Sexuell übertragene Infektionen mit Chlamydia trachomatis
Das Wichtigste für die Praxis

Sexuell übertragene Infektionen mit Chlamydia trachomatis

Übersichtsartikel
Ausgabe
2017/34
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.03020
Schweiz Med Forum 2017;11(34):705-711

Affiliations
a Medizinische Universitätsklinik und Infektiologie/Spitalhygiene, Kantonsspital Baselland, Bruderholz, Universität Basel; b Frauenklinik, Kantonsspital Baselland, Liestal; c Service des Maladies Infectieuses, Institut Central des Hôpitaux, Sion; d Universitätsklinik für Infektiologie, Inselspital Bern, Universität Bern;
Département de gynécologie et d’obstétrique, Hôpitaux Universitaires de Genève; f Pädiatrische Infektiologie, Universitäts-Kinderspital Zürich, Universität Zürich; Service des Maladies Infectieuses, CHUV Lausanne; h Klinik für Infektiologie, Kantonsspital St. Gallen; i Dermatologische Universitätsklinik Basel, Universität Basel;
j Klinik für Infektiologie und Spitalhygiene, UniversitätsSpital Zürich, Universität Zürich; k Service des Maladies Infectieuses, Hôpitaux Universitaires de Genève;
l Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern

Publiziert am 23.08.2017

Sexuell übertragene Infektionen mit Chlamydia trachomatis werden in den letzten Jahren immer häufiger diagnostiziert. Chlamydien betreffen vor allem junge Frauen und werden wegen des Risikos der aufsteigenden Infektion («pelvic inflammatory disease») und der möglichen schweren Komplikationen wie Eileiterschwangerschaft und Unfruchtbarkeit gefürchtet. Diese treten deutlich seltener auf als früher angenommen. Das Management der infizierten Personen sollte verbessert werden.

Epidemiologie und Klinik

Nehmen Chlamydien-Infektionen in der Schweiz zu?

Im Jahr 2015 wurden dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) 10 167 Fälle von Infektionen mit Chlamydia trachomatis gemeldet. Damit sind Chlamydien schweizweit die häufigste diagnostizierte meldepflichtige sexuell übertragbare Infektion [1]. In den letzten zehn Jahren haben sich die Chlamydien-Meldungen in der Schweiz mehr als verdoppelt (Abb. 1). Dies zeigt, dass weitere Anstrengungen im Bereich der Primärprävention nötig sind (Abb. 2).
Abbildung 1: Bestätigte Chlamydiose-Fälle nach Geschlecht seit Beginn der Erfassung, 1988–2015 (aus: Bundesamt für Gesundheit BAG. Chlamydiose in der Schweiz im Jahr 2015. BAG Bulletin. 2016; 46:32–3. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des BAG).
Abbildung 2: Modernes Chlamydien-Management (Illustration: © Randy DuBurke, Binningen, randyduburke.com ). 
STI = «sexually transmitted infections».
Eine Studie aus Basel lässt vermuten, dass es sich hier um eine Pseudozunahme handelt: Es wird häufiger nach Chlamydien gesucht, aber der Prozentsatz der positiven Tests ist über die Jahre stabil geblieben. Wir entdecken also mehr (überwiegend asymptomatische) ­Infektionen als früher [2]. Etwa 70% der sexuell übertragenen Chlamydien-Infektionen werden in der Schweiz bei Frauen diagnostiziert, von denen über die Hälfte 15–24 Jahre alt sind. Fast alle betroffenen Frauen sind im gebärfähigen Alter (Abb. 3).
Abbildung 3: Altersverteilung von Personen mit bestätigter Chlamydiose nach Geschlecht (Fälle der letzten 5 Jahre zusammengefasst). 
Quelle: Bundesamt für Gesundheit (BAG). Chlamydiose in der Schweiz im Jahr 2015. BAG Bulletin. 2016; 46:32–3. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des BAG.

Verläuft eine Chlamydien-Infektion oft 
asymptomatisch?

