Akuter Nachtschweiss, Husten,  pleuritische Thoraxschmerzen
Auch junge Schweizerinnen haben gelegentlich alte Krankheiten

Akuter Nachtschweiss, Husten, pleuritische Thoraxschmerzen

Was ist Ihre Diagnose?
Ausgabe
2017/34
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2017.03023
Schweiz Med Forum 2017;11(34):720-723

Affiliations
Klinik für Innere Medizin, Spital Zollikerberg, Zollikerberg

Publiziert am 23.08.2017

Fallbeschreibung

Eine 22-jährige medizinische Praxisassistentin (MPA) wird durch ihren Hausarzt, der auch ihr Arbeitgeber ist, wegen akuten Nachtschweisses, Husten, pleuritischer linksseitiger Thoraxschmerzen sowie Dyspnoesensa­tionen mit Verdacht auf eine Lungenembolie zur Abklärung zugewiesen. Zwei Monate zuvor hielt sich die Pa­tientin ferienhalber auf den Kapverdischen Inseln auf, wo sie von einem Insekt gestochen worden sei; zusätzlich hatte sie in der Hausarztpraxis Kontakt mit einem Patienten mit offener Lungentuberkulose.
In der klinischen Untersuchung imponierten bei der subfebrilen eupnoischen Patientin ein linksseitig abgeschwächtes vesikuläres Atemgeräusch mit einer linksbasalen Dämpfung.
Elektrokardiographisch ergab sich ein Normalbefund. Laborchemisch zeigten sich erhöhte Entzündungszeichen (Leukozyten 8,54 G/l, CRP 136 mg/l) sowie positive D-Dimere; eine HIV-Serologie sowie ein Vaskulitis-Screening (RF, ANA, ANCA) fielen negativ aus; Zika-, Dengue- und Chikunguyavirus-Serologien waren im Verlaufe ebenfalls negativ.
Computertomographisch konnte schliesslich die anfängliche klinische Verdachtsdiagnose von Lungenembolien ausgeschlossen werden; allerdings zeigte sich ein linksseitiger septiert imponierender Pleuraerguss mit konsekutiver partieller Kompressionsatelektase des linken Unterlappens (Abb. 1).
Abbildung 1: Computertomographie des Thorax mit Kontrastmittel (Weichteil- [links] und Lungenfenster [rechts]) mit septiertem linksseitigem Pleuraerguss mit partieller ­Kompressionsatelektase des Unterlappens.
Die anschliessende Pleurapunktion links ergab ein zellreiches gemischtzelliges lympho- und granulozytäres Pleuraexsudat mit einem normalen pH von 7,45 sowie einer tiefen Glucose von <3,3 mmol/l; direktmikroskopisch und kulturell konnten weder Bakterien noch Mykobakterien nachgewiesen werden; zytologisch fanden sich keine malignen Zellen.

Frage 1: Welche Differenzialdiagnose ist zum aktuellen Zeitpunkt am wahrscheinlichsten?


a) Pleuritis / parapneumonischer Pleuraerguss
b) Pleuraempyem
c) Tuberkulöse Pleuritis
d) Rheumatologische Grundkrankheit / Kollagenose
e) Pleurakarzinose
Bei dieser jungen Patientin ohne Risikofaktoren mit akuter Krankheit ist trotz gemischtzelligen Pleuraexsudates mit tiefer Glukose eine Pleurakarzinose sehr unwahrscheinlich. Ebenso ist eine rheumatologische Grundkrankheit / Kollagenose bei unilateralem Befall, fehlenden typischen Beschwerden sowie negativem Vaskulitis-Screening sehr unwahrscheinlich. Bei einem gemischtzelligen Pleuraexsudat mit normalem pH ist trotz septiert imponierenden Pleuraergusses links ein Pleurempyem unwahrscheinlich. Eine tuberkulöse Pleuritis ist bei entsprechender Anamnese grundsätzlich möglich, in der Differenzialdiagnose aber viel unwahrscheinlicher als eine virale/bakte­rielle Pleuritis oder ein parapneumonischer Pleuraerguss.
Unter der Verdachtsdiagnose eines parapneumonischen Pleuraergusses erfolgte initial eine empirische intravenöse Antibiotikatherapie mit Amoxicillin/Clavulansäure und im Verlaufe bei fehlendem klinischen und laborchemischen Ansprechen mit Piperacillin/Tazobactam. Nach insgesamt siebentägiger empirischer Antibiotikatherapie zeigte sich weder klinisch noch laborchemisch ein adäquates Ansprechen.

