Fokus auf … Vareniclin und Nikotinstopp
Nutzen
1 von 11 Rauchern kann aufhören.
Nebenwirkungen
– 1 von 5 leidet unter Nausea.
– 1 von 15 hat abnorme Träume.
– 1 von 23 leidet an Insomnie.
– 1 von 50 hat Kopfschmerzen.
– 1 von 143 entwickelt bei/unter Therapie schwerwiegende Nebenwirkungen (Verletzungen, Infekte, Neoplasie).
Kosten
Ein Behandlungszyklus von 12 Wochen: Ca. 600 CHF.
Am Fam Physician. 2017 Sep 1;96(5):online.
Verfasst am 21.9.2017.
Eine geballte Ladung in einem Heft
oder Medizin im (schnellen) Wandel
Gekreuzte Thromboembolien durch ein offen gebliebenes Foramen ovale mit oder ohne zusätzliche Vorhofwandaneurysmata können einen Teil anderweitig nicht geklärter Schlaganfälle («cryptogenic strokes») verursachen. Können Rezidive durch Verschluss des offenen Foramens signifikant vermindert werden? Während um die Jahrtausendwende dieses Vorgehen universell empfohlen wurde, haben dann verschiedene Studien keinen Vorteil des Verschluss gegenüber plasmatischer Antikoagulation oder Plättchenhemmung mehr gezeigt. Die Patienten wurden dementsprechend dann auch instruiert …
Gerade drei Studien begleitet von zwei eingeladenen Stellungnahmen in der gleichen Ausgabe des New England Journal of Medicine dürften nun aber wieder einen Sinneswandel einläuten – zumindest für die untersuchten Patientengruppen. Alle drei Studien fanden gegenüber Plättchenhemmung oder oraler Antikoagulation einen Vorteil des Foramen-Verschlusses (mit unterschiedlichem Material) in Bezug auf erneute ischämische Schlaganfälle.
Angesichts der Häufigkeit des offenen Foramen ovale (bis zu 25% einer Normalpopulation) ist die klare Diagnose einer gekreuzten Embolie entscheidend, aber keineswegs einfach. Sie basiert positiv auf dem Nachweis einer systemischen Venenthrombose und Ausschluss einer anderen Ursache wie u.a. Stenosen der zuführenden Hirnarterien und dem intermittierenden Vorhofflimmern. Bezüglich des letzteren sei daran erinnert, dass, je länger man sucht, desto mehr man davon auch finden kann. In der Interpretation der Resultate ist zu berücksichtigen, dass die «event rate» in allen drei Studien und allen experimentellen und Kontrollgruppen ziemlich tief war und der Eingriff signifikant mehr Nebenwirkungen verursachte, wobei in diesem Kontext vor allem das Vorhofflimmern (sic!) und die Thrombosen/Lungenembolien Beachtung verdienen.
Wichtig ist auch, dass das mittlere Alter der Patienten nur bei ca. 45 Jahren lag (eine der Studien schloss Patienten über 60 Jahre aus) und dass der positive Effekt vor allem bei grossen Rechts-links-Vorhofshunts und zusätzlichen Vorhofseptumaneurysmata nachweisbar wurde. Die (Verdachts-)Diagnose der gekreuzten Embolie erfolgte nach einer eingehenden kardiologisch-angiologischen und neurologischen Abklärung.
N Engl J Med. 2017;377(11):1011–21, 1022–32, 1033–42, 1006–9, 1093–5.
Verfasst am 20.9.2017, auf Hinweise von
Dr. C. Lienert (Walzenhausen) und
Prof. P. Rickenbacher (Bruderholz).
Intraartikuläre Steroide bei Gonarthrose: leider Schaden ohne Nutzen
Synovitiden sind bei Kniegelenksarthrosen häufig, schmerzhaft und assoziiert mit dem Fortschreiten des arthrotischen Prozesses. Häufig werden diese Beschwerden mit intraartikulären Glukokortikoiden (mit oder ohne Lokalanästhetika) angegangen. Prospektiv und doppelt verblindet wurden arthrotische Knie von 140 PatientInnen über zwei Jahre alle drei Monate entweder mit 40 mg Triamcinolon (Kenacort®) in einem Volumen von 1 ml oder mit 1 ml 0,9% NaCl injiziert. In der Behandlungsgruppe mit Triamcinolon waren der Abfall und das verbleibende Knorpelvolumen nach zwei Jahren signifikant schneller respektive tiefer als in der NaCl-Gruppe (MR-Bildgebung). Verlauf und Intensität der Knieschmerzen wurden durch die Glukokortikoide nicht gebessert.
JAMA. 2017;317(19):1967–75.
Neue Intervention gegen den altersassoziierten Muskelschwund (Sarkopenie)?