Ja. Bei 70–95% der Frauen und über 50% der Männer mit bestätigter Infektion liegen keine Symptome vor [3]. Vermutlich stellen also die dem BAG gemeldeten Fälle nur die «Spitze des Eisberges» dar. Da es kaum Untersuchungen gibt, sind die Chlamydien-Inzidenz und -Prävalenz in der Schweiz nicht genau bekannt. In einer Studie bei Patientinnen und Patienten unter 30 Jahren aus STI1-Sprechstunden im Wallis und in der Waadt zeigten Bally et al. ein positives Chlamydien-
Resultat bei 5,9% der Frauen und 3,9% der Männer [4]. In europäischen Zufallsstichproben aus der Allgemeinbevölkerung lag die durchschnittliche Chlamydien-Prävalenz bei etwa 3,5% der Frauen und Männer unter 26 Jahren.

Wie manifestiert sich eine symptomatische Chlamydien-Infektion?

Bei Frauen können vaginaler Ausfluss, Dysurie, Kontaktblutungen (Blutungen nach vaginalem Sex) und Zwischenblutungen (Blutungen zwischen 2 Menstruationsblutungen) Hinweise auf eine akute symptomatische Chlamydien-Infektion sein. Bei Männern kommen Dysurie, urethraler Ausfluss und Hodenschmerzen vor. Rektale Infektionen verlaufen fast immer asym­ptomatisch und stellen vor allem bei Männern, die mit Männern Sex haben, (MSM) eine wichtige Quelle für die Infektion der Sexualpartner dar. Pharyngeale Infektionen verlaufen ebenfalls meistens asymptomatisch, ihre Prävalenz ist sehr niedrig und sie werden nicht als wichtige Quelle punkto Partneransteckung angesehen.

Wie gross ist das Risiko von schweren Komplikationen nach einer Chlamydien-Infektion?

Chlamydien sind gefürchtet, weil sie bei Frauen zu schweren Komplikationen wie «pelvic inflammatory disease» (PID), ektoper Schwangerschaft und Unfruchtbarkeit führen können (Abb. 4). Das genaue Risiko dieser Komplikationen ist schwierig abzuschätzen, es ist aber sehr wahrscheinlich deutlich kleiner als bisher angenommen. Eine kürzlich durchgeführte umfassende Analyse schätzt, dass 1000 Chlamydien-Infektionen bei Frauen zwischen 16 und 44 Jahren im Schnitt zu 171 Episoden einer PID, zu 2 Episoden ektoper Schwangerschaft und bei 5 Frauen zu einer Tubensterilität führt [5]. Weitere, seltene Komplikationen nach Chlamydien-Infektion sind Perihepatitis (Fitz-Hugh-Curtis-Syndrom) und seronegative, reaktive Arthritis.
Abbildung 4: Verlauf der Chlamydien-Infektion, mögliche Komplikationen (modifiziert nach [23]). Blaue Pfeile zeigen den möglichen natürlichen Verlauf einer Chlamydien-Infektion an. Die roten Pfeile entsprechen möglichen Komplikationen. Grüne Pfeile zeigen eine ­mögliche Heilung mit oder ohne Therapie an. PID = «pelvic inflammatory disease».
Zwar sind ektope Schwangerschaften und Infertilität mögliche Komplikationen einer PID, also eines Befalls des oberen Genitaltraktes und nicht einer asymptomatischen Infektion des unteren Genitaltraktes. Vermutlich verläuft eine PID aber nicht selten asymptomatisch: Dies lässt die deutlich höhere Prävalenz von Chlamydien-Antikörpern bei Frauen (ohne PID-Ana­mnese!) mit Tubensterilität im Vergleich zu Frauen ohne Tubensterilität vermuten.
In zahlreichen Ländern hat die PID-Häufigkeit über die letzten Jahre abgenommen – ob dies mit der Zunahme der durchgeführten Chlamydien-Tests zusammenhängt, ist allerdings keineswegs klar. Denn in Ländern, wo häufig getestet wird, ist die Prävalenz ähnlich hoch wie in Ländern, wo wenig getestet wird, und es werden generell abnehmende PID-Trends festgestellt [6, 7].

Können auch Männer nach einer Chlamydien-Infektion unfruchtbar werden?

