Contenu principal
Behandlung des muskelinvasiven Urothelkarzinoms
Mit Interesse haben wir den Übersichtsartikel von Julita et al. im Swiss Medical Forum gelesen. Während die Inzidenz, Karzinogenese und urologischen Behandlungsmöglichkeiten schön zusammengefasst sind, würden wir aus unserer Sicht den Abschnitt über die Behandlung des muskelinvasiven Urothelkarzinoms gerne ergänzen und präzisieren, da sonst beim Leser ein falscher Eindruck entstehen könnte.
Urologische und onkologische, europäische und amerikanische Guidelines empfehlen klar als Standard beim muskelinvasiven Urothelkarzinom die Evaluation einer neoadjuvanten Cisplatin-basierten Chemotherapie [1–3]. Richtig ist, dass für die neodjuvante Chemotherapie ein absoluter, nicht relativer, Überlebensvorteil von 5–8% nach 5 Jahren nachgewiesen ist, und zwar in einer Metaanalyse mit mehr als 3000 eingeschlossenen Patienten aus teilweise grossen Phase 3 Studien [4–8].
Wichtig zu beachten ist hier, dass erstens nur Patienten, welche fit sind für eine Cisplatin-basierte Chemotherapie (unter anderem Performance Status 0–2, Kreatinin-Clearance ≥60 ml/min), eine neoadjuvante Behandlung angeboten wird [1–3, 9]. Zweitens müssen Patienten über das Konzept einer neoadjuvanten Chemotherapie gefolgt von der Zystektomie und dem daraus resultierenden Überlebensvorteil von 5–8% gut aufgeklärt sein. Während einige Patienten klar eine maximale Therapie wünschen, verzichten andere auch darauf nach einem ausführlichen Gespräch. Drittens: Eine primäre Resistenz und Progression unter der neoadjuvanten Chemotherapie ist selten. Die neoadjuvante Chemotherapie dauert 8–12 Wochen und die Operation erfolgt 2–3 Wochen nach der letzten Chemotherapiegabe. Viertens: die neoadjuvante Chemotherapie ist in grossen Studien nicht mit einer relevanten Zunahme an postoperativen Komplikationen assoziiert und beeinträchtigt nicht die Rate an Zystektomien gegenüber einer primären Operation [4, 7].
Die Datenlage für die adjuvante Chemotherapie wie von den Autoren als Standard beschrieben («üblicherweise wird eine adjuvante Chemotherapie ergänzend zur chirurgischen Behandlung eingesetzt») ist wissenschaftlich deutlich schlechter abgestützt. Ein relevanter Anteil der Patienten (ca. 30%) kann einer adjuvanten Chemotherapie nicht zugeführt werden aufgrund postoperativer Komplikationen [10]. Auch die adjuvante Chemotherapie ist Cisplatin-basiert und dieselben Kriterien zur Einschätzung der «cisplatin-fitness», wie oben für die neoadjuvante Chemotherapie beschrieben, sollten hier angewendet werden. Die von den Autoren beschriebene Risikoreduktion von 22% ist eine relative Reduktion (Hazard Ratio 0,78, 95% CI, 0,61–0,99; p = 0,044) und basiert auf einer Metaanalyse von 9 Studien mit einem Total von 945 Patienten. Der positive Effekt der adjuvanten Therapie war vor allem in der Gruppe der Patienten mit Lymphknotenbefall ausgeprägt. Die meisten dieser Studien waren aber klein, haben nicht fertig rekrutiert oder waren «underpowered», weswegen man die Daten mit Vorsicht interpretieren muss. Die Autoren dieser Publikation schlussfolgern entsprechend, dass erstens aufgrund der Level-I-Evidenz die neoadjuvante Chemotherapie für Patienten, welche dafür qualifizieren, empfohlen werden sollte und dass zweitens bei Patienten, welche keine neoadjuvante Chemotherapie erhalten haben, die adjuvante Chemotherapie in Betracht gezogen werden kann, vor allem wenn der postoperative Verlauf dies zulässt und Risikofaktoren (z.B. Lymphknotenbefall) vorliegen [11].
Die Behandlung von Patienten mit muskelinvasivem Urothelkarzinom bedarf einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit von Urologie, Onkologie und Radio-Onkologie und Patienten sollten offen über die Therapie-Möglichkeiten informiert werden in Anlehnung an internationale Guidelines. Dies ist umso wichtiger, als die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) eine klinische Studie für Patienten mit muskelinvasivem Urothelkarzinom in der Schweiz eröffnen wird, in der die Cisplatin-basierte neoadjuvante Chemotherapie mit einer Immuntherapie ergänzt wird.
Image d'en-tête: © Thomas Gowanlock | Dreamstime.com
Published under the copyright license
“Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”.
No commercial reuse without permission.