Ein aktueller Überblick

Präeklampsie

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2023/2021
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2023.09378
Swiss Med Forum. 2023;23(2021):40-43

Affiliations
a Frauenklinik, Universitätsspital Basel, Basel; b Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital, Universitätsspital Bern, Bern


Publiziert am 17.05.2023

Trotz weiterer Senkung der mütterlichen und kindlichen Morbidität und Mortalität im 21. Jahrhundert stellt besonders die Präeklampsie auch heute noch eine grosse Gefahr für die Schwangere und ihr Kind dar. Neuere Studien zeigten zudem, dass sie auch über die Schwangerschaft hinaus Einfluss auf die kardiovaskuläre Gesundheit der Betroffenen hat.

Einführung

Mit einer Inzidenz von 6–8% sind hypertensive Schwangerschaftserkrankungen heutzutage eine der Hauptursachen für maternale und perinatale Morbidität und Mortalität und führen zu circa 40 000 mütterlichen Todesfällen pro Jahr weltweit, insbesondere in Ländern mit einem niedrigen medizinischen Standard.
In der Pathogenese der Erkrankung muss man zwischen der «early-onset»-Präeklampsie und der «late-onset»-Präeklampsie unterscheiden. Der früh in der Schwangerschaft auftretenden ersten Form liegt eine abnorme plazentare Einnistung zugrunde. Bei der späten Form findet sich eine mikrovillöse Verdichtung mit Verringerung der villösen Porengrösse, was in der Folge zu einer Zunahme des oxidativen Stresses führt.
Ursprünglich wurde die Präeklampsie definiert als eine neu in der Schwangerschaft aufgetretene Hypertonie (Blutdruck ≥140/90 mm Hg) kombiniert mit einer signifikanten Proteinurie (≥300 mg/Tag) oder einem Protein/Kreatinin-Quotienten von ≥30 mg/mmol. Die gefürchtete Komplikation stellt die Eklampsie dar, ein generalisierter Krampfanfall auf dem Boden einer Präeklampsie. Die Folgen für das Kind sind besonders durch intrauterine Wachstumsretardierung gekennzeichnet mit erhöhtem Risiko für intrauterinen Fruchttod sowie im späteren Leben kardiovaskulären Langzeitfolgen und metabolischem Syndrom. In neueren Studien konnten bei der Mutter zunehmend auch andere Organbeteiligungen im Rahmen einer Präeklampsie nachgewiesen werden. Dies führte zu einer Erweiterung der Definition, die 2018 von der «International Society for the Study of Hypertension in Pregnancy» (ISSHP) publiziert wurde [2].
Die neue Definition beinhaltet eine erstmals in der Schwangerschaft und nach 20 Schwangerschaftswochen (SSW) aufgetretene Hypertonie (>140/>90 mm Hg) in Kombination mit mindestens einem der folgenden Kriterien: Proteinurie, maternale Organdysfunktion (Niere, Leber, Lunge, hämatologische oder neurologische Beteiligung) und/oder fetale Wachstumsrestriktion.
Somit ist das Vorliegen einer erhöhten Eiweissausscheidung im Urin nicht mehr zwingend zur Diagnosestellung erforderlich [1, 2]. Jedoch findet sie sich in der Mehrzahl der Präeklampsiefälle (75%).
Neuere Daten belegen zudem das erhöhte Risiko für kardiovaskuläre Langzeitfolgen bei Frauen mit Status nach Präeklampsie. So konnte gezeigt werden, dass diese Patientinnen nach der Schwangerschaft ein vierfach erhöhtes Risiko für eine spätere arterielle Hypertonie und ein zweifach erhöhtes Risiko für eine ischämische Herzerkrankung, einen zerebralen Insult oder sonstige thromboembolische Ereignisse aufweisen.
Eine kausale Therapie der Präeklampsie existiert aktuell nicht. Umso wichtiger ist daher die frühzeitige Risikostratifizierung. Zur klinischen Diagnose kommen heutzutage auch biochemische Marker zum Einsatz, die die Diagnosestellung mit oder bereits kurz vor Auftreten der ersten klinischen Symptome vereinfachen und untermauern können.

