick in der Behandlung der chronischen Rhinosinusitis mit Polypen
Schlaglicht: Oto-Rhino-Laryngologie, Hals- und Gesichtschirurgie

Neuer Lichtblick in der Behandlung der chronischen Rhinosinusitis mit Polypen

Medizinische Schlaglichter
Ausgabe
2023/07
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2023.09291
Swiss Med Forum. 2023;23(07):906-907

Affiliations
a Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie, Unversitätsspital und Universität Zürich, Zürich; b Service d’oto-rhino-laryngologie (ORL) et de chirurgie cervico-faciale, Hôpitaux universitaire de Genève, Genève

Publiziert am 15.02.2023

Die Behandlung der chronischen Rhinosinusitis wurde durch die Einführung der Biologika erweitert. Nicht immer sind sie indiziert und dennoch oftmals ein Lichtblick für schwer Betroffene.

Hintergrund

Die chronische Nasen- und Nebenhöhlenentzündung (chronische Rhinosinusitis [CRS]) ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen der Welt und geht mit hohem Verlust an Lebensqualität einher [1]. Ein Teil der Betroffenen entwickelt Nasenpolypen (CRSwNP), die in der westlichen Bevölkerung sehr häufig eine T-Helfer-2-Zell-mediierte (Typ 2), eosinophile Entzündung aufweisen. Die bisherige Therapie basierte vorwiegend auf der intranasalen Applikation von topischen Steroiden, systemischen Kortikosteroiden und der endoskopischen Nasennebenhöhlenoperation. Leider erfahren CRSwNP-Patientinnen und -Patienten nicht selten ein mehr oder weniger rasch auftretendes Rezidiv, was durchaus zu repetitiven systemischen Steroidgaben und multiplen Operationen führen kann. In den letzten Jahren kamen mit der Einführung von Antikörpertherapien (Biologics oder Biologicals), die gegen Mediatoren der Typ-2-Entzündungsreaktion gerichtet sind, neue, vielversprechende Therapieoptionen hinzu.

Patientenselektion

Die wahrscheinlich schwierigste Entscheidung in der Behandlung der CRS ist, den Patientinnen und Patienten die richtige und für sie wirksamste Therapie zukommen zu lassen. Bisher gibt es keine Prädiktoren, die klar vorhersehen könnten, wer von welcher Therapie am besten profitieren wird. Dies betrifft nicht nur die modernen Biologika, sondern auch bestehende Optionen inklusive Operationen. Das ist vorwiegend der weitestgehend ungeklärten Pathophysiologie der meisten CRS-Typen geschuldet. Hinzu kommt, dass Therapien oftmals nur schwer verglichen werden können und direkte Vergleiche in Studien fehlen. Als gutes Beispiel ist hier die chirurgische Therapie zu nennen. So werden in gewissen Ländern häufiger reine Polypektomien durchgeführt, während bei uns mehrheitlich Nasennebenhöhlenoperationen erfolgen. Selbst bei letzteren variieren die Qualität und das Ausmass je nach Operateurin und Operateur. Schliesslich darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Therapieoptionen äusserst unterschiedliche Kosten im Gesundheitssystem generieren. Während Steroide in der Regel unter 100 Schweizer Franken pro Monat kosten, übersteigen die Kosten von Biologika nicht selten das Zehnfache dieses Preises. Vergleichende Studien zeigen aber, dass der grosse Kostenunterschied nicht immer durch eine Verbesserung der Lebensqualität gerechtfertigt wird [2].