Frage 2: Welche der folgenden Abklärungen ist aktuell indiziert?


a) Erneute diagnostische Pleurapunktion mit Bestimmung der Adenosindeaminase (ADA)
b) Erneute diagnostische und therapeutische Pleurapunktion mit Einlage einer Bülaudrainage
c) Pleurablindbiopsie mittels Abrams-Nadel
d) Diagnostische Thorakoskopie
e) «Interferon-gamma release assay» (IGRA)
Vor invasiveren diagnostischen Massnahmen (Pleurablindbiopsie, Thorakoskopie) ist insbesondere bei einer jungen Frau mit indeterminiertem Pleuraerguss links die nochmalige diagnostische Pleurapunktion angezeigt; die Adenosindeaminase (ADA) ist ein sehr spezifischer Parameter für eine tuberkulöse Pleuritis; anhand des «Interferon-gamma release assay» (IGRA) hingegen kann keine Unterscheidung zwischen latenter Tuberkuloseinfektion und aktiver tuberkulöser Pleuritis vorgenommen werden. Die Einlage einer Bülaudrainage ist bei geringer Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Pleuraempyems nicht indiziert, zumal sie auch keine weiteren diagnostischen Informationen liefert, welche über eine Pleurapunktion hin­ausgehen. Eine Pleurablindbiopsie kann bei diffusen sowie eine Thorakoskopie bei eher lokalisierten Pleuraprozessen vorgenommen werden.
Die zweite Pleurapunktion ergab wiederum ein zellreiches, nun rein lymphozytäres Pleuraexsudat mit einem normalen pH sowie einer ADA unterhalb der Detek­tionsgrenze; mikrobiologisch und zytologisch konnten erneut weder eine Infektion noch eine Neoplasie bestätigt werden. In der Folge wurde schliesslich die Indi­kation für eine diagnostische Thorakoskopie gestellt, welche den untenstehenden makroskopischen Befund ergab (Abb. 2).
Abbildung 2: Intraoperatives Bild der diagnostischen Thorakoskopie mit Nachweis 
einer schweren feinnodulären fibrinösen Pleuritis.

Frage 3: Welches histologische Resultat ist anhand der bisherigen Zusatzuntersuchungen am ehesten zu erwarten.


a) Nachweis eines intrapleuralen Lymphoms
b) Nachweis einer Pleurakarzinose
c) Nachweis einer sterilen granulozytären nichtverkäsenden Entzündung
d) Nachweis einer granulozytären verkäsenden Entzündung mit Nachweis von Mykobakterien
e) Nachweis eines benignen Asbest-assoziierten Pleuraergusses
Bei einem isolierten lymphozytären Pleuraerguss ohne hilomediastinale Lymphadenopathie oder intrapulmonale Läsionen ist eine Sarkoidose sehr unwahrscheinlich. Bei einem rezidivierenden sterilen lymphozytären Pleuraexsudat ist differenzialdiagnostisch neben einer tuberkulösen Pleuritis auch eine Neoplasie in Betracht zu ziehen, wobei bei einer 22-jährigen Nichtraucherin sowohl eine Pleurakarzinose als auch ein intrapleurales Lymphom eine Rarität darstellen.
Bei positiver PCR für Mycobacterium-tuberculosis-Komplex sowie kulturellem Nachweis von Mycobacterium tuberculosis konnte schliesslich die Verdachtsdiagnose einer tuberkulösen Pleuritis definitiv bestätigt werden.

Frage 4: Welche therapeutischen Massnahmen sind angezeigt?


a) Exspektatives Prozedere und Spontanheilung abwarten
b) Exspektatives Prozedere und Spontanheilung abwarten ­unter aerogener Isolation und Arbeitsplatzkarenz für mindestens 2 Wochen
c) Präventive Tuberkulosetherapie mit Isoniazid für 9 Monate oder Rifampicin für 4 Monate
d) Klassische tuberkulostatische Kombinationstherapie für insgesamt 6 Monate in Analogie zur Therapie der Lungentuberkulose
e) Erweiterte tuberkulostatische Kombinationstherapie in der Annahme einer multiresistenten (MDR-) Tuberkulose
Eine präventive Tuberkulostherapie ist nur bei latenter, nicht aber bei aktiver Tuberkulose adäquat. Obschon eine tuberkulöse Pleuritis auch unter symptomatischer Therapie in der Regel spontan abheilt, besteht ohne Therapie ein hohes Risiko, innerhalb der nächsten fünf Jahre eine pulmonale oder extrapulmonale Tuberkulose zu entwickeln. Somit folgt zwingendermassen die Indikation einer klassischen Tuberkulosetherapie. Klinisch liegen keine Risikofaktoren für das Vorliegen einer multiresistenten (MDR-) Tuberkulose vor.
Wir begannen eine tuberkulostatische 4er-Kombina­tionstherapie mittels Pyrazinamid, Rifampicin, Ethambutol und Isoniazid für zwei Monate. Nach erfolgreicher Beendigung der Initialphase wurde auf eine 2er-Kombinationstherapie mit Isoniazid und Rifampicin für weitere vier Monate reduziert. Bereits nach zweiwöchiger Therapie war die Patientin wiederum als MPA berufstätig.