Prädiktion und Prävention

Wie eingangs erwähnt steht zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Therapie der Präeklampsie zur Verfügung. Jedoch konnte gezeigt werden, dass der frühzeitige Einsatz (vor 16 SSW, bis zur 36. SSW fortgeführt) von niedrigdosierter Acetylsalicylsäure (75–150 mg täglich) das Risiko der Entwicklung einer «preterm»-Präeklampsie signifikant senken konnte. Umso mehr steht daher die Erkennung von Hochrisikopatientinnen im Fokus, um diese in der Schwangerschaft engmaschiger zu betreuen und gegebenenfalls präventive Massnahmen einzuleiten. Das «National Institute for Health and Care Excellence» (NICE) hat gemäss den Ergebnissen einer grossen Metaanalyse von über 25 Millionen Schwangerschaften folgende Risikofaktoren formuliert, die Frauen mit einem hohen Risiko für die Entwicklung einer Präeklampsie identifizieren: hypertensive Schwangerschaftserkrankungen in einer vorangegangenen Schwangerschaft, chronische Nierenerkrankungen, Autoimmunerkrankungen wie systemischer Lupus erythematodes oder Antiphospholipidsyndrom, Diabetes mellitus Typ 1 oder 2 und chronische Hypertonie. Liegt mindestens einer dieser Hochrisikofaktoren vor, sollte die Schwangere niedrigdosierte Acetylsalicylsäure einnehmen. Acetylsalicylsäure sollte auch verordnet werden, wenn zwei oder mehr moderate Risikofaktoren identifiziert werden können. Als moderate Risikofaktoren definiert das NICE folgende Kriterien: Nulliparität, Alter von 40 Jahren oder älter, mehr als 10 Jahre Abstand zur vorherigen Schwangerschaft, Body Mass Index (BMI) von ≥35 kg/m2 bei Erstkonsultation, Präeklampsie in der Familienanamnese und Mehrlingsschwangerschaft [1, 3].

Ersttrimester-Screening auf Präeklampsie

Auch wenn oben genannte Risikofaktoren identifiziert und in Studien belegt werden konnten, bleibt eine Vorhersage der Präeklampsie allein anhand von Risikofaktoren ungenau. Daher haben neuere Studien zum Ziel, Algorithmen zur Prädiktion zu entwickeln, analog zum Aneuploidie-Screening im ersten Trimenon. So konnte gezeigt werden, dass sich mit einer Kombination aus klinischen Parametern und biochemischen Markern das Risiko, eine Präeklampsie in der aktuellen Schwangerschaft zu entwickeln, zuverlässig bestimmen lässt. Wright et al. entwickelten hierzu einen Algorithmus bestehend aus mütterlichen Risikofaktoren, mittlerem arteriellen Blutdruck (MAP), mittlerem Pulsatilitätsindex (PI) der Arteriae (Aa.) uterinae (ermittelt mittels Doppler-Sonographie) und dem proangiogenen Protein «placental growth factor» (PlGF), bestimmt im mütterlichen Serum [4]. In der bislang einzigen Multizenterstudie mit 8775 Fällen mit Vergleich des Algorithmus der «Fetal Medicine Foundation» (FMF) London unter Verwendung des MAP, des PI der Aa. uterinae und PlGF mit den Empfehlungen des NICE und der «American College of Obstetricians and Gynecologists» (ACOG) zeigt sich, dass mit der FMF-Risikokalkulation die Entdeckungsrate einer Präeklampsie für eine Falsch-positiv-Rate (FPR) von 10% vor 32 SSW bei 100%, vor 37 SSW bei 75% und ≥37 SSW bei 43% liegt. Die Detektionsraten für die NICE-Kriterien betragen im Vergleich dazu 41%, 39% und 34% für eine FPR von 10,2%. Bei Anwendung der ACOG-Empfehlungen lagen die Detektionsraten vor 32 SSW bei 94%, vor 37 SSW bei 90% und bei 89% nach 37 SSW bei einer FPR von 64,2% [3, 5]. Derzeit wird dieses Screening als solches in der Schweiz nicht vergütet. Die Doppleruntersuchung der Aa. uterinae kann in die Untersuchung im Rahmen des Ersttrimester-Screenings integriert werden und stellt keinen grossen zeitlichen und finanziellen Mehraufwand dar. Gleiches gilt für die standardisierte Blutdruckmessung. Die zusätzlichen Kosten für die Labordiagnostik sind aktuell noch keine Pflichtleistungen der Grundversicherung. Bei der Ultraschalluntersuchung wird der normale Ersttrimester-Ultraschall vergütet, nicht aber eine zusätzliche Dopplersonographie. Aufgrund der guten Datenlage wäre es empfehlenswert, das Präeklampsie-Screening in das Ersttrimester-Screening zu integrieren und dies auch entsprechend zu vergüten. Da insbesondere die Erstgebärende ohne vorbestehende Risikofaktoren deutlich von diesem Screening und gegebenenfalls der prophylaktischen Einnahme von niedrigdosierter Acetylsalicylsäure täglich im Falle eines erhöhten Risikos profitieren kann, wäre es sinnvoll, dies als Screening-Untersuchung jeder Schwangeren anzubieten und nicht nur einem ausgewählten Risikokollektiv. Die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) bezieht in ihrem Expertenbrief Nr. 57 [5] ganz klar Stellung hierzu und empfiehlt derzeit, weitere Validierungstudien abzuwarten, bevor ein flächendeckendes Präeklampsie-Screening in der Schweiz definitiv in der Schwangerschaftsvorsorge etabliert werden sollte. Zum jetzigen Zeitpunkt scheint es sinnvoll, dieses auf Ärztinnen und Ärzte mit entsprechender zusätzlicher Zertifizierung und entsprechende Zentren zu begrenzen. Entsprechende Kurse werden über die FMF oder auch die Schweizerische Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe (SGUMGG) bereits angeboten, wobei eine Zertifizierung derzeit lediglich über die FMF möglich ist.

