Kapselendoskopie
Update und Übersicht

Kapselendoskopie

Übersichtsartikel
Ausgabe
2023/23
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2023.09406
Swiss Med Forum. 2023;23(23):46-49

Affiliations
a Innere Medizin und Gastroenterologie, Spitalregion Fürstenland Toggenburg, Spital Wil, Wil SG; b Praxis für Kapselendoskopie, Wil SG; c Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen

Publiziert am 07.06.2023

Vor nunmehr 18 Jahren wurde 2004 die Kapselendoskopie im Swiss Medical Forum als Schlaglicht 2003 der Gastroenterologie beleuchtet [1]. Wir möchten mit der vorliegenden Arbeit einen aktuellen Über- wie Ausblick über diese wenig invasive diagnostische Modalität der Gastroenterologie geben.

Einführung

Dr. med. Philippe Baumann
Innere Medizin/Gastroenterologie,
Spital Wil, und Praxis für Kapselendoskopie Wil, Wil SG
Die Kapselendoskopie ist eine diagnostische Methode, die 2001 von der «U.S. Food and Drug Administration» (FDA) zugelassen wurde. Initial bestand als Indikation die Suche nach Blutungsquellen im Dünndarm, der endoskopisch nicht oder nur schlecht eingesehen werden konnte. In der Zwischenzeit sind Kapselsysteme auf den Markt gekommen, die sich gemäss Hersteller für die Diagnostik aller Abschnitte im Gastrointestinaltrakt eignen. Die Dünndarmdiagnostik bleibt das wichtigste Anwendungsgebiet der Kapselendoskopie. So besteht in der Schweiz die aktuelle Zulassung einzig zur Suche einer intestinalen Blutungsquelle oder chronisch entzündlichen Darmerkrankung mit folgender Limitatio: Es bedarf vorgängig einer negativen Ösophagogastroduodenoskopie und Ileokoloskopie sowie einer Kostengutsprache des Krankenversicherers. TARDOC (Version 1.3) wird die Situation dahingehend ändern, einzig Fachärztinnen und -ärzte der Gastroenterologie sowie pädiatrischen Gastroenterologie als Leistungserbringer zuzulassen. Als zu untersuchende Organe werden der Ösophagus, Magen sowie Dünndarm, nicht jedoch der Dickdarm erwähnt.

Indikationen

Die Indikationen einer Kapselendoskopie sind vielfältig (Tab. 1).
Tabelle 1: Indikationen und Kontraindikationen der Kapselendoskopie
IndikationAktuelle ZulassungTARDOC (1.3)SensitivitätSpezifität
Intestinale Blutungsquelle Ja*Ja72,4% [23]74,8% [23]
Morbus Crohn (MC)Ja*JaVermuteter MC:62–100% [2]
Bekannter MC:77–100% [2]
Vermuteter MC:50–100% [2]
Bekannter MC:53–100% [2]
Sprue/ZöliakieNeinJa88% [3]91% [3]
Dünndarmpolypen (Polyposis-Syndrome)NeinJa35% [4]kD
Weitere Dünndarmtumoren (Lymphom, Melanom, ...)NeinJakDkD
Kolonpolypen (Screening)NeinNein79,2% (≥6 mm) [11]
85,7 % (≥10 mm) [11]
96,3% (≥6 mm) [11]
98,2% (≥10 mm) [11]
ÖsophagusvarizenNeinJa85% [5]84% [5]
Barrett-ÖsophagusNeinJa77% [6]86% [6]
MagendysplasieNeinJakDkD
Kontraindikation    
Symptomatische Stenose des Gastrointestinaltraktes    
* Nach vorgängig negativer Ösophagogastro- sowie Ileokoloskopie.
kD: keine Daten.
Mit 66% ist die Suche nach einer okkulten intestinalen Blutungsquelle die häufigste Indikation [7]. Bei einer akuten overten Blutung erhöht sich die diagnostische Ausbeute, je schneller die Untersuchung durchgeführt wird [8]. Meistens sind wir hierfür durch das Einholen der Kostengutsprache in der Geschwindigkeit limitiert, es sei denn, die Untersuchung erfolgt stationär. In der Mehrzahl dieser Untersuchungen lässt sich eine Blutungsquelle objektivieren, zu 50% handelt es sich um Angiodysplasien, gefolgt von Erosionen (zum Beispiel durch Gebrauch von nichtsteroidalen Antirheumatika, Morbus Crohn) und deutlich seltener Dünndarmtumoren. Je nach Befund folgt in der Regel als nächster Schritt eine Enteroskopie zur genaueren Diagnostik mit Therapiemöglichkeit.

