Minimalinvasiv und effizient: Endoskopie in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Schlaglicht: Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

Minimalinvasiv und effizient: Endoskopie in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

Medizinische Schlaglichter
Ausgabe
2023/08
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2023.09311
Swiss Med Forum. 2023;23(08):918-919

Affiliations
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsspital Zürich, Zürich

Publiziert am 22.02.2023

Das Endoskop hat sich als feste Grösse in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie etabliert. Nebst Eingriffen am Kiefergelenk wird es routinemässig in der Traumatologie und der Nasennebenhöhlenchirurgie eingesetzt.

Hintergrund

Die zunehmende Miniaturisierung und Verbesserung der Bildqualität von kommerziell verfügbaren Endoskopen haben zu vermehrtem Einsatz endoskopisch assistierter Interventionen in unserem Fach geführt. So kommt das Endoskop in der Chirurgie der Nasennebenhöhlen, der Speicheldrüsen, des Kiefergelenkes und in der Traumatologie zum Einsatz. Im Vordergrund stehen hierbei die Vorzüge einer minimalinvasiven Chirurgie mit direkter Visualisierung und Vergrösserung der grazilen Strukturen im Kopf-Hals-Bereich. Durch minimalinvasive Interventionen können sichtbare Narben vermieden werden. Zudem führt der Einsatz dieser Techniken zu geringerem Weichgewebetrauma mit verminderten Schmerzen sowie konsekutiv schnellerer Rekonvaleszenz der Patientinnen und Patienten.

Endoskopische Chirurgie

Primär wurde das Endoskop in der Speicheldrüsenchirurgie zur Sialendoskopie und Bergung von Konkrementen verwendet. Durch neuere Entwicklungen und inspiriert durch die laparoskopischen Eingriffe wurden Techniken zur endoskopisch assistierten Submandibulektomie entwickelt [1, 2]. Bei der Sialendoskopie zeigen sich anatomisch bedingte Limitationen durch den geringen Durchmesser der Ausführungsgänge von 0,5–1,5 mm. Eine gute Bildauflösung und das Vorhandensein von grazilen Arbeitskanälen sind Voraussetzungen für den Erfolg bei sialendoskopischen Eingriffen. Die Lage der Konkremente kann jedoch einen endoskopischen Einsatz verunmöglichen; dies ist der Fall, wenn letztere intraglandulär liegen.
Behandlungen von Pathologien der Kieferhöhlen werden in erster Linie endoskopisch durchgeführt. Hierbei steht der Erhalt von gesunder Mukosa und damit einer funktionierenden mukoziliären Clearance im Vordergrund. Über eine schonende Osteotomie im Bereich der fazialen Kieferhöhlenwand können so Zystektomien, Wurzelspitzenresektionen mit retrograder Wurzelkanalfüllung sowie die Bergung von Fremdkörpern oder eine Exstirpation von Aspergillomen erfolgen, dies bei stets erhaltener Visualisierung des Operationsfeldes (Abb. 1).
Abbildung 1: Sinus maxillaris mit endoskopisch sichtbarem, partiell in den Sinus disloziertem Weisheitszahn.
Orofaziale Schmerzen stellen mit einer Prävalenz von 10–15% eine der häufigsten chronischen Schmerzformen dar [3]. Die Symptome reichen von mastikatorischen Schmerzen, ausstrahlenden Cephalgien, Gelenkgeräuschen bis hin zur Kieferklemme und -sperre.
Neben der multimodalen konservativen Therapie bietet sich in vielen Fällen als erste chirurgische Behandlungsoption eine Kiefergelenksarthroskopie mit Lavage an. Kiefergelenksarthroskopien sind in den 1970er Jahren erstmalig beschrieben worden [4]. Hierbei gab es eine stetige Weiterentwicklung der technischen Ausrüstung mit Miniaturisierung und Verbesserung der Bildqualität. Die Arthroskopie bietet sich als eine sichere und minimalinvasive Möglichkeit zur Diagnostik und Therapie mit hohem Behandlungserfolg im Hinblick auf eine Schmerzreduktion an [5]. Auf die übliche Zweipunktionstechnik kann aufgrund neuer, feiner Instrumentarien verzichtet werden. Das All-in-one-Arthroskop bietet bei einfacher Punktion dieselben Möglichkeiten wie die konventionelle Zweipunktionstechnik (Abb. 2). Aufgrund dessen ist die All-in-one-Arthroskopie schonender und der konventionellen Technik den Vorzug zu geben.
Abbildung 2: All-in-one-Kiefergelenksarthroskopie mit den drei Zugängen für die Optik, für die Spülung sowie für das Einführen von Werkzeugen (Bsp. Diathermie, Biopsiezange). Der Mund wird mit einer sterilen Folie abgeklebt.
Die Arthroskopie dient der Gelenkdarstellung, wobei nur der obere Gelenkspalt adressiert wird, der Gelenksspülung sowie der Gewebeprobeentnahme und Injektion von therapeutischen Substanzen. Aufgrund der minimalinvasiven Technik ist die Morbidität der Arthroskopie sehr gering. Infektionen, Blutungen und Nervenläsionen werden beschrieben, sind in unserem Kollektiv jedoch nicht aufgetreten.
In der Traumatologie kann das Endoskop transkutan oder transoral unterstützend zur Frakturversorgung der Mandibula oder des Mittelgesichtes verwendet werden [6]. Hier zeigen sich vor allem die Vorzüge zur Stellungskontrolle nach Frakturreposition im Bereich der schwer einsehbaren Areale. Selbst hohe Frakturen des Collum mandibulae können endoskopisch vollständig eingesehen werden, weshalb in den allermeisten Fällen der narbenbedingt sichtbare extraorale Zugang vermieden werden kann (Abb. 3). Ebenso können durch den Einsatz des Endoskops Speichelfisteln oder eine direkte Schädigung des Nervus facialis bei Versorgung einer Fraktur des Collum/Ramus mandibulae vermieden werden.
Abbildung 3: Hohe Collum-mandibulae-Fraktur mit Osteosynthesematerial.
Das Endoskop kommt ebenso zur Visualisierung von Orbitawandfrakturen und zur Lagekontrolle eines eingebrachten Implantates zum Einsatz [7].

