Eosinophilie sévère
Eine hierzulande eher ungewöhnliche Ursache!

Eosinophilie sévère

Fallberichte
Édition
2017/08
DOI:
https://doi.org/10.4414/fms.2017.02853
Forum Med Suisses. 2017;17(08):201-204

Affiliations
a Klinik für Innere Medizin, Kantonsspital Münsterlingen
b Swiss Tropical and Public Health Institute, Basel
c Universität Basel, Basel

Publié le 21.02.2017

Une patiente de 65 ans a été hospitalisée à la fin du mois de juin 2016 car son état général se dégradait progressi-vement depuis 1 semaine déjà. Elle se plaignait de fièvre intermittente, de vertiges, de toux, de diarrhée, ainsi que d’une éruption cutanée prurigineuse. Son médecin de famille avait initié un traitement antibiotique par amoxicil-line/acide clavulanique en raison d'une suspicion d’infection pulmonaire.

Fallbericht

Anamnese

Eine 65-jährige Patientin wurde Ende Juni 2016 aufgrund einer bereits seit einer Woche bestehenden zunehmenden Allgemeinzustandsverschlechterung hospitalisiert. Sie klagte über intermittierendes Fieber, Schwindel, Husten, Diarrhoe sowie einen juckenden Hautausschlag. Die behandelnde Hausärztin hatte bei Verdacht auf einen pulmonalen Infekt eine antibiotische Therapie mit Amoxicillin/Clavulansäure initiiert.
Aus der persönlichen Anamnese war ein mit Bronchodilatativa und inhalativen Kortikosteroiden kontrolliertes Asthma bronchiale bekannt. Weiter hatte die Patientin keine bekannten Allergien, und bis auf das verordnete Antibiotikum wurden keine neuen Medikamente eingenommen.
Die Patientin stammt aus Thailand, lebte aber seit mehr als 30 Jahren mit ihrem Ehemann in der Schweiz. Der letzte Thailandaufenthalt dauerte von Oktober 2015 bis Januar 2016 und beinhaltete Familienbesuche in den Regionen Pattaya, Koh Samui und Hua Hin. Sexual- und Umgebungsanamnese waren unauffällig.

Befunde und Status

Bei Eintritt präsentierte sich die allseits orientierte Patientin mit einem Blutdruck von 94/58 mm Hg, einem Puls von 93 Schlägen pro Minute sowie einer aurikulären Temperatur von 38,4 °C. In der klinischen Untersuchung fiel ein stammbetontes, makulopapulöses und teils urtikarielles Exanthem auf (Abb. 1). Die erweiterte klinische Untersuchung war bis auf ein obstruktives Atemgeräusch über allen Lungenfeldern unauffällig.
Abbildung 1: Stammbetontes, juckendes Exanthem.
Im aktuellen Blutbild zeigten sich eine schwergradige Eosinophilie mit einer absoluten Eosinophilenzahl bis zu 13,8 × 109/l sowie ein erhöhtes C-reaktives Protein mit 88 mg/l. Weiterhin auffällig waren erhöhte Chole­staseparameter bei normwertigen Leberenzymen. In der Abdomensonographie zeigte sich eine Cholezystolithiasis. Die Urinuntersuchung war unauffällig, ebenso blieben mehrere abgenommene Blutkulturen ohne Erregernachweis.

