Hämoptoe
Diagnostik und Therapie

Hämoptoe

Übersichtsartikel AIM
Ausgabe
2018/06
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03194
Schweiz Med Forum 2018;18(06):125-128

Affiliations
Pneumologie, St. Claraspital Basel

Publiziert am 07.02.2018

Hämoptoe ist definiert als Expektoration von Blut aus den unteren Atemwegen, also den Bronchien oder dem Lungenparenchym. Das Spektrum reicht von Blutspuren im Sputum bis zur lebensbedrohlichen Hämoptoe mit Expektoration von reinem Blut. In vorliegendem Artikel sollen die Differentialdiagnose, das diagnostische Vorgehen und die Therapie der wichtigsten Blutungsursachen thematisiert werden.

Einführung

Die Inzidenz von Hämoptoe als Leitsymptom in der Grundversorgerpraxis wird auf etwa 1 pro 1000 Patientinnen und Patienten pro Jahr geschätzt. Hämoptoe tritt vor allem in der zweiten Lebenshälfte auf und ist bei Männern häufiger (Durchschnittsalter 62 Jahre, Verhältnis Männer zu Frauen 2:1).
Man unterscheidet die leichte bis mittelschwere Hämoptoe von der massiven (lebensbedroh­lichen) Hämoptoe mit grossen Blutmengen über 100 ml/24 Stunden, wobei die Grenze zur massiven Hämoptoe in der Literatur unterschiedlich definiert wird. Die massive Hämoptoe kann durch Verlegung der Bronchien schnell zur Asphyxie führen und benötigt ein notfallmässiges intensivmedizinisches Management (Tab. 1). Die leichte bis mittelschwere Hämoptoe ist in der klinischen Praxis aber viel häufiger.
Tabelle 1: Sofortmassnahmen bei massiver Hämoptoe.
ErstmassnahmenLagerung auf die betroffene Seite, Hustenstillung mit Codein
Sicherstellung der AtmungIntubation, ev. einseitige Intubation oder Bronchusblockade durch Ballonkatheter
Sicherstellung der kardiovaskulären FunktionGabe von Kristalloiden, ev. Erythrozytentransfusion
Korrektur einer KoagulopathieApplikation von Gerinnungsfaktoren, «fresh frozen plasma» (FFP), 
Thrombozyten
Diagnostik und gezielte BlutungskontrolleBronchoskopie mit lokaler Koagulation oder Administration von Vasokonstriktoren/Antifibrinolytika, bei stabilisierten Patienten CT-Angiografie, Bronchial­arterienembolisation oder Chirurgie
Die echte Hämoptoe mit Blutungsursprung im unteren Respirationstrakt muss von Pseudohä­moptoe mit Blutungsquelle in den oberen Luftwegen (Mund, Nase, Pharynx) oder dem oberen Gastrointestinaltrakt unterschieden werden.

Pathophysiologie

Die Lunge verfügt über eine duale Blutversorgung, ­einerseits durch die Pulmonalarterien (Niederdrucksystem), welche für den Gasaustausch verantwortlich sind, und andererseits durch die Bronchialarterien (systemischer Blutdruck), welche die Versorgung der zentralen Atemwege, Lymphknoten und eines Teils des Mediastinums sicherstellen. Obwohl die Perfusion durch die Pulmonalarterien rund 99% der Blutzufuhr zur Lunge ausmacht, sind Blutungen aus den Bronchialarterien mit einem Anteil von 90% viel häufiger.
Typischerweise wird jede Lunge von ein bis zwei Bronchialarterien versorgt, die entweder aus der thorakalen Aorta oder aus Intercostal- respektive Vertebralarterien entspringen. Ektopische Bronchialarterien aus dem Aortenbogen, der Arteria subclavia oder anderen zentralen Arterien sind aber relativ häufig.