Biologisches Entzündungsmuster oder Endotypisierung

Die Einteilung des zugrunde liegenden Entzündungsmusters, je nach T-Helfer-Zell-Prädominanz, ist nicht nur entscheidend für das Outcome der jeweiligen CRS-Erkrankten, sondern auch für die Wahl der Therapie, insbesondere wenn Biologika in Erwägung gezogen werden. Heutzutage stehen uns in der CRS nur Antikörper zur Verfügung, die in die Typ-2-Entzündung eingreifen und somit nur diesen Entzündungstyp regulieren können. Entsprechend wichtig ist die korrekte diagnostische Einteilung der Entzündung, das sogenannte Endotypisieren. Leider ist im klinischen Alltag diese Einordnung nur indirekt möglich. So kommt der Bestimmung der Eosinophilen in den verschiedenen Gewebekompartimenten (Blut, Polypen, Mukosa, Nasensekretionen) eine wichtige Rolle zu. Liegt, zum Beispiel postoperativ, eine Histologie vor, so kann bei >10 Eosinophilen pro Hochvergrösserungsfeld mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Typ-2-Entzündung gerechnet werden. Ansonsten orientieren wir uns an den Bluteosinophilen (>0,25 G/l), am Gesamt-IgE (>100 kU/l), dem Ansprechen auf orale Glukokortikosteroide und an anderen eosinophilen Co-Morbiditäten wie dem Asthma oder der ehemaligen Widal-Trias, heute NERD («nonsteroidal antiinflammatory drug [NSAID]-exacerbated respiratory disease») genannt [3] (Tab. 1).

Therapieoptionen

Neben den klassischen Therapien stehen uns in der Schweiz neu drei Biologika, die von Swissmedic für diese Indikation zugelassen sind, in der Behandlung der schweren CRSwNP zur Verfügung. Mit der Ausnahme von Mepolizumab ist keines dieser Therapeutika auf der Spezialitätenliste (SL) aufgeführt, sodass einheitliche Indikationskriterien fehlen und die Entscheidung oftmals individuell per Antrag an die Krankenkasse über den Artikel 71a erfolgen muss.
Dupilumab, ein Interleukin-(IL-)4-Rezeptor-alpha-Antikörper, blockiert die Bindung von Il-4 und IL-13 und hat in zwei grossen Studien seine Überlegenheit gegenüber Placebo demonstrieren können. Im Durchschnitt konnte der Gesamt-Polypen-Score um circa 2 Punkte (ein Punktesystem von 0–4 pro Seite) verringert werden [4]. Mepolizumab, das gegen IL-5 gerichtet ist, zeigt ebenfalls einen guten Erfolg und auch das schon länger bekannte Omalizumab (anti-IgE) weist gegenüber der reinen Basistherapie mit topischen Steroiden einen deutlichen Benefit aus [5, 6]. IL-5-Rezeptorantikörper (Benralizumab) scheinen ebenfalls eine Wirkung zu haben, diese sind aber weniger potent und in der Schweiz noch nicht zur Behandlung der CRS zugelassen.
Insgesamt sind aufgrund technischer Unterschiede in der Studienmethodik die Biologika untereinander nicht 1:1 vergleichbar. Gemeinsam ist bei allen eine signifikante Reduktion des Polypen-Scores und die Verbesserung der Lebensqualität, insbesondere des «sinonasal outcome test»-(SNOT-)22-Scores. Zudem scheinen «Rescue»-Massnahmen im Sinne von systemischen Steroiden und Operationen bei den mit Biologika Behandelten weniger häufig notwendig. Da wir aber keine fassbaren Prädiktoren haben, entspricht die Wahl des Therapeutikums oftmals einem «Trial-and-Error»-Prinzip, auch wenn wir uns aufgrund eigener Beobachtungen oft zunächst für die Zytokin-Blockade entscheiden [7, 8].
Bei gutem Ansprechen ist, je nach Biologikum, ein Effekt häufig schon nach wenigen Tagen beobachtbar. Für einige Patientinnen und Patienten kommt dies einem kleinen Wunder gleich, denn nicht selten erreichen nicht einmal mehr systemische Kortikosteroide einen vergleichbaren Effekt. Betroffene, die zum Beispiel schon seit Jahren keinen Geruchsinn mehr haben, können plötzlich wieder riechen. Zudem werden die oft nur ein- bis zweimal pro Monat eingesetzten Spritzen häufig sehr gut vertragen.