Bei Männern liegen kaum Daten vor, dass Chlamydien zu einer Sterilität führen könnten. Die Therapie einer Infektion bei Männern zielt also nicht primär auf den Erhalt der männlichen Fertilität ab, sondern soll Sym­ptome beim betroffenen Mann lindern, Epididymitis und Orchitis verhindern und die weitere Chlamydien-Verbreitung eindämmen.

Diagnostik

Wie wird die Diagnostik der Chlamydien-
Infektion korrekt durchgeführt?

Das optimale Vorgehen ist in Tabelle 1 zusammengefasst [8]. Wir empfehlen zur Chlamydien-Diagnostik nur noch die Genamplifikation (z.B. mittels Polymerasekettenreaktion [PCR]). Diese ist sensitiver als andere diagnostische Methoden und hat diese daher weitgehend ersetzt. Bei Frauen werden zervikale oder vaginale Abstriche bevorzugt, da Urinproben eine suboptimale Sensitivität haben – sie sollen nur verwendet werden, wenn kein Zervix- oder Vaginalabstrich zur Verfügung steht. Bei Männern wird Erststrahlurin abgenommen; die letzte Miktion sollte mindestens eine Stunde zurückliegen (dies wird im klinischen Alltag leider nicht immer befolgt). Ein oberflächlicher Abstrich aus dem urethralen Meatus scheint gemäss neueren Daten ähnlich sensitiv wie eine Erststrahl-Urinprobe oder ein (2–4 cm tiefer) Urethralabstrich und zudem weniger schmerzhaft als letzterer zu sein [9–11]. Die Angst vor einem schmerzhaften Urethralabstrich liess in der Vergangenheit manchen Mann mit Urethritis auf eine STI-Diagnostik verzichten. Für die Dia­gnose einer rektalen beziehungsweise pharyngealen Infektion erfolgt die Genamplifikation aus einem Anal- respektive Pharyngealabstrich. Patientinnen und Patienten können nach entsprechender Instruktion vaginale, urethrale, meatale und rektale Abstriche bei sich selber durchführen [8, 10, 12].
Tabelle 1: Optimale Durchführung der Chlamydien-Diagnostik.
Vaginal-/
Zervixabstrich
Beide Abstrichorte sind ähnlich sensitiv
Vaginalabstrich: Vaginalwand unter dreimaliger Rotation mittels Abstrichtupfer abstreichen
Zervixabstrich: vor PAP-Abstrich durchführen, mit Tupfer Zervixsekrete entfernen, 
Abstrichtupfer min. 1–2 cm in Zervix einführen und Zervixwand abstreichen (min. 2 Rotationen)
Meatus-/
Urethralabstrich
Bei Männern scheint ein Urethral- oder Meatusabstrich ähnlich sensitiv wie ein Erststrahlurin zu sein.
UrinprobeErststrahlurin, Becher bis max. 20 ml füllen
Urinprobe frühestens 1 Stunde nach letzter Miktion abnehmen
Bei Frauen weniger sensitiv als vaginaler/zervikaler Abstrich
AnalabstrichKein Gleitmittel oder Lokalanästhesie verwenden
Unter leichter Rotationsbewegung den Abstrichtupfer genügend weit einführen 
(3–5 cm – das Watteteil des Abstrichtupfers soll nicht mehr sichtbar sein)
Mittels behutsamer Drehbewegung und leichtem Druck während 30 Sekunden die Anuswand abstreichen, um die Absorption von Chlamydien und Gonokokken durch den Tupfer zu erhöhen
RachenabstrichRachenhinterwand inkl. beider Tonsillen gründlich abstreichen
Vor Einsenden
des Abstrichs
Tupfer 15 Sekunden lang an der Wand des Röhrchens abstreichen, um Erreger aus dem Tupfer 
in die Flüssigkeit auszupressen

Sollen bei nachgewiesener Chlamydien-­Infektion andere STI gesucht werden?

