Wir stimmen mit Professor Nussbergers Hypothese [1] überein, dass Reninhemmer (Aliskiren) bei COVID-Patientinnen und -Patienten theoretisch besser als ACE-Hemmer und Sartane wirken, und haben dies unabhängig ebenfalls vorgeschlagen [2]. Allerdings fehlt bis jetzt der Beweis für diese Hypothese, es gibt bis anhin keine Outcome-Studie, die diesbezüglich einen Vorteil der Reninhemmer belegen würde. Dies illustriert wieder einmal Yogi Berras Diktum: «In theory there is no difference between theory and practice – in practice there is.» (In der Theorie gibt es keinen Unterschied zwischen Theorie und Praxis – aber in der Praxis gibt es einen).
Hingegen sind wir nicht einverstanden mit der Aussage von Professor Nussberger, dass Reninhemmer noch weniger Nebenwirkungen als Sartane verursachen. Da die Bioverfügbarkeit von Aliskiren sehr gering ist, wird über 95% des Medikamentes im Darm ausgeschieden und erzeugt häufig gastrointestinale Beschwerden. Gemäss Oh et al. ist Durchfall eine dosisabhängige Nebenwirkung und trat bei mehr als 10% der Patientinnen und Patienten mit der 640-mg-Dosis auf [3]. Auch eine Cochrane-Analyse [4] zeigte, dass die Diarrhoe verstärkt in einer dosisabhängigen Art unter Aliskiren 600 mg auftrat (RR 7,00, 95 %-KI 2,48 bis 19,72). Aufgrund dieser gut dokumentierten Nebenwirkung entschied sich der Sponsor, auf die höchste Dosis von Aliskiren zu verzichten.
Und schliesslich gibt es trotz intensiver Bemühungen (und guter antihypertensiver Wirkung) immer noch keine Outcome-Studien mit Aliskiren, die eine Verminderung der Morbidität und Mortalität zeigen würden. Deswegen sollten Reninhemmer, wie die meisten Hypertonie-Guidelines empfehlen, nicht als initiale Therapie angewendet werden. Im Gegensatz dazu ist die Verminderung der Morbidität und Mortalität ausgezeichnet belegt für ACE-Hemmer und Sartane. Wie wir in unserem Artikel klar zeigten [5], gibt es diesbezüglich keinen Unterschied zwischen den beiden Medikamentenklassen.
Prof. Dr. med. Franz H. Messerli, Dr. med. univ. (RO) Alexandra Neagoe, Dr. med. univ. (A) Arnulf Holzknecht, PD Dr. med. Dr. phil. George C. M. Siontis; Bern
Den Leserbrief zu dieser Replik finden Sie unter https://doi.org/10.4414/smf.2023.03403.
FHM hat deklariert, Beraterhonorare von Medtronic und Arbor sowie Vortragshonorare von Ipca erhalten zu haben. Die anderen Autoren haben angegeben, keine potentiellen Interessenskonflikte zu haben.
1 Nussberger J. Ceterum censeo – Reninhemmer zur Hypertoniebehandlung. Swiss Med Forum. 2023;23(17):1037.
2 Messerli FH, Siontis GCM, Rexhaj E. COVID-19 and Renin Angiotensin Blockers: Current Evidence and Recommendations. Circulation. 2020;141(25):2042–4.
3 Oh BH, Mitchell J, Herron JR, Chung J, Khan M, Keefe DL. Aliskiren, an oral renin inhibitor, provides dose-dependent efficacy and sustained 24-hour blood pressure control in patients with hypertension. J Am Coll Cardiol 2007;49:1157–63.
4 Musini VM, Lawrence KA, Fortin PM, Bassett K, Wright JM. Blood pressure lowering efficacy of renin inhibitors for primary hypertension. Cochrane Database Syst Rev. 2017 Apr 5;4(4):CD007066.
5 Neagoe MA, Holzknecht A, Messerli FH. Quo usque tandem – wie lange noch? Swiss Med Forum. 2022;22(41):678–80.