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Aktuelles aus der Wissenschaft
Ausgabe
2023/10
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2023.09381
Swiss Med Forum. 2023;23(10):942-943

Affiliations
Wissenschaftliche Redaktion Swiss Medical Forum

Publiziert am 08.03.2023

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Fokus auf …
Die obere Sprunggelenks- (OSG) Distorsion
Die OSG-Distorsion gehört zu den häufigsten Sportverletzungen. Schätzungsweise 80% in der Bevölkerung erleiden einmal im Leben eine OSG-Distorsion. Die meisten davon werden in der Hausarztpraxis versorgt.
Die OSG-Distorsion entsteht meist durch eine Kombination plötzlicher Flexion, Adduktion und Inversion des Fusses. Durch dieses Supinationstrauma werden die lateralen Bänder überdehnt; in ca. 1/10 der Fälle kommt es zu einer teilweisen oder vollständigen Ruptur. Bei komplexeren Trauma-Mechanismen können auch die medialen Bänder betroffen sein.
Meist präsentiert sich die verletzte Person mit Schmerzen, Schwellung und Hämatom im Bereich des Malleolus lateralis. Bei Rupturen kann der Fuss nicht mehr belastet werden.
Nach der Beweglichkeitsprüfung (Flexion/Extension/Eversion/Inversion) wird die Region des medialen und lateralen Bandapparats palpiert, um die Bandläsion zu lokalisieren. Die proximale Fibula sollte auch palpiert werden (Maisonneuve-Fraktur bei Pronationstrauma).
Ein Röntgenbild wird dann empfohlen, wenn der Fuss nicht mehr belastet werden kann. Auch Druckschmerzpunkte am Malleolus medialis und lateralis, am Os naviculare und an der Basis des Os metatarsale V sind Indikationen für ein Röntgenbild [1]. Die Aufnahmen werden im anterior/posterioren und seitlichen Strahlengang gemacht; gehaltene Aufnahmen sind im Akutstadium obsolet.
Initiale Therapie: Ruhigstellung (2-10 Tage, je nach Schwere des Traumas), Kühlung, Kompression mit elastischer Binde und Hochlagern. Analgesie mit NSAR, gleich analgetisch wirksam sind auch Paracetamol und Opioide [2].
Längere Immobilisation verschlechtert die Prognose [2]. Deshalb ist die rasche Mobilisation in einer OSG-Orthese für 4-6 Wochen heute Standard. Die Belastung erfolgt nach Beschwerden. Physiotherapeutische Lymphdrainage ist bei hartnäckiger Schwellung hilfreich.
Eine chirurgisch-orthopädische Konsultation ist bei schweren Verletzungen mit Knochenbeteiligung und Bandrupturen, anderen Zusatzverletzungen und bei chronischer OSG-Instabilität sinnvoll.
2 Front Med. 2022, doi.org/10.3389/fmed.2022.868474.
Verfasst am 12.2.2023_MK.

Praxisrelevant

Vorsicht: Tuberkulose-Ansteckung durch Material oder Wunden

Im Jahre 2021 wurde in den USA das Knochenmaterial eines 80j. Mannes auf 133 Empfänger übertragen. Unbekannt war, dass der Verstorbene an Tuberkulose (TB) litt. Die allogene Knochentransplantation führte bei 83 Empfängern zu einer TB an der Implantationsstelle [1]. In der Folge wurden 4884 Personen untersucht, welche mit der Aufarbeitung, Verteilung und Implantation des infizierten Knochenmaterials zu tun hatten oder in der Pflege der 83 Patienten beschäftigt waren [2]: 73 (1.5%) Mitarbeiter, die alle (ein Monat bis fünf Jahre) zuvor im TB-Screening negativ waren, zeigten einen positiven Haut- oder γ-Interferon-Test. Die Thorax-Röntgenbilder der 73 Personen zeigten keine Infiltrate, was bedeutet, dass sie sich neu infiziert hatten, ohne dass einer erkrankt war (latente TB). Die Übertragungen wurden wie folgt lokalisiert: Aufbereitungsabteilungen (3), Operationssäle (9), Postoperationseinheiten (4), Pflegestationen und Langzeitpflegestationen (35). Bei den verbleibenden 22 war die Zuteilung nicht sicher möglich. Wie die Mykobakterien bei der Aufbereitung des Spenderknochens, Spülen von Patientenwunden oder Waschen von kontaminierten chirurgischem Operationsgeräten übertragen wurden, ist nicht geklärt. Am wahrscheinlichsten verursachte eine Aerosolisierung die Transmission. Auch wenn der Beweis in dieser Arbeit letztlich fehlt, dass die Ansteckungen vom Spendermaterial stammen und die Übertragungsrate geringer als bei engem Kontakt mit Lungen-TB Erkrankten ist, hebt sie den Mahnfinger: Eine Übertragung von Mycobacterium tuberculosis findet auch bei extrapulmonaler Tuberkulose und mit TB-kontaminiertem Material statt. Es lohnt sich, auch bei diesen Kontakten die Hygiene-Prinzipien einzuhalten.
1 Lancet Infect Dis. 2022,
2 Clin Infect Dis. 2023, doi.org/10.1093/cid/ciad029.
Verfasst am 10.2.203_MK.

