Vorhofflimmern – und jetzt?
Fokus Risikofaktoren und Begleiterkrankungen

Vorhofflimmern – und jetzt?

Übersichtsartikel
Ausgabe
2023/18
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2023.09341
Swiss Med Forum. 2023;23(18):36-39

Affiliations
a Klinik für Kardiologie, Stadtspital Zürich Triemli, Zürich; b Abteilung Kardiologie, Kantonsspital Schaffhausen, Schaffhausen; c Universität Leiden, Niederlande


Publiziert am 03.05.2023

Vorhofflimmern ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung. Bei Diagnosestellung ist die Frage nach den Ursachen und Konsequenzen zu stellen. In diesem Artikel diskutieren wir Risikofaktoren und Begleiterkrankungen mit dem Ziel, den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen einen strukturierten Überblick über die relevanten unmittelbaren und weiterführenden Abklärungen zu geben.

Epidemiologie

Sowohl weltweit [1] als auch in der Schweiz ist Vorhofflimmern (VHF) die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung und betrifft etwa 1% der Schweizer Bevölkerung [2]. Mit steigendem Alter nimmt die VHF-Prävalenz zu. Bei 55-jährigen Europäerinnen und Europäern liegt das Lebenszeitrisiko, eines Tages ein VHF zu entwickeln, bei einer auf drei Personen [1]. Im Hinblick auf den demographischen Wandel wird in den nächsten Jahren eine Zunahme der Prävalenz erwartet. Mit den implantierbaren Event-Recordern stehen diagnostische Tools zur Verfügung, die selbst kurze und lang auseinanderliegende Episoden aufzeichnen können. Zudem wird im Rahmen der routinemässigen Schrittmacherkontrollen, aber auch durch die Benutzung von selbstmonitorisierenden Geräten wie Smartwatches immer häufiger bei asymptomatischen Personen der Verdacht auf VHF geäussert, was die Klinikerinnen und Kliniker vor neue Herausforderungen stellt.
Die Rhythmusstörung ist mit einer deutlich erhöhten Mortalität und Morbidität verbunden. So ist die Mortalität bei Männern mit VHF um den Faktor 1,5 erhöht, bei Frauen sogar um den Faktor 1,9 [3]. Patientinnen und Patienten mit VHF müssen verglichen mit alters- und geschlechtsgleichen Personen häufiger hospitalisiert werden [1]. 20–30% aller Patientinnen und Patienten mit VHF entwickeln eine Herzinsuffizienz und 16–20% eine Depression. 20–30% aller ischämischen Schlaganfälle sind mit VHF assoziiert [1]. Zudem konnten etwa 10% der kryptogenen Schlaganfälle durch Langzeit-EKG-Monitoring bis 30 Tage ebenfalls mit VHF in Verbindung gebracht werden [1, 4]. VHF tritt oft assoziiert mit anderen Krankheiten auf, weshalb bei Diagnosestellung weitere Abklärungen erwogen werden sollten.

Diagnose

Die Diagnose VHF wird unabhängig von den Symptomen anhand eines Elektrokardiogramms (EKG) gestellt. Dieses zeigt eine absolute Arrhythmie und fehlende oder polymorphe P-Wellen mit einem sehr kurzen PP-Intervall (<200 ms). Neben dem 12-Ableitungs-Ruhe-EKG kann die Diagnose auch durch Langzeit-EKGs (Telemetrie, Holter-EKG) gestellt werden. Dabei muss eine Episode >30 Sekunden dauern [1].
Neben den herkömmlichen Untersuchungsmethoden gibt es heute weitere Möglichkeiten zur Detektion von VHF: Herzschrittmacher und Defibrillatoren («implantable cardioverter defibrillator» [ICD]) können durch die Vorhofelektrode Rhythmusstörungen im Vorhof registrieren. Implantierte Ereignisrekorder zeichnen kontinuierlich ein 1-Kanal-EKG auf und können anhand eines Algorithmus Rhythmusstörungen detektieren und speichern. Auch Smartwatches und Smartphones können ein Photoplethysmogramm (PPG) oder ein 1-Kanal-EKG aufzeichnen und mögliche VHF-Episoden erkennen. All diesen Tools ist gemeinsam, dass die definitive Diagnose VHF nur durch die ärztliche Beurteilung des 1- oder Mehrkanal-EKGs, nicht aber anhand eines PPG gestellt werden kann [1].