Bei Personen mit dokumentierter Chlamydien-Infektion sollte eine Testung auf HIV, Gonorrhoe und Syphilis erwogen werden. Umgekehrt sollte bei nachgewiesener Urethritis (z.B. mit Gonokokken) ebenfalls nach einer Chlamydien-Infektion und anderen STI gesucht werden. Frauen unter 25 Jahren gehören in der Schweiz in der Regel keiner HIV-Hochrisikogruppe an, eine HIV-Serologie soll in dieser Gruppe je nach individuellem Risiko (z.B. Immigrantinnen aus Subsahara-Afrika, kommerzielle Sex-Arbeiterinnen) erwogen werden. Jede STI ist zudem eine wichtige Gelegenheit, um ­sicherzustellen, dass die Patientin gegen Hepatitis B geimpft ist.

Sollen bei allen asymptomatischen Personen Chlamydien gesucht werden?

Nein. Es gibt in der Schweiz aktuell kein offizielles Chlamydien-Screening und keine Testempfehlungen. Screening-Programme sind aufwendig und teuer, denn sie erfordern eine sehr hohe Testrate. Asympto­matische Chlamydien-Träger sind aber schwierig zu ­erreichen. Zudem gibt es keine soliden Daten, dass ­umfangreiche Chlamydien-Testungen die Chlamydien-Prävalenz in der Bevölkerung, Neuansteckungen oder langfristige reproduktive Komplikationen reduzieren.
In einer britischen Studie sank mittels Chlamydien-Testung und antibiotischer Behandlung bei sexuell aktiven Frauen unter 27 Jahren das Risiko einer PID innerhalb des nächsten Jahres von 1,9 auf 1,3% [13]. Daher empfehlen die «International Union against sexually transmitted infections» (IUSTI) [3] und die US-amerikanischen «Centers for Disease Control and Prevention» (CDC) [14] eine Chlamydien-Testung bei Frauen mit folgenden Risikofaktoren: Alter unter 25 Jahren, neuer Sexpartner oder mehr als ein Sexualpartner im letzten Jahr. In der Schweiz wird diese Strategie nicht offiziell verfolgt. Manche Gynäkologinnen und Gynäkologen praktizieren heute aber eine Art Chlamydien-Screening, das heisst sie bieten einer asymptomatischen, sexuell aktiven Frau <25 Jahren eine Chlamydien-Testung an, wenn sie sich zum Beispiel für eine Jahreskontrolle vorstellt. Zudem wird eine Chlamydien-Testung in der Schweiz oft – aber ohne offizielle Empfehlung – vor genitalen chirurgischen Eingriffen, vor einem Schwangerschaftsabbruch und vor Einlage eines «intrauterine device» (IUD, «Spirale») durchgeführt sowie in der Schwangerschaft, denn schwangere Frauen mit Chlamydien haben ein erhöhtes Risiko für eine Frühgeburt und nach vaginaler Geburt kann es beim Baby einer unbehandelten Mutter zu Konjunktivitis und Pneumonie kommen.

Behandlung und Partner-Management

Wie wird eine sexuell übertragene Chlamydien-Infektion behandelt?