Beurteilung und Aussicht

Mit den neu in der CRS-Behandlung zugelassenen Biologika stehen uns potente Medikamente zur Auswahl und ergänzen das therapeutische Spektrum. Patientinnen und Patienten sollten für eine solche Therapie nicht nur im rein biologischen Sinne (also mit korrektem Endotypen), sondern auch bezüglich Ausmasses der Erkrankung gut selektioniert werden. Häufig kann mit kostengünstigeren Optionen, wie einer guten Compliance den topischen Steroiden gegenüber oder mit sauber durchgeführten Operationen, der Einsatz von teuren Biologika vermieden oder um Jahre hinausgezögert werden.
Der längerfristige Einsatz von Biologika wird uns deren Sicherheit und Effizienz hoffentlich bestätigen. Mit fallenden Kosten könnte dann in Zukunft wahrscheinlich einer deutlich breiteren Patientengruppe eine effektive und sichere Therapie angeboten werden. Ein künftig verfügbares, einfacheres Endotypsieren und die Erforschung von prädiktiven Faktoren sollte den Einsatz von Biologika einfacher gestalten. Möglicherweise werden neue Biologika mit anderen Zielen in der Entzündungskaskade, wie zum Beispiel «thymic stromal lymphopoietin» (TSLP), für die Behandlung der CRS nutzbar werden. Zudem könnten mit weiteren Antikörpern zusätzliche Endotypen (Typ 1 oder Typ 3) angegangen werden. Dies wäre insbesondere im Falle eines Therapieversagens oder einer Resistenzentwicklung der obengenannten Biologicals von Nutzen.
Prof. Dr. med. Michael B. Soyka
Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie, Unversitätsspital und Universität Zürich, Zürich
MBS ist ein Berater für Sanofi, GSK und Novartis, wobei das Entgelt zu 100% für unabhängige Forschungsprojekte genutzt wird. BNL hat deklariert, keine potentiellen Interessenskonflikte zu haben.
Prof. Dr. med. Michael B. Soyka
ORL-, Hals- und Gesichtschirurgie
Universitätsspital Zürich
Frauenklinikstrasse 24
CH-8091 Zürich
1 Fokkens WJ, Lund VJ, Hopkins C, Hellings PW, Kern R, Reitsma S, et al. European Position Paper on Rhinosinusitis and Nasal Polyps 2020. Rhinology. 2020;58(Suppl S29):1–464.
2 Scangas GA, Wu AW, Ting JY, Metson R, Walgama E, Shrime MG, et al. Cost Utility Analysis of Dupilumab Versus Endoscopic Sinus Surgery for Chronic Rhinosinusitis With Nasal Polyps. Laryngoscope. 2021;131(1):E26–E33.
3 Fokkens WJ, Lund V, Bachert C, Mullol J, Bjermer L, Bousquet J, et al. EUFOREA Consensus on Biologics for CRSwNP with or without asthma. Allergy. 2019;74(12):2312–9.
4 Bachert C, Han JK, Desrosiers M, Hellings PW, Amin N, Lee SE, et al. Efficacy and safety of dupilumab in patients with severe chronic rhinosinusitis with nasal polyps (LIBERTY NP SINUS-24 and LIBERTY NP SINUS-52): results from two multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, parallel-group phase 3 trials. Lancet. 2019;394(10209):1638–50.
5 Han JK, Bachert C, Fokkens W, Desrosiers M, Wagenmann M, Lee SE, et al. Mepolizumab for chronic rhinosinusitis with nasal polyps (SYNAPSE): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Respir Med. 2021;9(10):1141–53.
6 Gevaert P, Omachi TA, Corren J, Mullol J, Han J, Lee SE, et al. Efficacy and safety of omalizumab in nasal polyposis: 2 randomized phase 3 trials. J Allergy Clin Immunol. 2020 Sep;146(3):595–605.
7 Meier EC, Schmid-Grendelmeier P, Steiner UC, Soyka MB. Real-Life Experience of Monoclonal Antibody Treatments in Chronic Rhinosinusitis with Nasal Polyposis. Int Arch Allergy Immunol. 2021;182(8):736–43
8 Agache I, Song Y, Alonso-Coello P, Vogel Y, Rocha C, Solà I, et al. Efficacy and safety of treatment with biologicals for severe chronic rhinosinusitis with nasal polyps: A systematic review for the EAACI guidelines. Allergy. 2021;76(8):2337–53.