Prophylaxe

In einem Hochrisikokollektiv konnte gezeigt werden, dass ein frühzeitiger Einsatz von Acetylsalicylsäure (mindestens 100 mg täglich abends, Einnahmebeginn vor 16 SSW) das Risiko zur Entwicklung einer Präeklampsie um 17% senken konnte mit einer Reduktion des relativen Risikos für Frühgeburt um 14% und um 8% für perinatales Versterben. Ein Durchbruch in der Erfolgsgeschichte der Acetylsalicylsäure zur Präeklampsieprophylaxe stellte schliesslich der ASPRE-Trial dar [6]. In dieser im Jahr 2017 publizierten doppelt-verblindeten, randomisierten, prospektiven Multizenterstudie mit 1776 Frauen, die gemäss Risikokalkulation nach FMF ein erhöhtes Risiko für Präeklampsie aufwiesen, konnte gezeigt werden, dass 150 mg Acetylsalicylsäure, gestartet vor 16 SSW, die Entwicklung einer «preterm»-Präeklampsie um 62% reduzieren konnten, die Entstehung einer «early-onset»-Präeklampsie (vor 34 SSW) konnte sogar um 82% reduziert werden («number needed to treat» [NNT] = 36). Jedoch konnte für die Entwicklung einer späten Präeklampsie kein signifikanter Effekt nachgewiesen werden. Diese Resultate konnten durch neuere Metaanalysen bestätigt werden [7, 8]. Hieraus lässt sich schlussfolgern, dass mit Acetylsalicylsäure ein nebenwirkungsarmes, kostengünstiges Medikament zur Prävention der Präeklampsie zur Verfügung steht. Dieses Hochrisikokollektiv, das von der Acetylsalicylsärueeinnahme profitiert, lässt sich heutzutage zuverlässig mittels des Ersttrimester-Screenings auf Präeklampsie bestimmen.

Ambulante Kontrollen

Schwangere Frauen, die ein erhöhtes Präeklampsierisiko zeigen (anamnestisch oder mittels Screenings im ersten Trimenon), sollten engmaschiger ambulant kontrolliert werden als Schwangere mit niedrigem Risiko. Entsprechend ihrem Risikoprofil muss das Kontrollintervall gewählt werden, auch in Bezug auf die SSW und die sich daraus ableitenden Konsequenzen (zum Beispiel Lungenreifungsinduktion, Prolongation oder Beendigung der Schwangerschaft). In der Konsultation sollte regelmässig der Urin hinsichtlich einer Proteinurie untersucht und der Blutdruck standardisiert gemessen werden, und dies wie oben erwähnt in kürzeren Intervallen als bei Frauen mit einem niedrigen Präeklampsierisiko. Die Schwangeren sollten zur Blutdruckselbstmessung zuhause angeleitet werden und hierzu ein Protokoll führen [9]. Zudem sollte auf neurologische Zeichen wie Kopfschmerzen und Visusstörungen sowie auf Ödeme (mit ausgeprägter Gewichtszunahme >1 kg/Woche), Oberbauchschmerzen und laborchemische Parameter wie erhöhte Leberwerte (Alanin- [ALAT] und Asparat- [ASAT] Aminotransferase), Thrombozytopenie und Hämolysezeichen (Hämoglobin, Hämatokrit, Laktatdehydrogenase, Haptoglobin, Bilirubin, Serumkalium) geachtet werden. Ebenfalls sollten regelmässige Ultraschalluntersuchungen erfolgen mit Beurteilung des fetalen Wachstums und der fetalen Perfusion mittels Doppler.

