Antibiotikaresistenzen – was unternimmt die Schweiz?
Ein Sonderheft im Rahmen der «Antibiotic Awareness Week»

Antibiotikaresistenzen – was unternimmt die Schweiz?

Editorial
Ausgabe
2018/46
DOI:
https://doi.org/10.4414/smf.2018.03422
Swiss Med Forum. 2018;18(46):939-940

Affiliations
Klinik für Infektiologie und Spitalhygiene, Universitätsspital Basel

Publiziert am 14.11.2018

Antibiotikaresistenzen sind heute in aller Munde. Tatsächlich haben Antibiotika die Mortalität bei vielen ­Infektionskrankheiten mehr als halbiert oder sogar nahezu vollständig eliminiert. Sowohl bei der Meningitis als auch bei der Endokarditis sank die Mortalität dank antibiotischer und teilweise auch chirurgischer Therapie von 80–100 auf unter 20%. Neben dem unmittelbaren Einfluss auf Morbidität und Mortalität gibt es auch eine klare Assoziation zwischen dem Anteil der Infektionskrankheiten an der Todesfallstatistik und dem durchschnittlichen Landeseinkommen. Die Bekämpfung von Infektionskrankheiten hat deshalb nicht nur einen Einfluss auf die Mortalität einer Bevölkerung, sondern auch indirekt auf deren Produktivität.
Die Resistenzentwicklung auf Antibiotika ist kein neues Phänomen, sondern kann in einigen Proben bereits über Jahrhunderte hinweg nachgewiesen werden. Einige der Gründe, warum die Resistenzentwicklung inzwischen eine hohe Priorität erhalten hat, sind die fehlende Entwicklung neuer Antibiotika, der Gütertransport über den gesamten Globus, die Reisefreudigkeit der Bevölkerung mit knapp vier Milliarden Flugpassagieren jährlich und nicht zuletzt auch der Medizintourismus.
Zurzeit ist die Schweiz in einer noch günstigen Lage in Bezug auf Antibiotikaresistenz. Obwohl das Land über eine hervorragende Fachkompetenz im Bereich Infektiologie, Spitalhygiene, Mikrobiologie und Public Health verfügt, war die Koordination zwischen den Kantonen bis zur Einführung des Epidemiengesetzes erschwert. Neu konnte der Bund koordinative Aufgaben übernehmen, wenn Infektionskrankheiten von nationaler Bedeutung an einzelnen Spitälern auftraten. Ein gutes Beispiel ist die aktuelle Epidemie von Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE), wo initial das Inselspital Bern am meisten betroffen war. Der von Australien eingeschleppte Subtyp 796 hat ein hohes epidemiologisches Potenzial und sich daher auch bereits auf mehrere Spitäler verbreitet. Ohne eine nationale Koordination mit Austausch der entsprechenden Informationen wäre es äusserst schwierig, wenn nicht unmöglich, diesen nationalen Outbreak zu kon­trollieren. Dazu gehören nicht nur Fachkenntnisse, sondern auch eine finanzielle Unterstützung für die Tätigkeiten, die zwischen den Kantonen und den Laboratorien zu leisten sind (Tab. 1).
Tabelle 1: Gesellschaften und Vereine sowie ihre Tätigkeiten zur Eindämmung der Antibiotikaresistenzen in der Schweiz.
Gesellschaft/VereinBeispiel/Auszug von Aktivitäten zur Erfassung und Vermeidung von Antibiotika­resistenzen
Antibiotika Resistenz Überwachung Schweiz (ANRESIS)Überwachung von Resistenzen aus Resultaten von mikrobiologischen Laboratorien
Schweizerische ­Gesellschaft für ­Infektiologie (SSI)Richtlinien für Antibiotikatherapie
SwissnosoKonzept «Outbreak Investigation», ­aktuell VRE-Task-Force
Nationale Prävalenz nosokomialer Infektionen in Zusammenarbeit mit anderen ­europäischen Ländern
Händehygiene-Compliance ­(CleanHands)
«Antibiotic Stewardship»