Klassifikation

Die heute empfohlene Einteilung des VHF ist in Tabelle 1 dargestellt. Nicht mehr verwendet werden die Begriffe des valvulären/nichtvalvulären VHF, chronischen VHF und «Lone»-VHF [1].
Tabelle 1: Klassifikation des Vorhofflimmerns (VHF) (modifiziert nach [5])
Erstmals diagnostiziertes VHFErste Dokumentation (unabhängig von vermuteter Vorliegensdauer/Symptomen)
Paroxysmales VHFBeendigung spontan oder durch Intervention innerhalb von 7 Tagen
Persistierendes VHFBeendigung nach ≥7 Tagen, spontan oder durch Intervention
Langanhaltend persistierendes VHFAnhaltend über >12 Monate, aber Rhythmuskontrolle ist Ziel
Permanentes VHFAnhaltend ohne Bestrebungen einer Rhythmuskontrolle

Risikofaktoren

Heute findet man bei der Mehrzahl der Patientinnen und Patienten mit VHF Risikofaktoren und Begleiterkrankungen, welche die Entstehung und das Fortschreiten von VHF begünstigen. Der Begriff «lone atrial fibrillation» wird darum nicht mehr verwendet. VHF kann auch das erste Symptom sein, das zur Diagnose einer kardiovaskulären Erkrankung führt. Verschiedene Risikofaktoren begünstigen das elektrische und strukturelle Remodeling der Vorhöfe, das wiederum zur Progression der atrialen Kardiomyopathie und damit des VHF-Burden beiträgt [1]. Aus diesen Gründen leisten sowohl die Kontrolle der Risikofaktoren als auch eine frühe Rhythmuskontrolle einen wesentlichen Beitrag zu einer erfolgreichen Stabilisierung des Sinusrhythmus. Grundsätzlich kann man zwischen modifizierbaren und nicht modifizierbaren Risikofaktoren unterscheiden (Abb. 1). Bei jungen Patientinnen und Patienten mit VHF liegen meist genetische Faktoren als Ursache zugrunde. Eine positive Familienanamnese führt fast zur Verdopplung des Risikos für das Auftreten von VHF [6].
Abbildung 1: Risikofaktoren, die für das Auftreten von Vorhofflimmern prädisponieren, unterteilt in nicht modifizierbare (links) und modifizierbare (rechts) Risikofaktoren (modifiziert nach: Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz-und Kreislaufforschung e.V (2021). ESC Pocket Guidelines. Diagnose und Behandlung von Vorhofflimmern, Version 2020. Börm Bruckmeier Verlag GmbH, Grünwald. Kurzfassung der «2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation» [European Heart Journal; 2020 – doi:10.1093/eurheartj/ehaa612]). COPD: chronisch obstruktive Lungenerkrankung.
Nachfolgend werden die wichtigsten modifizierbaren Risikofaktoren sowie präventive und therapeutische Interventionsmöglichkeiten besprochen:
Da bei vielen Patientinnen und Patienten mit VHF eine begleitende Herzkrankheit vorliegt, wird bei Diagnosestellung eine kardiologische Abklärung inklusive Echokardiographie empfohlen. Die Behandlung der kardialen Grundkrankheit bildet die Basis für alle Patientinnen und Patienten mit VHF [1]. So reduziert eine optimale Behandlung bei Personen mit Herzinsuffizienz das Auftreten von VHF. Dass zusätzliche Therapien, die das elektrische und strukturelle Remodeling der atrialen Kardiomyopathie günstig beeinflussen, das Auftreten von VHF verhindern, konnte bis jetzt nicht widerspruchsfrei gezeigt werden [1, 7].
