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Aktuelles aus der Wissenschaft
Ausgabe
2023/18
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2023.09430
Swiss Med Forum. 2023;23(18):34-35

Affiliations
Wissenschaftliche Redaktion Swiss Medical Forum

Besprochener Wirkstoff

Publiziert am 03.05.2023

Fokus auf …
Sarkoidose: Engramme für die Grundversorgung
Die Sarkoidose ist eine idiopathische granulomatöse Systemkrankheit mit extrem variablem Verlauf. Aufgrund der unspezifischen Präsentation sind es in der Regel Grundversorgerinnen und Grundversorger, die als erste die Verdachtsdiagnose stellen.
Die Diagnose wird anhand Klinik, histologischer Befunde (nicht verkäsende Granulome) und Ausschluss mimikrierender Entitäten gestellt (zum Beispiel Mykobakteriose, Lymphom, granulomatöse Polyangiitis).
Nur in Ausnahmen ist die klinische Präsentation pathognomonisch: Bei der Konstellation von Fieber, bihilärer Lymphadenopathie, Erythema nodosum und/oder Arthritis der oberen Sprunggelenke («Löfgren-Syndrom») erübrigt sich eine Biopsie.
Die Sarkoidose entwickelt sich in der Regel langsam und verläuft chronisch. Meistens ist die Lunge betroffen, Husten das sensitivste Symptom. Hautveränderungen (unspezifisch über Narben, Piercings, Tattoos) und Augenbeteiligungen sind häufig (bei Diagnosestellung muss eine ophthalmologische Abklärung erfolgen).
Eine kardiale Sarkoidose ist selten, allerdings ist sie die häufigste Todesursache: Eine Herzbeteiligung muss immer ausgeschlossen werden. Die Anamnese (Palpitationen, Synkope, Zeichen der Herzinsuffizienz) ist sensitiver als Elektro- und Echokardiographie.
Die Rolle von Biomarkern ist umstritten. Sensitivität und Spezifität des Serum-Angiotensin-Converting-Enzyme sind ungenügend. Eine Hyperkalzämie kann hinweisend sein: Die Makrophagen in den Granulomen produzieren aktives Vitamin D. Der 25-Hydroxy-Vitamin-D-Spiegel ist aber tief und kann einen Mangel vortäuschen (das Gegenteil ist der Fall!).
Bis zu einem Drittel der Sarkoidose-Fälle verläuft asymptomatisch. Eine Therapieindikation besteht nur bei Symptomatik oder bei potentiell fatalen Konsequenzen (kardiale Sarkoidose).
Glukokortikoide sind Erstlinienmedikamente (Ausnahme: nichtsteroidale Antirheumatika beim Löfgren-Syndrom). Da die Therapie in der Regel über 1–2 Jahre fortgesetzt wird, haben verschiedene steroidsparende Medikamente einen zunehmenden Stellenwert.
Verfasst am 7.4.23_HU.

Praxisrelevant

Neue Therapieoptionen bei IgA-Nephropathie

Die therapeutischen Optionen bei IgA-Nephropathie – der häufigsten Form einer primären Glomerulonephritis – beschränken sich in erster Linie auf eine maximale Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems. Als Surrogatmarker für das Ansprechen der Therapie dient dabei das Ausmass der Proteinurie: bei Werten >1 g/Tag besteht ein signifikantes Risiko für eine fortschreitende Niereninsuffizienz.
Jetzt liegt eine Interimsanalyse der PROTECT-Studie vor. Es handelt sich dabei um eine grosse Multizenterstudie (404 Teilnehmende, 134 Zentren, 18 Länder), die einen dualen Endothelin- und Angiotensin-Rezeptorantagonisten (Sparsentan) bei bioptisch bestätigter IgA-Nephropathie untersucht: kontrolliert, randomisiert und doppelblind im Direktvergleich mit maximal ausdosiertem Irbesartan. Die ersten Daten sind vielversprechend. Eine Behandlung mit Sparsentan reduzierte die Proteinurie um 41% mehr als die Sartantherapie bei ähnlichem Sicherheits- und Nebenwirkungsprofil.
Natürlich: Die Beobachtungszeit war mit 36 Wochen kurz. Zudem kam es auch unter Irbesartan zu einer Reduktion der Proteinurie, was hinter das Einschlusskriterium «maximal ausdosierte Sartantherapie» ein kleines Fragezeichen setzt. Die anhaltende Reduktion der Proteinurie unter Sparsentan suggeriert aber einen positiven Langzeiteffekt auf die Nierenfunktion. Entsprechende Daten werden Ende Jahr erwartet.
Verfasst am 7.4.23_HU.

Einmaldosis Doxycyclin postkoital gegen Gonorrhoe, Chlamydien und Syphilis?