Ausblick

Das Endoskop ist im klinischen Alltag in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie nicht mehr wegzudenken. Zukünftig sind weitere technische Verbesserungen der Bildqualität und eine Miniaturisierung der chirurgischen Werkzeuge zu erwarten. Wichtig für die weitere Entwicklung werden eine korrekte Indikationsstellung zur Anwendung der minimalinvasiven Chirurgie und ein strukturiertes Training der Anwendenden sein.
PD Dr. med. Dr. med. dent. Thomas Gander
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsspital Zürich, Zürich
Die Autoren haben deklariert, keine potentiellen Interessenskonflikte zu haben.
PD Dr. med. Dr. med. dent. Thomas Gander
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Universitätsspital Zürich
Frauenklinikstrasse 24
CH-8091 Zürich
1 Beahm DD, Peleaz L, Nuss DW, Schaitkin B, Sedlmayr JC, Rivera-Serrano CM, et al. Surgical approaches to the submandibular gland: a review of literature Int J Surg. 2009;7(6):503–9.
2 Strychowsky JE, Sommer DD, Gupta MK, Cohen N, Nahlieli O. Sialendoscopy for the management of obstructive salivary gland disease: a systematic review and meta-analysis. Arch Otolaryngol Head Neck Surg. 2012;138(6):541–7.
3 Häggman-Henrikson B, Liv P, Ilgunas A, Visscher CM, Lobbezoo F, Durham J, Lövgren A. Increasing gender differences in the prevalence and chronification of orofacial pain in the population. Pain. 2020;161(8):1768–75.
4 Onishi M. Arthroscopy of the temporomandibular joint (author‘s transl). Kokubyo Gakkai zasshi. The Journal of the Stomatological Society, Japan. 1975;42(2):207–13.
5 Rigon M, Pereira LM, Bortoluzzi MC, Loguercio AD, Ramos AL, Cardoso JR. Arthroscopy for temporomandibular disorders. Cochrane Database of Systematic Reviews. 2011;5:CD006385. https://doi.org/10.1002/14651858.CD006385.pub2
6 Mueller R. Endoscopic treatment of facial fractures. Facial Plast Surg. 2008;24(1):78–91.
7 Cheong EC, Chen CT, Chen YR. Endoscopic management of orbital floor fractures. Facial Plast Surg. 2009;25(1):8–16.