Fokus auf …
Myokarditis
Die akute Myokarditis ist eine immunvermittelte, meist lymphozytär bedingte Entzündung der Herzmuskulatur.
Ätiologisch stehen virale Infekte (COVID-19, Influenza, Parvovirus B19, HIV) im Vordergrund, seltener eine autoimmune Ursache (systemischer Lupus erythematodes) oder medikamentös-toxische Auslöser (vor allem Immuncheckpoint-Inhibitoren).
Die Myokarditis nach COVID-Impfung wurde insbesondere nach der Zweitimpfung beobachtet und hat viel Aufsehen erregt – eine Myokarditis im Rahmen einer manifesten SARS-CoV-2-Erkrankung tritt aber rund 30× häufiger auf!
Klinisch bestehen Dyspnoe, Fieber und grippale Symptome. Thoraxschmerzen weisen auf eine perikardiale Beteiligung hin. Ein kardiogener Schock im Sinne einer fulminanten Myokarditis entwickelt sich in <10% der Fälle.
Zu den Basisuntersuchungen gehören Labor (Troponin, C-reaktives Protein), Elektrokardiogramm (ST-Streckenalterationen) und Echokardiographie (Myokardverdickung, Hypokinesie, Perikarderguss). Eine Biopsie ist bei fulminanten Verläufen, ventrikulären Arrhythmien und höhergradigen atrioventrikulären Blockierungen angezeigt. Meistens kann die Diagnose magnetresonanztomographisch gestellt werden.
Eine Myokarditis mit höhergradiger Reizleitungsstörung ist suggestiv für eine kardiale Sarkoidose, eine Lyme-Karditis oder eine Myokarditis nach Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren.
Eine unkomplizierte Myokarditis kann symptomatisch mit nichtsteroidalen Antirheumatika behandelt werden. Die Datenlage zur Steroidtherapie ist kontrovers – sie hat vor allem bei spezifischen Ursachen einen Stellenwert (Autoimmunität, Immuncheckpoint-Inhibitoren, Sarkoidose, Riesenzell- und eosinophile Myokarditis).
Von intensiven sportlichen Aktivitäten wird nach Diagnosestellung für 3–6 Monate abgeraten (Risiko für plötzlichen Herztod).
Eine ICD-(«implantable cardioverter-defibrillator»-)Implantation ist in spezifischen Risikosituationen (vor allem Sarkoidose) angezeigt.
JAMA. 2023, doi.org/10.1001/jama.2023.3371.Verfasst am 21.4.23_HU.

Für Ärztinnen und Ärzte am Spital

Hyponatriämie und Risiko für zerebrale Demyelinisierung

Die Entwicklung einer zerebralen Demyelinisierung ist eine potentiell fatale Folge bei Korrektur einer Hyponatriämie. Unklar ist, ob das langsame Anheben des Natriumwertes diese Komplikation verhindern kann.
In dieser Studie wurden über den Zeitraum von zehn Jahren an fünf Spitälern in Kanada alle stationären Fälle mit Hyponatriämie (<130 mmol/l) erfasst: insgesamt knapp 23 000 Hospitalisationen. Eine rasche Natriumkorrektur (>8 mmol/l über 24 Stunden) erfolgte in 18% aller Fälle respektive gar bei 69% der Hospitalisierten mit einem Natriumwert <110 mmol/l. Mortalität und Rehospitalisationsrate waren in der Gruppe mit rascher Korrektur nicht erhöht. Ein Demyelinisierungssyndrom entwickelten total 12 Erkrankte (0,05%), 7 davon hatten ein initiales Serumnatrium <110 mmol/l. Ebenfalls bei 7 Patientinnen und Patienten entwickelte sich eine zerebrale Demyelinisierung trotz langsamer Natriumkorrektur. Als mögliche Risikofaktoren bestätigten sich in dieser Studie: initiales Serumnatrium <110 mmol/l, positiver Blutalkoholspiegel, Hypokaliämie.
Wir schliessen daraus: Eine zerebrale Demyelinisierung ist ein extrem seltenes Ereignis. Sie kann unabhängig von einer raschen Natriumkorrektur auftreten. Die Kausalität zwischen der Korrekturrate und Entwicklung einer Demyelinisierung ist damit fraglich. Die Rolle von anderen Faktoren – isoliert und in Kombination mit der Korrekturrate – gilt es zu klären.
N Engl J Med Evid. 2023, doi.org/10.1056/EVIDoa2200215.
Verfasst am 22.4.23_HU.

