Damit Sie nichts Wichtiges verpassen: unsere Auswahl der aktuellsten Publikationen.
Fokus auf … Ärztestress und Burnout
– Vorstufen des Syndroms und voll ausgeprägte Formen betreffen bis zu 50% der niedergelassenen Ärzt(inn)en.
– Positive Evidenz, dass erhöhte Fehlerhäufigkeit, schlechtere Behandlungsqualität und höhere Kosten daraus folgen, gibt es für den stationären und ambulanten Bereich und für alle untersuchten Fachrichtungen.
– Arbeitszeiten sind nicht die wichtigsten pathogenetischen Faktoren.
– Subjektiv wird das Überhandnehmen nicht-ärztlicher Tätigkeiten an erster Stelle beklagt.
– Bei Ärzt(inn)en in Weiterbildung, zum Beispiel, ist eine schlecht funktionierende und damit zeitfressende IT-Infrastruktur ein wesentlicher Auslöser.
– Das Problem ist kein individuelles, sondern ein systemisches.
– Deshalb müssen auch die Lösungen einen systemischen Ansatz haben.
Zu strenge Grenzwerte für die diastolische Hypertonie in neueren «Guidelines»?
Die Zielwerte für eine isolierte diastolische Hypertonie befinden sich auf dem Sinkflug. Namentlich die American Heart Association / American College of Cardiology-Richtlinien von 2017 empfehlen eine Senkung des Zielwertes von vormals <90 mmHg auf neu <80 mmHg. In Kohorten in den USA mit sowohl longitudinaler als auch Querschnitts-Analyse fand sich unter Anwendung der neuen, empfohlenen Zielwerte – erwartetermassen – eine Häufung der Diagnose «diastolische Hypertonie». Die Mehrdiagnosen waren aber nicht mit einem erhöhten Risiko verbunden, ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden.
Kindliche Infektionen mit Rotaviren (und anderen Viren) vermögen einen Typ-1-Diabetes-mellitus auszulösen, oder sind zumindest mit dessen späterem Auftreten assoziiert. Laut einer australischen Studie (im Gegensatz zu zwei anderen Studien aus Finnland) vermochte eine Rotavirus-Vakzinierung das Auftreten eines Typ-1-Diabetes-mellitus bei Kindern unter fünf Jahren zu reduzieren [1]. Eine Beobachtung, die in einer Population amerikanischer Kinder leider ebenfalls nicht bestätigt werden konnte [2]. Eine Rotavirus-Impfung zur Prävention eines Diabetes mellitus Typ 1 ist also wahrscheinlich ohne Nutzen, was nicht gegen die anderen Vorteile der Impfung spricht.
Volumetrisches CT-Screening reduziert Lungenkrebs-assoziierte Mortalität in Risikogruppe (NELSON-Studie)
Der Wert eines solchen Screenings wird seit mindestens zehn Jahren diskutiert. Es wird noch nicht generell empfohlen, wenn auch aufgrund einer früheren Studie jährliche CT-Untersuchungen (insgesamt dreimal) in Risikopopulationen (v.a. auch im Vergleich zu normalen Thoraxröntgenbildern) vertretbar sind, eine Praxis, die so auch in den USA gehandhabt wird [1]. In Europa bestanden noch Vorbehalte wegen dem Problem der Überdiagnostik (falsch positive Resultate), die weitere, auch Nebenwirkungen induzierende Abklärungen nach sich zieht. Eine beeindruckende belgisch-holländische Studie (NELSON [2]) randomisierte 50- bis 74-jährige Risikopatient(inn)en (Raucher oder Ex-Raucher) in eine radiologische Screening-Gruppe oder eine Gruppe ohne Screening. Volumetrische CTs wurden bei Randomisierung, nach 1, 3 und 5,5 Jahren durchgeführt, die Nachbeobachtung ab Randomisierung betrug 10 Jahre. 13 000 Männer, sowie knapp 3000 Frauen, diese mit separater Analyse, wurden insgesamt randomisiert. In der CT-Screening-Gruppe wurden nach 10 Jahren signifikant mehr Karzinome diagnostiziert, wobei der Unterschied vor allem in den ersten gut 3 Jahren gemacht wurde und etwa ab 8 Jahren verschwand. Das Risiko, an Lungenkrebs zu versterben, reduzierte sich durch das Screening signifikant von 3,3 auf 2,5 Todesfälle pro 1000 Patienten und Jahr (sog. Patientenjahre), also ein vergleichbarer Nutzen wie in der früheren Studie, die eine Mortalitätsreduktion um 20% zeigte [1]. Aufgrund der volumetrischen Analyse der «Rundherde» und genaueren Informationen bezüglich Form und Grössenzunahme, gab es deutlich weniger falsch positive Befunde. Es scheint, dass ein Screening mit dieser CT-Technik nun Hochrisikopatienten in dieser Altersgruppe zugänglich gemacht werden sollte. Drei Untersuchungen über gut fünf Jahre scheinen im Lichte dieser Studie genügend.
