Replik
Ich danke den beiden Kollegen für ihre Anregungen. Prof. Engelhardt [1] schlägt vor, am Ende einer Konsultation respektive am Ende einer Visite noch einmal die Patientin oder den Patienten einzuladen, etwaige offene Fragen noch einzubringen. Hinter diesem Vorschlag steht wahrscheinlich der Wunsch, die Bedürfnisse von Betroffenen an eine Konsultation möglichst vollständig zu erfassen. Das ist ganz sicher eine gute Idee, es stellt sich allerdings die Frage, ob man das besser am Anfang macht – so wird es in der neueren Literatur empfohlen – oder ob man es auf den Schluss des Gespräches verschiebt. Das im Review-Artikel vorgestellte initiale explizite Klären der Agenda hat den Vorteil, gleich zu Beginn miteinander zu klären, welche Themen in einer Konsultation Platz haben. Das von Rolf H. Adler empfohlene erneute Öffnen der Agenda am Schluss birgt das Risiko, dass Themen benannt werden, die in nützlicher Zeit nicht in Ruhe und sorgfältig bearbeitet werden können. Wir alle haben grossen Respekt vor Patientinnen und Patienten, die mit der Türklinke in der Hand beim Hinausgehen eben noch ein Thema lancieren wollen; sie selber dazu einzuladen, halte ich nicht für eine gute Idee.
Dr. Fritschi [2]weist völlig zu Recht darauf hin, dass Praxisassistentinnen und -assistenten oft wichtige Hinweise geben können, die die im Moment relevanten Themen von Patientinnen und Patienten betreffen. Daher sind zum Beispiel im PEPra-Projekt (Prävention mit Evidenz in der Praxis) der FMH nicht nur die ärztlichen Grundversorgenden, sondern auch die Praxisassistentinnen und -assistenten zur Teilnahme eingeladen. Dr. Fritschi vermisst zudem Hinweise auf die Bedeutung der Intuition und hat damit völlig Recht. In dem Praxistipp «Die Atmosphäre macht den Unterschied» [3] wird die Wichtigkeit des Bauchgefühls von Fachpersonen angesprochen. Das Erkennen der Hidden Agenda passt gut zu diesem Thema, weil es vor allem ein Gefühl von «Etwas stimmt hier nicht» ist, das einen vermuten lässt, dass es eine der Open Agenda zuwiderlaufende Hidden Agenda gibt. Beispiele sind ein Mix aus ostentativer Gelassenheit im Verhalten und spürbarer Unruhe im Raum oder das laute Klagen über Beschwerden in einer eher fröhlichen Stimmung. Wenn es gelingt, diese Diskrepanz nicht wertend anzusprechen, ist es vielleicht möglich, die Hidden Agenda ans Licht zu ziehen und in der Konsultation zum Thema zu machen.
Prof. Dr. med. Wolf Langewitz
1 Engelhardt P. Geben Sie eine Chance zum Fragen. Swiss Med Forum. 2023;23(22):xxx.
2 Fritschi J. Wie würden Sie für sich selbst entscheiden? Swiss Med Forum. 2023;23(22):xxx.
3 Langewitz W. Die Atmosphäre macht den Unterschied. Schweiz Ärzteztg. 2022;103(45):72–3.