Differentialdiagnose

Die Differentialdiagnose der Hämoptoe ist breit. Hier gilt es zunächst zwischen Blutungen aus den beiden Versorgungssystemen zu unterscheiden und danach die auslösende Ursache zu suchen. In der Grundversorgung stellen akute bronchiale Infekte die häufigste Blutungsursache dar. Diese Schleimhautblutungen sind in der Regel selbstlimitierend und erfordern bei Patientinnen und Patienten unter 40 Jahren ohne Risikofaktoren keine weitere Abklärung. Bei allen anderen Pa­tientinnen und Patienten sollte zeitnah eine weitere Diagnostik durchgeführt werden, zumal die Hämoptoe ein häufiges Leitsymptom beim Bronchus­karzinom ist. Dennoch findet sich etwa in der Hälfte der Fälle, vor ­allem bei der leichten Hämoptoe, keine Ätiologie. Die häufigsten Differentialdiagnosen sind in Tabelle 2 dargestellt.
Tabelle 2: Differentialdiagnosen der Hämoptoe mit Häufigkeit.
Ursachen der HämoptoeHäufigkeitQuelleBlutungsintensität
Kryptogen++++  
Pulmonale UrsachenInfektionen (Bronchitis, Pneumonie, Lungenabszess)+++B/P(+) bis +
Bronchuskarzinom, pulmonale Metastasen+++B/P+
Bronchiektasen, zystische Fibrose++B+ bis +++
Tuberkulose*+B/P+ bis +++
Lungenödem+P+
Aspergillom, invasive Aspergillose+P+
Benigne LungentumorenB/P(+)
Vaskulitis (Behcet, Wegener, Goodpasture, 
systemischer Lupus erythematodes)P++ bis +++
Kardiovaskuläre UrsachenPulmonalarterienembolie+P+ bis ++
GefässmalformationenB/P+++
Andere UrsachenIatrogen +P/(B) 
 Antikoagulation/ Thrombolyse  + bis +++
 Transbronchiale Lungenbiopsie  + bis +++
 Rechtsherzkatheter  +
 ​Therapie mit Angiogenesehemmern 
(z.B. Bevazizumab)  +
TraumaP/B+ bis +++
Koagulopathie, ThrombopenieP/B+ bis ++
FremdkörperB+
Catameniale Hämoptoe (pulmonale Endometriose)B+
Inzidenz : ++++ = >30%, +++ = >10%, ++ = >5%, + = >1%, – = <1%.
* Die Tuberkulose stellt weltweit die häufigste Ursache für Hämoptoe dar.
Blutungsquelle: Pulmonalarterien (P), Bronchialarterien (B).

Diagnostik

Klinik

Die klinische Evaluation umfasst die Frage nach Blutmenge, Sputumbeimischung, Allgemeinsymptomen (Fieber, Nachtschweiss, Gewichtsverlust) und anderen Blutungsquellen (Epistaxis, Zahnfleischbluten, gastrointestinale Blutung). Risikofaktoren wie Raucherstatus, Antikoagulation, Blutungs- oder Thromboseneigung, Tuberkulosekontakt, Asbestexposition sowie Komorbiditäten sollten gezielt erfragt werden.
Beim klinischen Status gilt das erste Augenmerk den Vitalzeichen, insbesondere bei mittelschwerer oder massiver Hämoptoe. Daneben sollten Hinweise auf Epistaxis, Teleangiek­tasien an der Mundschleimhaut (hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie), Hautveränderungen (Vasku­litis) und Zeichen der rechtskardialen Dekompensation beachtet werden.

Labor

Die initiale Abklärung einer Hämoptoe umfasst Blutbild, Gerinnungsstatus und Entzündungszeichen. Je nach Verdachtsdiagnose kann im Weiteren gezielt nach Autoimmunerkrankungen, Vaskulitiden oder spezifischen Infekten gesucht werden.

Bildgebung

Das konventionelle Thoraxröntgen ist bei der Identi­fikation der Blutungslokalisation und -ursache wenig sensitiv und spezifisch und hat darum in der Regel eine untergeordnete Bedeutung in der Hämoptoediagnostik. Bei unklarer Hämoptoe ist die Multislice-CT-Angiografie die Bildgebung der Wahl. Der Vorteil liegt in der hohen Wahrscheinlichkeit einer korrekten Lokalisation der Blutungsquelle. In einem hohen Prozentsatz kann auch die Ursache der Blutung, zum Beispiel ein Bronchus­karzinom, eine Pulmonalarterienembolie oder Bronchiektasen, korrekt identifiziert werden.

