Kaliumkontrollen lohnen sich (auch) bei der Herzinsuffizienz
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Kaliumkontrollen lohnen sich (auch) bei der Herzinsuffizienz

Kurz und bündig
Ausgabe
2018/21
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03294
Schweiz Med Forum 2018;18(21):435-436

Publiziert am 23.05.2018

Fokus auf … Tinnitus

– Prävalenz zwischen 10 und 25% (bei Menschen >18 Jahren), am häufigsten bei 70 Jährigen.
– Etwa jeder 20. Patient mit Tinnitus empfindet diesen als extrem störend.
– Spontanes Verschwinden möglich (nach 5 Jahren bei 40% mit inital mildem respektive bei 20% mit schwerem Tinnitus).
– «Red flags» (für wichtigste Differentialdiagnosen):
• Ohrschmerzen und Ausfluss (Infektionen, Entzündungen?)
• (Dreh-)Schwindel und Störungen des Gleichgewichtes (Me­nière, Akustikusneurinom, Migräne-assoziierter Schwindel)
– Audiologische Evaluation empfohlen bei Hörschwäche, unilateralem Tinnitus und Persistenz >6 Monate.
– Keine Magnetresonanztomographie, ausser wenn: unilateraler oder pulsatiler Tinnitus, ­fokal-neurologische Defizite oder assoziierter einseitiger Hörverlust.
– Behandlung:
• Psychologisch (u.a. kognitive Verhaltenstherapie)
• Akustikus-Stimulation
• Medikamente und pflanzliche Stoffe ohne bewiesene Effekte
New Engl J Med 2018, doi: 10.1056/NEJMcp1506631.
Verfasst am 12.04.2018.

Praxisrelevant

Acetylsalicylsäure oder Rivaroxaban nach Gelenkprothetik?

Die perioperative Prophylaxe nach Hüft- und Knieprothesenoperationen hat die postope­rative Mortalität und thromboembo­lischen Komplikationen signifikant ­reduziert. Auf Austrittsberichten von orthopädischen Kliniken lesen wir oft «Antikoagulation bis zur gesicherten Vollmobilisation», generell ist jedoch eine minimale Dauer von 14 Tagen ­akzeptiert mit Hinweisen, dass eine Ausdehnung bis 35 Tage postoperativ Vorteile bringen würde. In der sogenannten EPCAT-II-Studie wurden Pa­tientInnen mit Hüft- oder Kniegelenk­prothesen für 5 Tage mit Rivaroxaban (10 mg p.o./Tag) und danach für weitere 9 Tage (Kniegelenkprothesen) respektive 30 Tage (Hüftgelenkprothesen) entweder weiter mit Rivaroxaban oder mit 81 mg Acetylsalicylsäure (Aspirin®) p.o. pro Tag behandelt. Die Gruppe mit der billigen Acetylsalicylsäure wies keine höhere Rate an thromboembolischen Komplikationen bis 90 Tage postoperativ auf als die Rivaroxaban-Gruppe.
Leider ist die getestete Dosis nicht mit den Schweizer Acetylsalicylsäure-Präparaten vergleichbar, aber 100 mg dürften es wahrscheinlich auch richten.
N Engl J Med 2018, DOI: 10.1056/NEJMoa1712746.
Verfasst am 11.04.2018, auf Hinweis von 
Frau Prof. C. Jeanneret (Oberwil, BL).