Fallvignette 1

Bei einem 62-jährigen Patienten erfolgt aufgrund einer Anämie und persistierender, krampfartiger, periumbilikaler Schmerzen eine Kapselendoskopie nach unauffälliger Ösophagogastro- und Ileokoloskopie sowie bildgebender Untersuchung mittels Computertomographie (CT) des Abdomens. Sie objektiviert eine akute Dünndarmblutung (Abb. 1).
Abbildung 1: Kapselendoskopie-Aufnahme bei einem 62-jährigen Patienten (Fallvignette 1) mit Darstellung einer akuten Dünndarmblutung (Pfeil).
Die darauffolgende magnetresonanztomographische (MR-)Enterographie ergibt einen Dünndarmtumor, der chirurgisch reseziert (Abb. 2) und histopathologisch als Lipom diagnostiziert wird.
Abbildung 2: Chirurgisches Resektat eines Dünndarmtumors, das sich histopathologisch als Lipom erwies (aus Fallvignette 1).

Fallvignette 2

Ein 68-jähriger Patienten wird wegen Eisenmangelanämie nach negativer Ösophagogastro- und Ileokoloskopie zur Kapselendoskopie zugewiesen. Diese Untersuchung zeigt mehrere Angiodysplasien (eine exemplarisch in Abb. 3). Die orale Antikoagulation wird anschliessend von Rivaraxoban auf Apixaban umgestellt.
Abbildung 3: Kapselendoskopie-Aufnahme bei einem 68-Patienten (Fallvignette 2) mit Darstellung einer Angiodysplasie (Kreis).
Bezüglich des Erkennens von rein mukosalen Läsionen eines Morbus Crohn im Dünndarm ist die Kapselendoskopie der MR-Enterographie überlegen [9]. Diese sollte somit bei persistierendem Verdacht auf einen möglichen Morbus Crohn nach negativer Ösophagogastro- sowie Ileokoloskopie erfolgen, falls keine Kontraindikationen wie klinisch signifikante Stenosen vorliegen.

Fallvignette 3

Bei einem 29-jährigen Patienten mit chronischer Abdominalsymptomatik und erhöhtem fäkalen Calprotectin zeigt eine nach unauffälliger Ösophagogastro- und Ileokoloskopie durchgeführte Kapselendoskopie für Morbus Crohn typische Erosionen im Dünndarm (Abb. 4).
Abbildung 4: Kapselendoskopie-Aufnahmen bei einem 29-Jährigen (Fallvignette 3) zeigen im Dünndarm für Morbus Crohn typische Erosionen.
Die neueren Kapselsysteme, die mit hoher Bildaufnahmerate während des Kapselschlucks arbeiten, erlauben eine zuverlässigere Diagnostik von Ösophagusvarizen wie auch von Barrett-Schleimhaut [10]. Ebenso lässt sich eine Zottenatrophie als mögliches Zeichen einer Zöliakie mittels Kapselendoskopie relativ sicher erkennen, sie stellt jedoch nicht die Diagnostik der ersten Wahl dar [10]. Diese Indikationen sind in der Schweiz nicht zugelassen und sind endoskopisch besser zu objektivieren. Auch nicht zugelassen ist das Screening von Dick- und Dünndarmpolypen/-tumoren (primäre oder sekundäre wie unter anderem Melanome und Lymphome), obwohl die Kolonkapselendoskopie gegenüber der CT-Koloskopie eine höhere Sensitivität für Polypen ≥6 mm zeigt [11]. Die Kolonkapselendoskopie ist eine mögliche Alternative nach einer inkompletten Koloskopie [12]. Probleme der Kolonkapselendoskopie bleiben das forcierte Abführen, die fehlende unmittelbare Therapiemöglichkeit, die detaillierte Charakterisierung von Polypen, die möglicherweise inkomplette Darstellung der Kolonmukosa sowie die fehlende Datenlage zur Reduktion des Kolonkarzinomsrisikos.