Die arterielle Hypertonie ist der häufigste Risikofaktor und liegt bei 49–90% der Patientinnen und Patienten mit VHF vor [1, 8]. Das Risiko für das Auftreten von VHF ist bei Personen mit arterieller Hypertonie 1,7-fach erhöht, weshalb das Auftreten von VHF in diesem Fall als eine Endorganschädigung angesehen werden kann [1]. Die Auswahl der Antihypertensiva und die Behandlungsziele richten sich nach den Empfehlungen der «European Society of Cardiology» (ESC) für arterielle Hypertonie [9].
Mit einer zweifach erhöhten Wahrscheinlichkeit gehört auch der Diabetes mellitus (Typ 1 und 2) zu den Risikofaktoren. Je mehr mikrovaskuläre Komplikationen bereits bestehen – was vor allem bei langjährigem Diabetes und unzureichender Blutzuckereinstellung der Fall ist –, desto wahrscheinlicher ist das Auftreten von VHF. Bezüglich des Effekts einer medikamentösen Behandlung sind die bisherigen Studienergebnisse nicht eindeutig. Allerdings kann die Erfolgsrate einer Rhythmuskontrolle mittels Ablation durch eine suffiziente Blutzuckereinstellung ein Jahr vor Intervention verbessert werden [1, 10].
Die Adipositas (definiert als Body Mass Index [BMI] ≥30 kg/m2) ist ein starker Risikofaktor [10] für VHF: Bei Vorliegen von Adipositas ist das Risiko, ein VHF zu entwickeln, 1,5-fach erhöht [11]. Mit steigendem BMI nimmt das Risiko für das Auftreten und die Persistenz des VHF zu [11]. Eine Gewichtsreduktion um mindestens 10% und ein Ziel-BMI ≤27 kg/m2 [10] können die VHF-Last senken. Auch durch erfolgreiche bariatrische Chirurgie wird mit dem Gewichtsverlust das Risiko für das Auftreten von VHF reduziert [10]. Weiter kann der Einsatz eines Glucagon-like-Peptide-1-(GLP1-)Agonisten in Kombination mit Diät und Bewegung zur Gewichtsreduktion diskutiert werden. Hierdurch kann das Gewicht um bis zu 12% reduziert werden [12]. Bisher zeigte sich in einer retrospektiven Kohortenstudie eine Reduktion der Mortalität bei Patientinnen und Patienten mit VHF, die mit Liraglutid behandelt wurden [13].
Das Vorliegen eines obstruktiven Schlafapnoesyndroms (OSAS) erhöht das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und kann bei circa 50% der Personen mit VHF nachgewiesen werden [14]. Die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Rhythmuskontrolle sinkt bei Vorliegen eines OSAS [1]. Ob eine Therapie mit «continuous positive airway pressure» (CPAP) das Rezidivrisiko nach einer Pulmonalvenenisolation reduziert, ist bisher nicht bekannt [1, 10].
Asthma bronchiale ist mit einem 1,5-fach erhöhten Risiko für das Auftreten von VHF verbunden. Da innerhalb der Gruppe der Asthma-Betroffenen diejenigen mit unkontrolliertem Asthma das höchste Risiko haben, scheint eine effektive Asthmatherapie erstrebenswert zu sein [15].