Kaliumkontrollen lohnen sich (auch) bei der Herzinsuffizienz

Nach einer akuten Hospitalisation wegen Herzinsuffizienz – sowohl mit erhaltener als auch eingeschränkter Ejektionsfraktion –stirbt im Folgejahr fast jeder 5. Patient. Die Mortalität ist hochsignifikant unter anderem durch Hypo- und Hyperkaliämien bedingt. Es besteht eine U-förmige Abhängigkeit, wobei die Mortalitätssteigerung in Richtung Hypokaliämie steiler als in Richtung Hyperkali­ämie ist. Die Autoren haben dabei gefunden, dass bei einer Serumkaliumkonzentration von 4,3 mmol/l (meq/l) die Überlebenschance am besten ist. Die Kaliumkonzentration im Serum ist etwas höher als die in der Schweiz üblicherweise gemessene Konzentration im Plasma. Die optimale Plasmakaliumkonzen­tration dürfte also etwa bei 4,0 mmol/l (meq/l) liegen. Beruhigend ist, dass die Korrektur dieser im Rahmen eines Langzeitmonitoring entdeckten Dyskaliämien die Mortalität dann auch hochsignifikant wieder senkt.
Verfasst am 13.04.2018.

Für ÄrztInnen am Spital

Vermindern Statine die Sepsismortalität?

Es ist zwar etwas ruhiger geworden um die einstmals Hochkonjunktur feiernden sogenannten pleotrophen (d.h. nicht direkt mit der LDL-Senkung verbundenen) Effekte der Statine. Seit Langem wird über einen Effekt auf die Sepsis und die damit verbundene Mortalität spekuliert, unter anderem auch basierend auf In-vitro-Studien, die eine bakterizide, aber nach Einzelsubstanz unterschiedliche Wirkung nachwiesen. Was wir relativ definitiv wissen, ist, dass ein akuter Beginn der Statingabe bei Sepsisverdacht keinen Vorteil bringt.
Wie steht es mit PatientInnen, die bereits seit Längerem diese Medikamente einnehmen? Gemäss einer Studie aus Taiwan ist die Mor­talität infolge Sepsis bei PatientInnen mit chronischer Statinverordnung nach 30 und 90 Tagen signifikant tiefer (Atorvastatin und Simvastatin, nicht bei Rosuvastatin). Probleme in der Interpretation: Statine werden wahrscheinlich eher von gesundhheitsbewussten, allenfalls in der Tat gesünderen Pa­tientInnen auch eingenommen, vor allem in primärprophylaktischer Indikation. Auch ist unklar, wer die Statine in welcher Frequenz auch tatsächlich eingenommen hat.
Verfasst am 13.04.2018.

Immer noch lesenswert

Entdeckung von Vitamin K

Henrik Dam beobachtete bei Hühnern, die er mit einer cholesterinfreien Diät ernährte, eine tödliche Blutungsneigung. Weder die Zugabe von Cholesterin noch von Vitamin C (ursprünglich vermutete er eine Skorbut-ähnliche Nebenwirkung) korrigierten den Defekt. Erst als er Äther-Extrakte von Blattgemüse fütterte, korrigierte sich die Blutungsneigung. Er nannte die inkriminierte Substanz in der Folge «fettlösliches, antihämorrhagisches Vitamin» [1]. Drei Jahre später wurde diese Substanz als Vitamin K biochemisch charakterisiert [2].
2 Science 1938, DOI: 10.1126/science.88.2280.243. Verfasst am 15.04.2018.

Auch noch aufgefallen …

Globaler Anstieg des Antibiotika­verbrauchs

Der Einsatz der Antibiotika hat die Mortalität von Infektionskrankheiten vor allem im Verlaufe des 20. Jahrhunderts massiv reduziert. Negative Folgen sind aber das Versterben an altersassoziierten Krankheiten wie Demenz und eine massive Zunahme der Antibiotika­resistenzen.
In 76 untersuchten armen und reichen Ländern stieg der Antibiotikaverbrauch zwischen 2000 und 2015 gemessen an den Tagesverschreibungen um 40% pro 1000 Einwohner (Anstieg von 11,3 auf 15,7 Verschreibungen pro 1000 Einwohner und Tag). In reichen Ländern fand man zwar eine lobenswerte Abnahme um 4%, die aber mehr als wettgemacht wurde durch die Zunahme in armen Ländern (schnelle Konvergenz bei den Antibiotikaverschreibungen hin zu den reichen Ländern). Da die infektbedingte Mortalität in den ärmeren Ländern hoch bleibt, ergibt sich der Verdacht (u.a.) auf eine Verteilproblematik, inadäquate Verschreibungen sowie Unkenntnis der Re­sistenzlagen. Besonders bedenklich ist der schnelle Anstieg der Verschreibungen von Reserveantibiotika (namentlich Oxazolidinone, Carbapeneme, Polymyxine und Glycylcycline), mit Indien als dem wichtigsten Konsumland. Auch hier: Abnahme in reichen Ländern (z.B. massiv seit 2009 in den USA) und Zunahme in den ärmeren.
Proc Nat Acad Sci USA 2018, doi.org/10.1073/pnas.1717295115.
Verfasst am 12.04.2018.