Bronchoskopie

Die fiberoptische Bronchoskopie ist zu den bildgebenden Verfahren komplementär und wird vorzugsweise nach der CT-Angiografie durchgeführt. Sie liefert oft Informationen über die Lokalisation der Blutungsquelle, aber auch weitere diagnostische Hinweise bei Infekten, Fremdkörpern, malignen Erkrankungen oder Bronchiektasen.
Bei Blutungen in den zentralen, mit dem Bronchoskop zugänglichen Bronchien, wie etwa bei Gefässmalformationen, kann auch gleichzeitig eine therapeutische Intervention, beispielsweise eine Laser- oder Argon-Plasma-Koagulation, durchgeführt werden (Abb. 1).
Abbildung 1: Die 34-jährige, bisher gesunde Nichtraucherin expektoriert beim Fernsehen plötzlich mehrere Esslöffel voll ­schaumig-roten Blutes. Das Röntgenbild zeigt keine Auffälligkeiten. In der Bronchoskopie findet sich eine submuköse arterioläre Gefässmalformation im Bereich des rechten Oberlappens (Pfeil in A), die mittels Argon-Plasma-Koagulation verödet werden kann (Pfeil in B).
Bei der massiven Hämoptoe steht die Notfallbroncho­skopie in der Diagnostik an erster Stelle. Neben der ­Blutungslokalisation bietet die Bronchoskopie auch die Möglichkeit einer temporären Blutungsstillung und Sicherung der Atemwege (siehe Kapitel «Therapie» und Tab. 1).

Therapie

Bei der grossen Mehrzahl der Fälle von Hämoptoe steht die Behandlung der Blutungsursache im Zen­trum. Nur selten müssen Schritte zur Behandlung der Blutung selbst in Betracht gezogen werden.

Konservative Therapie

Bei leichter Hämoptoe genügt oft die Behandlung der zugrunde liegenden Ursache, zum Beispiel eines Infektes oder die Korrektur des Gerinnungsstatus. Hämo­ptoe bei Bronchiektasen ist als Anzeichen einer Exazer­bation zu interpretieren, die resistenzgerecht antibiotisch behandelt werden sollte. Bei der Behandlung der Lungenembolie tritt in den ersten Tagen oft eine leichte Hämoptoe auf, die Ausdruck der Reperfusion von infarzierten Arealen ist und in der Regel keinen Unterbruch der Antikoagulation begründet.

Bronchoskopie

Die Bronchoskopie als therapeutische Modalität kommt vor allem bei der Laser- oder Argon-Plasma-Koagu­lation von Blutungen im Bereich der zentralen Atemwege, zum Beispiel bei Gefässmalformationen, zum Einsatz. Des Weiteren kann bei massiver Hämo­ptoe durch Entfernung von Koageln im Bronchialbaum der Gasaustausch sichergestellt werden. Eine vorübergehende Blutstillung kann durch direkte Applikation des synthetischen Vasopressinanalogons Terlipressin erreicht werden. Die Applikation von Tranexamsäure, einem synthetischen Antifibrinolytikum, durch das Bronchoskop kann zu einer Reduktion der Blutungs­intensität und -dauer führen, die wissenschaftliche Evidenz ist hier aber limitiert [5]. Techniken wie die Ballonblockade des zur Blutungsquelle führenden Bronchus oder die selektive, einseitige Intubation der nicht blutenden Lunge können lebensrettende Massnahmen bei der schwersten Hämoptoe sein.