Immer noch lesenswert

Ausdauersport und HDL-Cholesterin

Die vielfältigen positiven Auswirkungen von sportlichen Aktivitäten auf die Gesundheit im Allgemeinen und das kardiovaskuläre Risiko im Speziellen sind hinlänglich bekannt. Eine Studie aus den Anfängen hat die Dosis-Wirkungs-Kurve von Ausdauersport (konkret: Joggen) und Lipidwerten (vor allem HDL-Cholesterin) untersucht. Dazu wurden gesunde Nichtraucher nach ihrer wöchentlichen Laufdistanz – 0, 8, 15, 20, 27 und 50 km – in sechs Gruppen eingeteilt. Lipidmessungen zeigten eine graduelle Zunahme der HDL-Werte (circa 0,05 µmol/l pro 10 km/Woche). Diese positiven Effekte fanden sich bereits in der Gruppe mit der niedrigsten Distanz gegenüber den Laufmuffeln, statistisch signifikant waren die Werte ab einer Laufdistanz von etwa 10 km. Ebenfalls als dosisabhängige Kurve zeigte sich die Reduktion von LDL-Cholesterin- und Triglyzerid-Werten. Mit einer medikamentösen Therapie konnten vor 30 Jahren – zum Zeitpunkt limitierter lipidsenkender Therapieoptionen – kaum viel bessere Effekte erzielt werden.
Die Studie hat natürlich ihre Limitationen. So wurden zum Beispiel ausschliesslich gesunde Männer rekrutiert. Die wichtigste Konklusion der Arbeit hat aber immer noch Gültigkeit: Regelmässige körperliche Aktivität verändert die Serumlipide im kardioprotektiven Sinn. Wie die Studie zeigt, besteht diesbezüglich eine Dosisabhängigkeit – und nicht ein Schwellenwert. Will für einmal heissen: je mehr, desto besser und besser etwas, als nichts.
Verfasst am 20.4.23_HU.

Das hat uns gefreut

Schwangere gegen RSV impfen, um das Kind zu schützen

Neugeborene und Säuglinge entwickeln bei Respiratory-Syncytial-Virus-(RSV-)Infektionen untere Atemwegserkrankungen mit hoher Morbidität und Mortalität. Wie kann man dies verhindern? Eine Möglichkeit besteht darin, dass mit einer aktiven Impfung gegen RSV in der Schwangerschaft die Antikörpertiter so hoch ansteigen, dass das Neugeborene durch die transplazentare passive Immunisierung besser und länger geschützt bleibt. Erste Resultate einer Phase-2-Studie mit einem bivalenten präfusionalen RSV-F-Protein waren ermutigend.
In dieser Phase-3-Studie wurden 7358 Schwangere im dritten Trimenon doppelblind und placebokontrolliert im Verhältnis 1:1 gegen RSV geimpft. Die Neugeborenen wurden regelmässig bis 180 Tage nach Geburt beobachtet und bei leichten und schweren respiratorischen Infekten auf RSV untersucht. Während sich bei leichten RSV-Infekten kein signifikanter Unterschied zwischen den Geimpften und Placebo zeigte (57,1% Impfschutz), bestand gegen schwere RSV-Infektionen ein statistischer Impfschutz von 81,8% nach 90 Tagen, der auch noch nach 180 Tagen noch anhielt. Die Häufigkeit von Nebenwirkungen war sowohl bei den Schwangeren als auch den Neugeborenen bei den Geimpften und in der Placebogruppe gleich.
Es scheint, dass die passive Immunisierung des Neugeborenen einen RSV-Schutz gegen schwere Verläufe in den ersten sechs Monaten des Lebens sicherstellt. Auch die Sicherheit des Impfstoffes für eine Vakzination in der Schwangerschaft scheint hoch genug zu sein, wie wir es von der Pertussis- und Influenzaimpfung bereits kennen. Gerne würde man wissen, wie lange der passive Immunisierungsschutz bei den Säuglingen anhält und ob dann nicht wieder Gefahr für einen bedrohlichen Verlauf besteht.
Auch noch aufgefallen
Trichobezoar und Rapunzelsyndrom
Zwei eindrückliche Fälle von Trichobezoaren erinnern uns an die seltene Krankheit, die sich meist bei Mädchen mit Abdominalschmerzen, Blutungen, Magenobstruktion und -perforation manifestiert. Die Haarknäuel, die sich im Magen ballen, stammen von verschluckten Haaren (beziehungsweise Fasern) von Tieren, Puppen, Teppichen, Wolldecken oder vom eigenen Kopf (Trichophagie). Durch das Haareziehen vom eigenen Kopf (Trichotillomanie) entsteht eine Alopezie, die aufmerksamen Klinikerinnen und Klinikern auf die Spur hilft. Das unverdauliche Haarkonvolut im Magen wächst an, bis es Symptome verursacht. Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust sind zu Beginn am häufigsten. Wenn der gastrale Haarklumpen weiter ins Duodenum vorwächst, entsteht das Rapunzelsyndrom.
22 × 7 cm grosser Trichobezoar des Magens nach dessen Entfernung (aus: Kwon HJ, Park J. Treatment of large gastric trichobezoar in children: Two case reports and literature review. Medicine [Baltimore]. 2023;102(16):e33589. doi: 10.1097/MD.0000000000033589).
© 2023 the Author(s). Published by Wolters Kluwer Health, Inc. under a CC BY license.
Die zwei beschriebenen Fälle sind ein 12- und ein 13-jähriges Mädchen, bei denen die Diagnose mittels oberer Endoskopie und Computertomographie gestellt wurde. Beim 13-jährigen Mädchen handelte es sich bereits um ein Rezidivbezoar. Der Versuch, den Haarbalg endoskopisch zu fragmentieren, gelang bei einem Mädchen nicht und wurde beim anderen wegen der Bezoargrösse gar nicht versucht. Beide Bezoare wurden per Laparotomie geborgen, ihre Ausmasse betrugen 15 × 6 cm und 22 × 7 cm. Der postoperative Verlauf war komplikationslos. Bei beiden Mädchen wurde eine psychotherapeutische Betreuung eingeleitet.
Medicine. 2023, doi.org/10.1097/MD.0000000000033589. Verfasst am 24.4.23_MK.
N Engl J Med. 2023, doi.org/10.1056/NEJMoa2216480.
Verfasst am 23.4.23_MK.