Diagnose

Der initiale Verdacht auf eine Pneumonie konnte konventionell-radiologisch nicht bestätigt werden, so dass wir uns bei möglicher medikamenteninduzierter, allergischer Reaktion für die Sistierung der antibiotischen Therapie entschieden. In der Folge zeigte sich jedoch eine persistierende Symptomatik mit rezidivierenden febrilen Temperaturen, juckendem Exanthem sowie intermittierender Diarrhoe; auch die Eosinophilenzahl blieb unverändert hoch.
Die weiteren Abklärungen bezüglich einer zugrundeliegenden Systemerkrankung aus dem autoimmunen, neoplastischen oder myeloproliferativen Formenkreis blieben allesamt negativ: Die Computertomographie von Thorax und Abdomen sowie die Gastroskopie ergaben keine Hinweise für ein Malignom, serologisch fanden sich bei negativen ANA und ANCA keine Hinweise für eine Vaskulitis oder Kollagenose. Die häufigsten Mutationen bei primärem Hypereosinophiliesyndrom waren nicht nachweisbar. In der Hautbiopsie fand sich aber, ebenso wie in den Biopsien aus dem oberen Gastrointestinaltrakt, eine ausgeprägte eosinophile Gewebsinfiltration (Abb. 2–4).
Abbildung 2: Hautbiopsie mit perivaskulärer und interstitieller Eosinophilie 
(HE-Färbung, 40-fache Vergrösserung).
Abbildung 3: Gastrointestinale Biopsie des Magens mit interstitieller Eosinophilie ­(HE-Färbung, 40-fache Vergrösserung).
Abbildung 4: Gastrointestinale Biopsie des Duodenums mit interstitieller Eosinophilie (HE-Färbung, 40-fache Vergrösserung).
Bei Verdacht auf eine invasive parasitäre Erkrankung entnahmen wir entsprechende Stuhlproben und Serologien, wobei sich eine starke Reaktivität für das Toxocara-Antigen (Toxocara canis-ES-Antigen-ELISA) zeigte. Die Serologien für andere Infektionen mit Gewebshelminthen (Trichinellose, Echinokokkose, Fasziolose, Schistosomiasis, Filariose und Strongyloidose) sowie die Stuhluntersuchungen waren unauffällig.
In Zusammenschau mit der Klinik, der sehr hohen Eosinophilenzahl, einem stark erhöhten Gesamt-Serum-IgE sowie der positiven Reiseanamnese konnte die Diagnose einer Toxocariasis gestellt werden.

Therapie

Wir initiierten eine antiparasitäre Therapie mit Albendazol, worunter die Patientin rasch beschwerdefrei war. Aufgrund der bei Therapiebeginn neu aufgetretenen Kopf- und Gliederschmerzen ergänzten wir die Medi­kation mit Prednison, in der Annahme einer Jarisch-Herxheimer-Reaktion.

Verlauf

Ein Monat nach Therapieende zeigte sich ein erfreulicher Heilungsverlauf. Bis auf einen leichten Pruritus im Bereich der Oberarme beklagte die Patientin keinerlei Beschwerden mehr. Die humoralen Entzündungsparameter hatten sich zwischenzeitlich normalisiert und die absolute Eosinophilenzahl war auf 1,01 × 109/l gesunken.

