Kurz und bündig
Journal Club Fokus auf … Das hat uns gefreut

Kurz und bündig

Aktuelles aus der Wissenschaft
Ausgabe
2023/12
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2023.09397
Swiss Med Forum. 2023;23(12):968-969

Affiliations
Wissenschaftliche Redaktion Swiss Medical Forum

Publiziert am 22.03.2023

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Fokus auf …
Respiratory Syncytial Virus (RSV)
RS-Viren sind RNS-Viren, die weltweit zu den häufigsten Erregern von oberen Luftwegsinfektionen in den kalten Jahreszeiten zählen.
Sie werden von Mensch zu Mensch durch Tröpfchen übertragen. Die Ansteckung erfolgt in erster Linie beim Beginn der Symptome. Weil sich nach einer Infektion keine bleibende Immunität entwickelt, treten Infektionen in jedem Alter auf (Säuglinge, Erwachsene, Betagte).
RSV bindet über das F-Protein an Rezeptoren der Zellmembran der respiratorischen Epithelien. Durch Konformationsänderung des F-Proteins entsteht eine Pore, durch die das RSV-Nukleokapsid ins Zellinnere gelangt.
Nach einer Inkubationszeit von 2–7 Tagen treten Fieber, Rhinitis und später Husten auf. Gelegentlich entwickelt sich eine Otitis media oder Konjunktivitis. Eine reaktive Thrombozytose ist typisch. In der Folge kann ein über Wochen anhaltender, trockener Husten bestehen bleiben.
Eine RSV-Infektion kann klinisch nicht von einer Corona- oder Influenzainfektion unterschieden werden. Die Diagnose erfolgt am schnellsten mittels PCR («polymerase chain reaction») oder Antigen-Schnelltest aus dem Rachensekret.
Die klinische Präsentation ist altersabhängig: Säuglinge entwickeln eher schwere Krankheitsverläufe mit Bronchiolitis. Bei Jugendlichen und Erwachsenen ist ein milder Verlauf die Regel. Bei Betagten und Immunsupprimierten dagegen ist mit Komplikationen (Pneumonie) und Spitaleinweisungen zu rechnen.
Bei Kindern kündigen beidseitige exspiratorische feine Rasselgeräusche sowie Giemen und Pfeifen den schweren Verlauf an. Oft sind sie stark dehydriert.
Die Therapie besteht aus supportiven Massnahmen: Sauerstoff, Sekretmanagement, Rehydrierung. Bronchodilatatoren sind gelegentlich hilfreich, Kortikosteroide sollten nicht eingesetzt werden.
Ribavirin ist eine antivirale Substanz, deren Wirksamkeit beschränkt ist. Sie wird nicht routinemässig eingesetzt. Für die passive Immunisierung gewisser Risikogruppen steht Palivizumab zur Verfügung.
Zahlreiche Impfstudien sind bei verschiedenen Populationen (Kinder, Schwangere, ältere Erwachsene) im Gange. Dabei dient das F-Protein als bester Antigen-Kandidat, um eine Immunantwort auszulösen. Ein aktiver Impfstoff steht allerdings zurzeit noch nicht zur Verfügung.
Clin Microbiol Rev. 2016, doi.org/10.1128/CMR.00010-16.
Int J Mol Med. 2020, doi.org/10.3892/ijmm.2020.4641.
Verfasst am 24.2.2023_MK.

Praxisrelevant

Impfantwort unter Methotrexat

Patientinnen und Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) sind sowohl aufgrund ihrer rheumatologischen Grundkrankheit als auch wegen der immunsuppressiven Therapie einem höheren Risiko für infektiöse Krankheiten ausgesetzt. Sie sollten entsprechend präventiv geimpft werden. Unter Methotrexat – der gängigsten Erstlinientherapie bei der Behandlung der RA – ist aber auch die Impfantwort abgeschwächt. Was also tun mit der Methotrexat-Therapie, wenn die saisonale Grippeimpfung ansteht?
Aussetzen für eine Woche genügt zum Erreichen einer ausreichenden Seroprotektion – so die Resultate dieser prospektiven, randomisierten Noninferioritätsstudie: Es kommt dabei zur identischen Antikörperantwort, wie wenn Methotrexat für zwei Wochen pausiert wird, ohne dass eine signifikante Zunahme der Krankheitsaktivität beobachtet wird. Bereits aus einer Vorläuferstudie derselben Forschungsgruppe ist bekannt: Eine Impfung ohne Methotrexat-Pause führt zu einer ungenügenden Immunantwort. Bei einer Pause von vier Wochen steigt das Risiko für eine Zunahme der Krankheitsaktivität.
Ob die hier untersuchte Strategie auch für weitere Impfstoffe (COVID-Booster, Pneumokokken) und andere Immunsuppressiva (z.B. Mycophenolat) eine wirksame Option darstellt, bleibt abzuwarten.
Arthritis Rheumatol. 2023, doi.org/10.1002/art.42318.
Verfasst am 27.2.23_HU.