Bei einer unkomplizierten Chlamydien-Infektion gibt es zwei Erstlinien-Therapieoptionen (Tab. 2):
– Doxycyclin 100 mg p.o. 2×/Tag für 7 Tage (Kontra­indikation: Schwangerschaft);
– Azithromycin 1 g Einzeldosis p.o.
Tabelle 2: Therapieempfehlungen für Infektionen mit Chlamydia trachomatis und assoziierte Syndrome/Erreger.
Klinik, ErregerErstlinientherapieAlternativeKommentar
Unkomplizierte genitale, 
pharyngeale und rektale 
Chlamydien-Infektion– Doxycyclin 100 mg p.o. 
2×/d für 7 Tage*
– Azithromycin 
1 g einmalig p.o.
– Erythromycin 500 mg 
2×/d für 7 Tage
– Levofloxacin 500 mg 
1×/d für 7 Tage *
– Ofloxacin 200 mg 
2×/d für 7 Tage *
– Partnertherapie
– 7 Tage Verzicht auf Sex nach Therapiebeginn, Therapie 
des Partners und Symptomfreiheit (ausser mit gleichzeitig 
therapierten Partnern)
– Bei rektaler Infektion Doxycyclin* bevorzugt
– Therapiekontrolle mittels PCR frühestens 4 Wochen nach 
beendeter Therapie, falls Azithromycin-Therapie bei rektaler Infektion, Zweitlinientherapie, Schwangerschaft, komplizierte Infektion (PID)
Lymphogranuloma 
venereum– Doxycyclin 100 mg 
2×/d für 3 Wochen– Azithromycin 1 g 
1×/Woche für 3 Wochen
– Erythromycin 500 mg 
4×/d für 3 Wochen
– Heute fast ausschliesslich anorektale Klinik, 
v.a. bei HIV-positiven MSM
– Rücksprache mit Spezialistin
«Pelvic inflammatory 
disease» (PID)– Rücksprache mit Gynäkologie oder Infektiologie  
* Kontraindikation: Schwangerschaft
MSM = Männer, die mit Männern Sex haben
In einer randomisierten Studie zeigten beide Antibiotika Heilungsraten von über 97% [15]. Trends zeigen, dass Doxycyclin insbesondere bei rektaler und pharyngealer Chlamydien-Infektion wirksamer als Azithromycin ist, weshalb vermutlich Doxycyclin vorzuziehen ist. Der Vorteil einer Therapie mit Azithromycin ist, dass sie nur einmalig gegeben werden muss und die Einnahme direkt vor der Ärztin oder dem Arzt erfolgen kann. Die deutschen Guidelines [16] empfehlen nur noch Doxycyclin als Erstlinientherapie. Die neuesten europäischen (IUSTI) [3], britischen (BASHH) [12] und amerikanischen (CDC) [14] Guidelines sehen beide Therapien als gleichwertig an. Aktuell wird aber vermehrt diskutiert, ob Doxycyclin generell dem Azithromycin vorgezogen werden sollte. Eine Resistenzentwicklung auf Antibiotika hat sich bei Chlamydien bisher nicht gezeigt – ganz im Gegensatz zur heute besorgniserregenden Resistenzsituation bei Gonokokken (siehe unseren Artikel im Swiss Medical Forum [17]).

Sollen die Sexualpartner von Personen mit asymptomatischer Chlamydien-Infektion behandelt werden?

Ja. Mehr als die Hälfte der Sexualpartner von Personen mit Chlamydien sind auch infiziert. Um eine weitere Ausbreitung und Reinfektionen zu verhindern, ist also die Partnerbehandlung ein wichtiger Bestandteil jeder Chlamydien-Behandlung. Im Idealfall werden alle Partner der letzten sechs Monate behandelt, im Minimum aber die Partner der letzten vier Wochen. Ausserhalb einer sexuellen Beziehung zu einem gleichzeitig behandelten Partner sollte mindestens eine Woche nach Behandlungsbeginn und bis allfällig vorhandene Symptome verschwunden sind, Sex vermieden werden. Dies betrifft sowohl den Indexfall als auch die Sexualpartner. Falls keine direkte Vorstellung des Partners in der Sprechstunde erfolgt, kann der infizierten Person alternativ ein Antibiotika-Rezept zuhanden der Sexualpartner mitgegeben werden.

Soll nach der Antibiotikatherapie der Behandlungserfolg kontrolliert werden («test of cure»)?

Ein «test of cure» soll nicht erfolgen, falls der Patient unter Therapie asymptomatisch geworden ist. Eine erneute Testung soll durchgeführt werden, falls die Symptome persistieren, bei zweifelhafter antibiotischer Adhärenz oder falls eine Reinfektion vorliegen könnte. Wichtig: Die Genamplifikationsdiagnostik soll frühestens vier Wochen nach Beendigung der Therapie gemacht werden, denn vorher kann trotz erfolgreicher Therapie noch Genmaterial von antibiotisch abgetöteten Chlamydien nachweisbar sein.
Zudem sollte der Heilungserfolg kontrolliert werden bei Infektionen in der Schwangerschaft, bei komplizierten Infektionen (PID) und nach unkonventioneller Therapie.

Soll nach behandelter Chlamydien-Infektion eine Reinfektion gesucht werden?