Embolisation

Die gezielte Bronchialarterienembolisation stellt bei massiver oder rezidivierender Hämoptoe heute die Therapie der Wahl dar (Abb. 2). Blutungsquellen sind hier meist Bronchialarterienäste, die im Rahmen eines chronischen Entzündungsprozesses oder eines Tumors erweitert und verstärkt durchblutet sind. Mittels Angiografiekatheter, meist von der Leiste aus, wird mithilfe von digitaler Subtraktionsangiografie die Bronchial­arterie im betroffenen Blutungsgebiet gezielt mit Kon­trastmittel dargestellt. Bei Hinweisen auf ein Kontrastmittelextravasat, eine Erweiterung der Arterie über 2 mm, Aneurysmen oder Shunts wird mit Mikropartikeln oder Embolisationsspiralen eine Embolisation vorgenommen. Dabei sollten Kollateralen zur Spinalarterie und Shunts zu den Pulmonalarterien oder -venen beachtet werden, da es hier zu schweren Komplikationen kommen kann. Der primäre Therapieerfolg der Embolisation liegt bei 75–98%, Rezidive sind allerdings häufig, vor allem bei maligner Blutungsgenese.
Abbildung 2: 74-jährige Patientin mit Status nach Resektion des linken Oberlappens bei nichtkleinzelligem Bronchuskarzinom (NSCLC) mit adjuvanter Chemo- und Radiotherapie der Hilusregion links bei R1-Resektion. Fünf Jahre später expektoriert sie während der ambulanten pulmonalen Rehabilitation in der Physiotherapie plötzlich grosse Mengen schaumigen, hellroten Blutes, wird sofort auf der Intensivstation hospitalisiert und bronchoskopiert. Dort finden sich grosse Blutkoagel im linken Hauptbronchus. Das Angio-CT (A) zeigt ein erweitertes Gefässkonvolut (Pfeil) im ehemaligen Bestrahlungsfeld ohne Extravasat. Bei anhaltender Blutung wird eine selektive Angiografie mit Darstellung der erweiterten Gefässe im Bereich der linken Bronchialarterie durchgeführt (Pfeil in B). Diese wird erfolgreich mit einem Coil embolisiert (Pfeil in C).

Chirurgie

Die chirurgische Entfernung der Blutungsquelle stellte früher den Goldstandard in der Therapie dar, war allerdings mit einer hohen Mortalität behaftet. Heute bleibt sie vor allem bei thorakalem Trauma, bei nekrotisierenden Tumoren oder Abszessen eine Option. Auch bei Rezidivblutungen aus lokalisierten Bronchiektasen oder bei Aspergillomen ist eine parenchymsparende Resektion zu erwägen.

Das Wichtigste für die Praxis

• Bei jungen Patienten ohne pulmonale Risikofaktoren mit leichter Hämoptoe im Rahmen eines Infektes und normalem Röntgenbild darf mit weiterer Diagnostik abgewartet werden.
• Bei Patienten über 40 Jahren oder Patienten mit pulmonalen Risikofaktoren sollte jede Hämoptoe mittels Multislice-Angio-CT und Broncho­skopie abgeklärt werden.
• Patienten mit massiver Hämoptoe müssen notfallmässig hospitalisiert, bronchoskopiert und intensivmedizinisch betreut werden.
• Die Therapie der Hämoptoe hängt von der Ursache und dem Schweregrad ab. Bei leichter Hämoptoe genügt in der Regel die Behandlung der Grundkrankheit. Bei schwererer Hämoptoe ist heute die Bronchialarterienembolisation die Therapie der Wahl.
Die Autoren danken Dres. med. Tatjana und Lukas Stettler-Tammann, Ärztepraxis Bärencenter, Birsfelden/BL, für die kritische ­Durchsicht des Artikels.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
PD Dr. Ladina Joos Zellweger
Pneumologie
St. Claraspital
Kleinriehenstrasse 30
CH-4016 Basel
ladina.joos[at]unibas.ch
1 Weinberger SE. Etiology and evaluation of hemoptysis in adults UptoDate 2017.
2 Ittrich H, Bockhorn M, Klose H, Simon M. The diagnosis and treatment of hemoptysis. Dtsch Arztebl Int. 2017;114:371–81.
3 Larici AR, Franchi P, Occhipinti M, Contegiacomo A, del Ciello A, Calandriello L, et al. Diagnosis and management of hemoptysis. Diagn Interv Radiol. 2014;20:299–309.
4 Earwood JS, Thompson TD. Hemoptysis: Evaluation and Management. Am Fam Physician. 2015;91(4):243–9.
5 Prutsky G, Domecq JP, Salazar CA, Accinelli R. Antifibrinolytic therapy to reduce haemoptysis from any cause. Cochrane Database Syst Rev. 2016 Nov 2;11:CD008711.