Kurz und bündig
Journal Club Fokus auf … Praxisrelevant

Kurz und bündig

Aktuelles aus der Wissenschaft
Ausgabe
2023/13
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2023.09402
Swiss Med Forum. 2023;23(13):982-983

Affiliations
Wissenschaftliche Redaktion Swiss Medical Forum

Publiziert am 29.03.2023

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Fokus auf …
Das Thoraxröntgenbild
Das Thoraxröntgen ist – auch mehr als 120 Jahre nach seiner Einführung in die Klinik – die am häufigsten eingesetzte radiologische Modalität: Sie ist ubiquitär verfügbar, günstig und geht mit niedriger Strahlenexposition einher. Bei Patientinnen und Patienten mit respiratorischen Symptomen wird in der Regel zuerst ein Thoraxröntgen durchgeführt.
Die Prävalenz von Fehlbefunden («verpasste Diagnosen», «Falschinterpretationen») liegt bei circa 5% aller Bilder.
Dabei können grundsätzlich zwei Typen von Fehlern unterschieden werden: Bei einem Wahrnehmungsfehler («perceptual error» oder «observer error») wird die fragliche Läsion gar nicht erst entdeckt. Bei dem seltener auftretenden kognitiven Fehler («cognitive error») wird eine Struktur zwar gesehen, aber falsch interpretiert.
Gängige Beispiele «verpasster Diagnosen» umfassen: 1. pulmonale Rundherde (in 90% der Fälle, bei denen eine Lungenkrebsdiagnose nachträglich als fehlerbehaftet bezeichnet wird, passiert der Fehler bereits bei der Befundung des Thoraxröntgenbildes); 2. retrokardiale Pneumonien (Wichtigkeit des Seitenbildes!); 3. Pneumothorax bei liegender Position («deep sulcus sign»); 4. hiläre Raumforderungen («red flag»: wenn der rechte Hilus höher steht als der linke); 5. ossäre Läsionen (verpasste Frakturen sind nach Lungenrundherden die zweithäufigste Ursache für medikolegale Klagen im Zusammenhang mit Thoraxbildern); 6. fehlerhafte Positionen von Installationen (mit 27% häufiger als vermutet!).
Die Kenntnis der wichtigsten Stolpersteine hilft, diese zu vermeiden. Ein systematisches Vorgehen bei der Befundung ist unabdingbar. Dazu gehören der Vergleich mit Vorbildern, allgemeine Informationen zum Bild (Ist es eine Aufnahme in liegender oder stehender Position?) und das konsequente Abarbeiten der anatomischen Strukturen: Lunge, Pleura, Trachea, Hili, Mediastinum, Herz, Zwerchfell, Knochen, Weichteile, Installationen und Fremdkörper.
Am Ende schliesslich folgt die Syntheseleistung: die Integration aller Beobachtungen in den jeweiligen klinischen Befund.
Verfasst am 1.3.23_HU.

Praxisrelevant

Schmerzbehandlung bei akuten Lumbalschmerzen

Akute lumbale Rückenschmerzen gehören zu einem der häufigsten Gründe für einen Arztbesuch. Bei dieser Häufigkeit erstaunt es, dass für die pharmakologischen analgetischen Interventionen solide Grundlagen nur beschränkt vorliegen.
In einer Review aus >12 ​000 Arbeiten wurden schliesslich 18 randomisiert-kontrollierte Studien mit 3478 Patientinnen und Patienten (>18-jährig) eingeschlossen, die folgende Resultate für die medikamentöse Therapie bei akuten (<12 Wochen), unspezifischen lumbalen Rückenschmerzen ergaben:
Die Erkenntnisse daraus sind für unseren Klinikalltag hilfreich. NSAR gehören zur ersten Wahl und die Kombination mit Paracetamol ist sinnvoll. Ebenso sind Myorelaxanzien (z.B. Baclofen, Tolperison, Tizanidin etc.) wirksam. Paracetamol sollte nicht allein eingesetzt werden. In dieser Studie nicht berücksichtigt wurden die unterschiedlichen NSAR, Metamizol und die Opioide. Die Autorschaft erinnert daran, dass auch die nicht medikamentösen Massnahmen (Wärme, Akupunktur, Massage u.a.m.) zum Behandlungsplan bei akuten unspezifischen Lumbalschmerzen gehören.
J Orthop Res. 2023, doi.org/10.1002/jor.25508.
Verfasst am 6.3.23_MK.