Es ist empfehlenswert, 3–6 Monate nach Behandlung die Chlamydien-Testung zu wiederholen: Bei relativ vielen Patientinnen und Patienten werden so erneut Chlamydien gefunden. Je nach sexueller Anamnese muss dann besprochen werden, ob eine erneute Ansteckung möglich ist (fehlende oder unzureichende Partnertherapie, neuer Partner) oder ob allenfalls die Antibiotika nicht eingenommen wurden.
In letzter Zeit wird bei Frauen vermehrt auch die Möglichkeit einer Autoinokulation von rektal nach vaginal oder von vaginal nach rektal diskutiert, unabhängig davon, ob sie Analsex haben [18, 19]. Eine genitale ­Re­infektion nach erfolgreicher Antibiotikatherapie könnte demnach im Rahmen einer asymptomatischen Chlamydien-Kolonisation des Darmes erfolgen, wo Azithromycin weniger gut wirksam scheint. Bei wiederholtem vaginalem Nachweis von Chlamydien bietet es sich daher an, zusätzlich zum Vaginalabstrich auch anal abzustreichen; eine alternative Erklärung zu einer sexuell erworbenen Reinfektion kann in manchen Fällen für die Patientin psychologisch entlastend wirken.

Sollen bei einer PID Chlamydien immer ­mitbehandelt werden?

Ja, sogar bei negativen Abstrichen. Denn Chlamydien werden bei ca. 20% aller PID-Fälle gefunden. Sie sind also bei PID häufig und ein negativer zervikaler oder vaginaler Abstrich kann nicht sicher eine Chlamydien-Infektion der Tuben oder Ovarien ausschliessen. Die PID-Therapie ist stets eine Kombinationstherapie und sollte je nach Schweregrad und Keimen in Absprache mit einer Spezialistin oder einem Spezialisten erfolgen.

Was soll bei Männern, die Sex mit Männern (MSM) haben, besonders beachtet werden?

Bei MSM mit rezeptivem Analverkehr ist die Prävalenz vor allem von rektalen Infektionen mit C. trachomatis erhöht. Diese verlaufen in über 90% asymptomatisch. Daher soll bei MSM regelmässig eine Untersuchung auf rektale, pharyngeale und genitale Chlamydien und andere STI, insbesondere HIV, Gonokokken und Syphilis angeboten werden [20].
Weiter soll bei jeder symptomatischen genitalen oder rektalen Chlamydien-Infektion, insbesondere bei HIV-positiven MSM, ein Lymphogranuloma venereum (LGV) gesucht werden. Dabei handelt es um eine Infektion mit C. trachomatis mit L1-, L2- oder L3-Serovaren. Ein LGV kann asymptomatisch verlaufen oder eine Proktitis, oberflächliche anale Ulzerationen, Tenesmen und analen Ausfluss verursachen. Unbehandelt können schwerwiegende Komplikationen wie Abszesse, Fisteln, Nekrosen, chronische Lymphangitis und rektale Strikturen auftreten.
Die LGV-Diagnostik erfolgt ebenfalls mittels Genam­plifikation aus einem rektalem Abstrich, Ulkusabstrich oder Lymphknotenaspirat. Bei Nachweis von C.  trachomatis im Rektalabstrich sollte im Labor immer eine Genotypisierung des Serovars mittels spezifischer PCR nachbestellt werden (Labor darüber informieren). Das LGV wird länger behandelt: Doxycyclin 100 mg 2×/Tag für 3 Wochen.

Welche Diagnostik und Therapie ist bei einer symptomatischen Urethritis empfohlen?

Für eine gute Übersicht über Klinik, Diagnostik und Therapie der Urethritis siehe die Artikel von Kälin 
et al. im Swiss Medical Forum [21, 22]. Ist die Infrastruktur vorhanden, so erlaubt bei Urethritissymptomen ein urethrales ­Direktpräparat eine schnelle und effiziente Unterscheidung von Chlamydiose und Gonorrhoe – der mikroskopische Nachweis von intra-granulozytären Diplokokken erlaubt mit hoher Sensitivität eine Gonorrhoe-Diagnose. Wichtig: Wegen ungenügender Sensitivität ist die Mikroskopie nicht geeignet für den Ausschluss einer zervikalen oder rektalen Gonorrhoe und soll zudem nicht bei asymptomatischen Personen durchgeführt werden. Eine pathogene Rolle von Mycoplasma hominis, Ureaplasmen sowie Gardnerellen ist bisher nicht eindeutig etabliert.