Kapselendoskopie-Systeme und ihre Unterschiede

Die aktuell auf dem Schweizer Markt erhältlichen Systeme sind in Tabelle 2 zusammengestellt. Bis auf ein System (Capsocam®), bei dem die Daten direkt in der Kapsel gespeichert werden und das als einziges mit einer 360°-Optik arbeitet, verfügen alle anderen Produkte über eine in der Endoskopie übliche Frontoptik sowie einen auf der zu untersuchenden Person getragenen «Empfänger». Dies ermöglicht die Betrachtung der Bildaufnahmen in Echtzeit («real time»). Dadurch können eine zu lange Verweildauer im Ösophagus oder Magen, eine inkomplette Dünndarmpassage oder auch eine aktive Blutung noch während der Untersuchung objektiviert und bei Bedarf zeitnahe Interventionen durchgeführt werden, zum Beispiel die endoskopische Platzierung der Kapsel ins distale Duodenum bei Retention im Ösophagus oder Magen. Die Übertragung zwischen Kapsel und Empfänger kann durch Adipositas oder elektromagnetische Strahlung beeinträchtigt werden.
Tabelle 2: Aktuell auf dem Schweizer Markt erhältliche Kapselendoskopie-Systeme (in Anlehnung an Appendix e3 aus [8])
 Pillcam™ SB3EndoCapsule®1MiroCam® MC1600OMOM® HD capsuleCapsoCam Plus®NaviCam®
Länge [mm]262624,525,.43127
Durchmesser [mm]111110,811,41111,8
Gewicht [g]3,43,33,2345
Aufnahmerate (Aufnahme/Sekunde)2–6262–10200,5–6
Optik (Sichtfeld)FrontFrontFrontFrontLateral (Panorama)Front
BildsensorCMOSCCDCMOSCMOSCMOSCMOS
Sichtfeld156°160°170°172°360°160°
Lichtquelle4 LED6 LED6 LED4 LED16 LED4 LED
Automatische LichtanpassungJaJaJaJaJaNein
Antennen (im Gurt)8894Keine8
DatenübertragungRadiofrequenzRadiofrequenzE-Feld-Übertragung2RadiofrequenzKeine (direkt auf Kapsel)Radiofrequenz
DatenspeicherungExterne FestplatteExterne FestplatteExterne FestplatteExterne FestplatteDirekt auf Kapsel (EPROM)Externe Festplatte
EchtzeitbetrachtungJaJaJaJaKeine möglichJa
Aufnahmezeit (Stunden)11,512121215–2016
HerstellungslandIsraelJapanSüdkoreaChinaUSAChina
Preis (CHF)3760800843500–900700598
1 Wird 2024 eingestellt.
2 Patentierte Technologie, die den menschlichen Körper als «Kommunikationsmedium» braucht.
3 «Listenpreise», von den jeweiligen Schweizer Vertreibern angegeben.
CCD: «charge-coupled device»; CMOS: «complementary metal oxide semiconductor»; EPROM: «erasable programmable read-only memory»; LED: «light emitting diode».
Obwohl gemäss der europäischen Richtlinie [8] immer noch empfohlen wird, die gesamte Dünndarmpassage zu betrachten, werben einzelne Hersteller mit automatisierten Betrachtungsalgorithmen («künstlicher Intelligenz»). Diese sollen relevante Befunde in kurzer Zeit erkennen und somit die Betrachtungszeit signifikant verkürzen [13]. Die Daten hierfür wurden retrospektiv erhoben und es bedarf grösserer prospektiver, multizentrischer Studien vor einem klinischen Einsatz [14]. Die Europäische Gesellschaft für Endoskopie in der Gastroenterologie (ESGE) hat kürzlich publiziert, dass die Leistung der automatisierten Detektion von Dünnarmläsionen mithilfe künstlicher Intelligenz vergleichbar mit derjenigen von erfahrenen Untersucherinnen und Untersuchern sein sollte. Auch werden automatisierte Scoring-Systeme zwecks Beurteilung der Vorbereitung gefordert. Hiermit definiert die ESGE die Anforderungen an die Hersteller, welche die Leistungen entwickeln und belegen sollten [15].