Frage 5: Welche Verlaufskontrollen sind angezeigt?


a) Klinische und laborchemische Verlaufskontrollen alle 2 Wochen in der Initialphase und alle 4 Wochen in der Erhaltungsphase; Röntgen-Thorax nach Abschluss der Initialphase sowie der Erhaltungsphase
b) Klinische, laborchemische und radiologische Verlaufskon­trollen alle 2 Wochen in der Initialphase und alle 4 Wochen in der Erhaltungsphase
c) Computertomographische Verlaufskontrolle nach Abschluss der Initialphase sowie der Erhaltungsphase
d) Obligatorische ophthalmologische Standortbestimmung und Verlaufskontrolle bei Therapiebeginn sowie nach Abschluss der Initialphase sowie der Erhaltungsphase
e) Ausschliessliche Verlaufskontrollen beim Infektiologen und/oder Pneumologen
Zur Beurteilung des Behandlungserfolges sowie zum Erfassen allfälliger Nebenwirkungen wurden für die Schweiz von der Lungenliga entsprechende Richtlinien erarbeitet und publiziert [1]. Die Verlaufskontrollen erfolgen in der Regel durch den Hausarzt sowie einen entsprechenden Spezialisten. Computertomographische oder ophthalmologische Verlaufskontrollen sind unter klassischer tuberkulostatischer Kombinationstherapie nicht Routine.
Gemäss einer MIRU-VNTR-Analyse («variable number of tandem repeats – mycobacterial interspersed pepetitive units») am Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Zürich konnte schliesslich eine sehr hohe genetische Übereinstimmung der Mykobakterien­isolate der Patientin sowie des mutmasslichen Indexpatienten bewiesen werden. Somit kann – trotz kurzer Kontaktzeit von weit weniger als acht Stunden – mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit von einer Primoinfektion am Arbeitsplatz als MPA in der Hausarztpraxis ausgegangen werden.

Diskussion [1]

