Replik

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Édition
2017/40
DOI:
https://doi.org/10.4414/fms.2017.03092
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Publié le 04.10.2017

Replik

Besten Dank für Ihre informative Stellungnahme zum Artikel von Furger et al. sowie zu meinem Editorial.
Das Evidenzlevel 1C basiert einerseits auf der GRADE-Evidenzklassifikation, anderseits auf den DELPHI-Kriterien für Konsensuskonferenzen [1, 2]. Der Originaltext von Mathieu et al. wurde veröffentlicht [3]. Obwohl Sie mit mir einig sind, dass die hyperbare Sauerstoff­therapie (HBOT) gleich wirksam ist wie die Kortisongabe, sieht es so aus, dass Sie denken, dass Kortison der HBOT doch überlegen ist. Die Zitate aus der Cochrane-Literatur, nämlich dass die Kortisongabe gebräuchlich ist und HBOT nicht, wiederspiegeln nur die Tatsache, dass HBOT eine hochtechnologische, zentrumbasierte Behandlung ist und dass Kortison im Gegensatz dazu in der Schublade von jedem Arzt zu finden ist. In Ihrer Contra-Argumentation erwähnen Sie nicht die Guidelines der «American Academy of Otolaryngology – Head and Neck Surgery Foundation», in welcher das Nebenwirkungsprofil der Kortisongabe eher problematisch angesehen wird und HBOT als relativ nebenwirkungsarm. HBO wird als Alternative vorgeschlagen, wenn Kortison kontraindiziert oder unwirksam ist [4].
Seit der zitierten Cochrane-Bewertung der HBOT wurden mehreren positive, retrospektive und randomisierte Studien über den Effekt der HBOT als sogenannte Rettungstherapie bei ungenügend wirkender Kortisontherapie veröffentlicht [5–7]. Weitere Optionen für diese Patienten gibt es nicht, obwohl wir wissen, wie stark sie leiden und wie hoch ihre sozialen Kosten sind [8].
Deswegen haben wir, was ich in meinem Editorial nicht präzisiert hatte – wofür ich mich entschuldige –, einen Antrag zur Kostenübernahme der HBOT als «second line»-Behandlung des Hörsturzes für solche Patienten eingereicht. Der Antrag lautete wie folgt: «Akuter Hörsturz (>30dB in 3 aufeinanderfolgenden Frequenzen während mehr als 3 Tage) nach erfolgloser medikamentöser Behandlung, maximal 3 Monaten nach Ereignis».
Ich freue mich, dass endlich eine grössere randomisierte Studie versucht, mehr Licht in die Resultate der Kortisongabe beim akuten Hörsturz zu bringen. Falls diese Studie eine signifikante Wirkung zeigen sollte und auch noch reproduziert wäre, würde es zwar eine wissenschaftliche Rechtfertigung für die Kortisongabe bringen, aber die Zahl der «non-responder» wäre immer noch dieselbe, wie wir sie aus der Praxis und aus der Literatur kennen (64% moderate bis keine Besserung mit niedrigdosierter Kortisongabe und 45% mit hochdosierter Kortisongabe [9].
Deswegen denke ich, dass die Indikation der hyperbaren Sauerstofftherapie als Rettungstherapie bei diesen «non-respondern» sowie bei Kontraindikation/Ablehnung der Kortisongabe sinnvoll und im Interesse unserer Patienten ist. Ich bin mit Ihnen einig, dass die Kostenübernahme der HBOT bei allen Fällen von Hörsturz im jetzigen Stand der Wissenschaft übertrieben wäre, aber bedauere, dass mein Antrag auf Kostenübernahme der HBOT als Rettungstherapie von unseren Behörden abgelehnt wurde.
Die Frage bezüglich der freien Sauerstoffradikale werde ich nur kurz beantworten, weil die Datenmenge diesbezüglich zu gross geworden ist. Wir wissen, dass die freien Sauerstoffradikale als Signalmoleküle wirken und verschiedenste enzymatische Prozesse beeinflussen, zum Beispiel wird die Differenzierung von Stammzellen in Gliazellen und Neuralzellen stimuliert [10] und die Zellapoptose unterdrückt. Als Paradoxon reduziert HBOT die Produktion von intrazellulären freien Sauerstoffradikalen [11].