Personen mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) haben ein doppelt so hohes Risiko, ein VHF zu entwickeln, und ungefähr 23% der Patientinnen und Patienten mit einem VHF haben eine COPD. Auch die Erfolgsrate der Elektrokardioversion und Ablation sind bei Vorliegen einer COPD geringer. Ob die Behandlung der COPD einen positiven Einfluss auf das VHF hat, ist bisher noch ungewiss [16].
Hoher Alkoholkonsum (>14 Standardgläser/Woche, 1 Standardglas entspricht 12 g Alkohol) triggert das Auftreten und die Persistenz von VHF. Bei ≤7 Standardgläsern/Woche konnte kein erhöhtes Risiko nachgewiesen werden [17]. Daher sollte Patientinnen und Patienten mit einem hohen Alkoholkonsum eine Reduktion empfohlen werden [10]. Zudem ist die Antikoagulation bei diesen Personen mit einem erhöhten Blutungsrisiko infolge von Sturzereignissen, Varizenblutungen, Malcompliance und Lebererkrankungen assoziiert [1].
Zwischen körperlicher Aktivität und dem Auftreten von VHF gibt es einen U-förmigen Zusammenhang [1, 18]. Moderate körperliche Aktivität schützt vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dagegen erhöht langandauernde, grosse körperliche Anstrengung das Risiko für Auftreten von VHF. Daher wird Patientinnen und Patienten mit VHF eine moderate körperliche Betätigung empfohlen (Beginn mit 20 min 3×/Woche, Steigerung auf 150 min/Woche). Exzessiver Ausdauersport (Marathon, Triathlon etc.) soll dagegen vermieden werden [1, 10].
Nikotinkonsum ist mit einem zweifach erhöhten Risiko für VHF assoziiert [19]. Hier scheint eine Dosisabhängigkeit vorzuliegen. Zudem ist die Erfolgsrate nach Ablation des VHF geringer [10].
Die klinischen Daten zu einer möglichen Assoziation des VHF-Risikos mit der Dyslipidämie sind zurzeit widersprüchlich [10]. Daher richtet sich die Behandlung der Dyslipidämie unabhängig vom Vorliegen eines VHF nach der ESC-Guideline zum Management der Dyslipidämie [20].
Ein Zusammenhang mit dem Koffeinkonsum konnte in Studien nicht nachgewiesen werden. Allerdings beschreiben circa 25% der VHF-Patientinnen und Patienten Koffein als einen Trigger [10].
Wie bei anderen kardiovaskulären Krankheiten spielt auch beim VHF der psychologische Stress eine Rolle. Psychologischer Stress wird mit dem Auftreten von VHF in Verbindung gebracht und VHF führt bei den Betroffenen durch die Symptome zu Angst, Depression und einer Verschlechterung der Lebensqualität [21]. Akuter und chronischer Stress haben über direkte pathophysiologische Mechanismen und indirekte verhaltenspsychologische Effekte einen Einfluss auf das Auftreten und die Progression des VHF. Die genauen Zusammenhänge zwischen Stress und VHF und ob durch gezielte Stressreduktion der Verlauf des VHF beeinflusst werden kann, sind mangels klinischer Daten zurzeit noch nicht bekannt [21–23].