Die Tuberkulose ist eine durch Mykobakterien verursachte Infektionskrankheit, welche aerogen via Tröpfchen übertragen wird. Weltweit treten pro Jahr ca. 9 Millionen Erkrankungen mit 1,5 Millionen Todesfällen auf. In 80% der Fälle handelt es sich um eine Lungentuberkulose, prinzipiell kann jedoch jedes Organ befallen sein; bei der extrapulmonalen Tuberkulose steht nach der Lymphknotenbeteiligung die tuberkulöse Pleuritis im Vordergrund [2, 3]. Die Pathogenese der tuberkulösen Pleuritis ist bis heute unklar. Es wird angenommen, dass sich der Pleuraerguss aufgrund einer verzögerten Hypersensitivitätsreaktion auf die Mykobakterien und deren Antigene im Pleuraspalt entwickelt [2, 3]. Die tuberkulöse Pleuritis ist in der Regel selbstlimitierend und heilt meist spontan aus, wobei zeitlebens insbesondere bei jungen Patienten ein Reaktivierungsrisiko besteht. Allerdings kann sich der Zustand der Patienten auch verschlechtern und die Infektion sich zu einem Empyem weiterentwickeln. Deshalb wird grundsätzlich eine medikamentöse Behandlung empfohlen. In der Mehrheit der Fälle handelt es sich bei der tuberkulösen Pleuritis bei Erwachsenen um eine Reaktivierung der Erkrankung, bei Kindern vorwiegend um eine Primärinfektion; sie kann aber – wie bei unserer Patientin – auch in jedem Alter als Primärinfektion auftreten [4, 5, 6].
In 94% der Fälle zeigen die Patienten eine typische Klinik mit akutem Fieber mit nicht-produktivem Husten beziehungsweise in 78% mit pleuritischen Schmerzen ohne Erhöhung der peripheren weissen Blutkörperchen [2]; weitere unspezifische Symptome sind Schwäche, Nachtschweiss und Gewichtsverlust; charakteristisch treten die Ergüsse praktisch immer unilateral auf, häufiger rechts wie links, von der Grösse eher klein bis mittelgross [7]. Diagnostisch ist mindestens eine Pleurapunktion erforderlich. Hier zeigt sich in der Regel ein saures lymphozytäres Pleuraexsudat (pH <7,4) mit einer tiefen Glukose-Konzentration [2, 3]; weitere sinnvolle Untersuchungen bei Verdacht auf eine tuberkulöse Pleuritis sind die Messungen der Adenosindeaminase (ADA).
Die Adenosindeaminase hat grundsätzlich eine hohe Sensitivität sowie Spezifität [8]; in Regionen mit einer hohen Tuberkuloseprävalenz haben solche nicht-invasiven Testverfahren im Gegensatz zu Ländern mit einer tiefen Tuberkuloseprävalenz wie die Schweiz einen ­hohen diagnostischen Stellenwert [9].
Eine positive Kultur der Pleuraflüssigkeit zeigt sich in den meisten Studien in weniger als 20–30%, eine Pleurabiopsie erhöht die diagnostische Ausbeute auf >90%. Eine Pleurabiopsie ist gerechtfertigt, wenn eine moderate bis hohe Wahrscheinlichkeit einer Tuberkulose besteht und wenn die Untersuchung der Pleuraflüssigkeit nicht diagnostisch ist. Pleuragewebe kann einerseits durch eine diagnostische Thorakoskopie oder eine geschlossene perkutane Nadelbiopsie entnommen werden. Die histologische Untersuchung und die Kultur der Pleura sind die sensitivsten Tests zum Nachweis einer tuberkulösen Pleuritis; die Biopsie weist in 50–97% Granulome nach und die Kultur ist in 40–80% der Fälle positiv, wobei die Sensitivität mit zunehmender Zahl der Biopsien steigt.
Die antibiotische Behandlung der tuberkulösen Pleuritis entspricht derjenigen der pulmonalen Tuberkulose. Ohne Therapie haben die Patienten ein Risiko von 65% [10], innerhalb der nächsten 5 Jahre eine pulmonale oder extrapulmonale Tuberkulose zu entwickeln. Therapeutische Drainagen reduzieren zwar die Dyspnoe, haben jedoch keinen langfristigen Einfluss auf den Heilungsverlauf. Studien zeigten, dass weder die Lungenfunktion noch die Entwicklung einer Pleuraschwarte durch eine therapeutische Drainage günstig beeinflusst werden. Unter angemessener Therapie werden die meisten Patienten innerhalb zwei Wochen afebril; die Pleurafüssigkeit wird innerhalb von sechs Wochen resorbiert mit einer mehrheitlichen restitutio ad integrum. Bei einzelnen Patienten kann eine systemische Steroidgabe diese langen Heilungszeiten verkürzen, ­allerdings bestehen nur wenige Daten zur Risikostra­tifizierung und Nutzen einer systemischen Steroid­therapie.

Antworten


Frage 1: a. Frage 2: a. Frage 3: d. Frage 4: d. Frage 5: a.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. Ron Fried
Spital Zollikerberg
Trichtenhauser Str. 20
CH-8125 Zollikerberg
ron.fried[at]outlook.com
 1 Barben J, C.B., Böttger EC, Egger J-M, et al. Tuberkulose in der Schweiz. 2014 [cited 2017 05.02.2017]; Handbuch Tuberkulose – ­revidierte Kurzversion 2014. Available from: http://www.tbinfo.ch/de/publikationen/handbuch-tuberkulose.
 2 Berger HW, Mejia E. Tuberculous pleurisy. Chest. 1973;63(1):88–92.
 3 Epstein DM, et al. Tuberculous pleural effusions. Chest. 1987;91(1):106–9.
 4 Gopi A, et al. Diagnosis and treatment of tuberculous pleural effusion in 2006. Chest. 2007;131(3):880–9.
 5 Torgersen J, et al. Molecular epidemiology of pleural and other extrapulmonary tuberculosis: a Maryland state review.
Clin Infect Dis. 2006;42(10):1375–82.
 6 Merino JM, et al. Tuberculous pleural effusion in children.
Chest. 1999;115(1):26–30.
 7 Valdes L, et al. Tuberculous pleurisy: a study of 254 patients. Arch Intern Med. 1998;158(18):2017–21.
 8 Valdes L, et al. Adenosine deaminase (ADA) isoenzyme analysis in pleural effusions: diagnostic role, and relevance to the origin of increased ADA in tuberculous pleurisy. Eur Respir J. 1996;9(4):747–51.
 9 Valdes L, et al. Value of adenosine deaminase in the diagnosis of tuberculous pleural effusions in young patients in a region of high prevalence of tuberculosis. Thorax. 1995;50(6):600–3.
10 Roper WH, Waring JJ. Primary serofibrinous pleural effusion in military personnel. Am Rev Tuberc. 1955;71(5):616–34.