Wirksame Zusatztherapie bei primär biliärer Cholangitis (Zirrhose)
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Wirksame Zusatztherapie bei primär biliärer Cholangitis (Zirrhose)

Kurz und bündig
Ausgabe
2018/32
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03330
Swiss Med Forum. 2018;18(32):623-624

Publiziert am 07.08.2018

Fokus auf … Zielwert von HbA1C

– Bei den meisten PatientInnen mit Diabetes mellitus Typ 2 sollte der Zielwert des HbA1C zwischen 7 und 8% liegen.
– Liegt der HbA1C-Wert unter 6,5%, sollte eine Reduktion der antidiabetischen Therapie erwogen werden.
– HbA1C sollte als therapeutisches Ziel verlassen werden bei ­Lebenserwartung <10 Jahre (80-Jährige und Ältere), PflegeheimbewohnerInnen und bei folgenden chronischen Erkrankungen: Demenz, metastatische Tumorerkrankung, terminale Nieren-, Lungen- und Herzkrankheit.
Annals Int Med 2018, DOI: 10.7326/M17-0939 (Empfehlungen des «American College of Physicians»), verfasst am 14.06.2018.

Praxisrelevant

Wirksame Zusatztherapie bei primär biliärer Cholangitis (Zirrhose)

Diese vor allem bei Frauen >30 Jahren vorkommende Krankheit ist charakterisiert durch eine autoimmune Entzündung und progressive Destruktion der kleinen intra­hepatischen Gallengänge, die zur ­Zirrhose führen kann. Der Nachweis mitochondrialer Antikörper ist pathognomonisch. Die etablierte Therapie besteht in der oralen Gabe einer ­hydrophilen Gallesäure, die «leberschonende» und choleretische (damit anti-prurigene) Effekte aufweist ­(Ursodeoxycholsäure, ca. 15 mg/kg/Tag p.o.). Bei Patient­Innen, die nicht mit einer (biochemischen) Vollremission auf die ­Ursodeoxycholäure antworten und damit eine schlechte Langzeitprognose haben, hat sich soeben die Zugabe eines Fibrates (Bezafibrat, 400 mg/Tag p.o., ein Agonist der Peroxysomen-Proliferator-aktivierten Rezeptoren [PPARs]) als überaus wirksam erwiesen (biochemische Vollremission in 2/3 der Fälle, Verbesserungen der nichtinvasiv gemessenen Steifheit und des Fibrosegrades der Leber, Reduktion von Pruritus und Müdigkeit). 20% (Plazebo: 10%) litten aber unter Myalgien und in 5% (Plazebo 2%) stieg das Kreatinin an, wobei unklar blieb, ob dies renal oder extrarenal (muskulär) bedingt war.
N Engl J Med 2018, doi: 10.1056/NEJMoa1714519.
Verfasst am 14.06.2018.

Kardiovaskuläres Risiko in den 5 Folge­jahren nach TIA/kleinem Schlaganfall

Der 5-Jahres-Verlauf konnte bei 3847 (im Mittel ca. 67-jährigen) PatientInnen in 42 verschiedenen Zentren analysiert werden (mediane Vollständigkeit der Follow-up-Daten aller in einem Zentrum behandelten PatientInnen: 92%). Innert 5 Jahren nach einer transient ischämischen Attacke (TIA) / kleinem Schlaganfall erlitt etwa jeder 8. Patient (12,9%) ein kardiovaskuläres Ereignis (Rezidivschlag­anfall, koronares Syndrom oder Tod), wobei etwa die Hälfte der Ereignisse bereits im ­ersten Folgejahr aufgetreten war.
Viel oder wenig? Auf jeden Fall Motivation, die Compliance mit sekundär-präventiven Behandlungen zu optimieren. Die wichtigsten prädiktiven Faktoren waren: Eine kardioembolische Ätiologie, eine ipsilaterale höhergradige Stenosierung hirnzuführender Gefässe und ein höherer sogenannter ABCD-Score (Berechnung unter Referenz 2) bestehend aus Alter, Blutdruck, klinischen Befunden, Dauer der Sym­ptome, Diabetes mellitus.
1 N Engl J Med 2018, doi: 10.1056/NEJMoa1802712.
Verfasst am 14.6.2018.

Für ÄrztInnen am Spital

Kryptogener Schlaganfall: Wie entlassen Sie die PatientInnen?

