Tabelle 2: Tumorschmerz: Neuzulassungen und kontrovers diskutierte Medikamente. |
Medikament oder Substanzklasse | Steckbrief des Autorenteams | Subjektive Bewertung des Autorenteams |
Tapentadol | Erste Neuzulassung eines synthetischen Opioids seit Jahrzehnten. Dualer Wirkmechanismus durch Wirkung am Opioidrezeptor und gleichzeitiger zentralnervöser Monamino-Reuptake-Inhibition. | Stellenwert für die Tumorschmerztherapie noch nicht geklärt. Möglicherweise günstiges Wirkprofil bei neuropathischen Schmerzen. |
Oxycodon /
Naloxon | Durch die Zugabe des Opioidantidots Naloxon werden gastrointestinale Nebenwirkungen (Obstipation) vermindert. | Trotz der Vorzüge sollten die Patienten weiterhin ein Laxans erhalten und bzgl. Opioid-induzierter Obstipation beraten werden.
Cave: ⅓ des Wirkstoff ist nicht retardiert → schnellere Anflutung als sonstige Retard-Präparate.
Prinzipiell positiv, aber zwei Probleme: a) Abhängigkeits-Potential, b) Schwierigkeiten bei Rotation auf langsam anflutende Präparate. |
Schnelle
Fentanyle
«rapid onset
fentanyl» | Das buccal, sublingual oder nasal verabreichte Fentanyl hat im Vergleich zu oralen, nicht-retardierten Opioiden einen deutlich schnelleren Wirkeintritt. | Alternative, vor allem wenn orale Applikation (Schlucken) nicht möglich ist. Nach Autorenmeinung wegen schneller Tachyphylaxieentwicklung und Abbhängigkeitspotential Patienten mit starken Durchbruchschmerzen und sehr begrenzter Lebenserwartung vorbehalten. |
Cannabinnoide | Synthetisch erzeugtes reines Tetrahydrocanabinol ([THC], Dronabinol) oder Kombinationspräparate aus THC und Canabidiol (CBD) sowie frei verkäufliche CBD-Präparate werden in den Medien zunehmend diskutiert und von Patienten immer häufiger angefragt. THC-haltige Präparte benötigen eine Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit und sind keine Pflichtleistung der Krankenkassen. | Valide Daten bzgl. Tumorschmerztherapie sind rar. Bei ausgewählten Patienten können Cannabinoide als Adjunkt eingesetzt werden. Die Indikation und Präparateauswahl sollte im Umgang erfahrenen Anwendern vorbehalten sein. Information des Patienten über mögliche hohe Therapiekosten, falls nicht durch die Krankenkasse übernommen. |
Ketamin | Verabreichung i.v., i.m. aber auch transnasal als Spray möglich. Analgetische Wirkung über NMDA-Rezeptor-Antagonismus. Schnelle Anflutung, kein Risiko der Atemdepression, kaum
Tachyphylaxie bekannt. | Reservepräparat, vor allem bei Opioid-refraktären Durchbruchschmerzen. I.v. und i.m. Therapie nur durch erfahrene Anwender. Aufgrund psychotroper Nebenwirkungen, des Abhängigkeitspotentials und möglicher orthostatischer Reaktionen ist eine gute Patienteninstruktion gerade bei der transnasalen Selbstapplikation unerlässlich. |
Methadon/
Levomethadon | Wurden aufgrund ihrer schwer einschätzbaren Pharmakokinetik und somit schlechten Steuerbarkeit trotz potenter Analgesie von anderen Opioiden verdrängt. | Nur in speziellen Situationen (z.B. Polytox-Patienten) und durch erfahrene Anwender zu indizieren. Da potentiell letale (QT-Zeit-Verlängerung) sowie neuropsychiatrische Nebenwirkungen schon bei niedrigen Dosierungen auftreten, ist von einer begleitenden Therapie als «Krebs»-Medikament aktuell abzuraten. |
Pentinoide
(Pregabalin/
Gabapentin) | Wirkstoffe sind GABA-Analoga und binden an spannungsabhängige Kalziumkanäle. Der genaue Wirkmechanismus ist dabei ungeklärt. Bei neuropathischen Schmerzen aufgrund des besseren Wirkungs-/Nebenwirkungsprofils den Opiaten vorzuziehen. | Gerade bei Therapie-induzierten Schmerzen wie Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie sind Pentinoide zu erwägen. Gabapentin scheint in Studien besser verträglich als Pregabalin («number needed to harm»: 25,6 vs. 13,9), vgl. auch [5]. |
Antidepressiva | Trizyklische Antidepressiva («numer needed to treat»: 3,6) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer zeigen gute Ergebnisse in der Behandlung neuropathischer Schmerzen. Besonders bei den Trizyklika muss die Wirkung auf die QT-Zeit beachtet werden. | Sollte sich für ein Antidepressivum zur Schmerztherapie entschieden werden, ist zudem die aktivierende (z.B. Duloxetin) oder sedierende (z.B. Amitriptylin) Nebenwirkung in der Therapie zu berücksichtigen. |
Nichtsteroidale Antirheumatika/
Paracetamol | Sie bilden zusammen mit Metamizol die Stufe I des WHO-Stufenschema und stellen nach Meinung der Autoren unter Beachtung der bekannten Nebenwirkungen und Kontraindikationen weiter die Basis der Tumorschmerztherapie dar. |
Metamizol | Metamizol ist bzgl. analgetischer Potenz vergleichbar zur Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika. Sicher ist es bzgl. Nephrotoxizität und wahrscheinlich bzgl. gastrointestinaler und kardialer Nebenwirkungen überlegen, jedoch fehlen hierzu beweisende Daten. | Die häufig diskutierte Agranulozytose ist eine potentiell tödliche, seltene Nebenwirkung der Therapie mit Metamizol. In der Schweiz ist Metamizol nur bei starken Schmerzen als «second line»-Therapie zugelassen. Nach Auffassung der Autoren hat Metamizol unter strenger Indikationsstellung seine Berechtigung in der Schmerztherapie. |