Ablauf der Kapselendoskopie

Für die Ösophagus-, Magen- sowie Dünndarmbetrachtung reicht grundsätzlich eine 18-stündige Einnahme von klarer Flüssigkost, die gegenüber dem Abführen auch mit einer besseren Patiententoleranz einhergeht [16]. Die ESGE 2018 empfiehlt aber zusätzlich die Einnahme eines Polyethylenglycols. Letztere kann auch erst nach dem Kapselschluck erfolgen und führt dabei zu sehr guten Resultaten [17]. Eine Darstellbarkeit von 95% der Mukosa wird als Qualitätsindikator und somit optimale Vorbereitung gefordert [15]. Die Kolonkapselendoskopie verlangt hingegen ein noch intensiveres Abführen als eine Koloskopie [18].
Der Schluck der Kapsel erfolgt mit klarer Flüssigkeit. Kann die Kapsel nicht geschluckt werden oder liegt eine Motilitätsstörung des Ösophagus oder Magens vor, erfolgt die endoskopische Einlage, um einerseits eine Aspiration und anderseits ein zu langes Verweilen im endoskopisch leicht zugänglichen Magen zu vermeiden. Nach dem Kapselschluck sollte zwei Stunden nicht getrunken und erst nach vier Stunden gegessen werden. Gerade der Verzicht auf das Trinken wird aber zunehmend infrage gestellt.
Während der Untersuchung kann einer normalen Tätigkeit nachgegangen werden. Inaktivität (zum Beispiel stationäre Patientinnen und Patienten), schwere Komorbiditäten sowie gewisse Medikamente, die zu einer verminderten Darmmotilität führen (etwa Parasympatholytika, Opiate) resultieren in signifikant häufiger inkompletten Untersuchungen, bei denen die Batterielaufzeit vor Erreichen des Zökums ablaufen kann [8]. Generell werden die Patientinnen und Patienten angehalten, das Ausscheiden der Kapsel zu beobachten und diese für die Entsorgung in der Batteriesammelstelle zu bergen. Die Auswertung der Bilder sollte zeitnah erfolgen.

Mögliche Komplikationen

Die am meisten gefürchteten Komplikationen sind die Kapselretention oder die Darmperforation. Wurde die Kapsel nach 14 Tagen noch nicht ausgeschieden, wird von einer Retention gesprochen und empfohlen, eine konventionelle Röntgenaufnahme des Abdomens durchzuführen, um den Verbleib der röntgendichten Kapsel zu objektivieren. Bei asymptomatischen Patientinnen und Patienten wird hiernach weiter zugewartet. Durch die glatte, nicht verformbare Oberfläche der Kapsel kommt es selbst bei Stenosen meist zu keiner manifesten Obstruktion sondern vielmehr zu einem «Hin- und Herschwimmen» ohne Symptomatik. So kann eine Kapsel im Extremfall Wochen im Magendarmtrakt verweilen. Die Retentionsrate ist entgegen früheren Meinungen mit weniger als 1% sehr gering [19, 20]. In 25% dieser Fälle kommt es zu einem Ausscheiden auf natürlichem Weg, bei den restlichen, meist symptomatischen Fällen erfolgt die Bergung endoskopisch oder chirurgisch [20].