Arsenal der Osteoporose-Therapie

Rund 20% der Schweizer Frauen >50 Jahre (und ca. 7% der Männer) entwickeln eine Osteoporose. Eine systematische Übersichtsarbeit aus den USA [1] vergleicht die verschiedenen Behandlungsoptionen hinsichtlich Wirksamkeit zur Prävention von Frakturen und dem Auftreten unerwünschter Wirkungen. Inkludiert wurden insgesamt 136 Arbeiten, davon 34 randomisiert-kontrollierte Studien und 36 Beobachtungsstudien. Eine signifikante Reduktion von Frakturen fand sich unter Bisphosphonaten und dem RANKL-Inhibitor Denosumab. Eine längere Therapiedauer erhöhte das Risiko für Kiefernekrosen und atypische Femurfrakturen – wobei dies insgesamt seltene Ereignisse waren. Das Parathormon-Analogon Teriparatid reduzierte das Frakturrisiko ebenfalls, wurde aber aufgrund von Nebenwirkungen (Nausea) häufiger abgesetzt. Selektive Östrogenrezeptormodulatoren (Raloxifen) reduzierten v.a. die Inzidenz von Wirbelfrakturen.
Problematisch ist die Tatsache, dass die Dauer der analysierten Studien bei <5 Jahren lag. Während eine antiresorptive Therapie das Frakturrisiko mittelfristig reduziert, führt eine längerfristige Hemmung des physiologischen Knochenmetabolismus zu einer hypermineralisierten, spröden Knochenstruktur und damit vermutlich wieder zu einem höheren Frakturrisiko [2]. Hier wird es also Studien mit längerer Therapiedauer und einem Fokus auf sequenzielle Behandlungsansätze brauchen. Die Daten im besprochenen Artikel weisen darauf hin, dass eine Therapie mit dem Sclerostin-Inhibitor Romosozumab, gefolgt vom Bisphosphonat Alendronat und dem Parathormon-Analog Teriparatid wesentlich wirksamer ist als eine alleinige Bisphosphonat-Therapie.
1 Ann Intern Med. 2023, doi.org/10.7326/M22-0684.
2 Ann Intern Med. 2023, doi.org/10.7326/M22-3580.
Verfasst am 12.2.23_HU.

Auch noch aufgefallen

Unsicherheit in unserem Berufsalltag

In einem Editorial des «Green Journal’s» erinnert D. Lichtstein an ein wichtiges Prinzip, welches er uns Ärzten zu beherzigen empfiehlt. Nämlich die Anerkennung, dass wir in unserem Berufsalltag von Unsicherheit begleitet sind, sei es bei Diagnosestellung, Therapiewahl oder Prognoseeinschätzung.
Der Patient nimmt diese Regungen bei uns wohl meistens nicht wahr und glaubt, die gestellte Diagnose ist «sicher» und die Therapie «richtig». Zudem glauben wir Ärzte, der Patient darf unsere Unsicherheiten nicht erkennen, da sonst unsere Glaubwürdigkeit auf dem Spiel steht.
Darf der Patient die Unsicherheit des Arztes wahrnehmen? Seine Antwort ist klar: das Verbergen von Unsicherheit führt zu noch mehr Belastung und Stress. Der erste Schritt: Wahrnehmen, dass ich unsicher und vielleicht sogar überfordert bin. Erst dies ermöglicht und erleichtert die nächste Aktion: Diskussion mit KollegInnen und/oder: Aktives Einbinden des Patienten in Überlegungen und Entscheidungen und dadurch Suche einer Patienten-orientierten/basierten Lösung.
Und seine praktischen Tipps, die wir wohl selbst immer wieder anwenden: 1) den Patienten instruieren sich zu melden, wenn es nicht besser oder schlechter wird; 2) am nächsten Tag eine Telefonkonsultation einplanen; 3) die nächste Konsultation zeitnah abmachen; 4) sich Zeit nehmen, um über die Krankheit zu lesen und zu recherchieren (Fallberichte, neue Therapien).
Lichtstein ist überzeugt, dass diese Strategie das Vertrauen in der Arzt-Patienten-Beziehung stärkt und uns besser vor Überlastung und Burnout schützt.
Am J Med. 2023,doi.org/10.1016/j.amjmed.2022.12.018. Verfasst am 10.2.2023_MK.
Immer noch lesenswert
Schlafapnoe: Wenn der Ellbogen diagnostisch ist…
Eine obstruktive Schlafapnoe ist ein Risikofaktor für verschiedene kardiovaskuläre Folgekrankheiten und geht, wenn symptomatisch, mit deutlicher Einschränkung der Lebensqualität – Tagesmüdigkeit, Einschlafneigung, Unfallgefahr – einher.
Wie diese kleine, prospektiv durchgeführte Studie zeigte, lässt sich mit gezielter Anamnese und zwei einfachen Fragen der positive Prädiktionswert für eine obstruktive Schlafapnoe signifikant erhöhen: Does your bed partner ever poke or elbow you
1) because you are snoring? und 2) because you stopped breathing?
Ellbogen im Einsatz: Zum Ohrenverschliessen, aber auch Schubsen.
© Kampus Production / Pexels
Wurde eine der beiden Fragen mit ja beantwortet, so stieg die Vortestwahrscheinlichkeit für einen pathologischen Apnoe/Hypopnoe-Index (≥5/h) deutlich an.
Der Zusammenhang dieses «kubitalen Schubsers» und dem Vorliegen von Atempausen ist insbesondere im Kollektiv der adipösen Männer (BMI >31) eindrücklich: Ein positives Ellbogen-Zeichen ist in dieser Konstellation praktisch diagnostisch für das Vorliegen einer obstruktiven Schlafapnoe (Spezifität >96%). Zum Screening bei Verdacht auf eine obstruktive Schlafapnoe lohnt es sich deshalb, gezielt nach dem Ellbogen-Schubser im Kontext von Schnarchen und Atempausen zu fragen.
Verfasst am 10.2.23_HU.