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Das Thoraxröntgenbild
Das Thoraxröntgen ist – auch mehr als 120 Jahre nach seiner Einführung in die Klinik – die am häufigsten eingesetzte radiologische Modalität: Sie ist ubiquitär verfügbar, günstig und geht mit niedriger Strahlenexposition einher. Bei Patientinnen und Patienten mit respiratorischen Symptomen wird in der Regel zuerst ein Thoraxröntgen durchgeführt.
Die Prävalenz von Fehlbefunden («verpasste Diagnosen», «Falschinterpretationen») liegt bei circa 5% aller Bilder.
Dabei können grundsätzlich zwei Typen von Fehlern unterschieden werden: Bei einem Wahrnehmungsfehler («perceptual error» oder «observer error») wird die fragliche Läsion gar nicht erst entdeckt. Bei dem seltener auftretenden kognitiven Fehler («cognitive error») wird eine Struktur zwar gesehen, aber falsch interpretiert.
Gängige Beispiele «verpasster Diagnosen» umfassen: 1. pulmonale Rundherde (in 90% der Fälle, bei denen eine Lungenkrebsdiagnose nachträglich als fehlerbehaftet bezeichnet wird, passiert der Fehler bereits bei der Befundung des Thoraxröntgenbildes); 2. retrokardiale Pneumonien (Wichtigkeit des Seitenbildes!); 3. Pneumothorax bei liegender Position («deep sulcus sign»); 4. hiläre Raumforderungen («red flag»: wenn der rechte Hilus höher steht als der linke); 5. ossäre Läsionen (verpasste Frakturen sind nach Lungenrundherden die zweithäufigste Ursache für medikolegale Klagen im Zusammenhang mit Thoraxbildern); 6. fehlerhafte Positionen von Installationen (mit 27% häufiger als vermutet!).
Die Kenntnis der wichtigsten Stolpersteine hilft, diese zu vermeiden. Ein systematisches Vorgehen bei der Befundung ist unabdingbar. Dazu gehören der Vergleich mit Vorbildern, allgemeine Informationen zum Bild (Ist es eine Aufnahme in liegender oder stehender Position?) und das konsequente Abarbeiten der anatomischen Strukturen: Lunge, Pleura, Trachea, Hili, Mediastinum, Herz, Zwerchfell, Knochen, Weichteile, Installationen und Fremdkörper.
Am Ende schliesslich folgt die Syntheseleistung: die Integration aller Beobachtungen in den jeweiligen klinischen Befund.
Verfasst am 1.3.23_HU.