Kontraindikationen

Eine klinisch relevante Stenose stellt die einzige klare Kontraindikation zur Kapselendoskopie dar. Diese kann endoskopisch, sonographisch, MR-enterographisch, computertomographisch oder chirurgisch objektiviert werden. Liegt eine asymptomatische Stenose vor, so muss eine gute Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen. Es besteht zudem die Möglichkeit, die Passagefähigkeit mittels «Testkapsel» (sogenannte Patency-Kapsel) zu überprüfen. Diese besteht aus abbaubarer Laktose sowie röntgendichten Bariumstäbchen. Der Nutzen dieser Kapsel ist jedoch beschränkt, es besteht das Risiko eines falsch-negativen oder falsch-positiven Resultates.
Im oberen Gastrointestinaltrakt voroperierte Patientinnen und Patienten stellten lange eine Kontraindikation für die Kapselendoskopie dar. Die kürzlich publizierte SAGA-Studie lehrt uns, dass bei eben diesen Personen eine Kapselendoskopie durchaus sicher durchführbar ist [21].
Formell sollte vom Schlucken bis zur objektivierten Ausscheidung der Kapsel keine magnetresonanztomographische Untersuchung erfolgen. Die Datenlage hierfür ist jedoch schlecht und dokumentierte Schäden sind nicht publiziert.
Kardiale Implantate wie Defibrillatoren, Pacemaker sowie Herzunterstützungssysteme gelten gemäss den Kapselherstellern als Kontraindikationen. Neben gewissen Ausnahmen kann die Kapselendoskopie jedoch sicher und ohne spezielle Vorkehrungen durchgeführt werden [8]. Im Zweifelsfall empfiehlt sich die Rücksprache mit der Kardiologie.
Bei sehr strenger Indikationsstellung, Nutzen-Risiko-Abwägung und ausführlicher Aufklärung kann eine Kapselendoskopie in seltenen Fällen auch in der Schwangerschaft erfolgen.

Kosten

Die Kapsel ist ein medizintechnisches Einwegprodukt und sollte nach der Verwendung, wenn immer möglich, geborgen und im Batterieabfall entsorgt werden. Die Materialkosten der Kapsel betragen aktuell um 500–900 CHF (Tab. 2). Dazu kommen die technische und die ärztliche Leistung der Kapselendoskopie sowie Konsultationsleistungen, womit die Gesamtkosten um 1500 CHF liegen.

Einschränkungen

Da die Kapselbewegung und damit die Ausrichtung der Optik bei den gängigen Produkten als passives System nicht gesteuert werden können, wird während nicht axialer Fortbewegungen der Kapsel nicht die gesamte Mukosa abgebildet. Aufgrund der hohen Batteriekapazität sind inkomplette Abbildungen des Dünndarmes sehr selten geworden.
Zu den wichtigsten Limitationen gehören die Kosten sowie die fehlenden unmittelbaren therapeutischen Optionen oder die fehlende Möglichkeit der histologischen Sicherung einer Läsion.

Ausblick

Das Spektrum der Indikationen der Kapselendoskopie ist breiter als dasjenige der aktuellen Zulassung in der Schweiz. Es bleibt abzuwarten, ob ein neuer ambulanter Tarif an der aktuellen Situation etwas ändern wird. Wir sind überzeugt, dass die Kapselendoskopie bei richtiger Indikationsstellung einen sehr hohen diagnostischen Wert aufweist. Die Zukunft wird wohl am ehesten wieder bei «pan-enteralen» Kapselsystemen liegen, die mit unterschiedlichen Bildaufnahmeraten die verschiedenen Abschnitte des Magendarmtrakts differenziert abbilden können.
Seit einigen Jahren existieren Systeme, die die Kapselposition im Körper magnetisch steuern, womit eine bessere komplette Abbildung der Mukosa erreicht werden kann. Dies hat unseres Erachtens vorwiegend in Ländern mit hoher Inzidenz für das Magenkarzinom einen Stellenwert und könnte eine Alternative zur Endoskopie vor allem bei anästhesiologischen oder anatomischen Problemen darstellen [22].
Bei Verdacht auf eine akute obere gastrointestinale Blutung noch auf der Notfallstation als erste endoskopische Untersuchung eine Kapselendoskopie durchzuführen kann gemäss einer amerikanischen Autorengruppe mit dem Argument der Kosteneffizienz sinnvoll sein. Dies, da bei fehlendem Nachweis einer Blutung auf eine Endoskopie (meist mit Anästhesie) und auch Hospitalisation verzichtet werden kann [23]. Diese Strategie sollte jedoch vorerst nur im Rahmen von weiteren klinischen Studien erfolgen.
Eine Herausforderung wird das Abführen bei gewollter Betrachtung des Kolons mittels Kolonkapselendoskopie bleiben.