Die Inzidenzen von Gonorrhoe, Chlamydien und Syphilis sind weltweit ansteigend und bei homosexuellen Männern überdurchschnittlich hoch. Kann man mit einer Einmaldosis Doxycyclin nach Sexualkontakt die Häufigkeit dieser sexuell übertragenen Infektionskrankheiten (STD) reduzieren?
Dies wurde in einer Studie in zwei Kohorten untersucht: 327 Teilnehmende nahmen regelmässig eine HIV-Präexpositions-Prophylaxe (Kohorte 1) ein und 174 waren HIV-infiziert (Kohorte 2). Alle 501 Studienteilnehmenden waren Männer mit homosexuellen Kontakten, die im vorangegangenen Jahr wegen einer Gonorrhoe, einer Chlamydien-Infektion oder einer Syphilis behandelt worden waren. Mittels 2:1-Randomisierung nahmen die Teilnehmer entweder eine Einmaldosis 200 mg Doxycyclin per os innerhalb von 72 Stunden nach kondomfreiem Sexualkontakt ein oder erhielten kein Doxycyclin. Alle drei Monate erfolgten Kontrollen mit Routine-Abstrichen.
In Kohorte 1 wurde in der Doxycyclin-Gruppe bei 10,7% eine STD diagnostiziert, in der Kontrollgruppe bei 31,9%. In Kohorte 2 betrug die STD-Häufigkeit in der Doxycyclin-Gruppe 11,8%, in der Kontrollgruppe 30,5%. Die Einmaldosis Doxycyclin bewirkte also insgesamt eine Reduktion der STD um beachtliche zwei Drittel. Nicht unerwartet war der Effekt gegen Chlamydien und Treponemen 2–3× besser als gegen Gonokokken. Wegen ungenügender Wirksamkeit wird Doxycyclin in der Therapie gegen Gonokokken ja grundsätzlich nicht verwendet. In dieser Studie waren 25% der getesteten Gonokokken gegen Tetrazykline resistent. Nennenswerte Nebenwirkungen der Einmaldosis wurden nicht beobachtet.
Man darf aus der Studie folgern, dass bei Männern mit homosexuellen Kontakten und hohem STD-Risiko – unabhängig vom HIV-Status – eine Einmalgabe von 200 mg Doxycyclin innerhalb von drei Tagen nach kondomlosem Sexualkontakt die Häufigkeiten von Chlamydien-Infekten, Syphilis oder Gonorrhoe relevant senkt.
N Engl J Med. 2023, doi.org/10.1056/NEJMoa2211934.
Verfasst am 11.4.23_MK.

Auch noch aufgefallen

Adipositas und Immunsystem

Übergewicht und Adipositas verändern die Immunregulation, was sich unter anderem in einem erhöhten Risiko für Autoimmunkrankheiten (zum Beispiel Typ-1-Diabetes, Multiple Sklerose) widerspiegelt. Erhöht ist aber auch die Suszeptibilität für Infektionskrankheiten mit potentiell schweren Verläufen, wie dies die Corona-Pandemie eindrücklich gezeigt hat.
Anatomisch ist die enge Wechselwirkung von Fettgewebe und Immunzellen absolut plausibel: Die primären Lymphorgane (Thymus, Knochenmark) sind unmittelbar von Adipozyten umgeben – was das «Homing» von Lymphozyten, Makrophagen und dendritischen Zellen ins Fettgewebe erleichtert. Die Adipozyten umgekehrt haben immunzellähnliche Eigenschaften: Sie sezernieren verschiedene Zytokine und wehren Bakterien ab. Ein kalorisches Überangebot mit Verlust der zirkadianen Rhythmik von Nahrungsaufnahme und Fasten verändert diesen Immunmetabolismus: Adipositas führt so zur Überaktivierung von intrazellulären Signalwegen und zur Freisetzung inflammatorischer Adipozytokine. In der Folge kommt es zu einem Ungleichgewicht von proinflammatorischen und antientzündlichen T-Lymphozyten und damit, so die Hypothese, zu einer reduzierten immunologischen Selbsttoleranz.
Präventiv steht die reduzierte Nahrungsaufnahme (Stichwort: kalorische Restriktion, intermittierendes Fasten, ketogene Diät) im Vordergrund. Dies kann auch medikamentös im Sinne eines «Pseudo-Fastens» bewirkt werden: zu nennen ist hier in erster Linie das Antidiabetikum Metformin.
Verfasst am 6.4.23_HU.
Immer noch lesenswert
Es ist wieder Spargelzeit
Spargeln führen über ihre Abbauprodukte – vornehmlich flüchtige schwefelhaltige Metaboliten der Asparagusinsäure – zu einer intensiven Geruchsveränderung des Urins. Allerdings nehmen nicht alle Menschen diesen Geruch wahr und lange wurde vermutet, dass die entsprechenden Unterschiede durch eine genetische Variante im Abbau und in der Ausscheidung von Spargelmetaboliten bedingt sind. Eine Doktorarbeit hat 1980 eine andere Hypothese aufgestellt [1]: «Personal observations […] suggested that the excretion of odorous substances in the urine after eating asparagus might be universal, but that the ability to detect their odour varied.»
Sind Sie ein «asparagus smeller» oder ein «non-smeller»? Schuld in letzterem Fall ist eine genetisch bedingte Spargelanosmie.
© Aphiwat chuangchoem / pexels
Inzwischen ist das Phänomen der selektiven Spargelanosmie hinreichend untersucht [2]: Das Unvermögen, den Konsum von Spargeln über den charakteristischen Uringeruch zu detektieren, ist nicht die Folge einer fehlenden Produktion von Urinmetaboliten, sondern eine Störung ihrer olfaktorischen Identifizierung. Die Spargelanosmie ist genetisch bedingt (Polymorphismen auf Chromosom 1) und erstaunlich häufig – sie betrifft mehr als die Hälfte der Population. Die Einteilung der Spargelessenden in die Subpopulationen «asparagus smellers» und «non-smellers» geht aber auf die erwähnte Doktorarbeit zurück.
Verfasst am 8.4.23_HU.

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