Clostridium-difficile-Surveillance
Schweiz. ­Gesellschaft für ­Mikrobiologie (SGM)Nationales Referenzlaboratorium zur Früherkennung neuer Antibiotikaresistenzen 
und Resistenzmechanismen (NARA)
Viele weitere Aktivitäten anderer Gesellschaften sind aus Platzgründen nicht aufgeführt.
VRE: Vancomycin-resistente Enterokokken
Einige dieser Aktivitäten sind in dieser Ausgabe des Swiss Medical Forum speziell dargelegt:
– Prof. Pietro Vernazza hat die Arbeitsgruppe Antibiotikaverschreibungen geleitet und bereits über zehn Richtlinien in den letzten 16 Monaten publizieren können. Dies ist ein herausragender Meilenstein; sind doch die verschiedenen Richtlinien aus den Sprachregionen als auch den verschiedenen Grös­sen der Kliniken sehr föderalistisch aufgebaut und ist in Analogie zur Politik ein Konsens meist Ausdruck von erheblicher Kompromissarbeit.
– Prof. Andreas Kronenberg leitet seit Jahren das Antibiotika-Resistenz-Netzwerk «ANRESIS», dessen Bedeutung von Jahr zu Jahr zunimmt. Die weitere Entwicklung in Form einer «App» wird die Verbreitung noch wesentlich verbessern und zusammen mit den Antibiotikarichtlinien einen wichtigen Beitrag zum restriktiven Antibiotikaeinsatz erzielen.
– Last but not least müssen wir uns immer bewusst sein, dass Strategien und Konzepte nur sinnvoll sind, wenn sie auch dem einzelnen Patienten einen Vorteil bringen, so dass das Lesen der Fallbeschreibungen in dieser Ausgabe die Brücke zwischen den Konzepten und der klinischen Umsetzung darstellt.
Neben den in der Tabelle 1 aufgeführten Aktivitäten gibt es eine Vielzahl weiterer Gesellschaften wie der Schweizerischen Gesellschaft für Spitalhygiene (SGSH), dem Schweizerischen Verein der Amts- und Spitalapotheker (GSASA) oder PharmaSuisse, die allesamt ihre Beiträge dazu leisten, um die Antibiotikaresistenzen in der Schweiz einzudämmen.
Zentral für die Bewältigung der notwendigen Aufgaben ist auch das entsprechende Fachpersonal. 2012 wurde mit der Schaffung ­eines eidgenössischen Diploms als Fachexpertin/Fachexperte im Gesundheitswesen die Spitalhygiene-Ausbildung im Bereich der Pflege auf eine nationale Basis gesetzt und im Jahr 2018 mit der Schaffung des Schwerpunktes Infektprävention im Rahmen des Facharztes für Infektiologie die entsprechenden Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen, dass das Know-how auch in Zukunft für die Bewältigung dieser Aufgaben zur Verfügung stehen wird.
Das Zusammenspiel optimaler und schneller Diagnostik zur Erfassung resistenter Erreger, die Vermeidung der Verbreitung sowie die Reduktion des Selektionsdrucks durch optimalen Einsatz von Antibiotika sind Werkzeuge, die nur im engen Zusammenspiel die Resistenzlage in der Schweiz auf dem aktuellen Niveau halten oder sogar verbessern können. Das ­Bundesamt für Gesundheit hat sehr frühzeitig die verschiedenen Fachgesellschaften und Aktivitäten einzelner kleinerer ­Organisationen optimal zusammengebracht, die Kräfte gebündelt und durch die Finanzierung der Koordinationsaufgaben die Grundlage geschaffen, dass die Schweiz weiterhin zu den Ländern mit geringster Resistenzlage zählt.
Der Autor hat keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Prof. Dr. med. ­
Andreas F. ­Widmer
Klinik für Infektiologie
und Spitalhygiene
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
CH-4031 Basel
andreas.widmer[at]usb.ch
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