Risikofaktor für das Auftreten einer akuten Niereninsuffizienz
Es gibt eine Reihe von Biomarkern zur Diagnostik und Differenzialdiagnostik (vor allem Unterscheidung zwischen prä- und intrarenaler Ursache) der akuten Niereninsuffizienz. Vom sogenannten SUPAR, ein Kürzel für den komplizierten Namen «soluble urokinase plasminogen activator receptor» wurde eben gezeigt, dass erhöhte Plasma- oder Serumspiegel eine akute Niereninsuffizienz, zum Beispiel vor Koronarangiographie/Herzchirurgie vorhersagen und damit die Basis für eine Prävention, inklusive klinischer Testung verbesserter Präventivmassnahmen, bilden kann. SUPAR wird bei Immunaktivierung und Entzündung produziert und wird aus Granulozyten, Makrophagen und Monozyten freigesetzt. In den Nieren kann sich SUPAR an ein Integrin der Podozyten binden und dadurch zum Podozytenuntergang (mit folgender Proteinurie) und glomerulärer Fibrose/Sklerose führen.
Koronare CT-Untersuchung nach Myokardinfarkt ohne ST-Hebung
Mehr als tausend dänische Patient(inn)en wurden innerhalb von ca. zwei Stunden nach Erleiden eines Nicht-ST-Hebungsinfarktes mit einer koronaren Computertomographie und danach invasiv koronarangiographisch untersucht. Dabei war die Computertomographie in der Lage, sowohl eine relevante koronare Stenose (von >50%) auszuschliessen (negativer Voraussagewert von 91%) als auch eine solche als wahrscheinlich vorauszusagen (positiver Voraussagewert von 88%). Der hohe negative Voraussagewert bedeutet, dass das koronare CT effektiv signifikante Stenosen ausschliessen kann. Dieser Befund, wenn durch «harte» Verlaufsdaten unterstützt, hat wichtige Folgen für die Zahl (akut) durchzuführender Koronarangiographien und die Wahl der Dauer der anti-thrombotischen Therapie.
Global hat hier eine doppelte Bedeutung: Weltweit und umfassend. Ein Konsortium aus vier Kontinenten und insgesamt 774 (!) Institutionen hat bei 38 verschiedenen Tumortypen insgesamt fast 2700 Genome dieser Tumore sequenziert und mit der genomischen Analyse nicht-tumoröser Zellen der gleichen Patient(inn)en verglichen. Für fast die Hälfte der untersuchten Tumore liegt auch eine umfassende Transkriptom-Analyse (Sequenzen/Menge der RNA-Transkripte) vor. Die Zeitschrift Nature hat die wichtigsten Resultate in einer Ausgabe in sechs Einzelartikeln publiziert. Mit Sicherheit ist diese riesige Datenwolke eine Fundgrube für künftig verbesserte und auch personalisierte Diagnosen und Therapien. Auf der nachstehend angegebenen Website finden Sie alle Artikel.