Das hat uns gefreut

Steuern auf Noxen scheinen effektiv und sozial gerecht

Ein Hauptargument gegen die Besteuerung von Alkohol, Tabak, «soft drinks» u.a.m. war bislang, dass diese Steuern die ärmeren Bevölkerungssschichten überproportional treffen würden. Allerdings zeigt nun eine Untersuchung, dass die durch die Besteuerung gewollte Verhaltensänderung tatsächlich eintritt. Wegen limitierter finanzieller Ressourcen ist diese Verhaltensänderung bei VertreterInnen «unterer» sozialer Schichten sogar überproportional grösser. Diese Politik dürfte also die Ungleichgewichte im Risiko, eine sogenannte «non-communicable disease» wie Noxenkonsum und seine Sekundärfolgen zu erleiden, reduzieren.
The Lancet 2018, doi: 10.1016/S0140-6736(18)30531-2.
Verfasst am 15.04.2018.

Das hat uns nicht gefreut

Immer noch kein Goldstandard zur ­Diagnose von osteoporotischen ­Wirbelfrakturen!

Osteoporotische Wirbelfrakturen werden meist auf lateralen Wirbelsäulenaufnahmen oder im seitlichen Strahlengang von DXA-Geräten erkannt. Eine akkurate Erkennung ist wichtig für Diagnose und Therapie einer Osteoporose und ist prognostisch wichtig (hohes Risiko für weitere vertebrale und nicht-vertebrale Frakturen). Seit den 90er Jahren wurde in der Grosszahl der zur Zulassung moderner Me­dikamente führenden Studien die semiquantitative Methode von Harry Genant (sog. GSQ) verwendet (meist zentral analysiert in der Firma Synarc in Seattle, siehe Abb. 1). Leider zeigte sich, dass diese etablierte GSQ sehr schlecht mit anderen Methoden korreliert, namentlich einer, die 100% Sensitivität in der Diagnostik von Frakturen (sog. Algorithmus-basierte Methode, ABQ) aufwies und im Wesentlichen die Endplattendefekte gewichtet. Eine weitere Studie verwendete zusätzlich eine morphometrische Methode, mit dem gleichen Resultat der schlechten Korrelation mit routinemässig verwendeten Methoden (siehe oben), aber dem Resultat einer deutlich erhöhten Rate an Frakturdiagnosen. Angesichts der Bedeutung dieser Diagnostik ein echter Notstand. Behandeln wir allenfalls ­sogar die falschen PatientInnen? Zu wenige, zu viele?
Abbildung 1: «Genant semiquantitative method» (GSQ) zur (Schwere-)Diagnostik osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen (Nachdruck aus: Suzuki N, Ogikubo O, Hansson T. The prognosis for pain, ­disability, activities of daily living and quality of life after an acute osteoporotic vertebral body fracture: its relation to fracture level, type of fracture and grade of fracture deformation. Eur Spine J. 2009;18:77–88. https://doi.org/10.1007/s00586-008-0847-y . © The Author(s) 2008, published under the Creative Commons CC-BY-NC-ND license https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/legalcode ).
J Bone Mineral Dis 2018, doi.org/10.1002/jbmr.3220 und 
doi.org/10.1002/jbmr.3222.
Verfasst am 12.04.2018.