Luftverschmutzung und KHK

Luftverschmutzung und KHK

Und anderswo ...?
Ausgabe
2017/0102
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.02767
Schweiz Med Forum 2017;17(0102):5

Publiziert am 10.01.2017

Luftverschmutzung und KHK

Fragestellung

Luftverschmutzung, vor allem durch Feinstaubpartikel, ist mit einer erhöhten Gesamt­sterblichkeit und insbesondere einer Zunahme schwerer kardiovaskulärer Ereignisse wie Myokardinfarkt und Schlaganfall assoziiert. Die meisten Studien hatten ein relativ kurzes Follow-­up und die Bestimmung des Verschmutzungsgrades in den untersuchten Stadtvierteln war ungenau. Die pathophysiologischen Mechanismen, die zu den verheerenden Auswirkungen der Luftverschmutzung führen, sind unbekannt. Aus diesen Gründen wollte die amerikanische Umweltschutzbehörde die Verantwortung der Luftverschmutzung und insbesondere der Feinstaubpartikel (PM) mit einem Durchmesser von 2,5 µm für die Zunahme der KHK genauer untersuchen.

Methode

Die Studienpopulation stammte aus der MESA-Studie (Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis) mit 7000 Probanden aus 4 ethnischen Gruppen: Amerikanern spanischer und chinesischer Abstammung, Afroamerikanern und Weissen im Alter von 45–84 Jahren. Es wurden 6 Städte ausgewählt: Baltimore, Chicago, Los Angeles, New York, St. Paul und Winston-Salem. Alle von 2000–2007 rekrutierten Teilnehmer wurden zu Studienbeginn einem CT unterzogen, um den Verkalkungsgrad der Koronararterien mittels Agatston-Score zu bestimmen. Ferner wurde bei den Probanden die Intima-media-Dicke der A. carotis communis gemessen. Praktisch alle Teilnehmer wurden einem Kontroll-CT unterzogen, die Hälfte davon zwischen 2010 und 2012. Der Luftverschmutzungsgrad wurde an 27 Orten durch langfristige sowie 800 Messungen im Zeitraum von 2 mal 15 Tagen bestimmt. Des Weiteren wurde eine Modellrechnung der Luftverschmutzung im Haus­inneren durchgeführt. Dabei wurden die ­PM2,5-Konzentration pro m3, die Stickoxid- (NOx) und die Kohlenstaubpartikelkonzen­tration («schwarzer Rauch») bestimmt. Das Follow-up betrug ca. 10 Jahre.

Resultate

Die PM2,5-Konzentration variierte von 9,2–22,6 µg/m3 und von 7,2–139 ppm (parts per million). Mit jeder Erhöhung der PM2,5-Konzentration um 5 µg/m3 nahm die Koronarverkalkung um 4 Agatston-Einheiten pro Jahr zu. Jede NOx-Erhöhung um 40 ppm hatte einen Anstieg um 4,8 Agatston-Einheiten/Jahr zur Folge. Die Kohlenstoffpartikelkonzentration war nicht mit der Zunahme der Koronarverkalkung assoziiert und auch zwischen Luftverschmutzung und Intima-media-Dicke der A. carotis bestand kein Zusammenhang. In der statistischen Auswertung wurden die Resultate um den BMI, die körperliche Aktivität, den Tabakkonsum, das Gesamtcholesterin, den HDL- sowie den LDL-Cholesterinwert bereinigt. Abbildung 3 des Artikels, in welcher der Zusammenhang von Koronarverkalkung und PM2,5-Konzentration dargestellt wird, ist beeindruckend!