Diskussion

In der Regel machen die eosinophilen Granulozyten 1–3% der Gesamtleukozyten im peripheren Blut aus, mit einem oberen absoluten Referenzwert von 0,7 × 109/l. Die Zahl der Eosinophilen variiert mit dem Patientenalter, der Tageszeit, Stress und Umgebungsstimuli, vor allem aber saisonalen Allergenen. Entsprechend ihrem Ausmass wird die pathologisch erhöhte Zahl an eosinophilen Granulozyten im peripheren Blut, die sogenannte Eosinophilie, in drei Kategorien unterteilt: mild (0,7–1,5 × 109/l), mässig (1,5–5,0 × 109/l) und schwer (>5,0 × 109/l). Eine milde Eosinophilie wird häufig im Zusammenhang mit einer Allergie beobachtet, kann durch Medikamente induziert sein, kommt aber auch bei chronischem Parasitenbefall, Haut- und gastrointestinalen Krankheiten vor. Eine mässig erhöhte Eosinophilenzahl kann auf eine rheumatologische Erkrankung hinweisen, auf Tumoren oder eosinophile Lungenerkrankungen. Eine schwere Eosinophilie kommt am häufigsten vor beim primären Hypereosinophilesyndrom im Rahmen einer myeloproliferativen Neoplasie sowie bei Parasitenerkrankungen im ­gewebsinvasiven Stadium (Larva migrans) [1], wie in unserem Fall.
Die Toxocariasis ist eine parasitäre Erkrankung, welche meist durch den Hundespulwurm Toxocara canis und seltener durch den Katzenspulwurm Toxocara cati hervorgerufen wird, wobei der Mensch einen Fehlwirt darstellt (Abb. 5). Hauptwirte sind Hund, Katze und der Fuchs. Beide Erreger kommen gehäuft in tropischen und subtropischen Klimaregionen vor, sind aber weltweit verbreitet. Die Übertragung erfolgt fäkal-oral durch Aufnahme von Eiern oder Larven über kontaminierte Nahrung. Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 2–6 Wochen, kann jedoch bis zu mehrere Monate betragen [2]. Infektionen sind häufig asymptomatisch oder mild, schwere Krankheitsverläufe können jedoch vorkommen. Symptome entstehen da, wo die Larve durchwandert oder sind Folge einer immunologischen Reaktion. Dabei sind mehrheitlich der Gastrointestinaltrakt (Hepatosplenomegalie, Bauchschmerzen, Erbrechen, Diarrhoe), die Lunge (Husten, Niesen, Asthma), Haut (Urtikaria, Pruritus), selten auch Augen und ZNS betroffen. Während der akuten Infektion bestehen zusätzlich meist unspezifische Allgemeinsymptome wie Fieber, Gewichtsverlust, Blässe oder Myalgien [3]. Die in den Blutuntersuchungen oft schwere Eosinophilie kann über das Therapieende hinaus persistieren. Häufig finden sich während der akuten Infektion auch erhöhte Leberwerte. Die Diagnostik basiert auf dem serologischen Nachweis mittels Toxocara canis-ES-Antigen-ELISA (anti-Toxocara-IgG und -IgE). Ein positives Testresultat sollte auf Kreuzreaktivität durch Antikörper anderer Gewebshelminthen-Infektionen abgeklärt bzw. mittels Western Blot verifiziert werden [4]. Weiterhin ist ein erhöhtes Gesamt-Serum-IgE typisch. Die antihelminthische Therapie erfolgt mit Albendazol 2 × 400 mg p.o. für 5 Tage, alternativ Mebendazol, gegebenenfalls kombiniert mit Prednison wegen möglicher Jarisch-Herxheimer-Reaktion [5].
Abbildung 5: Lebenszyklus von Toxocara canis und Toxocara cati (© CDC/Alexander J. da Silva, PhD/Melanie Moser, 
mit freundlicher Genehmigung der «Centers for Disease ­Control and Prevention» [CDC]).
Die Autoren danken Dr. med. Frank Uhlmann, Leitender Arzt, Institut für Pathologie, Kantonsspital Münsterlingen, für die Anfertigung und das Überlassen der histologischen Abbildungen.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. Tobias Benoit
Klinik für Innere Medizin
Kantonsspital Münsterlingen
Spitalcampus 1
CH-8596 Münsterlingen
tobias.benoit[at]stgag.ch
1 Ebnöther M, Schoenenberger R. Eosinophilie – was kommt in Frage? Schweiz Med Forum. 2005;5:735–41.
2 Macpherson CN. The epidemiology and public health importance of toxocariasis: a zoonosis of global importance. Int J Parasitol. 2013;43:999–1008.
3 Despommier D. Toxocariasis: clinical aspects, epidemiology, medical ecology and molecular aspects. Clin Microbiol Rev. 2003;16:265–72.
4 Fillaux J, Magnaval JF. Laboratory diagnosis of human toxocariasis. Vet Parasitol. 2013;193:327–36.
5 Woodhall DM, Eberhard ML, Parise ME. Neglected parasitic infections in the United States: toxocariasis. Am J Trop Hyg. 2014;90:810–3.