Die Muskelmasse des Menschen ist maximal ausgeprägt um das 30. Lebensjahr. Ab dem 50. Lebensjahr vermindert sich die Muskelmasse pro Dekade um 15%, ab dem 70. Lebensjahr pro Dekade um 30%, sodass im Alter von 90 Jahren nur mehr 50% der jugendlichen Muskelmasse vorliegen. Diese Sarkopenie des Alters ist eine wesentliche Ursache der eingeschränkten Mobilität, von Stürzen und damit von Spitalaufenthalten. Es gibt neue Konsensusdefinitionen der Sarkopenie, wobei man ein Mass der Muskelkraft («hand grip») mit einer Bestimmung der Muskelmasse mit der DXA-Techologie («lean body mass») kombinieren kann [1]. Der sog. FGF-19, einer der 22 Fibroblasten-Wachstumsfaktoren, wird in Enterozyten gebildet und zirkuliert systemisch als Hormon. Seine Wirkung erfordert wie bei anderen FGFs neben einem der 4 FGF-Rezeptoren die Anwesenheit eines Korezeptors (in diesem Falle beta-Klotho). Elegante Experimente bei Mäusen zeigen, dass dieses Hormon zu einer Hypertrophie der Skelettmuskulatur führt und die Glukokortikoid- und Adipositas-induzierte Sarkopenie wirksam verhindern kann [2]. Die Signalmechanismen sind gut bekannt, sodass der Weg für eine pharmakologische Intervention vorbereitet ist.
1 J Bone Miner Res. 2011;26(3):569–81.
2 Nat Med. 2017;23(8):990–6.
Prednison-induzierte Leukozytose
Von Glukokortikoiden wissen wir, dass sie durch Mobilisierung des sog. marginalen Pools (welcher mehrheitlich aus hypersegmentierten Granulozyten besteht), aber auch durch «Ausschwemmung» aus dem Knochenmark, eine Leukozytose induzieren können. Das zeitliche Auftreten kann sehr schnell sein (innert 24 Stunden nach der ersten Dosis) oder auch ein paar Tage in Anspruch nehmen, meist fällt es aber mit dem Auftreten der steroidinduzierten Eosino- und Lymphopenie zusammen. Interessant ist, dass auch nach massiver Reduktion der Glukokortikoide die Leukozytose noch viele Tage persistieren kann. Dieses Phänomen erschwert die Diagnostik eines Infektes, vor allem bei Immunsupprimierten. Wichtig ist die Inspektion des Blutbildes: Mehr als 6% bandförmige (junge) Granulozyten und der Nachweis von toxischen Granulationen sprechen für einen Infekt und gegen Glukokortikoide als Ursache.
Am J Med. 1981;71(5):773–8.
Aus Schweizerischer Feder
Ambulant vor stationär auch
bei der Divertikulitis
20% der PatientInnen mit Divertikeln erleiden zumindest eine Episode einer Divertikulitis . Die letzten Jahre haben eine Verschiebung zu seltener durchgeführten und weniger invasiven chirurgischen Interventionen (beschränkt auf Sepsis, Peritonitis und Versagen der konservativen Therapie) sowie zum Teil sogar Verzicht auf Antibiotika gebracht. Immer noch weitgehend gültige Vorschläge zu den Behandlungsformen finden sich in einer ausgezeichneten Review von W. Inauen und Mitarbeitern im Swiss Medical Forum [1], woraus die hier abgebildete Tabelle stammt.
Tabelle: Neue Aspekte zur konservativen und chirurgischen Behandlung der Divertikelkrankheit (aus: Inauen W, Beeler S, Loosli B, Petrig C, Barras JP. Schweiz Med Forum. 2013;13(40):794–6.). |
Klinik | Bisheriges Behandlungskonzept | Neues Behandlungskonzept |
Divertikulose |
Prophylaxe | Balaststoffe | Ballaststoffe schützen nicht |
Asymptomatisch | Ballaststoffe | Ballaststoffe |
Symptomatisch | Ballaststoffe | Ballaststoffe |
Erster Divertikulitisschub |
Ohne Komplikationen | Antibiotika | Keine Antibiotika |
Komplikationen oder Immunsuppression | Antibiotika | Antibiotika |
Status nach |
zweitem Divertikulitisschub | Elektive Operation | Individueller Entscheid bez. Operation |
kompliziertem Divertikulitisschub | Elektive Operation | Individueller Entscheid bez. Operation |
Chirurgische Behandlung
der perforierten Divertikulitis | Diskontinuitätsresektion nach Hartmann | Primäre Anastomosierung mit Schutzileostomie |
Aus dem CHUV in Lausanne [2] wird nun bekannt, dass PatientInnen (540 konsekutiv, aber retrospektiv zwischen 2006 und 2012 untersucht) mit unkomplizierter (kein Abszess, keine Blutung, Fisteln, Stenosen oder Perforation) oder nur milder, komplizierter Divertikulitis (kleine Abszesse <4 cm im Durchmesser und/oder mutmasslich sehr kleiner Perforation <2 cm Luft unter dem Zwerchfell) auch ambulant behandelt werden können. 2/3 der PatientInnen wurden im Spital, 1/3 der PatientInnen mit gleichen Charakteristika wurden ambulant behandelt. Die ambulant behandelten PatientInnen erhielten auf dem Notfall eine Antibiotikadosis intravenös, dann 10 Tage peroral gemäss den aktuellsten Richtlinien der Infektiologie am CHUV. Der Verlauf bei ambulanter Behandlung war der stationären ebenbürtig. Prognostische Faktoren, die eine häufigere Verlaufsbeurteilung verlangen, also eher für eine stationäre Betreuung sprechen, waren Luft um das Kolon selber, eine Notfalleintrittszeit in der Nacht (doch eher kränkere PatientInnen?) sowie Kontrastmittelaustritt bei der Abdomen-CT-Untersuchung.
1 Schweiz Med Forum. 2013;13(40):794–6.
Verfasst am 20.9.2017, auf Hinweis von
D. Hahnloser (Lausanne).
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