Speicher – Während des Sports ist es schnell passiert: Eine unachtsame Bewegung reicht meist schon aus, um sich das Sprunggelenk zu verletzen. So hat es auch Jan Wörnhard erlebt, Fussballer beim Promotion League Club SC Brühl. Sein behandelnder Arzt Dr. Hanspeter Betschart, Chefarzt Berit SportClinic und SEMS Sportarzt, erläutert die korrekte Diagnostik und gibt wertvolle Tipps für die Therapie in der Praxis.
Einführung
Die Verletzung des oberen Sprunggelenks, auch OSG-Distorsion oder Supinationstrauma genannt, gilt als die häufigste Sportverletzung. Bei 18% der Fälle ist die Ursache sportbedingt, vor allem beim Basketball und Fussball [1]. Gerade Sportler, unabhängig ob Profi- oder Breitensportler, kennen die Verletzung und haben oft bereits eine Bandage oder Orthese zu Hause, weshalb Ärzte leichte Verletzungen des Sprunggelenks häufig nicht zu Gesicht bekommen. In 10 bis 40% der Fälle entwickelt sich nach einem schweren Supinationstrauma eine chronische Sprunggelenks-Instabilität als Folge einer inadäquaten Therapie [2]. Umso wichtiger sind die korrekte Diagnostik und Therapie.
Einteilung
Der Verletzungsmechanismus ist eine Kombination aus Plantarflexion, Adduktion und Inversion des Fusses. Die Verletzung kann von leichter Überdehnung bis zur kompletten Ruptur der Bänder gehen – am häufigsten betroffen ist das Lig. talofibulare anterius. Die medialen Bandstrukturen sind deutlich seltener betroffen als die lateralen Bänder und oft mit schwererem Trauma verbunden. Schmerzen und Schwellung im Bereich des Malleolus lateralis mit Verstärkung bei Belastung und ein etwaiges Instabilitätsgefühl sind die typischen Symptome, die folgende Einteilung erlauben:
Grad I: Zerrung mit kleinem Hämatom, keine bis mässige Schwellung
Grad II: Partielle Ruptur, Hämatom, mässige Schwellung
Grad III: Vollständige Ruptur, deutliches Hämatom und Schwellung
Diagnostisch erfolgt die Anamnese des Unfallmechanismus und eine Beweglichkeitsprüfung des oberen und unteren Sprunggelenks. Ferner hilft die Palpation der Supinationskette (Metatarsale V bis Fibulaköpfchen) und Syndesmose (fibulo-tibialer Squeeze Test). Druckschmerzhafte Areale über dem medialen oder lateralen Bandapparat geben Anhaltspunkt über die genauere Lokalisation der Bandläsion, so Dr. Betschart. Als Differentialdiagnosen müssen eine Malleolarfraktur, Fusswurzelfraktur, Syndesmosenläsion und Knorpelläsionen in Betracht gezogen werden. Die Ottawa Ankle/Foot Rules unterstützen den Arzt bei der Entscheidung, in welchen Fällen beim frisch Verletzten auf jeden Fall geröntgt werden muss [3, 4]. Sonographie und Kernspintomographie helfen weiter, das genaue Ausmass der Bandverletzungen und allfällige Begleitverletzungen an Knorpel und Sehnen zu erkennen. [5].
Überweisung an den Spezialisten
Je nach eigener Erfahrung und diagnostischen Möglichkeiten des Hausarztes, aber auf jeden Fall bei anhaltenden Beschwerden (vier bis sechs Wochen), sollte der Patient an einen Spezialisten überwiesen werden. Insbesondere wenn keine Vollbelastung im Verlauf der ersten zwei Wochen möglich ist. «Bei Leistungssportlern ist eine frühe Zuweisung empfohlen aufgrund des angepassten Behandlungsschemas», betont Dr. Betschart.
Therapie
Die Behandlung von Distorsionsverletzungen sollte so früh wie möglich nach dem «POLICE-Schema» erfolgen – dies bedeutet Schutz, optimale Belastung, Kühlung, Kompression und Hochlagern und bildet ein Akronym aus den entsprechenden englischen Begriffen Protection, Optimal Loading, Ice, Compression, Elevation. Zur Abschwellung und Schmerzlinderung können in den ersten Tagen nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) verschrieben werden. Grad-I-Verletzungen können grundsätzlich mit einer Bandage versorgt werden. Bei Grad-II- und ‑III-Verletzungen ist eine Orthese zur seitlichen Stabilisation für vier bis sechs Wochen zu empfehlen, so Dr. Betschart. In der Orthese erfolgt die Belastung nach Massgaben der Beschwerden. Bei der Behandlung von Grad-III-Verletzungen wird abhängig der Schmerzen und Schwellung gegebenenfalls eine kurze Immobilisationsphase von maximal zehn Tagen angefügt, bevor die Behandlung in einer gängigen Orthese folgt.
Sekundärprävention mit Sprunggelenksbandage
Nach Abheilen einer akuten Sprunggelenksverletzung lässt sich eine Orthese durch eine Sprunggelenksbandage ersetzen, um das Sprunggelenk bei der weiteren Mobilisierung und dem Return-To-Sport-Prozess während mindestens drei Monaten zu unterstützen und zu schützen. Bandagen sind aufgrund ihrer Beschaffenheit flexibler als Orthesen, sie entlasten die Bänder und Gelenke, bieten dabei jedoch ein Maximum an Bewegungsfreiheit. Daher eignen sich Bandagen ideal zur Rückführung in die Bewegung. Speziell bei der Sekundärprävention ist ein optimaler Sitz und hoher Komfort des medizinischen Hilfsmittels von grosser Bedeutung und entscheidend für dessen Wirksamkeit.
Fazit
Erfolgt die Behandlung des akuten Supinationstraumas nicht ordnungsgemäss oder wird die notwendige Ruhigstellung nicht beachtet, können die Bänder nicht korrekt ausheilen. Eine adäquate Therapie einer akuten Sprunggelenksverletzung ist also unentbehrlich, um einer chronische Sprunggelenks-Instabilität vorzubeugen.