Die meisten ischämischen, anderweitig ätiologisch nicht geklärten Schlaganfälle haben eine embolische Ursache (kardial, arterio-arteriell, paradox) und Sie wissen: Je länger man sucht (z.B. mit Langzeit-EKGs), desto mehr – intermittierende – Vorhofflimmern als potentielle Ursache könnte man finden. Sollen diese PatientInnen deshalb oral antikoaguliert dem Hausarzt anvertraut werden? Riva­roxaban (15 mg/Tag) war in der Verhinderung eines Rezidivs nicht besser wirksam als (enterisch verkapseltes) Aspirin® (100 mg/Tag), induzierte aber fast dreimal mehr signifikante Blutungen als dieses (1,8% oder fast jeder 50. Patient pro Jahr im Verlauf).
N Engl J Med 2018, doi: 10-1056/NEJMoa1802686.
Verfasst am 14.6.2018.

Neues aus der Biologie

Sammelrohr der Nieren: Nur eine Zelle?

Das Sammelrohr der Niere ist ein – so wurde es gelehrt – heterogenes Gewebe aus sogenannt interkalierten Zellen (Bikarbonat- oder Protonensekretion) und Hauptzellen (Na­trium- und Wasserresorption sowie Kaliumsekretion). Bereits seit längerer Zeit bestehen Hinweise, dass die interkalierten Zellen von der Bikarbonat- zur Protonensekretion et vice versa wechseln können, was eine Umkehrung ihrer Polarität bedingt (epitheliale Plastizität, [1]). Aufgrund von Analysen der RNA-Expression auf dem Niveau einzelner (!) Zellen (sog. Einzelzell-Transkriptom) ist nun wahrscheinlich geworden, dass eine Übergangszelle im Sammelrohr existiert, die sich unter dem Diktat eines Transkriptionsfaktors (TFCP2L1) entweder in eine interkalierte oder eine Hauptzelle differenzieren kann, die sich aber auch wieder in ihr Gegenstück zurückdifferenzieren können [2]. Bei der chronischen Niereninsuffizienz sollen die interkalierten Zellen progredient einen Hauptzellen-Phänotyp annehmen und so die Ursache der renalen Azidose mit erklären.
1 Nature 1985, doi.org/10.1038/318368a0.
2 Science 2018, doi: 10.1126/science.aar2131.
Verfasst am 13.6.2018.

Das hat uns gefreut

Eine Chefredaktorin kommt

Als erste Frau in dessen 149-jähriger Geschichte wurde Magdalena Skipper (siehe: http://www.bign2n.ugent.be/node/121), eine Genetikerin aus Cambridge (UK, viele genetische Arbeiten an Caenorhabditis elegans, dem Rundwurm), zur Chefredaktorin von Nature, einem der wichtigsten naturwissenschaftlichen Journale, gewählt. M. Skipper soll eine bekennende Proponentin des sogenannten «open access» sein. Kurz und bündig sind wir gespannt auf ihren diesbezüglichen Einfluss bei den Nature Journals. Allerdings ist es nicht nur klug, wenn sich ein(e) Chefredaktor(in) etwas gegen die ökonomischen Interessen einer Zeitschrift stellt, wie vor Jahren die Entlassung von Jerome Kassirer beim New England Journal of Medicine bewies. Vielleicht findet sie aber trotzdem eine Lösung für die Interessen der Öffentlichkeit («open access») und den legitimen Ansprüchen des Verlages (Gewinn).
Verfasst am 14.06.2018.

Das hat uns weniger gefreut

Ein Chefredaktor muss gehen

Inder Verma (ein angesehener Tumorgenetiker), mit Vorwürfen sexueller Übergriffe konfrontiert, aber nicht verurteilt, wurde nicht nur von seiner Institution, dem berühmten «Salk Institute» in San Diego, sondern auch noch von den Proceedings of the National Academy of Sciences (USA), ebenfalls einer naturwissenschaftlichen Spitzenzeitschrift, als Chefredaktor entlassen.
Verfasst am 14.06.2018.

Auch noch aufgefallen ...

Myopie als Nebenwirkung besserer Schulbildung?

In unseren Schulen wurden wir dazu angehalten, «die Augen schonend» zu lesen (nicht zu nahe an den Text und nur bei guter Beleuchtung). Es scheint aber, dass bessere Erziehung – sogar genetisch erklärbar – per se mit Kurzsichtigkeit assoziiert ist und diese vielleicht sogar mit verursacht. Daten aus der britischen Biobank zeigen, dass genetische Va­rianten, die mit höherer Schulbildung assoziiert sind, dies auch mit der Myopie sind. Inwiefern besteht hier auch quantitativ eine kausale Verknüpfung und lässt sich die Myopie durch noch zu definierende Interventionen verhindern? Oder ist es «nur» so, dass die Myopie bei höherer Schulbildung (verstärkter Gebrauch der Augen) eher auffällt und dia­gnostiziert wird? Ein weites Feld für Interpretationen, aber auch ein dringliches, weil vererbbares Problem, das seiner Lösung harrt.
Verfasst am 14.06.2018.