Diagnostische Schritte und empfohlene weiterführende Abklärungen

Da das Management der Risikofaktoren und der begleitenden Komorbiditäten die Voraussetzung für die optimale Behandlung von Patientinnen und Patienten mit VHF ist, sollten diese im Rahmen der primären Abklärungen gesucht und soweit möglich behandelt werden. Tabelle 2 fasst die ersten diagnostischen Schritte und therapeutischen Massnahmen zusammen.
Tabelle 2: Erste diagnostische Schritte und deren Prozedere nach Sicherung der Diagnose Vorhofflimmern mittels Elektrokardiogramms
AnamneseDiagnostiktoolProzedere
SymptomatikEHRA Score [1]Ambulante oder stationäre Behandlung und weitere Abklärung in Abhängigkeit von den Symptomen und den Komorbiditäten
 1 = keine BeschwerdenAmbulante Behandlung
 2a = Alltag durch VHF-bezogene Beschwerden nicht beeinträchtigtAmbulante Behandlung
 2b = Alltag durch VHF-bezogene Symptome nicht beeinträchtigt, aber beunruhigte/r Patient/inAmbulante Behandlung
 3 = Alltag durch VHF-bezogene Symptome beeinträchtigtHospitalisation erwägen
 4 = Alltag aufgrund behindernder Symptome nicht mehr möglichHospitalisation
COPDKardinalsymptome erfragen (Dyspnoe, Husten, Auswurf)Spirometrie
Röntgen-Thorax in 2 Ebenen
Pneumologische Standortbestimmung
Asthma bronchialeKardinalsymptome erfragen (Husten, «Wheezing» nach Anstrengung oder Allergenexposition)Spirometrie
Peak Flow
Pneumologische Standortbestimmung
OSASKardinalsymptome erfragen, Epworth Schläfrigkeits-SkalaPolysomnographie
CPAP-Therapie
NikotinAusmass erfragenNikotinstopp oder mindestens -reduktion empfehlen
Körperliche AktivitätAusmass und Intensität erfragenModerate körperliche Aktivität empfehlen (Beginn 20 min 3×/Woche, Steigerung auf 150 min/Woche)
AlkoholQuantifizieren (Trigger bei >14 Standardgläsern/Woche)Reduktion auf <7 Standardgläser/Woche empfehlen
Untersuchung  
BlutdruckmessungPraxismessung und ggf. regelmässige HeimmessungenAntihypertensive Therapie gemäss ESC-Guideline «Arterielle Hypertonie» [8]
TemperaturmessungFieberGgf. Infektfokussuche
VolumenstatusAuskultation pulmonal,Beurteilung Halsvenen, BeinödemeBehandlung der Herzinsuffizienz
AdipositasBMI ≥30 kg/m2Gewichtsreduktion empfehlen, optimal ≥10% des Körpergewichts und BMI <27 kg/m2
Labor  
 BlutbildAnämie behandeln
 EntzündungsparameterSuche Infektfokus und Behandlung
 HbA1cBehandlung Diabetes
 TSHBehandlung Schilddrüsenfunktionsstörung (Hyper- und Hypothyreose)
 LipidprofilBehandlung gemäss ESC-Guideline «Dyslipidämie» [19]
 NierenfunktionAnpassung medikamentöse Therapie
Bildgebung  
TTEBegleitende HerzkrankheitEntsprechend zugrunde liegender Erkrankung:
medikamentöse Therapie
ggf. Device/Intervention
ggf. weiterführende Diagnostik
BMI: Body Mass Index; CPAP: «continuous positive airway pressure»; CRP: C-reaktives Protein; EHRA: «European Heart Rhythm Association»; ESC: «European Society of Cardiology»; HbA1c: Hämoglobin A1c; OSAS: obstruktives Schlafapnoesyndrom; TTE: transthorakale Echokardiographie.