Biochemische Marker in der Diagnostik

Auch wenn die klinischen und laborchemischen Parameter engmaschig überwacht werden, bleibt die Diagnose der Präeklampsie dennoch komplex, insbesondere wenn die Patientin bereits Komorbiditäten aufweist. Da die Organmanifestationen heterogen ausgeprägt sein können, sind sämtliche überwachten Parameter lediglich Symptome der gestörten Plazentation und es bedarf dringend genauerer diagnostischer Methoden, um die betroffenen Frauen identifizieren zu können. Als immer mehr über die Pathogenese der Präeklampsie bekannt wurde, konnten angiogene Biomarker identifiziert werden, die direkt bei der Entstehung dieser Erkrankung eine Rolle spielen. Insbesondere die beiden biochemischen Parameter PlGF und «soluble fms-like tyrosine kinase 1» (sFlt-1) konnten zur Diagnostik etabliert werden und zeigen Veränderungen bis zu zehn Wochen vor der klinischen Manifestation der Erkrankung. Hierbei finden sich insbesondere erniedrigte PlGF-Werte (<100 pg/ml) im ersten Trimenon oder eine erhöhte sFlt-1/PlGF-Ratio nach der 20. SSW. Es hat sich gezeigt, dass bei einer sFlt-1/PlGF-Ratio von <38 eine Präeklampsie in der nächsten Woche mit einer hohen Sensitivität (80%) und Spezifität (78,3%) ausgeschlossen werden kann («area under the receiver-operator curve» [AUC] von 90%). Der negative prädiktive Wert betrug 99,3%, der positive prädiktive Wert 36,7%. Der Cut-off von 38 wurde in der PROGNOSIS-Studie von Zeisler et. al 2016 [10] als wichtiger prädiktiver Wert identifiziert innerhalb einer Kohorte von 500 Frauen, die eine Präeklampsie entwickelten. In einer nachfolgenden Validierungsstudie mit 550 Frauen zeigte sich ein negativer prädiktiver Wert (zum Beispiel keine Entwicklung einer Präeklampsie innerhalb der folgenden Woche) von 99,3% (95% Konfidenzintervall [CI], 97,9–99,9] für eine sFlt-1/PlGF-Ratio von ≤38. Die Sensitivität lag hierbei bei 80,0% (95% CI, 51,9–95,7), die Spezifität bei 78,3% (95% CI, 74,6–81,7). Der positive prädiktive Wert betrug 36,7% (95% CI, 28,4–45,7) bei einer sFlt-1/PlGF-Ratio >38 für die Entwicklung einer Präeklampsie innerhalb der folgenden vier Wochen, mit einer Sensitivität von 66,2% (95% CI, 54,0–77,0) und einer Spezifität von 83,1% (95% CI, 79,4–86,3) [10]. Der Test hat validierte Cut-off-Werte, die abhängig von der SSW sind. Somit erfüllt dieser Test die Kriterien für einen klinisch effizienten und wirksamen Vorhersagetest. Aufgrund der hohen negativ-prädiktiven Eigenschaften des Tests besteht somit die Möglichkeit, die Entwicklung einer Präeklampsie in den nächsten 1–2 Wochen mit grosser Sicherheit auszuschliessen. Hierdurch können unnötige Hospitalisationen vermieden und Kosten für das Gesundheitswesen eingespart werden. Verlaufskontrollen sind nur bei entsprechender Klinik sinnvoll und sollten frühestens alle 1–2 Wochen erfolgen. Bei asymptomatischen Patientinnen sind regelmässige Verlaufskontrollen nicht indiziert.