Das Wichtigste für die Praxis

Die Kapselendoskopie ist eine nunmehr über 20-jährige, gut bewährte und stets weiterentwickelte Methode zwecks Visualisierung der Mukosa vor allem des Dünndarms, aber auch des Ösophagus, Magens und Kolons.
Das Indikationsspektrum ist breiter als dasjenige der aktuellen Zulassung in der Schweiz; letztere umfasst die Suche nach einer Blutungsquelle im endoskopisch bislang nicht eingesehenen Dünndarm sowie die Suche nach einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, jeweils nach vorangegangener negativer Ösophagogastro- und Ileokoloskopie.
Bei Verdacht auf eine relevante gastrointestinale Blutung sollte nach negativer Ösophagogastro- und Ileokoloskopie eine eine Kapselendoskopie erfolgen.
Vorgängig muss eine Kostengutsprache eingeholt werden.
Die künstliche Intelligenz soll die Analyse der grossen Datenmenge vereinfachen, die schon jetzt hohe diagnostische Ausbeutung nochmals erhöhen und die Betrachtungszeit verkürzen.
Obwohl die Nachhaltigkeit zu Recht in aller Munde ist, glauben wir nicht, dass es in naher Zukunft wiederverwertbare Kapselsysteme geben wird. Der aktuelle Trend läuft, auf Drängen von Hygienerichtlinien, leider in die entgegengesetzte Richtung.
Die Autoren bedanken sich herzlich bei Joanna Janczak, Chefärztin Chirurgie, Spitalregion Fürstenland Toggenburg, für die Abbildung 3.
Dr. med. Philippe Baumann
OAmbF Gastroenterologie/Innere Medizin, Spital Wil SG
Praxis für Kapselendoskopie Wil
Neulandenstrasse 8
CH-9500 Wil SG
philippe.baumann[at]kapselendoskopie.ch
1 Hengstler P, Meyenberger Ch. Gastroenterologie: Kapselendoskopie-Integration in den klinischen Alltag. Swiss Med Forum. 2004;04(01):4–6.
2 Choi M, Lim S, Choi MG, Shim KN, Lee SH. Effectiveness of Capsule Endoscopy Compared with Other Diagnostic Modalities in Patients with Small Bowel Crohn’s Disease: A Meta-Analysis. Gut Liver. 201711(1):62–72.
3 Rondonotti E, Spada C, Cave D, Pennazio M, Riccioni ME, De Vitis I, et al. Video capsule enteroscopy in the diagnosis of celiac disease: a multicenter study. Am J Gastroenterol. 2007;102(8):1624–31.
4 Hakim FA, Alexander JA, Huprich JE, Grover M, Enders FT. CT-enterography may identify small bowel tumors not detected by capsule endoscopy: eight years experience at Mayo Clinic Rochester. Dig Dis Sci. 2011;56(10):2914–9.
5 Colli A, Gana JC, Turner D, Yap J, Adams-Webber T, Ling SC, Casazza G. Capsule endoscopy for the diagnosis of oesophageal varices in people with chronic liver disease or portal vein thrombosis. Cochrane Database Syst Rev. 2014;2014(10):CD008760.
6 Bhardwaj A, Hollenbeak CS, Pooran N, Mathew A. A meta-analysis of the diagnostic accuracy of esophageal capsule endoscopy for Barrett’s esophagus in patients with gastroesophageal reflux disease. Am J Gastroenterol. 2009;104(6):1533–9.
7 Liao Z, Gao R, Xu C, Li ZS. Indications and detection, completion, and retention rates of small-bowel capsule endoscopy: a systematic review. Gastrointest Endosc. 2010;71(2):280–6.
8 Rondonotti E, Spada C, Adler S, May A, Despott EJ, Koulaouzidis A, et al. Small-bowel capsule endoscopy and device-assisted enteroscopy for diagnosis and treatment of small-bowel disorders: European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) Technical Review. Endoscopy. 2018r;50(4):423–46.
9 Kopylov U, Yung DE, Engel T, Vijayan S, Har-Noy O, Katz L, et al. Diagnostic yield of capsule endoscopy versus magnetic resonance enterography and small bowel contrast ultrasound in the evaluation of small bowel Crohn’s disease: Systematic review and meta-analysis. Dig Liver Dis. 2017;49(8):854–63.