Nierenfunktion unter Therapie mit Sacubitril/Valsartan

Verschiedene bei der Herzinsuffizienz eingesetzte Therapien wirken zwar längerfristig renoprotektiv – sie können aber früh nach Therapiebeginn zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion führen. So auch Sacubitril/Valsartan, wo nach Therapiebeginn eine Abnahme der glomerulären Filtrationsrate (GFR) von bis zu 20% erwartet wird. Die prognostische Relevanz dieser Abnahme ist unklar.
Die hier referenzierte Studie – eine Post-hoc-Analyse der grossen Herzinsuffizienzstudien mit reduzierter (PARADIGM-HF) respektive erhaltener Auswurffraktion (PARAGON-HF) – zeigt, dass rund 10% der Patientinnen und Patienten nach dem Wechsel der Therapie von einem ACE-Hemmer beziehungsweise einem Sartan auf Sacubitril/Valsartan eine GFR-Abnahme >15% aufweisen. Diese Abnahme verläuft häufig transient und erholt sich zumindest teilweise bei den meisten Patientinnen und Patienten innerhalb von vier Monaten nach Therapiebeginn wieder.
Die initiale Verschlechterung war dabei nicht eindeutig mit anderen klinischen Endpunkten assoziiert. Und: Der therapeutische Nutzen von Sacubitril/Valsartan respektive der Effekt auf die primären Endpunkte (kardiovaskuläre Mortalität, Rehospitalisation) war unabhängig von der Nierenfunktionsabnahme während der «Run-in-Phase».
J Am Coll Cardiol. 2023, doi.org/10.1016/j.jacc.2023.02.009.
Verfasst am 27.2.23_HU.

Für Ärztinnen und Ärzte am Spital

Sicherheit im Spital

Vor mehr als 30 Jahren hat eine grosse Studie aus den USA zur Sicherheit hospitalisierter Patientinnen und Patienten für Aufsehen gesorgt [1]: Damals fanden sich knapp vier unerwünschte Ereignisse auf 100 Hospitalisationen, 28% davon geschahen aus Nachlässigkeit (und waren also potentiell vermeidbar), 16% führten zu bleibenden Schäden oder gar zum Tod. Wie sieht es diesbezüglich heute aus?
In einer retrospektiven Analyse [2] von zufällig ausgewählten Spitaleintritten – insgesamt 2809 stationäre Aufnahmen in 11 verschiedenen Spitälern – wurde bei 23,6% mindestens ein unerwünschtes Ereignis identifiziert. 32% (316/978) dieser Ereignisse, darunter 7 Todesfälle, wurden als schwerwiegend beurteilt. 23% (222/978) der Ereignisse wurden als vermeidbar bewertet. Bei den unerwünschten Ereignissen handelte es sich in erster Linie um Reaktionen auf Medikamente (39%, davon in absteigender Häufigkeit: Hypotonie, Vigilanzstörung, akutes Nierenversagen), gefolgt von unerwünschten Ereignissen nach chirurgischen Eingriffen und Interventionen (30%), Stürzen und Dekubitalulzera (15%) und schliesslich nosokomialen Infekten (Harnwegsinfekte, Pneumonie).
Fazit: Aufgrund von «ambulant-vor-stationär» wird heute ein kränkeres Kollektiv stationär behandelt. Trotz medizinischen Fortschrittes, Digitalisierung und der Einführung von Meldesystemen (z.B. «Critical Incident Reporting System» [CIRS]) besteht Bedarf für kontinuierliche Verbesserungen und eine entsprechende Fehlerkultur.
Praxisrelevant
Zur natürlichen Immunität nach einer SARS-CoV-2-Infektion
In dieser Review und Metaanalyse wurde die natürliche Immunität, die durch eine symptomatische SARS-CoV-2-Infektion erworben wird, untersucht. Dabei wurde jene Immunität geprüft, die zu Beginn der Pandemie durch die ursprünglichen Varianten (das heiss Alpha-, Beta- oder Delta-Varianten) erworben wurde: Wie hoch ist der Schutz gegen eine erneute SARS-CoV-2-Infektion?
Schutz vor Reinfektion über die Zeit nach Erstinfektion: (A) gegen eine der anfänglichen Varianten und (B) gegen Omicron BA.1 (aus: Stein C, et al. Lancet. 2023. doi.org/10.1016/S0140-6736(22)02465-5 ).
© 2022 The Authors. Published by Elsevier Ltd. under the CC BY 4.0 license
65 Studien aus 19 verschiedenen Ländern dienten dazu, über eine Beobachtungszeit von rund einem Jahr diese Frage zu beantworten. Es fand sich ein deutlicher Unterschied zwischen einem >85%igen Schutz vor einer Reinfektion mit einer der ursprünglichen Varianten und einem Schutz von 45% vor einer Infektion mit der Omicron-Variante BA.1. Erfreulicherweise aber blieb eine circa 90%ige Protektion vor schweren Infektionen mit Hospitalisation oder Tod für alle Varianten (Alpha, Delta und Omicron BA.1) über 40 Wochen bestehen. Der Abfall der Immunität gegenüber der Omicron-Variante erfolgte, über 40 Wochen beobachtet, bedeutend schneller als derjenige gegenüber den ursprünglichen Varianten. Von Bedeutung war auch die Beobachtung, dass der Schutz der natürlichen Immunität mindestens gleich oder sogar besser als der Schutz durch eine Grundimmunisierung mit RNA-Impfstoffen ist.
Die Studie bestätigt den erstaunlichen und eindrücklichen «immun escape» der Omicron-Variante und unsere eigenen anekdotischen Beobachtungen, dass Personen trotz Vorinfektion und Impfungen erneut an SARS-CoV-2-Infekten erkranken.
Verfasst am 6.3.202_MK.
1 N Engl J Med. 1991, doi.org/10.1056/NEJM199102073240604.
2 N Engl J Med. 2023, doi.org/10.1056/NEJMsa2206117.
Verfasst am 25.2.23_HU.