Klinisches Management bei Präeklampsie

Bei anhaltend erhöhten Blutdruckwerten >140/>90 mm Hg sollte eine antihypertensive Therapie eingeleitet werden mit Zielwerten von um 135/85 mm Hg. Als Mittel der ersten Wahl konnte Labetalol (max. 2400 mg/Tag) in Studien ermittelt werden. Mittel der zweiten Wahl ist demnach Nifedipin (max. 120 mg/Tag). Sollten Kontraindikationen gegen diese ersten beiden Medikamente vorliegen oder sie aus anderen Gründen nicht verabreicht werden können, steht als Mittel der letzten Wahl Methyldopa (250–500 mg, max. 2 g/Tag) zur Verfügung. Zu beachten gilt, dass eine zu starke Blutdrucksenkung (<120/80 mm Hg) zu einer plazentaren Minderperfusion und somit zu einer Beeinträchtigung des Fetus führen kann.
Sollte die Schwangere Anzeichen einer schweren Präeklampsie zeigen, muss sie hospitalisiert und durch ein interdisziplinäres Team aus Geburtshilfe, Anästhesie, Neonatologie, Intensivmedizin und gegebenenfalls weiteren Disziplinen betreut werden. Hierbei spielt neben der antihypertensiven Therapie der Mutter auch die Lungenreifungsinduktion zur Verbesserung des neonatalen Outcome bei potentieller Frühgeburtlichkeit eine grosse Rolle. Zudem sollte die Schwangere Magnesium intravenös als Eklampsieprophylaxe erhalten.
Eine grosse Herausforderung für das betreuende Team stellt die Frage nach dem «besten» Zeitpunkt der Entbindung dar und ist derzeit Gegenstand zahlreicher Studien. Hierbei gilt es, maternale und neonatale Vorteile und Risiken sorgfältig gegeneinander abzuwägen und in der individuellen Situation die bestmögliche Entscheidung für die Mutter und ihr Kind zu treffen. Postpartal sollte die Patientin im klinischen Setting engmaschig überwacht und ihr Blutdruck weiterhin adäquat eingestellt werden (Zielwert von <140/<90 mm Hg). Medikament der ersten Wahl ist auch im Wochenbett Labetalol. Bei unzureichend antihypertensiver Wirkung kann auf Metoprolol oder Enalapril umgestellt werden. Zudem sollten regelmässige laborchemischen Kontrollen erfolgen und es sollte auf eine Normalisierung der neurologischen Symptomatik geachtet werden.
Die Phasen einer Präeklampsie sind in Abbildung 1 dargestellt.
Abbildung 1: Phasen der Präeklampsie: Jede Phase verlangt nach einer Anpassung von Standort und Vorgehenstempo (Häufigkeit des Screenings) (aus: Lapaire O, Shennan A, Stepan H. The preeclampsia biomarkers soluble fms-like tyrosine kinase-1 and placental growth factor: current knowledge, clinical implications and future application. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol. 2010;151(2):122-9. doi: 10.1016/j.ejogrb.2010.04.009. https://www.sciencedirect.com/journal/european-journal-of-obstetrics-and-gynecology-and-reproductive-biology . Nachdruck und Übersetzung mit freundlicher Genehmigung).
© 2010 Elsevier Ireland Ltd. Published by Elsevier Inc. All rights reserved.

Langzeitfolgen

Die Präeklampsie hat auch über die Schwangerschaft hinaus Folgen für die langfristige Gesundheit der Patientin. So konnte eine Metaanalyse mit über drei Millionen Frauen zeigen, dass Frauen nach einer Präeklampsie ein deutlich erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen aufwiesen, mit einem relativen Risiko für Bluthochdruck von 3,7 und für ischämische Herzerkrankungen von 2,16. Es konnte eine Verdopplung des Risikos für ischämische Kardiopathien, zerebrovaskuläre Insulte und Thromboembolien in den nachfolgenden 5–15 Jahren nach einer Schwangerschaft mit Präeklampsie nachgewiesen werden. Daher erscheint eine lebenslange Überwachung im Hinblick auf kardiovaskuläre Risikofaktoren sinnvoll.
Auch für die Kinder einer an Präeklampsie erkrankten Mutter konnte ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck und kardiovaskuläre Erkrankungen im Laufe ihres Lebens nachgewiesen werden [11].