10 Melson J, Trikudanathan G, Abu Dayyeh BK, Bhutani MS, Chandrasekhara V, Jirapinyo P, et al. Video capsule endoscopy. Gastrointest Endosc. 2021;93(4):784–96.
11 Cash BD, Fleisher MR, Fern S, Rajan E, Haithcock R, Kastenberg DM, et al. Multicentre, prospective, randomised study comparing the diagnostic yield of colon capsule endoscopy versus CT colonography in a screening population (the TOPAZ study). Gut. 2021;70(11):2115–22.
12 Spada C, Hassan C, Bellini D, Burling D, Cappello G, Carretero C, et al. Imaging alternatives to colonoscopy: CT colonography and colon capsule. European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) and European Society of Gastrointestinal and Abdominal Radiology (ESGAR) Guideline - Update 2020. Eur Radiol. 2021;31(5):2967–82.
13 Ding Z, Shi H, Zhang H, Meng L, Fan M, Han C, et al. Gastroenterologist-Level Identification of Small-Bowel Diseases and Normal Variants by Capsule Endoscopy Using a Deep-Learning Model. Gastroenterology. 2019;157(4):1044–54.e5.
14 Soffer S, Klang E, Shimon O, Nachmias N, Eliakim R, Ben-Horin S, et al. Deep learning for wireless capsule endoscopy: a systematic review and meta-analysis. Gastrointest Endosc. 2020;92(4):831–39.e8.
15 Marmo C, Riccioni ME, Pennazio M, Antonelli G, Spada C, Costamagna G. Small bowel cleansing for capsule endoscopy, systematic review and meta- analysis: Timing is the real issue. Dig Liver Dis. 2022 Jul:S1590-8658(22)00584-9.
16 Lamba M, Ryan K, Hwang J, Grimpen F, Lim G, Cornelius D, et al. Clinical utility of purgative bowel preparation before capsule endoscopy: a multicenter, blinded, randomized controlled trial. Gastrointest Endosc. 2022;96(5):822–8.
17 Messmann H, Bisschops R, Antonelli G, Libânio D, Sinonquel P, Abdelrahim M, et al. Expected value of artificial intelligence in gastrointestinal endoscopy: European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) Position Statement. Endoscopy. 2022;54(12):1211–31.
18 Bjoersum-Meyer T, Skonieczna-Zydecka K, Cortegoso Valdivia P, Stenfors I, Lyutakov I, Rondonotti E, et al. Efficacy of bowel preparation regimens for colon capsule endoscopy: a systematic review and meta-analysis. Endosc Int Open. 2021;9(11):E1658-E1673.
19 Cortegoso Valdivia P, Skonieczna-Żydecka K, Elosua A, Sciberras M, Piccirelli S, Rullan M, et al. Indications, Detection, Completion and Retention Rates of Capsule Endoscopy in Two Decades of Use: A Systematic Review and Meta-Analysis. Diagnostics (Basel). 2022;12(5):1105.
20 Lee HS, Lim YJ, Kim KO, Jang HJ, Chun J, Jeon SR, et al.; Research Group for Capsule Endoscopy/Small Bowel Endoscopy. Outcomes and Management Strategies for Capsule Retention: A Korean Capsule Endoscopy Nationwide Database Registry Study. Dig Dis Sci. 2019;64(11):3240–6.
21 Dray X, Riccioni ME, Wurm Johansson G, Keuchel M, Perrod G, et al.; I CARE Group. Feasibility and diagnostic yield of small-bowel capsule endoscopy in patients with surgically altered gastric anatomy: the SAGA study. Gastrointest Endosc. 2021;94(3):589–97.e1.
22 Xiao YF, Wu ZX, He S, Zhou YY, Zhao YB, He JL, et al. Fully automated magnetically controlled capsule endoscopy for examination of the stomach and small bowel: a prospective, feasibility, two-centre study. Lancet Gastroenterol Hepatol. 2021;6(11):914–21.
23 Shah N, Chen C, Montano N, Cave D, Siegel R, Gentile NT, et al. Video capsule endoscopy for upper gastrointestinal hemorrhage in the emergency department: A systematic review and meta-analysis. Am J Emerg Med. 2020;38(6):1245–52.