Gibt es Infektionen mit Chlamydia trachomatis auch bei Kindern?

Neugeborene und Säuglinge können Infektionen mit C. trachomatis aufweisen und sind dann Indikator für infizierte Eltern. Die Infektion wird während der Geburt beim Durchtritt durch den infizierten Muttermund erworben. Wird also eine Chlamydien-Infektion bei Kindern diagnostiziert, sind die Abklärung und Behandlung der Eltern indiziert.
Bei Neugeborenen tritt am 5.–11. Lebenstag eine vorerst einseitige mukopurulente, manchmal hämorrhagische konjunktivale Sekretion mit einem ausgeprägten Lidödem auf. Differentialdiagnostisch muss an eine Konjunktivitis infolge einer angeborenen Anomalie (Hasner-Membran an der Mündung des Ductus nasolacrimalis) gedacht werden. Deshalb ist der Nachweis von C. trachomatis mittels Genamplifikation oder Immunfluoreszenz aus dem Abstrich der Konjunktiven essentiell.
Säuglinge können Chlamydien-Infektionen der oberen Atemwege als Rhinopharyngitis oder Otitis media, vereinzelt begleitet von einer präaurikulären Lymphadenopathie zeigen. Die Diagnose erfolgt mittels Genamplifikation aus dem Nasopharynxabstrich. Sie wird oft verpasst, da die Symptomatik meist unspezifisch ist. Viel charakteristischer ist die zwischen 3. und 19. Lebenswoche auftretende Pneumonie, welche sich bei afebrilen Säuglingen mit staccatoartigem, pertussiformem Husten, expiratorischem Giemen, Tachypnoe und Eosinophilie im Blutbild (>600/µl) manifestiert. Die Diagnose wird durch Nachweis spezifischer anti-C. trachomatis-IgM-Antikörper gestellt.
Die Behandlung der Neugeborenen oder Säuglinge erfolgt mit peroralem Clarithromycin (2 × 10–15 mg/kg/Tag für 14 Tage) oder Azithromycin (1 × 10 mg/kg/Tag für 3 Tage). Es gibt keine Trachomnarben als Folge der Konjunktivitis.
An eine Infektion mit C. trachomatis soll auch nach erfolgtem oder möglichem (jüngere Kinder) sexuellen Übergriff gedacht werden.

Das Wichtigste für die Praxis

• Sexuell übertragene Infektionen mit Chlamydia trachomatis sind die ­häufigste meldepflichtige sexuell übertragbare Infektion in der Schweiz – Zunahme der Fälle wahrscheinlich wegen vermehrter Testung.
• Schwere Komplikationen wie «pelvic inflammatory disease», Tubensterilität, Eileiterschwangerschaft oder chronische Unterbauchschmerzen sind bei asymptomatischer Chlamydien-Infektion selten.
• Ein systematisches Chlamydien-Screening und eine Testung von allen asymptomatischen Frauen wird aktuell nicht empfohlen, denn der potentielle Nutzen ist nicht gut dokumentiert.
• Die Diagnostik der Wahl ist die Genamplifikation aus Vaginal-/Zervix­abstrich (Frauen), Erststrahlurin oder Urethral-/Meatusabstrich (Männer), bei Frauen und Männern mit rezeptivem Analverkehr auch aus Rektalabstrich.
• Die unkomplizierte Chlamydien-Infektion wird mit Doxycyclin 100 mg 2×/Tag p.o. für 7 Tage oder Azithromycin 1 g p.o. Einzeldosis behandelt – alle Sexualpartner der letzten 1–6 Monate sollen mitbehandelt werden.
• Bei symptomatischer rektaler Chlamydien-Infektion Suche nach Lymphogranuloma venereum.
Dieser Artikel erscheint parallel im BAG-Bulletin 35/2017.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med. Philip Tarr
Medizinische Universitätsklinik
Kantonsspital Baselland
CH-4101 Bruderholz
philip.tarr[at]unibas.ch
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22 Kälin U, Lauper U, Lautenschlager S. Urethritis. Erregerspektrum, Abklärung und Therapie … Teil 2. Swiss Med Forum. 2009;09(06):
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