Ausblick

Durch die erweiterte Definition der Präeklampsie werden wir in der Diagnostik, der Betreuung während der Schwangerschaft und auch in den Verlaufskontrollen nach Entbindung zunehmend vor neue Herausforderungen gestellt. Neue Erkenntnisse über weitere Organbeteiligungen bieten die Möglichkeit für genauere Untersuchungen zur Prädiktion oder frühzeitigen Diagnostik (zum Beispiel die Dopplersonographie der Arteria ophthalmica). Auch das Gebiet der therapeutischen Ansätze wird ein wachsendes Forschungsfeld in den kommenden Jahren sein. Dies auch dank neuerer Erkenntnisse in Bezug auf die Pathogenese der Präeklampsie. Wenn es gelingt, diese Forschungsbemühungen in der klinischen Praxis zu etablieren, werden wir auch in Zukunft die mütterliche und kindliche Morbidität und Mortalität drastisch senken können, auch über die Schwangerschaft und Perinatalzeit hinaus.

Das Wichtigste für die Praxis

Die Präeklampsie stellt auch heutzutage noch eine grosse Gefahr für die Schwangere und ihr Kind dar, da im klinischen Alltag die Symptome oft zu spät erkannt werden.
Durch die Kombination von Ultraschall (Pulsatilitätsindex der Arteriae uterinae), biochemischen Markern, klinischen Parametern (standardisierte Blutdruckmessung) und Risikofaktoren kann mit einem Algorithmus das Risiko für die Entwicklung einer Präeklampsie zuverlässig vorhergesagt werden.
In der Prävention steht mit der Acetylsalicylsäure heute ein gut evaluiertes und nebenwirkungsarmes Medikament zur Verfügung.
Mit Diagnosestellung sollte die Schwangere in einem Zentrum betreut werden, das eine Behandlung durch ein interdisziplinäres Team (Geburtshilfe, Anästhesie, Neonatologie, Intensivmedizin und gegebenenfalls weitere) rund um die Uhr gewährleisten kann.
Durch Prädiktion und Prävention kann das kardiovaskuläre Risiko der Schwangeren auch langfristig gesenkt und der Outcome für ihr Kind verbessert werden.
Dr. med. Hanna Baumann
Frauenklinik, Universitätsspital Basel, Basel
Prof. Dr. med. Olav Lapaire
Frauenklinik
Universitätsspital Basel
Spitalstrasse 21
CH-4031 Basel
olav.lapaire[at]usb.ch
1 National Institute for Health and Care Excellence [Internet]. Hypertension in pregnancy: diagnosis and management (NICE guideline NG133). c2019 Jun 25 [abgerufen am 16. Nov. 2022 ]. Verfügbar unter: https://www.nice.org.uk/guidance/ng133.
2 Brown MA, Magee LA, Kenny LC, Karumanchi SA, McCarthy FP, Saito S, et al.; International Society for the Study of Hypertension in Pregnancy (ISSHP). Hypertensive Disorders of Pregnancy: ISSHP Classification, Diagnosis, and Management Recommendations for International Practice. Hypertension. 2018;72(1):24–43.
3 O’Gorman N, Wright D, Poon LC, Rolnik DL, Syngelaki A, de Alvarado M, et al. Multicenter screening for pre-eclampsia by maternal factors and biomarkers at 11-13 weeks’ gestation: comparison with NICE guidelines and ACOG recommendations. Ultrasound Obstet Gynecol. 2017;49:756–60.
4 Wright A, Wright D, Syngelaki A, Georgantis A, Nicolaides KH. Two-stage screening for preterm preeclampsia at 11-13 weeks’ gestation. Am J Obstet Gynecol. 2019;220:197.e191–197.e111.
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6 Rolnik DL, Wright D, Poon LCY, Syngelaki A, O’Gorman N, de Paco Matallana Cet al. ASPRE trial: performance of screening for preterm pre-eclampsia. Ultrasound Obstet Gynecol. 2017;50(4):492–5.
7 Roberge S, Nicolaides K, Demers S, Hyett J, Chaillet N, Bujold E. The role of aspirin dose on the prevention of preeclampsia and fetal growth restriction: systematic review and meta-analysis. Am J Obstet Gynecol. 2017;216(2):110–20.
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9 Hypertensive Pregnancy Disorders: Diagnosis and Therapy. Guideline of the German Society of Gynecology and Obstetrics (S2k-Level, AWMF-Registry No. 015/018, March 2019). [abgerufen am 16. Nov. 2022]. Verfügbar unter: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-018.html.
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11 Bellamy L, Casas JP, Hingorani AD, Williams DJ. Pre-eclampsia and risk of cardiovascular disease and cancer in later life: systematic review and meta-analysis. BMJ. 2007;335:974.

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