Complementaktivierung wichtig für Thrombose beim Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom (APS)
Antiphospholipid-Antkörper, namentlich Antikörper gegen das Beta-2-Glykoprotein, vermögen – durch einen noch nicht geklärten Mechanismus – Complement zu aktivieren. In Gegenwart eines geeigneten Auslösers wie Entzündung oder Infekte wird so viel Complement aktiviert, dass es via einen zellulären Endothelschaden zu Thrombosen kommt. Bei einer besonders schweren Form des APS (CAPS, «catastrophic anitphospholipid syndrome») liegen oft vorbestehende Mutationen in Complementfaktorgenen vor (Überexpression aktivierender oder Suppression hemmender Regulator-Gene). Monoklonale Antikörper gegen den Complementfaktor 5a verhindern Thrombosen.
1991 wurde eine Fallserie von 143 Patient(inn)en (mit insgesamt 153 Episoden) von Vitamin-B12(Cobalamin)-Mangel-induzierten neurologischen Nebenwirkungen beschrieben. Parästhesien und Ataxie waren die häufigsten Initialsymptome, vom Zeitpunkt der ersten Symptome bis zur Diagnose verstrichen im Durchschnitt vier Monate, eine Perniziosa war die häufigste Ursache des Vitamin-B12-Mangels. Speziell interessant sind die heterogenen neurologischen Manifestationen, die nicht alle primär an einen B12-Mangel denken liessen. Auch die Tatsache, dass bei einem Viertel der Patient(inn)en mit durch Vitamin-B12-Mangel induzierten neurologischen Symptomen sowohl der Hämatokrit als auch das mittlere korpuskuläre Erythrozytenvolumen (MCV) normal waren, ist eine wichtige Erinnerung, dass auch ohne makrozytäre Anämie eine relevante neurologische Pathologie vorliegen kann.
Die parenterale Applikation ist unausgesprochener Teilgrund für die traditionell tiefe Impfrate und – im Falle einer Pandemie – ein ernsthafter Nachteil für grossflächige Impfungen, vor allem in weniger wohlhabenden Weltregionen. Ein neuer Impfstoff verwendet ein nicht replizierfähiges Adenovirus, das ein Influenza-Hämagglutinin exprimiert. Als Adjuvans wird eine Form eines sogenannten «toll like receptors» zur besseren Aktivierung von Immunzellen verwendet. Die Tabletten, welche die Viren enthalten, sind physikalisch so konstruiert, dass die Viren erst im Ileum freigesetzt werden. 90 Tage nach Impfung mit einem quadrivalenten, intramuskulär applizierten Influenzaimpfstoff oder der oralen Vakzine wurde den je etwa 70 Proband(inn)en (inkl. einer Plazebogruppe) nasal 0,5 ml einer H1N1-Influenza-Suspension appliziert. Der Impfstoff reduzierte die Influenza-Sekretion aus dem Respirationstrakt signifikant. Grippale Symptome traten bei beiden Impfstoffen bei etwa einem Drittel, in der Plazebogruppe bei der Hälfte der Exponierten auf. Ein willkommener pharmakotechnischer Fortschritt, allerdings noch kein Durchbruch in der Wirksamkeit der Impfung generell. Die Verträglichkeit des oralen Impfstoffes war sehr gut, Kopfschmerzen waren wie beim traditionellen Impfstoff die am häufigsten beklagte Nebenwirkung.
Die myeloproliferativen Neoplasien, Polycytaemia vera (PV), essentielle Thrombozytose und die primäre Myelofibrose werden durch Mutationen des JAK-2-Gens, MPL(Thrombopoietin-Rezeptor)-Gens oder CALR(Calreticulin-Rezeptor)-Gens verursacht. Direkt oder indirekt wird dabei die Tyrosinkinase (JAK-2) des Erythropoietin- oder des Thrombopoietin-Rezeptors konstitutive (dauernd) aktiviert und die zelluläre Proliferation stimuliert. Zwei neue Befunde [1, 2]: Interferon-alpha erwies sich bei der PV initial etwa gleich wirksam wie Hydroxyharnstoff (Litalir®), war aber signifikant länger fähig, die Krankheit zu kontrollieren (Kontrolle nach 36 Monaten [1]). Bei Hydroxyharnstoff-Resistenz erwies sich Ruxolitinib, ein Inhibitor der JAK-2 (und JAK1) Tyrosinkinase, als signifikant wirksam. Dies ist die erste Alternative für Patient(inn)en, bei denen die Hydroxyharnstoff-Behandlung nicht mehr wirkt.
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