Die Frage der Nebenwirkungsrate von HBOT auf das Hörorgan ist natürlich zentral; die Gefahr von schweren Nebenwirkungen ist bei Weitem nicht so schlimm, wie Sie es denken. Ich zitiere die Arbeit von Pfafki et al. [12], die bei 11 376 Behandlungen in 17% ihrer Fälle Schwierigkeiten mit dem Druckausgleich ohne Folgewirkung hatten. Jokinen-Gordon et al. fanden eine Inzidenz von 36,88 Barotrauma auf 10 000 Behandlungen in einer Serie über mehr als 1,5 Million Behandlungen [12]. Die Paukendrainage kommt bei uns nur bei intensivmedizinischen oder bei im Hals-, Nasen-, Ohren- und Mundbereich bestrahlten Patienten zum Einsatz und sicher nicht bei Hörsturzpatienten.
 1 Guyatt GH, Oxman AD, Vist GE, Kunz R, Falck-Ytter Y, Alonso-Coello P, Schünemann HJ; GRADE Working Group. GRADE: an emerging consensus on rating quality of evidence and strength of recommendations. BMJ. 2008;336(7650):924–6.
 2 Diamond IR, Grant RC, Feldman BM, Pencharz PB, Ling SC, Moore AM, Wales PW. Defining consensus: a systematic review recommends methodologic criteria for reporting of Delphi studies. J Clin Epidemiol. 2014;67:401–9.
 3 Daniel Mathieu, Alessandro Marroni and Jacek Kot Diving and Hyperbaric Medicine. Vol 47(1):24–32. http://www.eubs.org/documents/DHM%202017%20-%20Mathieu%20-%2010th%20ECHM%20Consensus%20Conference%20Recommendations%20on%20HBO.pdf
 4 Robert J. Stachler et al. Clinical Practice Guideline: Sudden Hearing Loss. Otolaryngology – Head and Neck Surgery. 2012;146:1.
 5 Pezzoli M, Magnano M, Maffi L, Pezzoli L, Marcato P, Orione M, Cupi D, Bongioannini G. Hyperbaric oxygen therapy as salvage treatment for sudden sensorineural hearing loss: a prospective controlled study. Eur Arch Otorhinolaryngol. 2015;272(7):1659–66.
 6 Cvorovic L, Jovanovic MB, Milutinovic Z, Arsovic N, Djeric D. Randomized prospective trial of hyperbaric oxygen therapy and intratympanic steroid injection as salvage treatment of sudden sensorineural hearing loss. Otol Neurotol. 2013;34(6):1021–6.
 7 Hosokawa S, Sugiyama KI, Takahashi G, Hashimoto YI, Hosokawa K, Takebayashi S, Mineta H. ­Hyperbaric Oxygen Therapy as Adjuvant Treatment for Idiopathic Sudden Sensorineural Hearing Loss after Failure of Systemic Steroids. Audiol Neurootol. 2017;22(1):9–14.
 8 Carlsson P-I, Hall M, Lind K-J, Danermark B. Quality of life, psychosocial consequences, and audiological rehabilitation after sudden sensorineural hearing loss. International Journal of Audiology. 2011;50:139–44.
 9 Ramesh Nosrati-Zarenoe, Stig Arlinger & Elisabeth Hultcrantz. Idiopathic sudden sensorineural hearing loss: results drawn from the Swedish national database. Acta Oto-Laryngologica. 2007;127:1168–75.
10 Hu Q, Liang X, Chen D, Chen Y, Doycheva D, Tang J, Tang J, Zhang JH. Delayed hyperbaric oxygen therapy promotes neurogenesis through reactive oxygen species/hypoxia-inducible factor-1α/β-catenin ­pathway in middle cerebral artery occlusion rats. Stroke. 2014;45(6):1807–14.
11 Grimberg-Peters D, Büren C, Windolf J, Wahlers T, Paunel-Görgülü A. Hyperbaric Oxygen Reduces ­Production of Reactive Oxygen Species in Neutrophils from Polytraumatized Patients Yielding in the ­Inhibition of p38 MAP Kinase and Downstream ­Pathways. PLoS One. 2016;11(8).
12 Plafki C, Peters P, Almeling M, Welslau W, Busch R. Complications and side effects of hyperbaric ­oxygen therapy. Aviat Space Environ Med. 2000;71(2):119–24.
13 Jokinen-Gordon H, Barry RC, Watson B, Covington DS. A Retrospective Analysis of Adverse Events in ­Hyperbaric Oxygen Therapy (2012–2015): Lessons Learned From 1,5 Million Treatments. Adv Skin Wound Care. 2017;30(3):125–129.