Probleme und Kommentar

In dieser riesigen Studie, die einen engen Zusammenhang zwischen der Zunahme von Koronarverkalkung und der PM2,5- sowie der NOx-Konzentration bestätigt, Schwachstellen zu finden, fällt schwer. Selbst die Modellrechnung der Luftverschmutzung im Hausinneren bestätigt den o.g. Zusammenhang. Die pathophysiologischen Mechanismen der Beschleunigung der Koronarverkalkung wurden nicht untersucht. Generell wird jedoch von einer Entzündung der Arterienwände durch die PM2,5 ausgegangen. Merkwürdigerweise besteht kein Zusammenhang zwischen der Intima-media-Dicke der A. carotis und dem Luftverschmutzungsgrad. Dieser Wert ist jedoch ungeeigneter zur Beurteilung des Arteriosklerosegrades als die Arterienverkalkung. Wenn man sich die Bilder einiger chinesischer Städte so anschaut, könnte man Angst um die Gesundheit ihrer Einwohner bekommen. Ferner wird klar, dass der in Europa zugelassene PM2,5-Grenzwert von 25 µg/m3 deutlich zu hoch ist …
Kaufmann JD, et al. Lancet. 2016;388(10045):
696–704.

Anabole Steroide: Entscheidung zwischen Muskeln und Hirn?

Norwegische Forscher haben das Gehirn von 82 Gewichthebern, die ein Jahr lang Anabolika einnahmen, per MRT mit dem von 68 Gewichthebern verglichen, die dies nicht taten. Das traurige Resultat: Die Anabolikakonsumenten wiesen eine geringere Kortex-Dicke, weniger graue Substanz und ein geringeres Putamenvolumen auf. Im Französischen gibt es den nicht gerade netten, jedoch möglicherweise wahren Ausdruck: «blöd wie ein Gewichtheber».
Bjørnebekk A, et al. Biol Psychiatry. 2016;
pii: S0006-3223(16)32529-X
doi: 10.1016/j.biopsych.2016.06.017

Diagnostik arteriosklerotischer koronarer Plaques: CT oder Koronarangiographie?

Eine ungarische Studie hat bei 71 Patienten mit Verdacht auf KHK den Nutzen von CT- und Koronarangiographie verglichen. Dazu wurden 1000 Koronarsegmente analysiert. 765 Segmente, die bei der Koronarangiographie im Hinblick auf Plaques als negativ diagnostiziert wurden, waren im CT positiv. Mittels Koronarangiographie wurden hingegen lediglich 3% der Plaques entdeckt, die im CT negativ waren. Auch Stenosen liessen sich im CT besser feststellen. Diese Resultate müssen in einer grösseren Studie bestätigt werden.
Kolossváry M, et al. Am J Cardiol. 2016;117(12):
1863–7.

Rivaroxaban (Xarelto®) beim Trousseau-Syndrom?

Niedrigmolekulares Heparin (NMH) ist die Behandlung erster Wahl bei Patienten mit tumor­assoziierter TVT oder Lungenembolie (LE) (Trousseau-Syndrom, benannt nach einem französischen Arzt aus dem 19. Jahrhundert, der die Erkrankung bei sich selbst beschrieb …). Vitamin-K-Antagonisten sind hingegen weniger wirksam. Wie verhält es sich mit direkten Faktor-Xa-Inhibitoren? 118 Patienten mit tumor­assoziierter TVT oder LE und 178 Patienten ohne Krebserkrankung erhielten Rivaroxaban mit mindestens 3-monatigem Follow-up. In der Gruppe mit Krebserkrankung trat bei 3,3% der Probanden ein TVT- oder LE-Rezidiv auf, gegenüber 2,8% in der Gruppe ohne Krebserkrankung (n.s.). Eine gute Nachricht, mit der sich tägliche Injektionen vermeiden lassen …
Bott-Kitslaar DM, et al. Am J Med.
2016;129(6):615–9.

Statine bei >80-jährigen Patienten mit KHK?

1262 >80-jährige Patienten mit Myokardinfarkt, akutem Koronarsyndrom oder chronischem KHK wurden retrospektiv analysiert. Das Follow-up betrug 3 Jahre. 706 erhielten ein Statin. Dabei wurde ein geringer nicht signifikanter Mortalitätsunterschied zugunsten der Statine festgestellt (HR 0,9). Um diese Frage abschliessend zu klären, ist eine prospektive Studie erforderlich.
Rothschild DP, et al. J Am Geriatr Soc.
2016;64(7):1475–9.