Immer noch lesenswert

Selbstbeschreibung einer Syphilis

Mit dem Gedichtband «Huttens letzte Tage» [1] gelang Conrad Ferdinand Meyer 1872 der ­literarische Durchbruch. Ulrich von Hutten, eine sehr streitbare Persönlichkeit der Reformation, verstarb 1523 an Syphilis auf der Insel Ufenau im Zürichsee. Vorher war er auch im Bad Pfäfers behandelt worden und hatte zeitweise bei Huldrych Zwingli Unterschlupf und Flüchtlingsstatus (!) erhalten. Hutten selber beschrieb seine Lues (oder die sog. französische Krankheit, morbo gallico) in einem medizinhistorisch wertvollen Text [2]. Die kutanen Sekundärmanifestationen der Lues sind im Gesicht Huttens auf dem Portrait von Hans Holbein dem Jüngeren offensichtlich (Abb. 1). Der erste Syphilisausbruch ist übrigens Ende des 15. Jahrhunderts dokumentiert (in Neapel während der Belagerung durch die Söldnertruppen von Charles VIII). Weiteres dazu in Referenz [3].
Abbildung 1:  Hans Holbein the Younger. Head of a Young Man, 1523; black and gray ink and black, red, yellow, and white chalk, stumped, on cream antique laid paper, heavily restored; actual: 20.5 x 15.2 cm (8 1/16 x 6 in.). Harvard Art Museums/Fogg Museum, Bequest of Paul J. Sachs, 
«A Testimonial to my friend Felix M. Warburg», 1949.2. Photo: Imaging Department © President and Fellows of Harvard College. 
 https://www.harvardartmuseums.org/collections/object/297479?position=8 .
1 Volltext auf «Projekt Gutenberg.de»
2 Hutten von, Ulrich, De guaiaci medicina et morbo gallico, 1518.
3 American Journal of Medicine 2018, doi.org/10.1016/j.amjmed.2017.12.047.
Verfasst am 14.06.2018.

Wussten Sie?

Eine 40-jährige Frau (persönliche Anamnese: substituierte Hypothyreose, 2 normale, eine ektope Schwangerschaft, Appendektomie, trans­abdominelle Hysterektomie) entwickelt epi­sodische, zum Teil schmerzhafte Fuss- und Beinschwellungen, die mit Kompressionsstrümpfen behandelt werden. Fünf Monate später Rücken- und linksseitige Flankenschmerzen, deren computertomographische Abklärung bei erhöhten D-Dimeren dann zur Diagnose multipler ­bilateraler Lungenembolien und einer oralen ­Antikoagulation führte. In der Folge weiterer Gewichtsanstieg (plus 10 kg), zunehmende Beinschwellungen und Bauchumfangzunahme. Vorliegende hämatologische und laborchemische Analysen alle normal bis auf ein Albumin von 1,5 g/l, ein TSH von 8,8 U/l und im Urin Nachweis von + Erythrozyten sowie +++ Protein.
Folgende diagnostische Aussagen sind richtig:
1. Es handelt sich um ein Myxoedem bei untersubstituierter Hypothyreose (transkapillärer «escape» von Albumin erhöht).
2. Es handelt sich um ein sekundäres Cor pulmonale bei rezidivierenden Lungenembolien («Stauungsöedeme»).
3. Es handelt sich um eine kryptogene Leberzirrhose mit schwerer Albuminsynthesestörung.
4. Es handelt sich um eine «Minimal change»-Nephropathie mit sekundärer Thrombophilie.
5. Es handelt sich um eine membranöse Glomerulopathie mit sekundärer Thrombophilie.
Die Auflösung finden Sie auf dieser Seite.

Antwort auf das «Wussten Sie?»

Die Diagnose einer membranösen Glomerulopathie (Antwort 5 richtig) ist am wahrscheinlichsten wegen des langsam progredienten Verlaufs, des Geschlechts und des Manifestationsalters sowie natürlich aufgrund der schweren Hypoalbuminämie und der relevanten Proteinurie bei normalem Kreatininwert. Weitere Abklärungen ergaben das Vorliegen einer Nierenvenenthrombose (Flankenschmerzen, Mikrohämaturie!) und den Nachweis von Antikörpern gegen den podozytären Phospholipase-A2-Rezeptor (PLA2-R), die in 70% der Fälle von membranöser Nephropathie (und sehr hoher Spezifität) nachweisbar sind (indirekte Immunfluoreszenz auf kultivierten HEK-Zellen, die den PLA2-R exprimieren). Auf eine Nierenbiopsie wurde/konnte angesichts dieses Befundes und der oralen Antikoagulation verzichtet werden. Fünf Monate nach immunsuppressiver Therapie waren die Antikörper nicht mehr nachweisbar und das nephrotische Syndrom in Remission.
N Engl J Med 2018, doi: 10.1056/NEJMcpc1712228.
Verfasst am 13.06.2018.