Aus Schweizer Feder

Sechs Pillen weniger

Wenn sich nach Nierentransplantation die Nierenfunktion verschlechtert, entwickelt sich dabei nicht selten eine metabolische Azidose. In der Absicht, diese Verschlechterung zu bremsen, wird die Gabe von Bicarbonat empfohlen. Ist diese Massnahme gerechtfertigt?
In Bern, Genf und Zürich wurde in einer randomisierten Multizenterstudie bei 240 Personen mit reduzierter Nierenfunktion (glomeruläre Filtrationsrate [GFR] 89–15 ml/min/1,73 m2) und einem Serum-Bicarbonat <22 mmol/l während zweier Jahre beobachtet, wie sich die GFR verändert, wenn zur Azidose-Korrektur Bicarbonat oder Placebo verabreicht wird. Bicarbonat wurde oral in einer gewichtsabhängigen Dosis von 1,5–4,5 g pro Tag verabreicht. Der metabolische Effekt in der Bicarbonatgruppe war daran erkennbar, dass das Serum-Bicarbonat von 21,3 auf 23 mmol/l und der pH von 7,37 auf 7,39 anstieg.
Es zeigte sich kein Effekt durch die Intervention: Der GFR-Abfall über die Zeit war in beiden Gruppen gleich, auch wenn Subgruppen miteinander verglichen wurden. Die Autorschaft empfiehlt, bei Nierentransplantierten mit GFR-Einschränkung und metabolischer Azidose die antazide Therapie (in der Regel sechs 500 mg-Kapseln Nephrotrans®) nicht zu verschreiben, um den Abfall einer Nierenfunktion zu verlangsamen. Die Azidose ist offensichtlich kein Risiko für die Funktionsverschlechterung der Transplantationsniere, sondern vielmehr eine Folge (und Surrogatmarker) des GFR-Abfalls.
Verfasst am 25.2.2023_MK.

Auch noch aufgefallen

Kardiovaskuläre Risikofaktoren und Depression

Die kardiovaskuläre Gesundheit gilt auch als Indikator für das Auftreten depressiver Symptome: Dies bestätigt diese hier zitierte prospektive Arbeit. Es handelt sich dabei um die grösste bisher durchgeführte Studie mit dem längsten Follow-up.
Verwendet wurden Daten aus der GAZEL-Studie – einer grossen prospektiven Kohortenstudie in Frankreich zur Untersuchung chronischer Erkrankungen. Dazu wurden die Daten von fast 7000 Teilnehmenden (23,5% davon Frauen, mittleres Alter 53 Jahre) analysiert. Die kardiovaskuläre Gesundheit wurde 1990 und 1997 anhand sieben metrischer Daten erhoben: Raucherstatus, Body Mass Index, körperliche Aktivität, Ernährung, Blutdruck, Blutzucker und Cholesterol-Werte. Depressive Symptome wurden 1997 als Baseline erfasst, danach repetitiv alle drei Jahre bis 2015. Bei Studieneinschluss lagen keine depressiven Symptome vor, bei Studienende hatten rund 1850 Teilnehmende bei einem oder mehreren Verlaufsterminen depressive Symptome angegeben (26,5%). Eine bessere kardiovaskuläre Gesundheit bei Baseline war dabei mit einem niedrigeren Risiko für die Entwicklung depressiver Symptome respektive mit milderen Verläufen assoziiert (Odds Ratio [OR] 0,36 für Teilnehmende mit allen metrischen Daten im idealen Bereich).
Im Sinne der Prävention wird es interessant zu erfahren sein, welche kardiovaskulären Risikofaktoren hier kausal involviert sind und welche Patientinnen und Patienten trotz vorhandener Risikofaktoren keine manifesten depressiven Symptome entwickeln.
Das hat uns gefreut
Erste Impfungen gegen RSV bei Betagten erfolgversprechend
Das Respiratory Syncytial Virus (RSV) verursacht nicht nur bei Säuglingen, sondern auch bei Betagten gehäuft komplizierte Infektionen mit Bronchiolitis und Pneumonie. Bisher steht keine Impfung zur Verfügung, doch zahlreiche Impfstudien sind bereits initiiert worden. Zwei davon bei älteren Erwachsenen wurden soeben publiziert:
In einer Phase-2-Studie wurde ein Impfstoff – kombiniert aus dem RSV-F-Protein und einem Vektor-Adenovirus, das RSV-F-Protein produziert – bei 5592 Personen >65 Jahre doppelblind und placebokontrolliert getestet [1]. Der Impfschutz im darauffolgenden Winter lag bei rund 70%, für schwere Verläufe bei 80%. Die Titer der neutralisierenden Antikörper stiegen um rund das 10-Fache an. Relevante Nebenwirkungen waren selten und vergleichbar mit der Placebogruppe.
Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme: humane Respiratory-Syncytial-Virus-Virionen (blau), mit Anti-RSV-F-Protein/Gold-Antikörpern (gelb) markiert.
© Courtesy: National Institute of Allergy and Infectious Diseases
Eine Phase-3-Multizenterstudie in 17 verschiedenen Ländern prüfte placebokontrolliert einen anderen Impfstoff bei 24 966 Personen >60 Jahre [2]. Diese Impfung bestand aus dem RSV-F-Protein, dessen Immunogenität mit einem Adjuvans verstärkt wurde. Der Impfschutz lag bei 72%, für schwere Verläufe sogar bei 94%. Auch hier stiegen die neutralisierenden Antikörper auf ungefähr das 10-Fache an. Lokalreaktionen und vorübergehende systemische Nebenwirkungen waren in der Impfgruppe deutlich höher, schwere Nebenwirkungen selten und in der Impf- und Placebogruppe vergleichbar.
Die Morbidität, die durch RSV bei älteren Menschen verursacht wird, ist heute unbestritten. Die Resultate hier sind ermutigend. Dennoch bleibt vieles noch zu klären: Wie lange hält der Impfschutz? Soll die Impfung nur bei Risikopersonen (z.B. bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung, Immunsuppression) eingesetzt werden? Wie ist die Immunogenität bei Immunsuppression? Wird ein Adenovirus als Vektor im Impfstoff von der Bevölkerung akzeptiert? Die RSV-Vaccine-Story hat wohl erst begonnen …
1 N Engl J Med. 2023, doi.org/10.1056/NEJMoa2207566.
2 N Engl J Med. 2023, doi.org/10.1056/NEJMoa2209604.
Verfasst am 26.2.2023_MK.
Verfasst am 26.2.23_HU.