Behandlung

Wie viele andere kardiovaskuläre Krankheiten kann VHF nicht geheilt werden. Ziel der verschiedenen Behandlungen ist es, das chronische Fortschreiten der pathologischen Veränderungen der Vorhöfe zu verlangsamen und die mit dem VHF assoziierte Morbidität und Mortalität günstig zu beeinflussen. Die Erkenntnisse zur Bedeutung der verschiedenen Risikofaktoren für das Auftreten und die Progression des VHF haben dazu geführt, dass gezielte Anleitungen zu Veränderungen des Lifestyles und auf die Optimierung der Risikofaktoren fokussierte Behandlungen als vierte Säule einen prominenten Platz in den neuesten Richtlinien bekommen haben [1, 10]. Auch die Rhythmuskontrolle mittels Pulmonalvenenisolation hat im Vergleich zu 2016 noch einmal an Bedeutung gewonnen. Hierfür besteht bei nicht tolerierter oder gescheiterter medikamentöser Therapie (Antiarrhythmika Klasse I und III) eine Klasse-I-Indikation. Ebenfalls eine Klasse-I-Indikation besteht bei manifester oder erwarteter Tachymyopathie. Tabelle 3 gibt einen Überblick über die heutigen Therapieoptionen. Für detailliertere Ausführungen verweisen wir auf einen Artikel in dieser Zeitschrift von Noti und Furrer [24] sowie die aktuellen europäischen Richtlinien [1].
Tabelle 3: Die vier Säulen der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern (Details vgl. [1, 24])
Lifestyle- & Risikofaktoren ManagementThromboembolieprophylaxeFrequenzkontrolleRhythmuskontrolle
Richtlinienbasierte Therapie der (kardiovaskulären) Grundkrankheiten
Arterielle Hypertonie
Diabetes mellitus
Adipositas
OSAS
COPD
Asthma bronchiale
Alkoholkonsum
Körperliche Aktivität
Nikotinabusus
Antikoagulation in Abhängigkeit vom Risiko
NOAC
Vitamin-K-Antagonisten
Betablocker
Verapamil, Diltiazem
Digoxin
Amiodaron
Klasse-I-Antiarrhythmika (Flecainid, Propafenon)
Klasse-III-Antiarrhythmika (Sotalol, Dronedaron, Amiodaron)
Betablocker
Verapamil
 VorhofsohrverschlussPace & ablate Vorhofflimmer-Ablation
COPD: chronisch obstruktive Lungenerkrankung; NOAC: «novel oral anticoagulants» oder «non-vitamin K antagonist oral anticoagulants»; OSAS: obstruktives Schlafapnoesyndrom.
Lifestyle-Modifikation und Behandlung der Risikofaktoren stossen aufgrund negativer Erfahrungen sowohl bei den behandelnden Ärztinnen und Ärzten als auch bei den Patientinnen und Patienten auf Unbehagen und Skepsis. Um die Therapieadhärenz zu verbessern, empfiehlt die ESC einen interdisziplinären und multimodalen Therapieansatz [1]. Dieser sieht einen individualisierten Therapieplan vor, in den neben Patientinnen und Patienten, Grundversorgenden und Kardiologinnen und Kardiologen auch die Familie/Betreuungspersonen involviert werden. Zentral ist die Information der Patientin / des Patienten über die Rhythmusstörung mit den möglichen Konsequenzen und das Aufzeigen des potentiellen Therapieerfolges. Entsprechend den individuellen Risikofaktoren können beispielsweise Physiotherapie, Ernährungs- oder Rauchstoppberatung initiiert und so kann eine Personengruppe zur Erfolgskontrolle und Motivation aufgebaut werden.

Das Wichtigste für die Praxis

Bei Erstdiagnose Vorhofflimmern (VHF) sollte an die Risikofaktoren und assoziierte Begleiterkrankungen gedacht und diese sollten aktiv gesucht werden.
Eine kardiologische Standortbestimmung mit Frage nach begleitender Herzkrankheit bildet die Basis für die Therapie des VHF.
Durch Veränderungen des Lebensstils können wichtige Risikofaktoren für die Entstehung und Progression des VHF wie Übergewicht, Bewegungsmangel, Alkohol- und Nikotinabusus günstig beeinflusst werden.
Die Thromboembolieprophylaxe durch Antikoagulation und eine frühe Rhythmuskontrolle bilden weitere wichtige Behandlungsstrategien für Personen mit VHF.
Verena Karnebeck, dipl. Ärztin
Klinik für Kardiologie,
Stadtspital Zürich Triemli, Zürich
Die Autorinnen und der Autor danken Stephanie Eich und Dr. med. Bettina Bardill für die Durchsicht des Artikels.
Verena Karnebeck
AssistenzärztinAbteilung Kardiologie
Stadtspital Zürich Triemli
Birmensdorferstrasse 497
CH-8063 Zürich
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